Möglichkeiten der liebevollen/positiven Sanktion im Kontext der

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Möglichkeiten der liebevollen/positiven Sanktion im Kontext der Intensivpädagogik und der
Vergleich ihrer untereinander.
Bachelorarbeit
Vorgelegt von
Anne Fandrich
Studiengang Soziale Arbeit
Im Sommersemester 2014
Erstprüfer: Prof. Dr. phil. Roland Haenselt
Zweitprüfer: Prof. Dr. phil. habil. Volker Kraft
URN: urn:nbn:de:gbv:519-thesis2014-0416-4
Abgabedatum: 27. Juni 2014
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.......................................................................................................................................................3
1.
2.
Arbeitsansätze in der Intensivpädagogik und ihr Sanktionsverhalten ..................................................4
1.1.
Verhaltenstherapeutischer Ansatz ................................................................................................4
1.2.
Konfrontativer Ansatz ...................................................................................................................7
1.3
Systemischer Ansatz ....................................................................................................................10
Entwicklungspsychologie des Menschen in den ersten Lebensjahren ...............................................11
2.1
Entwicklungsphasen ....................................................................................................................12
2.1.1
Phase I (0 – 6 Monate) ........................................................................................................12
2.1.1.1
Fütterungsphase (0 – 3 Monate) ....................................................................................12
2.1.1.2
Bindungsphase (3 – 6 Monate) .......................................................................................14
2.1.2
Phase II (6 – 18 Monate) .....................................................................................................15
2.1.2.1 Subphase Differenzierung und Separation (6. – 9. Monat) ................................................16
2.1.2.2 Subphase Exploration (9. – 18. Monat) ...............................................................................18
2.1.3
Phase III (18 Monate – 3. Lebensjahr) .................................................................................19
2.1.3.1 Subphase Wiederannäherung ............................................................................................. 20
2.1.3.2 Subphase Konsolidierung (Ende des 3. Lebensjahres) ........................................................21
2.2
3.
Mögliche frühe Störungen oft betreuter Kinder in der Intensivpädagogik ................................22
2.2.1
Psychose ..............................................................................................................................22
2.2.2
Borderline - Persönlichkeitsstörung .................................................................................... 23
2.2.3
Narzisstische Persönlichkeitsstörung ..................................................................................25
2.2.4
Neurotische Störung ...........................................................................................................26
Möglichkeiten der positiven Sanktionen unter kontextbezogener Abgrenzung ................................28
3.1
Möglichkeiten aus Perspektive der Bonding Psychotherapie .....................................................29
3.2
Möglichkeiten aus Perspektive des Grönenbacher Modells .......................................................36
3.3
Einbeziehung behavioristischer Vorgehensweisen .....................................................................40
4.
Vergleich der erarbeiteten Methoden untereinander ........................................................................41
5.
Schlussfolgerung .................................................................................................................................43
Literaturverzeichnis .....................................................................................................................................45
Eidesstattliche Erklärung .............................................................................................................................46
Einleitung
Im Folgenden möchte ich in wenigen Worten eine Situation aus meiner nebenberuflichen Tätigkeit beschreiben, die den Anlass zum Thema dieser wissenschaftlichen Arbeit gab: „Nein!“
schrie sie aufgebracht und in einer Lautstärke, die fast meinen Kopf zum Platzen brachte.
„Doch!“ sagte ich bestimmt und konzentriert ruhig. Dieses Spiel spielten wir gefühlt eine Ewigkeit. Und eine Ewigkeit dauert dem Gefühl nach ziemlich lang an. Speziell dann, wenn man sich
überfordert und hilflos fühlt und das trotz vorgegebener Handlungsanleitungen und Sanktionen
als Konsequenz für „Fehlverhalten“. Der Auslöser war die Lautstärke der abgespielten Musik
des Kindes in seinem Zimmer. In diesem Moment stellte ich mir die Frage, ob „vorgegebene
Handlungsanleitungen“ für alle Kinder in der intensivpädagogischen Einrichtung für Kinder und
Jugendliche in gleichem Maße gelten. Und ob die Kinder dann auch „vorgegeben“ sind. Das ist
L., die Borderline – Syndrom Jugendliche und daneben steht J. der Narzisst. Weil jede intensivpädagogische Einrichtung solche Kinder hat. In der Tat kommen Kinder mit solchen Hintergründen oft in besagte Einrichtungen. Es ist jedoch fraglich, ob für jedes Kind die gleiche Sanktion
angewandt werden kann? Und ob die Sanktion als Folge eine Verbesserung des Gemütszustandes hervorruft, oder eine Verschlechterung im Sinne der Frustration? Nun stehen intensivpädagogische Einrichtungen zumeist für enge Strukturen und konsequente Regeleinhaltung. Ich beurteile beides nicht als schlecht. Werden die Regeln eingehalten, so treten keine Probleme auf. Gelingt das jedoch nicht, so folgt eine Konsequenz, eine Strafe, eine Sanktion. Dass es konsequent
bei Jedem so gemacht wird, beugt definitiv dem Gefühl der Ungerechtigkeit vor. Die erlebte
Situation stimmte mich jedoch nachdenklich in Bezug auf die Art der Sanktion, die erfolgt. Wie
oben bereits angesprochen begleitet mich seitdem der Gedanke, ob es nicht auch eine andere Art
von Bestrafung geben könnte, eine, die liebevoll und positiv zugleich wirkt und nicht ausschließlich Frustration zur Folge hat.
In der folgenden Arbeit setzte ich mich mit diesem Thema umfassend auseinander. Ich gebe einen Einblick über die Entwicklungspsychologie des Menschen in seinen ersten Lebensjahren und
welche möglichen frühen Störungen sich in diesem Lebensabschnitt entwickeln können. Diese
Erläuterung dient zur Findung von Möglichkeiten positiver Sanktionierung in Bezug auf die
eventuell früh erworbenen Krankheitsbilderpotenzieller Klientel in der Intensivpädagogik. Die
3
besagten Möglichkeiten halte ich in einem Versuch von verschiedenen erstellten pädagogischen
Instrumenten fest. Für die Erstellung dieser bediente ich mich an bereits vorhandenen Instrumenten aus anderen Konzepten, wie zum Beispiel dem des „Grönenbacher Modells“, welches in der
stationären Behandlung nach den Methoden der Transaktionsanalyse Anklang findet, sich jedoch
lediglich auf das Borderline – Syndrom bezieht. Hier habe ich die erforderlichen Abgrenzungen
getroffen, damit die erstellten Instrumente ihre Wirkung in der Intensivpädagogik nicht verfehlen. Des Weiteren orientierte ich mich am Konzept der „Bondingtherapie“ und bezog auch behavioristische Vorgehensweisen mit ein. Der Begriff „Intensivpädagogik“ bezieht sich in dieser
Arbeit auf das Feld der stationären Unterbringung in der Kinder- und Jugendhilfe.
1.
Arbeitsansätze in der Intensivpädagogik und ihr Sanktionsverhal-
ten
In der intensivpädagogischen Praxis ist es üblich, dass ein Zusammenspiel mehrerer verschiedener Ansätze stattfindet. So hat wohl der verhaltenstherapeutische den größten Anteil, aber auch
Strategien wie die der konfrontativen Pädagogik werden nicht außer Acht gelassen. Auch systemische Methoden sind integriert. Im Folgenden werden die inbegriffenen Ansätze der Intensivpädagogik kurz beleuchtet. Der Fokus liegt hierbei auf dem jeweiligen Sanktionsverhalten der
verwandten Strategien. Von äußerster Wichtigkeit ist es, zu erwähnen, dass dies bei weitem nicht
die einzigen anwendbaren Ansätze der Intensivpädagogik darstellen und es noch zahlreiche andere gibt, auf die hier aus Gründen des beschränkten Umfangs nicht eingegangen werden kann.
1.1.
Verhaltenstherapeutischer Ansatz
Die Verhaltenstherapie ist laut R. Wassmann nicht durch eine allgemein verbindliche und akzeptierte Definition erklärbar (Wassmann, 2000, S. 9). Natürlich existieren trotzdem Definitionsund Erklärungsversuche, wie zum Beispiel der von Edelmann:
„Die Verhaltenstherapie ist eine therapeutische Richtung, die das auf experimentellem Wege
gefundene Gesetz des Lernens anzuwenden versucht. Sie geht davon aus, dass „pathologische“
4
Störungen auf die gleiche Art gelernt werden wie „normales“ Verhalten. Die Therapie stellt ein
„therapeutisches Lernen“ dar, das häufig ein Verlernen oder Umlernen darstellt“ (Edelmann,
1978, S. 90).
Wassmann meint, dass es sinnhafter ist, die Verhaltenstherapie anhand der Beschreibung ihrer
allgemein akzeptierten Merkmale zu erläutern (Menschenbild, Störungsmodell, allgemeine
Grundprinzipien, Methodologie, Anwendungsvoraussetzungen und Behandlungsindikationen)
(Wassmann, 2000, S. 9 ff). Diese Merkmale werden im Folgenden nicht weiter erläutert, da sie
zu umfangreich und nicht relevant im Sinne des in Punkt 1 beschriebenen Fokus stehen.
Eingrenzend und sinnhaft in Bezug auf die Bedeutsamkeit in der Intensivpädagogik sind folgende Informationen:
Die Verhaltenstherapie:
x
betrachtet Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität
x
Verhaltensstörungen sind Ergebnisse von Lernprozessen (Wassmann, 2000, S. 16)
x
ist durch ein spezifisches Störungsmodell vom medizinisch – somatischen Störungsmodell abzugrenzen (Problemdenken statt Erkrankung durch Symptome)
x
ist ein Problemlöse – Prozess (Wassmann, 2000, S. 17)
x
beinhaltet Konditionierungsprinzipien (klassische und operante Konditionierung, Modelllernen) (Wassmann, 2000, S. 21)
Im Rahmen der Intensivpädagogik wird vor allem der Aspekt der Verhaltensveränderung
bzw. -modifikation verwandt. Es wird davon ausgegangen, dass gutes Verhalten erlernbar und
schlechtes ersetzbar (löschbar) ist. Es wird mit positiven und negativen Verstärkern und einigen
Abwandlungen bzw. Erweiterungen und Substrategien dieser gearbeitet. Die Verhaltenstherapie
beinhaltet im operanten Verfahren auch Begriffe wie direkte und Indirekte Bestrafung
(Wassmann, 2000, S. 85 ff)
Bei der direkten Bestrafung folgt auf ein abzubauendes Verhalten ein aversiver (unangenehmer)
Reiz, also die Darbietung eines negativen Verstärkers. Wird nur die direkte Bestrafung an sich
verwandt, führt sie nicht zu einem langfristigen Abbau von unerwünschtem Verhalten. Es unterdrückt dieses lediglich kurzweilig. Noch wichtiger ist, dass ebenfalls kein neues Verhalten erlernt wird (Wassmann, 2000, S. 89 f).
5
Die Methoden der indirekten Bestrafung sind Löschung, Response – Cost und Time – Out. Bei
allen Methoden werden die Konsequenzen, die das Problemverhalten verstärken, entfernt. Es
sollte generell auf ein Verhalten, das konstruktiv ist, hingewiesen werden und auch die alternative Verstärkung für dieses Verhalten sollte verbalisiert werden. Für eine ausführliche Beschreibung der genannten Methoden siehe R. Wassmann, S. 90.
Nun stellt sich die Frage, wo genau die Unterscheidung zwischen einer Bestrafung und einer,
durch zum Beispiel einen Verhaltensvertrag festgehaltene und vereinbarte, Konsequenz liegt.
Von welcher Bedeutung für das emotionale Erleben ist es, ob der Klient die Konsequenz kennt
oder nicht? Spürt der Klient weniger Frust beim Nichterreichen eines Ziels weil er die Strafe
kennt? Auch wurde von R. Wassmann (2000, S. 101) besagt, dass eine Vereinbarung von aversiv
erlebten Konsequenzen für das Nichterreichen eines Ziels eine erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit für das nicht erwünschte Problemverhalten beinhaltet. Dies ist wohl der Dreh- und Angelpunkt jeglicher geäußerter Kritik an der Verhaltenstherapie. Aus meiner Praxis heraus bestätige ich, dass genau dieses Problem oft auftritt. Nicht unerwähnt sollte jedoch auch bleiben, dass
es Abseits dessen natürlich immer auch Prozesse der Konditionierung gibt, die nicht fehlschlagen. Leider ist mir in der Vergangenheit aufgefallen, dass eher der erste Fall öfter eintritt, als der
Letztere. Ich möchte die beschriebene Theorie ergänzend dazu und zum Verständnis mit einem
Beispiel untermauern:
Lisa zeigt stark respektloses, unfreundliches und daraus resultierend aggressives Verhalten. Sie
hat die persönliche Regel, dass sie sich, ihren Mitmenschen gegenüber, respektvoll und freundlich verhalten soll schon seit geraumer Zeit. Erfüllt sie diese Regel nicht, erhält sie ihren Chip,
mit dem sie sich persönliche Gegenstände und soziale Verstärker sowie Freizeit einlösen kann,
für den aktuellen Tag nicht. Dieses Tokensystem soll also als Belohnungssystem gelten. Das
logische, nach dem operanten Konditionieren erfolgende Verhalten wäre also eigentlich das der
Anpassung an die Regel durch Belohnung. Da die Konsequenz (das Verbot des Einlösens von
für Lisa positiven Sachen) jedoch negativ behaftet ist und als aversiv, also unangenehm erlebt
wird, zeigt sie das Problemverhalten der Unfreundlichkeit und Respektlosigkeit vermehrt.
Hier erschließt sich das Hauptthema meiner Arbeit, deren Ziel es ist, positive Sanktionen als
Konsequenz zu nutzen, damit das delinquente Verhalten durch Bedürfnisbefriedigung reduziert
und „verlernt“ wird. Im verhaltenstherapeutischen Ansatz wird von Verhalten als beobachtbarer
Zustand ausgegangen, das problematisch oder anormal ist. Den Bedürfnissen der Klientel wird
dies wenig gerecht, da diese für ihr Fehlverhalten, das letztendlich auf die Nichtbefriedigung
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eines Bedürfnisses zurückgeht, bestraft werden. Die entsprechende Erklärung zur Verbindung
von Verhalten und Gefühlen lassen sich im Verlauf dieser Arbeit nachlesen. In Zusammenhang
mit dieser Nichtbefriedigung stehen Gefühle, sodass sich schlussfolgernd die Frage stellt, ob
Kinder bzw. Jugendliche mit Fehlverhalten im verhaltenstherapeutischen Ansatz für diese bestraft werden.
1.2.
Konfrontativer Ansatz
Nach Rainer Kilb beschrieben ist konfrontative Pädagogik ausdrücklich nicht als eine in sich
geschlossene pädagogische Theorie zu definieren. Sie ist vielmehr ein pädagogischer Handlungsstil, eine Strategie im Kontext eines erzieherischen Prinzips, das auf Demokratie, sowie der
Förderung von Selbstverantwortung in Bezug auf den Klienten ausgerichtet ist. Beim Gebrauch
dieser Handlungsform entscheidet sich ein Pädagoge für das Intervenieren im Sinne der Nichtakzeptanz von Störungen im sozial – kommunikativen Gruppenbezug, dem Verletzen einzelner
Freiheitsrechte oder der Unversehrtheit anderer Personen. Bei der Konfrontation zeigt er dem
Regelverletzer möglichst zeitnah sein regelüberschreitendes Verhalten auf. Als Grundsatz gilt
jedoch dabei, die Person des Regelverletzers im Rahmen der pädagogischen Beziehung ernst zu
nehmen und ihn in allem Maße auf der personalen Ebene zu respektieren (Kilb, 2011, S. 30).
Komponenten der konfrontativen Pädagogik sind in demokratisch – partizipativ – partnerschaftlichen aber auch autoritären Erziehungsrahmen anwendbar (Kilb & Weidner, 2013, S. 85). Ein
autoritativer Erziehungsrahmen kann, zumindest zeitweise, gegeben sein, wenn extreme Regelverletzungen beziehungsweise radikal grenzüberschreitendes Verhalten auftreten. In der intensivpädagogischen Betreuung sind diese Verhaltensmuster, eigenen Erfahrungen nach, des Öfteren gegeben. Für Einrichtungen mit intensivpädagogischem Hintergrund, und somit klar beschriebener Regelstruktur und Praxis der Grenzziehung, ist die konfrontative Methode insofern
bedeutend, dass sie als situationsbezogen – ritualisierte Reaktionsweise und auch als Technik zur
Gesprächsführung einsetzbar ist. Bei letzterem wirkt sie als Folge im Sinne einer Reaktion auf
eine Nichteinhaltung von Regeln. Angewandt wird sie möglichst zeitnah an der Situation, in der
die Regelverletzung auftritt. Dadurch wird eine Entfernung des Verletzers von der Situation
vermieden. Die konfrontative Arbeit wird jedoch, anders als es zunächst den Anschein hat, ursprünglich nicht im Sinne einer Strafe eingesetzt. Aus meiner praktischen Erfahrung kann ich
bestätigen, dass das Konfrontieren des vom Klienten gezeigten Verhaltens durchaus Sinn macht,
7
da sie unter Umständen teilweise nicht über die nötige Realitäts-, Selbst- und Fremdwahrnehmung verfügen. So wird die konfrontative Methode pädagogischen Arbeitens eher im Sinne einer Hilfe angeboten. Dies untermauert auch die Aussage Crains, welche besagt, dass durch die
Konfrontation die „Wahrnehmung der äußeren Realität verbessert...“ wird und „...damit auch die
Anpassung an sie.“. Dies bildet sodann die Grundlage für die bessere Kontrolle der Triebimpulse
und Affekte, denn sie werden so mehr als Ich – Impulse erlebt und weniger als entfremdete Es –
Impulse. Dies ist positiv, da Kinder und Jugendliche für letztere Impulse keine Verantwortung
tragen (Crain, 2005, S. 274). Leider kann diese Hilfe, auf Grund psychischer früher Störungen
oder mangelnder Kognition mancher Klientel, nach eigenen Erfahrungen, oft nicht als jene angenommen werden. Dies lässt sich auch mit Hilfe folgender, von Böhnisch stammenden Aussagen, verdeutlichen. Er meint, dass die Konfrontation als pädagogische Methode unangenehm für
alle Beteiligten ist, da sie eine intervenierende, reflektierende und beurteilende Form innehat.
Was in der Situation geschieht ist, dass der Pädagoge den persönlichen Narzissmus, scheinbar
und oberflächlich stabilisierende persönliche Legitimationsmuster sowie illegale „Bewältigungsmuster“ der Klientel hinterfragt(Vgl. Böhnisch, 2001 in: Kilb & Weidner, 2013, S. 86).
Dies hat sogar zur Folge, dass der Klient in seinem psychischen Gleichgewicht zeitweise destabilisiert und sein Selbstbild erschüttert wird. In Bezug auf die kognitiven Fähigkeiten der Klientel zum Gelingen der Methode sagen Kilb und Weidner in ihrem Buch zur Einführung in die
konfrontative Pädagogik, dass bei den Zielgruppen bestimmte persönliche, kognitive und entwicklungsbezogene Voraussetzungen existent sein müssen. Zu diesen Fähigkeiten gehört unter
anderem, dass die Adressaten sich in andere Rollen hineinversetzen können und reflexive Eigenschaften besitzen. Außerdem ist ein Entwicklungsstand vorauszusetzen, auf dem moralische
Standards auf friktionale Situationen zu beziehen sind. Nun besagt Kilb, dass regelverletzende
Kinder und Jugendliche wohl genau diese Art von Konfrontation, vor allem in ihrer Eindeutigkeit, mehr benötigen, als bisher angenommen (Kilb, 2010, S. 185 ff). Umgekehrt wird jedoch
auch ausgesagt, dass konfrontierendes Arbeiten nicht hilfreich ist bei Personen, die stark autoaggressive und depressive Tendenzen haben, die psychotische Symptome zeigen und bei psychisch
labilen Beziehungstätern (Kilb & Weidner, 2013, S. 93). Abseits dessen benötigt jedoch das ganze Team der Mitarbeiter und andersartig Mitwirkenden auch bestimmte Kompetenzen, um dieses
Mittel der Konfrontation adäquat umsetzen zu können. Adäquat meint in diesem Sinne zum Beispiel, dass für alle Kinder und Jugendlichen ein gleiches Vorgehen im Umgang mit einer Regelverletzung passiert. Ist dies nicht gewährleistet, kann es bei den Kindern und Jugendlichen, eigener Erfahrung nach, zu Frustrationen, Verwirrung und dem Gefühl der ungerechten Behandlung
kommen, was wiederum bedeutet, dass die Konfrontation als eine Strafe erlebt wird und nicht als
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eine Hilfe. Da in den meisten intensivpädagogischen Einrichtungen im Schichtsystem gearbeitet
wird, kann das kongruente Arbeiten nur gewährleistet werden, wenn eine gute Kommunikationsstruktur besteht, die Mitarbeiter sich regelmäßig über ihr Vorgehen im Umgang mit Regelverletzungen austauschen. Durch das Schichtsystem wiederum bedingt, kommt es des Öfteren dazu,
dass einige Mitarbeiter sich mitunter tage- oder sogar wochenlang nicht sehen. Im Folgenden
stelle
ich
auszugsweise
einige
von
Revenstorf
(Therapeutische
Kompetenz
und
Methodenäquivalenz (Vortragsmanuskript), 2008, S. 7 f)verfassten Kompetenzen konfrontativ
arbeitender Fachkräfte dar:
x
Kompetenzen der Diagnostik (besonders die der Entscheidung über Angemessenheit des
Eingriffs in Bezug auf die bestehende Vulnerabilität, des Entwicklungsstandes, der (familien-)biografischen Analyse des Problems)
x
Kompetenzen der Behandlungstechnik (z. B. Fähigkeit zum Erkennen auf welche Problemebene die Intervention ansetzt: Strukturebene, Konfliktebene, Traume, Defizitanalyse,
exzessive Begebenheit, familiäre Einbettung)
x
Beziehungskompetenzen (z. B. Reflexion von Gegenübertragungsmomenten)
x
persönliche Kompetenzen (z. B. Erläuterung eines überzeugenden Erklärungsmodells,
glaubhafte Inszenierung einer Technik)
Revenstorf beschreibt diese Anforderungen als „eher allgemein“. Ausgehend davon, dass in intensivpädagogischen Einrichtungen ein Team von multiprofessionellen Mitarbeitern zusammenwirkt, bedeutet das, dass sowohl Erzieher mit einer weniger weitreichenden Ausbildung, als auch
Sozialarbeiter, Therapeuten und so weiter mit einer höherwertigeren Ausbildung, auf einen gleichen Nenner an Kompetenzen kommen müssen. Ist das nicht der Fall, kann ein Team, ausgehend
von den beschriebenen Kompetenzen nach Revenstorf, nicht nach gleichen Vorgehensweisen
arbeiten.
Schlussfolgernd lässt sich zusammenfassen, dass der konfrontative Ansatz in der Intensivpädagogik nicht als Strafe angewandt wird und zu sehen ist. Laufen jedoch verschiedenste Teile des
Ansatzes nicht richtig ab und arbeitet nicht jeder Mitarbeiter gleich, so kann es beim Klientel
nicht als Hilfe verstanden werden, sondern eher als ein „an den Pranger“ Gestelle und somit als
Strafe. Sobald ein Mitarbeiter den Ansatz nutzt, sollte er absolut in der Lage sein, die hervorgerufene Erschütterung des Selbst der Klientel, in angemessener und sorgsamer Weise aufzufangen, da die Verwendung sonst, meiner Meinung nach, zu viel Schaden im Kind selbst anrichtet.
9
1.3
Systemischer Ansatz
Der systemische Ansatz in der Intensivpädagogik ist von großer Bedeutung. Zu Beginn eine kurze Erläuterung des Systembegriffs: Wilke (Wilke, 1991 in: Hosemann & Geiling, 2013, S. 15)
besagt, dass unter einem System ein Netz von Operationen verstanden wird, welche zusammengehören. Ein Beobachter kann nicht dazugehörige Operationen von diesem Netz abgrenzen.
Operationen sind in diesem Sinne die grundlegenden Aktivitäten eines Systems, wobei das System die Unterscheidung bei der Operation trifft, was es macht und was nicht. Unter dem Gesichtspunkt der Leistungen von Systemen kann analysiert werden, welche Vorteile in der Umwelt von Systemen daraus entstehen, dass sie Aufgaben und Funktionen übernehmen und resultierend daraus bestimmte Effekte als Folge haben (Hosemann & Geiling, 2013, S. 15). Diesen
Prozess bezeichnet man als Emergenz (Luhmann, 1997, in: Hosemann & Geiling, 2013, S. 15),
da eine besondere Leistung, die erbracht wird, besteht, weil Systeme in der Lage sind, Elemente
miteinander zu verbinden.
Für Jugendhilfeeinrichtungen sind die Hilfeformen in Gesetzestexten (SGB VIII (KJHG)) so
definiert, dass es als ein Muss verstanden wird, das Herkunftssystem der Klientel zu berücksichtigen und es die primäre Aufgabe ist, in dieses zurückzuführen. Systemische Denk- und Handlungsansätze können bei der Arbeit im Dialog als Ressourcenentdeckung wirken und Veränderungsprozesse bei Kindern und Jugendlichen anstoßen, motivieren und fördern. So wird der systemische Ansatz in der Sozialarbeit auch als Beziehungsarbeit verstanden (Bertsch & Böing,
2004). Auch Wolf Ritscher beschreibt wichtige Aspekte der systemischen Praxis mit Worten wie
Ressourcenorientierung, Netzwerkarbeit und Problemauflösung (Ritscher, 2008, S. 145 ff).
Aufgabe der Pädagogen in einer Einrichtung mit intensivpädagogischer Betreuung im Sinne der
systemischen Sozialarbeit ist es, die Klientel als ein Glied in seinem System aus Umwelt, Einrichtung, Herkunftsfamilie (oder auch Pflegefamilie u. Ä.) usw. zu sehen und zu begreifen und
Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Ein dysfunktionales System muss wieder in eine Funktionalität gebracht werden. Alle Elemente des Systems müssen beachtet werden. Verändert sich
ein Element, so verändern sich auch alle anderen auf Grund ihrer Wechselwirkung miteinander
(Kleve, 2005) (Hosemann & Geiling, 2013, S. 145). So können als Schlussfolgerung auch Sanktionen als verändernde Handlung eine weitreichende Wirkung auf das ganze System der Klientel
haben. Hier liegt es, meiner Meinung nach, am Pädagogen, die Reichweite der erteilten Sanktion
einzuschätzen und dementsprechend adäquat zu sanktionieren, da sonst eventuell Folgen auftreten können, die ungeahnte Dimensionen erreichen und Frustrationen bis hin zu Beziehungsab10
brüchen schaffen. Teilweise wird die Klientel bei Regelverletzungen oder grenzüberschreitendem Verhalten, eigenen Erfahrungen nach, damit bestraft, dass ihr der Kontakt zu einer Beziehung zu Teilen des persönlichen Systems verboten wird. Es existiert zum Beispiel, eigenen Erfahrungen nach, die Maßnahme, dass Beurlaubungen in die Herkunftsfamilie, bei stationärer
Unterbringung, bei massivem Fehlverhalten, gestrichen werden. Einerseits lässt sich argumentieren, dass der Klient eventuell nicht genügend Anstrengungsbereitschaft zeigte um sich den Zugang zu diesem Teil des Systems zu erarbeiten und zu verdienen, im Gegensatz eher noch gegen
Bestimmungen die mit dem Zugang zum Teil des Systems verbunden sind, verstößt. Andererseits kann diskutiert werden, ob es die richtige Maßnahme ist, die Aufrechterhaltung von Beziehungen zu verbieten und ob dieses dann mehr positive oder negative Auswirkungen auf das Kind
oder den Jugendlichen hat. Ich persönlich würde mich für eine individuelle Handhabung diesbezüglich entscheiden, jedoch mit der Tendenz dazu, dass es mehr negative Auswirkungen hat.
2.
Entwicklungspsychologie des Menschen in den ersten Lebensjah-
ren
Im Folgenden möchte ich einen Einblick in die Entwicklungspsychologie des Menschen nach
Konrad Stauss geben, da sie zum Verständnis des nachkommenden Inhalts essenziell ist.
Stauss versuchte die Erkenntnisse der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie (Mahler,
1975 in: Stauss, 1994, S. 17 f) in die Ansicht der Entwicklung der Ich – Zustände einzuarbeiten.
Unter der Betrachtung und Orientierung an der Transaktionsanalyse und Miteinbeziehung verschiedener Theorien entstand folgendes Bild der Entwicklungspsychologie: der Mensch durchläuft in ihr sechs typische Phasen mit dem Ziel alle seine Ich – Haltungen (Transaktionsanalyse:
Ich – Zustände) zu entwickeln. Verlaufen diese Phasen „ordnungsgemäß“, also ohne Störungen,
ist eine gesunde Persönlichkeitsstruktur die Folge (Childes – Gowell, 1979 in: Stauss, 1994, S.
18). In den genannten Entwicklungsphasen herrschen zentrale Bedürfnisse des Kindes vor und
spezifische Bedürfnisse müssen erfüllt werden. Des Weiteren müssen die für jede Phase typischen Aufgaben erlernt werden, denn nur so kann psychische Energie freigesetzt werden, welche
dafür bestimmt ist die Anforderungen der nachfolgenden (kritischen) Phasen zu meistern. Mit
der Entwicklung der Ich – Zustände und der daraus entstehenden Entwicklungslinie in den einzelnen Phasen ist das Körperselbstbild und die psychische Geburt eines Menschen verbunden. Es
11
bestehen sogenannte Fixierungspunkte zuseiten der Entwicklungslinie. Wenn eine Regression in
einen dieser bestimmten Punkt erfolgt, können verschiedenste autistische, psychotische, schizotypische, borderline – spezifische oder auch narzisstische Störungen evident werden (Stauss,
Stationäre Behandlung nach den Methoden der Transaktionsanalyse. Das Grönenbacher Modell,
1994, S. 18 f).
Unter den anschließenden Punkten werde ich die unterschiedlichen Phasen der Entwicklungspsychologie von Stauss, der sich im Wesentlichen an der Arbeit von Lettner von 1989 orientiert,
chronologisch nach Geschehen erläutern (Stauss, 1994, S. 20 ff).
2.1
Entwicklungsphasen
2.1.1 Phase I (0 – 6 Monate)
In der Phase I der Entwicklungspsychologie wird das Kind – Ich 1 zum Kind – Ich 2 entwickelt.
Im Kind – Ich 1 sitzt die Motivation am Leben teilzunehmen, es steht für die Quelle jeder psychischen Energie und in ihm sind auch alle naturbedingten Basisbedürfnisse verankert. Die erste
Phase wird des Weiteren in folgende Phasen unterteilt:
2.1.1.1 Fütterungsphase (0 – 3 Monate)
Hier sind die Bedürfnisse, die die Physiologie betreffen, vordergründig. Essenziell ist also die
Befriedigung der Basisbedürfnisse wie Trinken, Schlafen, Ausscheiden, Saugen, Körpertemperatur konstant halten und viele mehr.
Die Fütterungsphase beinhaltet die autistische Phase, welche von der dritten bis zur vierten Lebenswoche verläuft. Stauss beschreibt nach Mahler (1975, a in: Stauss, 1994, S. 20 f), dass der
Säugling in dieser Zeit überwiegend schläft oder sich in schlafähnlichen Zuständen befindet, als
wacht. Diese Zeit ist der „normale Autismus“ (zit. nach Mahler, 1975, S. 60 in: Stauss, 1994, S.
21), da das Kleinstkind sich in einem verlängerten „pränatalen Zustand“ befindet und durch eine
sogenannte Reizschranke vor „extremer Stimulierung“ sicher ist. In der Phase des Autismus
handelt es sich laut Lettner primär um die Realisierung der „angeboren Aktionsschemata“. Unterschieden wird hierbei zwischen Aktionsschemata zur Befreiung von Unlustvollen Spannungen
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(Urinieren, Husten, Niesen, Spucken, Defäkieren etc.) und der Realisierung von Aktionsschemata höherer Ordnung, welche der motorischen Entwicklung dienen (in der Fütterungsphase z. B.
Saugen mit Hilfe der „stützenden Funktion“ der Mutter). In der Phase des normalen Autismus ist
ein absolutes irreales subjektives Körperselbst inbegriffen. Würde man dieses darstellen, wäre es
ein einfacher Kreis, da „…weder eine Innenstrukturierung noch eine Objektstrukturierung vorliegt…“ (zit. nach Lettner, 1989 in: Stauss, 1994, S. 21).
Die bereits erwähnte Reizschranke beginnt im Zeitraum der 3. oder 4. Lebenswoche zu brechen.
Mahler bezeichnete sie als die „autistische Schale“ (1975, S. 62 in: Stauss, 1994, S. 22). Die
Aufgabe der Mutter währenddessen ist von großer Bedeutung, da sie nun dafür verantwortlich
ist, die Spannungen, die durch zahlreiche Stimulierungen entstehen, zu dezimieren. Sie muss
also entsprechend eingreifen (ihre „entlastende Funktion“ ausführen), da der Säugling ansonsten
an einer Reizüberflutung leidet, welche er durch Schreien etc. ausdrückt.
In der Entwicklungslinie der psychischen Strukturbildung ist, im Gegensatz zu der des Körperselbst, hauptsächlich die Entwicklung der einzelnen Ich – Haltungen inbegriffen. Die Mutter
spielt eine bedeutende Rolle beim Erleben von Lust und Unlust beim Säugling. Das Gelingen der
Befriedigung der Basisbedürfnisse des Kindes hat Lust zur Folge, andersrum die Nichtbefriedigung Unlust. Als erste ontogenetische Grundlage des späteren Spaltungsmechanismus eines
Säuglings erscheint das Lernen des Unterscheidenszwischen lustbetonten, und somit guten, und
bösen Erfahrungen. Dieser physiologische Prozess verläuft über die Zeit auf der vegetativen Erregungsebene, wobei das Erleben von Lust den Parasympaticotonus stimuliert und das von Unlust den Sympaticotus. Durch die entstehende zunehmende neurologische Reife, kann die nächste Maßnahme der Strukturbildung veranlasst werden. Der Säugling ist fähig nun „Teilobjekte“
(Quellen der Lust und Unlust für das Kleinstkind) der Mutter zu verinnerlichen (z. B. die „gute“
oder „böse“ Brust, den liebevollen Blick, die stützende und entlastende Funktion der Mutter
etc.). Das Internalisieren mit dem jeweiligen guten (Lust) oder bösen (Unlust) Teilobjekt ist im
Umkehrschluss affektiv durch die vegetative Erregungslage mit dem guten oder bösen Selbsterleben verbunden. Bei der Internalisierung der Teilobjekte unterscheidet der Säugling noch nicht
zwischen Innen und Außen(Woods und Woods, 1982 in: Stauss, 1994, S. 23 f).
Abschließend kann man sagen, dass sich die Beziehungserfahrungen, die das Kind mit der Mutter macht, in der Verinnerlichung der guten und bösen Teilobjekte strukturell niederschlagen.
Ein krankhaftes Zurückfallen in diese Phase der gespaltenen und undifferenzierten Teilobjekte
wäre der Autismus.
13
2.1.1.2 Bindungsphase (3 – 6 Monate)
In der Bindungsphase strukturieren Babys ihre Zeit zumeist mit dem Aufbau einer Beziehung zur
Mutter. Ziel des Verhaltens ist es, eine Einheit mit der Mutter zu bilden, indem es sich aktiv an
diese klammert. Es ist daran interessiert, was in der Umgebung abläuft. Eine zentrale Bedeutung
spielt neben der guten materiellen Versorgung auch die bedingungslose Zuwendung. Diese sollte
körperlich sowie auch emotional vollzogen werden, zum Beispiel durch das Erlauben des unbekümmerten Anschauens, säugen oder Fläschchen geben und auch Zuwendung annehmen und
Blickkontakt halten etc. (optimale Symbiose).
Von besonderer Bedeutung ist die Aufgabe der Phase: eine psychologische Bindung zu anderen
Menschen aufzubauen. Dies ist der Grundstein für alle späteren menschlichen Beziehungen. Des
Weiteren lernt das Kind in dieser Phase, dass es Trost und Entlastung bei anderen Menschen
finden kann, vorausgesetzt, die Mutter erfüllt ihre entlastende Funktion. Diese ist vonnöten,
wenn das Kind unlustvolle Gefühle bei der Nichtbefriedigung seiner Bedürfnisse erlebt. Weitergehend kann das Kind noch nicht zwischen seinen eigenen und den Gefühlen anderer Beziehungspersonen unterscheiden. So kann zum Beispiel der Schmerz der Mutter auf das Kind übertragen werden und umgekehrt.
In der Bindungsphase sind die Bedürfnisse von körperlicher und emotionaler Intimität von absoluter Wichtigkeit. Um die Tiefensensibilität zu entwickeln, will das Kind am ganzen Körper berührt werden.
Im Körperselbst findet eine Veränderung vom absoluten irrealen subjektiven Körperselbst zum
irrealen symbiotischen Körperselbst statt. Das Körperleben des Kindes wird verlagert – von innen nach außen. Es vollzieht sich eine innere Differenzierung in Form eines Kernes mit einer
äußeren Schichtim Körperbild. Diese Schalenstruktur dient zur Wahrnehmung der inneren und
äußeren Grenze, da sie zur Abgrenzung des Körperselbst zur Objektwelt dient. Das, was der
Säugling im Inneren wahrnimmt und empfindet bildet den Kern des Selbst. Es ist anzunehmen,
dass dieser die Wurzel des Selbstgefühls ist, um den „…herum sich das Identitätsgefühl
formt.“(zit. nach Greenacre, 1958, Mahler, 1958b, Rose, 1964, 1966 in: Stauss, 1994, S.
26)(Mahler, 1975, S. 66 in: Stauss, 1994, S. 26).
Bei der Strukturbildung schaffen die internalisierten Teilobjekte nun ein gutes und ein böses Bild
der Mutter. Sie werden zu zwei entgegengesetzten Eltern – Ich 1 Bildern verschmolzen. Hierbei
werden die guten und befriedigten Erfahrungen mit der Mutter in das Eltern – Ich 1 gut (plus)
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gespeichert und die frustrierenden in das Eltern – Ich 1 böse (minus) gelegt, welche als polar
entgegengesetzte, in der Psyche stattfindende Strukturen fixiert sind. Dies geschieht durch die
Erinnerungsspuren.
Die entstandenen inneren Bilder des Eltern – Ichs 1 (gut und böse), sind Objektrepräsentanten,
die aufgebaut werden. Abseits dessen werden aber auch innere Bilder des Selbsterlebens ausgebaut, die Selbstrepräsentanzen. Sie sind durch gute Gefühle bei gelingender Versorgung und
durch schlechte Gefühle bei nicht gelingender Versorgung existent (Woods und Woods, 1982 in:
Stauss, 1994, S. 27).
Die Selbst- und Objektrepräsentanzen sind in der Bindungsphase noch nicht voneinander differenziert. Sie sind jedoch durch die Spaltung („ganz gut“ oder „ganz böse“) voneinander getrennt.
Im Vordergrund steht in dieser Phase die Einordnung der Erfahrungen nach der Qualität „lustvoll“ oder „unlustvoll“. Das Kind ordnet weniger nach den Kategorien innen oder außen (Rohde
– Dachser, 1986, S. 136 in: Stauss, 1994, S. 27).
Wenn eine pathologische Regression in diesen Bereich der gespaltenen, aber undifferenzierten
Selbst- und Objektbilder stattfindet, spricht man typischerweise von einer Psychose.
2.1.2 Phase II (6 – 18 Monate)
In der zweiten Entwicklungsphase bildet sich innerhalb aus dem Kind – Ich 2 das Erwachsenen –
Ich 1, wodurch das Kind zunehmend befähigt wird, sich als einzelnes Lebewesen getrennt von
der Mutter zu erleben. In Phase II beginnt zeitlich die Separations- und Individuationsphase,
welche nach Magret Mahler in folgende vier Subphasen eingeteilt wird (Mahler, 1975 in: Stauss,
1994, S. 29):
1. Subphase: Differenzierung oder Separation
2. Subphase: Üben oder Exploration
3. Subphase: Wiederannäherung
4. Subphase: Konsolidierung und Objektkonstanz
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Subphase 1 und 2 finden in Phase II statt. Ihre Bewältigung bedingt die Entwicklung des Erwachsenen – Ich 1. Dieses ist wesentlich, da das Kind sich nur so separat von der Mutter erleben
kann. Es zeigt ein umfassendes Explorationsverhalten und hat das Bedürfnis alles zu untersuchen, das es zu untersuchen gibt. Es scheint fast so, als würde es in einer Liebesbeziehung zur
(Um-)Welt stehen. Des Weiteren ist das Erwachsenen – Ich 1 die Grundlage für die Entwicklung
des Erwachsenen – Ichs 2 (Greenacre, 1957, zit. nach Mahler, 1975, S. 93 in: Stauss, 1994, S.
29)
2.1.2.1 Subphase Differenzierung und Separation (6. – 9. Monat)
Das Kind beginnt, deutlich durch Verhaltensweisen, sich ab dem 6. Monat zu individualisieren
und aus der Symbiose mit der Mutter zu lösen. So wie das Kind die Umwelt erforscht, will es
das auch mit der Mutter. Der Säugling möchte sie besser sehen, sie erforschen, anfassen, riechen,
schmecken und so weiter, was bedeutet, dass eine allmähliche Unterscheidung zwischen dem
Körperbild des Kindes und dem der Mutter entsteht. Durch die beschriebenen Aktionen werden
die eigenen Körpergrenzen überprüft, was das Ausbrechen aus der „Zwei – Einheit“ mit der
Mutter zur Folge hat. Der Säugling möchte der Mutter ein wenig fern sein und interessiert sich
gleichzeitig sehr für sie. Er macht sich mit den Eigenschaften der Mutter vertraut (Ton der
Stimme, Geruch, etc.) und vergleicht sie mit anderen Menschen („Nachprüfen“ nach Mahler,
1975, S. 76 in: Stauss, 1994, S. 30). Für sein unbändiges Explorationsverhalten steht auch, dass
er bei Fremden zu Beginn eine gewisse Angst zeigt, sobald diese jedoch ihren Blick abwenden,
werden sie neugierig untersucht.
Zusammenfassend ist es die Entwicklungsaufgabe aus der Symbiose auszuschlüpfen. Das Kind
ist nun zielgerichteter, ausdauernder und wacher. Es hat das Bedürfnis sich getrennt von der
Mutter zu erleben.
Die Phase der Differenzierung war im Gegensatz zu der der Separation hauptsächlich durch die
spezifische Subjekt Organisation gekennzeichnet. In letzterer fängt die spezifische Subjekt –
Objekt – Organisation des Körperselbst an. Reize von außen stellen nicht mehr eine Überforderung dar, sondern sind nunmehr für die Schalenstrukturierung zuständig und fördern diese. Mit
Beginn der Separationsphase (6. – 9. Monat) werden Objekte aus der Außenwelt nur unscharf
wahrgenommen. Im Verlauf werden sie dann bisweilen scharf und deutlich und verschwimmen
dann aber wieder. Zum Ende der Differenzierungs- und Separationsphase (12. - 13. Monat) ist
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die „Scharfstellung“ so weit fortgeschritten, dass sich das Kind differenziert von der Mutter
wahrnimmt, eine klare Differenzierung der immer noch gespaltenen Selbst und Objektrepräsentanzen vorliegt und es gleichzeitig zu einer steigenden Objektstrukturierung. Trotz des erlernten
Trennungsprozesses steht die Autonomieentwicklung des Kindes noch ganz am Anfang, es
steckt sozusagen noch in den Kinderschuhen. Das Kind möchte sich Distanz schaffen, befindet
sich jedoch noch im umgebenden Mutterkörper, denn die Mutter ist allgegenwärtig. Ein Säugling
fühlt sich überlastet, wenn eine Objektdominanz vorherrscht und so eine zu geringe Distanz entsteht. Im Umkehrschluss fühlt er sich bei Objektkonstanz, durch eine zu große Distanz einsam
und verlassen (Lettner, 1989 in: Stauss, 1994, S. 32).
Das Kind ist in der Lage zu lernen, zwischen verschiedenen Gefühlen (Wut, Angst, Freude,
Schmerz) und körperlichen Sensationen zu unterscheiden. Diese Gefühle treten in Verbindung
mit gewissen Situationen auf. So fühlt ein Kleinstkind sich bei Gehemmtheit wütend, fühlt
Schmerz und Trauer, wenn es einen Verlust spürt oder Angst bei lauten, unerwarteten Geräuschen und beim Verlassenwerden. Das Kind kann, obwohl es die Gefühle differenzieren kann,
nicht den Grund selbiger ausmachen und sie werden oft als von anderen verursacht erlebt.
In der Differenzierungs- und Separationsphase werden die Spaltungen zwischen positiven und
negativen Teileinheiten aufrechterhalten. Wichtig ist, dass das gute Selbstbild und gute Objekte
trennscharf vom negativen Selbstbild und bösen Objekten gesehen werden.
Es wäre typisch für eine schizotypische Persönlichkeitsstörung, wenn eine pathologische Regression in diesen Bereich der gespaltenen, aber noch nicht trennscharf voneinander differenzierten
Selbst- und Objektbilder stattfindet. Sind die Selbst- und Objektbilder gespalten, aber klar voneinander differenziert, spricht dies für eine Borderline – Persönlichkeitsstörung.
17
2.1.2.2 Subphase Exploration (9. – 18. Monat)
Wenn sich das Kind im 9. – 18. Monat befindet, spielt die Exploration die größte Rolle. Das
Kind benötigt hier die optimale Distanz zur Mutter. Da hier wieder die Aktionsschemata höherer
Ordnung greifen, das Kind also anfängt zu krabbeln, zu klettern und so weiter, kann es sich aufrecken und die Mutter aktiv verlassen. In dieser Phase spielen narzisstische Allmachtsfantasien
eine bedeutende Rolle. Das Kind begreift sich als Nabel der Welt und das Selbstwertgefühl und
die Stimmung sind auf dem höchsten Stand. Es herrscht eine maßlose Funktionslust.
Die Mutter spielt während dieser Zeit, so könnte man sagen, einen emotionalen Energiespender.
Das Kind begreift die Mutter als Ladestation zum „emotionalen Auftanken“, wenn es sich von
seiner Lust am Abenteuer ausruhen und erneut beleben will (zit. nach Mahler, 1975, s. 92 in:
Stauss, 1994, S 36).
Des Weiteren wird die Mutter als eine brillante Ausdehnung des Körperselbst erlebt. Das Kind
überschätzt seine Allmacht maßlos (denn auch das Hinfallen und Frustrationen kann es jetzt gut
tolerieren) und ist fest davon überzeugt die magischen Kräfte der Mutter zu besitzen und ihr
Herrscher ist.
Mit steigenden Aktionsschemata höherer Ordnung erweitert sich der Aktionsradius des Kindes.
In der Phase des Übens und der Exploration erlernt das Kind die Zusammenhänge der Welt, was
essenziell für die Entwicklung des Erwachsenen – Ichs ist. Es begreift zunehmend, zwischen
Menschen, Tieren Dingen, zwischen tot und lebendig zu unterscheiden, lernt perspektivisch zu
sehen und kann Unlust nun besser ausdrücken (z. B. durch Rufen und Schreien). Ein Problem
kann in dieser Phase auftreten, wenn Gefühle nicht geäußert werden dürfen. Denn das Kind versteht nun nicht mehr alle Gefühle als seine eigenen, es lernt, sie von denen der Mutter zu trennen, kann aber auch gleichzeitig das fühlen lernen, was die Mutter augenblicklich empfindet.
Dieser Prozess ist maßgeblich für das Lernen des Übersetzens von Gefühlen (z. B. Wut in Angst
übersetzen). Ist es nun so, dass es dem Kind nicht erlaubt wird, seine Gefühle zu äußern, so
herrscht Verwirrung und als Folge können Angst und Trauer auftreten. Wenn nach dem Äußern
eines Gefühls auf Grund von Ignoranz keine Wiederherstellung der davor gewesenen Situation
geschieht, können Depressionen auftreten, da die Bedürfnisse nicht entsprechend befriedigt wurden. Kommt es dazu, dass resultierend daraus auch körperliche Symptome und Beschwerden
entstehen, kann das Kind dann nicht mehr den Zusammenhang zwischen körperlicher Wahrnehmung und verschiedenen Gefühlen herstellen.
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In der Phase der Übung und Exploration handelt es sich maßgeblich um die Antinomie Allmacht
und Ohnmacht. Da sich die narzisstischen Allmachtsgefühle auf dem höchsten Punkt befinden,
wird die Realität noch nicht in vollen Zügen wahrgenommen, um Erfahrungen der eigenen Begrenztheit und Verletzbarkeit, also der Ohnmacht, zu vermeiden. Die Mutter hat die Funktion
und Aufgabe, die Großartigkeit des Kindes zu spiegeln. Kommt sie dieser Aufgabe nicht nach,
erlebt das Kind besagt Ohnmacht. Durch die Erfahrung von Allmacht und Ohnmacht werden
zwei Selbst- und Objektbilder, die durch die Spaltung getrennt sind, verinnerlicht. Diese werden
nicht mehr wie in den Phasen davor von Lust und Unlust, beziehungsweise Gut und Böse bestimmt, sondern von den Erfahrungen durch Allmacht und Ohnmacht.
Klientel mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung befinden sich oft in einer Regression
dieser Phase der gespaltenen (Macht/Ohnmacht), jedoch klar voneinander getrennten Selbst- und
Objektbilder, wobei die eigene Grandiosität (Allmacht) aufrechterhalten und die Ohnmacht hingegen verleugnet wird.
2.1.3 Phase III (18 Monate – 3. Lebensjahr)
In Phase drei sind die kognitiven Funktionen in der Regel so weit ausgebildet, dass nun die Entwicklung des Erwachsenen – Ich 2 beginnt. Laut Piaget beginnt in der dritten Phase auch die
Entwicklung der begrifflichen Intelligenz, welche neben der freien Fortbewegung die „mächtigen Organisatoren“ (Spitz, 1965, zit. Nach Mahler, 1985, S. 101 in: Stauss, 1994, S. 40) sind,
die den Verlauf der psychischen Geburt vorantreiben. Dieser hat das Ziel, dass sich das Kind als
eigenständige Identität begreift und somit als individuelle Einheit erlebt (Mahler, 1975, j in:
Stauss, 1994, S. 40). Das Hauptbedürfnis des Kindes in dieser Phase ist das nach Informationen.
Es will alles wissen und wertet die abgefragten Informationen nach Sinnhaftigkeit aus und passt
sich dementsprechend an. Ein weiteres Bedürfnis von großer Bedeutung ist das nach Klarheit
und konsequenten Grenzen. In dieser Phase ist es typisch, dass das Kind jedoch auch versucht,
durch einen Machtkampf, die Grenzen auszutesten und zu verschieben. Aufgabe der Mutter ist
nun die zunehmende Übernahme der entlastenden Funktion. Sie beinhaltet das Beibringen sozialer Kompetenzen, damit das Kind die Welt mit anderen zu Teilen lernt. Das Kind muss optimal
frustriert werden, denn nur so kann es sowohl symbiotische Wünsche als auch Allmachtswünsche abbauen.
19
Die Subphasen I und II fielen, zeitlich gesehen, in die zweite Entwicklungsphase. Die Subphasen
III und IV vollziehen sich in der dritten Entwicklungsphase.
2.1.3.1 Subphase Wiederannäherung
In dieser Phase tritt die „Wiederannäherungskrise“ auf. Das Kind lernt allmählich, dass seine
Liebesobjekte, also die Eltern, differenzierte Einzelwesen sind, die vor allem auch eigene Interessen haben. Es erweist sich als schmerzhaft für das Kind seine Vorstellungen der eigenen
Großartigkeit, sowie die emotionale Disponibilität der Objekte, aufzugeben. Die Wiederannäherungskrise ist wie ein Kampf, in dem das Kind anerkennen muss, dass seine und die Wünsche
der Mutter nicht zwingend übereinstimmen. Die Allgewalt des „Größenwahnsinnigen Herrschers“ wird in Frage gestellt.
Ein weiteres Problem stellt der Loyalitätskonflikt dar. Er tritt auf, da das Kind es als eine Bedrohung auffasst, wenn andere Personen eine reale Bedeutung für es bekommen. Es zweifelt an seiner Loyalität zur Mutter, da es sonst ausschließlich eine Beziehung mit ihr hatte (Lettner, 1989
in: Stauss, 1994, S. 40 f).
Die Entwicklungsaufgabe in der Phase der Wiederannäherung besteht im Vereinen zweier
menschlicher Grundpolaritäten:
Symbiose – Individuation
Allmacht – Ohnmacht
Dass dies sehr schwierig für ein Kind ist, merkt eine Mutter daran, dass das Kind einerseits absolute Zuwendung und den Zuspruch ihrerseits benötigt, andererseits aber schnell weggestoßen
wird. Das Kind hat mit Stimmungsschwankungen (plötzlich auftretende Unzufriedenheit, Unersättlichkeit, Wutausbrüche) zu kämpfen, was die Beziehung zur Mutter als stabil – instabil bezeichnet. Diese Wiederannäherungskämpfe lassen ab dem 21. Monat nach. In der Wiederannäherung wagt das Kind den ersten Versuch, seinen glorifizierten Traum, der die Vorstellung von
Grandiosität und Symbiose innehat, mit der Lebenswahrheit des Seins in eine Kongruenz zu
bringen, welche wiederum das Getrenntsein und die Begrenztheit beinhaltet (Johnson, 1987, b
in: Stauss, 1994, S. 42). Durch dieses Korrigieren der Fantasien der Realität findet auch eine
Annäherung an diese statt. Hierbei ist die vorherige Entwicklung des Erwachsenen – Ich von
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Bedeutung und gleichsam die Voraussetzung, da das Kind dadurch strukturell in der Lage ist,
sich der äußeren Realität anzunähern, ohne dabei die Innere zu verleugnen. Die Spaltung wird
durch die Integration der guten und bösen Objekt- und Selbstrepräsentanzen und narzisstischen
Allmacht und Ohnmacht aufgehoben. Durch diesen Prozess findet eine Festigung des vorhandenen Selbstwertgefühls statt (Settlage, 1977 in: Stauss, 1994, S. 42 f). Damit das Körperschema
realer werden kann, d.h. Körpergrenzen und -dimensionen realer werden, ist eine optimale Frustration erforderlich.
„Mädchen werden häufiger von ihren Eltern als Objekte zur Befriedigung anhaltender symbiotischer Bedürfnisse benutzt, während Jungen eher als Objekte unangemessener Idealisierung benutzt werden (zit. nach Johnson, 1987, c in: Stauss, 1994)“. Dieser Ausspruch würde erklären,
warum, abgesehen von soziokulturellen Faktoren, zwei Drittel aller Borderline Patienten Frauen
sind und eine große Anzahl an Männern unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden
(Stauss, 1994, S. 44).
2.1.3.2 Subphase Konsolidierung (Ende des 3. Lebensjahres)
Das Kind ist nun fähig, die Mutter als ganze Person zu lieben. Es begreift die Mutter nicht mehr
als entweder gut oder böse, sondern kann beide Eigenschaften in ihr internalisieren, was die Voraussetzung für Beziehungskonstanz und die Entwicklung eines relativ stabilen Selbstwertgefühls ist. Durch die nun vorhandene echte Bindung zur Mutter, ist das Kind in der Lage, die Abwesenheit der Mutter zu ertragen, ohne aus dem emotionalen Gleichgewicht zu kommen. Dies
geschieht mit Hilfe des nun entwickelten inneren Bildes der Mutter (gute – böse Mutter). Das ist
unter anderem die Entwicklungsaufgabe der Konsolidierungsphase, denn das Kind kann bei Absenz der Mutter auf das verinnerlichte Bild zurückgreifen. Außerdem gehört die bereits erwähnte
Spaltung und somit Aufgabe der Allmachtsfantasien und Wünsche nach Symbiose dazu, sodass
das Kind die Begrenzung und das Getrenntsein tolerieren kann. Der Nachkömmling muss weiterhin lernen, logisch zu denken und sich auch anderen anpassen. Glaubt man Kouwenhoven
(1985 in: Stauss, 1994, S. 45), so lernt das Kind, mit anderen zusammenzuarbeiten. Dies kann
nur geschehen, wenn es seine narzisstischen Züge aufgibt, seine Bedürfnisse in adäquater Art
und Weise mitteilt, um sie so in Absprache mit anderen stillen zu können. Des Weiteren muss
das Kind lernen, sich zu beherrschen, Informationen behalten und auch lernen einzuschätzen,
21
welche Konsequenzen sein Verhalten für die jeweilige Beziehung hat und was das Verhalten bei
anderen auslöst. Das Kind trauert seiner Grandiosität in dieser Phase oft hinterher.
Betrachtet man das Körperselbst des Kindes, so ist zu merken, dass es nun auf seine normale
Größe „schrumpft“, die Mutter also nun ein echtes Gegenüber ist. In dieser Phase wird das dreidimensionale Erleben entwickelt und im Körpererleben findet dreidimensionale Wirklichkeit
ihren Sitz. Es entsteht die „reale Mutter“ und dieses bereits erwähnte Bild (mit der Fusionierung
von gut und böse) wird in das Eltern – Ich 1 übernommen. Die Realität wird nun in allen Aspekten wahrgenommen.
Der Verschmelzung guter und böser Selbst- und Objektrepräsentanzen entspringt ein relativ realistisches Selbstbild, bei dem auch die Objekte realistisch wahrgenommen werden. Dies ist der
„Angelpunkt der Entwicklung“ (Blanck und Blanck, 1979, S. 79 in: Stauss, 1994, S. 46 f).Das
Kind kann die Objekte ambivalent erleben, was bedeutet, dass es lernt, Beziehungen nicht zu
verwerfen, sondern zu erhalten, wenn gegensätzliche Gefühle auftreten (Liebe – Hass).
Durch die Verschmelzung und daraus resultierender Aufhebung der Spaltung eignet sich das
Kind die Fähigkeit zur Objekt- und Beziehungskonstanz an, was nach Mahler die psychische
Geburt darstellt.
2.2
Mögliche frühe Störungen oft betreuter Kinder in der Intensivpädagogik
2.2.1 Psychose
Bei einer Psychose findet, psychoanalytisch gesehen, eine pathologische Regression in den Bereich der gespaltenen, aber undifferenzierten Selbst- und Objektbilder statt. Dies geschieht um
den sechsten Lebensmonat und ein wenig darüber hinaus, wenn das Ich noch nicht lange existent
ist (Greenacre, 1953 in: Fonagy & Target, 2006, S. 102).Psychotische Patienten leiden, auf
Grund einer zunehmenden Verschmelzung der Selbst- und Objektrepräsentanzen, an einer Verminderung der Realitätsprüfung (Jacobson, 1964 in: Stauss, 1994, S. 67)
Allgemein gesehen ist die Psychose durch eine erhebliche Beeinträchtigung psychischer Funktionen gekennzeichnet. Diese schließt krankhafte Geisteszustände ein. Als Psychose lassen sich
psychische Zustände beschreiben, in denen Veränderungen im Erleben und Verhalten des Betroffenen beobachten lassen. Dies bedeutet weiterführend, dass Veränderungen in der Wahrneh22
mung, dem Denken und Fühlen, den Gefühlsreaktionen und Körperwahrnehmungen beständig
sind. Weitere Symptome sind der Realitätsverlust, Halluzinationen und vor allem Wahn. Der
Betroffene kann nicht zwischen Wirklichkeit und Fantasie unterscheiden und ist der Annahme,
dass seine Umwelt sich verändert hat und nicht er selbst. Dies hat zur Folge, dass er sie als bedrohlich und beängstigend empfindet, statt vertraut und selbstverständlich. durch die fehlende
Einsicht, die Veränderung seines Selbst betreffend kann er auch keine Krankheitseinsicht erreichen. Weiterhin leidet der Betroffene an formalen und inhaltlichen Denkstörungen, Ich – Störungen, Affektverflachung und Freudlosigkeit. Die Ursachen sind aufzuteilen in exogen (organisch) und endogen (nicht organisch). Bei den exogenen Ursachen lassen sich zum Beispiel Drogen als Beispiel nennen. In Bezug auf die endogenen Psychosen ist festzustellen, dass sie unter
anderem Bestandteil von Schizophrenien, schizoaffektive Störungen und affektiven Störungen
wie Manien, bipolaren Störungen und Depressionen sind. Die Ursache für endogene Psychosen
ist jedoch unklar. Es wird vermutet, dass nicht nur ein Grund für ihre Entstehung ausschlaggebend ist, sondern das Zusammenwirken mehrerer Umstände. Es wird außerdem die Vermutung
angestellt, dass Hirnstoffwechsel Fehlregulationen eine Rolle spielen. Im Klassifikationssystem
der ICD – 10 ist der Begriff der Psychose nur eingeschränkt gebraucht, da die Vielfältigkeit der
Symptome sich bei den verschiedenen Menschen unterschiedlich äußern und sich die Symptome
im Verlauf der Erkrankung verändern können. Abschließend ist zu sagen, dass die Psychose als
ein Überbegriff für verschiedenartige psychische Erkrankungen gilt und jede Psychose ihre eigene Geschichte mitbringt (Büttner, 2012)
2.2.2 Borderline - Persönlichkeitsstörung
Buie und Adler beschrieben die Borderline - Persönlichkeitsstörung, als Entwicklungsmodell der
Psychopathologie, von Kohut, so:
Borderline - Patienten leiden unter zusammenhanglosem Denken, dem Gefühl, die innere Integrität verloren zu haben, der Angst, die Kontrolle über das Funktionieren des Selbst zu verlieren
und auch leiden sie an der Angst, in Stücke zu brechen (Buie und Adler, 1982, S. 62 in: Fonagy
& Target, 2006, S. 240 f). Des Weiteren sind Gefühle wie das der Unwirklichkeit, der Taubheit
und dem der inneren Leere existent (Adler, 1981, S. 46 in: Fonagy & Target, 2006, S. 241). Adler vertrat weiterhin den Standpunkt, dass die fundamentale Entwicklungspathologie von Menschen mit einer Borderline - Persönlichkeitsstörung, unter dem Gewicht der Selbstpsychologie,
23
darin bestünde, dass sie unfähig sind lebendige Erinnerungen an Objekte zu aktivieren. Sie haben
so keine Möglichkeit an Selbstobjekten festzuhalten, die beruhigend auf ihr Selbst wirken könnten. So entsteht die bereits erwähnte innere Leere, denn ohne Introjekte kann das Selbst nicht
angemessen organisiert werden. Auch Gefühle der Wut kommen vor, wenn zum Beispiel die
intensiven Beziehungen des Borderline – Patienten sich in Gefahr befinden durch Trennungen
oder andere Umstände zu zerbrechen. Dieser so entstehenden Vernichtungsangst ist er schutzlos
ausgeliefert, weshalb der Wutausbruch als schützende Maßnahme fungiert. Die mangelnde Fähigkeit zur Aktivierung der Erinnerung an belebte Objekte kann erklären, warum manche
Borderline – Patienten ihren Therapeuten oder andere Bezugspersonen emotional nicht wiedererkennen, wenn sie Situationen erleiden, in denen sie Panik oder Wut verspüren. Diese Theorie
der Borderline – Persönlichkeitsstörung ist ein eine Defizittheorie, was bedeutet, dass ein Kind
ein wesentliches psychisches Defizit erleidet und in Folge dessen ein deplaciert entwickeltes
Selbstgefühl hat, wenn ihm die erforderlichen entwicklungsfördernden Erfahrungen vorenthalten
bleiben. Das Borderline Individuum versucht mit seinen charakteristischen Manifestationen, sich
mit den Grenzen seiner inneren psychischen Welt zu arrangieren.
Bezogen auf die strukturelle Diagnostik ist bei Borderline – Patienten zwar die Differenzierung
der Selbst- und Objektrepräsentanzen erfolgreich verlaufen, jedoch gelingt es ihnen nicht die
bösen und guten Selbst- und Objektrepräsentanzen zu integrieren. Die Spaltung dieser wird somit aufrechterhalten und führt zur fehlenden Fähigkeit der Objekt- und Beziehungskonstanz. Die
aktive Spaltung gilt als zentraler Abwehrmechanismus und als hauptsächlicher Bewältigungsmechanismus des Borderline – Syndroms und ist eine krankhafte Regression in die kritischen Punkte in der Separations- und Individuationsphase. Wenn in der Entwicklungspsychologie von einer
psychischen Geburt gesprochen wird (vgl. Punkt 2), so wird bei der aktiven Spaltung, die die
Funktion der Bewältigung unmittelbarer Bedrohungen bezogen auf die Identität hat, vom Erleben des physischen oder psychischen Todes gesprochen (Rohde – Dachser, 1983, a in: Stauss,
1994, S. 67)
Klar zu unterscheiden sind die Begriffe Borderline – Zustand und Borderline – Persönlichkeitsstörung. Beim Borderline – Zustand wird ein vorübergehender Zusammenbruch der Persönlichkeit beschrieben, die sonst auf einem höheren Organisationsniveau funktioniert wohingegen sich
bei letzterem der Ausdruck Persönlichkeitsstörung auf die immer bleibenden Strukturmerkmale
der Ich – Organisation bezieht (Rohde – Dachser, 1984, in Stauss, S. 60 f). Wird der Patient mit
seinen Abwehrmechanismen im Therapieverlauf konfrontiert, so kann es bei ihm zur Verbesserung seines Funktionsniveaus führen. Es ist zu erwähnen, dass die Abwehrmechanismen nicht
24
nur die Funktion des Schutzes vor inneren und äußeren Gefahren haben, sondern auch Versuche
sind, diese Gefahren zu bewältigen.
Der Borderline – Patient zeigt außerdem ein ausgeprägtes Fluchtverhalten, welches mit einer
Panikreaktion verbunden ist. Dieses Verhalten ist der Bewältigungsmechanismus zur drohenden
inneren oder äußeren Gefahr. Im Fluchtverhalten sind durch die fast gänzliche Ausschaltung der
Wahrnehmungsfunktionen die mangelnde Ausbildung an kognitiven Fähigkeiten und eine massive Einschränkung der Realitätsprüfung verbunden. Auf Grund dessen kann ein problemlösendes Denken nicht stattfinden (Sadow, 1969, Vaillant, 1971 in: Stauss, 1994, S. 65 f).
Des Weiteren treten beim Borderline – Syndrom auch sogenannte Minipsychosen auf. Sie sind
aber durch eine Reihe von Merkmalen, auf die ich hier nicht näher eingehen werde, von der manifesten Psychose zu unterscheiden.
Typisch für Borderline – Patienten ist auch oft eine Polytoxikomanie, wobei die Suchtmittel an
sich je nach Verfügbarkeit eingesetzt werden und sehr schnell austauschbar sind. Weiterhin
kennzeichnend ist das Verdrängen, als Versuch Bedürfnisse, Vorstellungen und Gefühle, die mit
dem Erwachsenen – Ich (dem Bewusstsein), unvereinbar sind, zu bezwingen. Daraus resultieren
dann jedoch neurotische Symptombildungen.
2.2.3 Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Der pathologische Narzissmus kann sich als Resultat einer unzulänglichen Selbstobjekt – Funktion herausbilden, welche einen Selbstdefekt hervorrufen (Kohut in: Fonagy & Target, 2006, S.
234 f). Je nachdem auf welcher Entwicklungsstufe der Defekt einsetzt, folgt dem Versagen der
Selbstobjekt – Funktion ein geschwächtes Kernselbst und somit der pathologische Narzissmus.
Laut Kohut ist die Selbstbehauptung eine natürliche Reaktion, um das Selbst zu schützen und im
äußersten Fall kann die Verletzung des Selbst eine zerstörerische Wut auslösen. Bei narzisstisch
gestörten Persönlichkeiten spielt die Stärkung des Selbst eine große Rolle. Sie versuchen ihr defizitäres Selbst durch verschiedene Aktionen wie zum Beispiel Delinquenz, Perversionen oder
Suchtverhalten zu stärken, um so die eigentliche Schwäche ihres Selbst nicht wahrzunehmen
(Kohut 1966, 1968, 1971 in: Fonagy & Target, 2006, S. 235). Durch die anstehende Bedrohung
und der daraus resultierenden Scham stellen diese Aktionen ein Bedürfnis dar. Das Bedürfnis
Rache am Beschämenden zu üben, da er ihn zu Unrecht in seinem Narzissmus gekränkt hat. Das
25
Bedürfnis hat die Funktion der Wiedergutmachung der Kränkung. Eine Kränkung des narzisstischen Selbst kann entstehen, wenn eine erwartete Spiegelung der Großartigkeit nicht eintrifft
oder wenn das Bedürfnis nach Idealisierung frustriert wird. Bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist die Realitätskontrolle gut entwickelt, jedoch gelingt es dem Patienten nicht, Kritik als sachbezogen aufzufassen, womit er sehr leicht zu kränken ist.
2.2.4 Neurotische Störung
Bei den neurotischen Störungen gibt es verschiedene, nosologische Konzepte, welche stark variieren. Deutlich wird dies am rein deskriptiven Verständnis, was die Vermeidung des Begriffs der
Neurose im DSM – IIIB bedeutet und der hingegen rein psychoanalytischen Erfassung. Gemeinsamkeiten, die offenbar verbindlich sind bei der aktuellen Verwendung des Neurosenbegriffs,
sind Folgende:
x
überwiegend psychogen, nur zu geringem Teil somatogen bedingt
x
eher quantitative als qualitative Abweichung von der Norm
x
i. d. R. soziale Teilhabe erhalten
x
Verlauf nicht so zerstörend, wie bei Psychose
S. O. Hoffmann hat unter Berücksichtigung beider Hauptmodelle den Versuch einer Definition
unternommen:
„Neurosen sind psychogene, überwiegend umweltbedingte Erkrankungen, die eine Störung im
psychischen und/oder körperlichen und/oder charakterlichen Bereich bedingen. Das psychoanalytische Verständnis sieht in Neurosen unzureichende symbolische Verarbeitungsversuche unbewußter, in ihrer Genese infantiler Konflikte oder Traumen. Die Lerntheorie betont die genetische Bedeutung von Konditionierungen in der Folge verfehlter, zu starker oder zu schwacher
Lernvorgänge.“ (zit. Nach Hoffmann in: Psychiatrie der Gegenwart 1, 1986, S. 31).
Des Weiteren hat Hoffmann die heute diskutierten vier Hauptmodelle aufgeführt, welche sich
jedoch auch teilweise überlagern:
x
„Das Modell des reaktualisierten Entwicklungskonflikts“ (Neurosen sind Kompromissbildungen, Lösungsversuche, Folgezustände von reaktivierten, unbewussten, kindlichen
Konflikten)
26
x
„Das Modell des erhaltenen Entwicklungsschadens“ (Neurosen als unmittelbare Konsequenzen von oder Kompensationsbildungen für durch real traumatische Entwicklungsbedingungen entstandene Entwicklungsschäden)
x
„Das Modell der verfehlten Lernvorgänge“ (Neurosen als Resultat fehlgeleiteter oder unzureichender Lernvorgänge)
x
„Das genetisch – konstitutionelle Modell“ (Bedeutend für die Entstehung einer Neurose
beziehungsweise die Wahl des Neurosetyps sind die Aspekte der Persönlichkeitskonstitution und der Vererbung)
Nach Stauss liegt bei der neurotischen Störung eine stabile Abwehr vor. Der Hauptabwehrmechanismus ist die Verdrängung, wobei es zwar zu einer kognitiven Einschränkung der Fähigkeiten kommt, die Kognition an sich aber einen Bezug zur äußeren Realität hat (Stauss, 1994, S.
66). Die neurotische Störung ist des Weiteren beobachtbar durch Symptome oder Charakterneurosen. Will der neurotische Patient einen Konflikt lösen, so ist eine Einschränkung des Patienten
in spezifischen Bereichen gegeben, alle anderen Lebensbereiche sind jedoch frei davon (Stauss,
1994, S. 57). Somit ließen sich Stauss Ansichten wohl noch am ehesten in „Das Modell des erhaltenen Entwicklungsschadens“ einordnen. Die Gefühle der Gegenübertragung sind bei der
neurotischen Störung nicht so schwankend wie bei einem Borderline – Patienten.
Über die neurotische Störung lässt sich sagen, dass es auf Grund einer Vielzahl von Theorien zur
Entstehung schwer ist, herauszufiltern, welche genauen Symptome und Krankheitserscheinungen
sie genau hat. In der Diskussion zwischen namhaften Persönlichkeiten scheint es, als würde man
auf keinen größten gemeinsamen Nenner kommen. Zuletzt möchte ich noch einige „Arten“ der
neurotischen Störung anführen, auf die ich jedoch nicht näher eingehe. Unter dem Gesichtspunkt
der Psychoneurosen lassen sich zum Beispiel Neurosen mit vorrangiger Angstentwicklung, Neurosen mit vorrangig depressiven Symptomen, Neurosen mit vorrangigen Zwangsphänomenen,
Neurosen mit vorrangig körperlichen Symptomen festhalten oder Neurosen mit vorrangiger Störung des Selbstgefühls (Hoffmann in: Psychiatrie der Gegenwart 1, 1986, S. 31 - 50). Betrachtet
man Charakterneurosen und den neurotischen Charakter, so wird festgestellt, dass diese Begriffe
von manchen Forschern und Wissenschaftlern synonym benutzt werden, andere jedoch auch
bereits Abgrenzungen getroffen haben. (Hoffmann in: Psychiatrie der Gegenwart 1, 1986, S. 57 58).
27
3.
Möglichkeiten der positiven Sanktionen unter kontextbezogener
Abgrenzung
Wie bereits in der Einleitung geäußert, widme ich mich nun dem Thema der positiven Sanktionierung. Dazu modifizierte ich bereits vorhandene Strategien und Methoden, damit sie im Kontext der stationären Intensivpädagogik anwendbar sind. Nach Kouwenhoven(1985, S. 53 in:
Stauss, 1994, S. 111 f) sind Merkmale der positiven Sanktionen:
x
dass sie eine Erlaubnis darstellen (nicht wie früher Verbot oder Gebot); Sinn der Erlaubnis = Erweiterung des skriptmäßigen Bezugsrahmens; konkretes Verhalten zum öffnen
einer „Vordertür“ wird beschrieben
x
Beziehung zwischen Patient (oder Klient), Therapeuten (oder Erzieher) und Gruppe soll
durch pos. Sanktion so beeinflusst werden, dass für alle eine positive Bestätigung stattfindet
x
soll Antithese zu psychologischem Spiel des Klienten darstellen; Fortsetzung des skriptmäßigen Verhaltens stoppen
x
skriptmäßige Elemente werden aufgezeigt, pos. Sanktionen bewirken korrigierende emotionale Erfahrung
x
schaffen Situationen, in denen Klient trotz Rückfalls in destruktives Verhalten nicht die
therapeutische (oder Beziehung zum Erzieher/Sozialpädagogen etc.) gefährdet und sein
Freies Kind – Ich gestärkt wird
Essenziell ist die Befriedigung eines in der Problemsituation bestehenden Bedürfnisses. Wird
diese durch die Durchführung einer positiven Sanktion erreicht, so hat dann die erlebte Erfahrung korrigierenden Charakter in Bezug auf die bewussten, früh erlebten Emotionen. Mit anderen Worten: es lässt sich nichts so gut erklären, wie erleben. Dies untermauern auch die Worte
von Konrad Stauss (S. 24 in Bonding), der besagt, dass die Exploration und die Bewusstheit der
subjektiven Wahrnehmung des individuellen inneren Erlebens Vorrang vor Erklärungen und
Interpretationen haben.
28
3.1
Möglichkeiten aus Perspektive der Bonding Psychotherapie
Bevor die potenziellen Möglichkeiten der positiven Sanktionen aus der Perspektive der Bonding
Psychotherapie aufgezeigt werden, ist es von Bedeutung wesentliche Begriffe der in der Bonding
Psychotherapie verankerten Theorie kurz zu erläutern.
Ausgehend von den beschriebenen Grundbedürfnissen in der Bonding Psychotherapie, Bindung,
Autonomie und Selbstwert, ist es essenziell, dass der Therapeut bzw. die auf unseren Kontext
bezogen die pädagogische Fachkraft dem Patienten bzw. Klienten „...möglichst viele positive
Erfahrungen bei der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse (...) ermöglicht.“ (zit. nach Fritzsche
in: Stauss, 2011, S. 13). Besonders ist hervorzuheben, dass dieses Vorgehen störungsübergreifend ist und somit als Grundlage einer jeden erfolgreichen Psychotherapie gilt. Die Erkenntnisse
der guten Wirksamkeit der Bonding Psychotherapie stehen in Verbindung mit der neurobiologischen Forschung (Fritzsche in: Stauss, 2011, S. 13) und lassen sich durch diese besser verdeutlichen. So sind zum Beispiel Vorstellungen von Grawe zur Entstehung von Krankheiten durch
Mangelzustände von Konsistenz bei neurophysiologischen Abläufen des Gehirns mit in die Bonding Psychotherapie eingeflossen. Auch die Arbeiten von Greenberg sind für die Bonding Psychotherapie von großer Bedeutung. Die Entwicklung der Schematherorie, besonders die des
emotionalen Schemas, sind ausschlaggebend für die Arbeit der Bonding Psychotherapie. Damit
verknüpft bestätigen Greenbergs Forschungsergebnisse einige Grundannahmen der Bonding
Psychotherapie, wie exemplarisch die Essentialität des emotionsfokussierten Vorgehens, die
Wichtigkeit des Ausdrückens von Emotionen auf einem hohen Erregungsniveau und die Bedeutung der Erlebnistiefe. Nicht zu verzichten ist auf die empirisch abgesicherten, erfahrungsorientierten Bearbeitungsschritte für spezifische therapeutische Aufgabenstellungen Greenbergs, wie
zum Beispiel die Konfliktbearbeitung vom Unbewussten und Intrapsychischen, die der Wertekonflikte und die der unerledigten Beziehungserfahrungen mit Bindungspersonen aus der Vergangenheit (Stauss, 2011, S. 22 f).
Die bereits erwähnten Grundbedürfnisse bringen, wenn sie feiner gesplittet werden, psychosoziale Grundbedürfnisse mit sich (Bedürfnis nach Bonding, Bindung, Autonomie, Selbstwert, Identität, Lust und körperlichem Wohlbehagen, Sinn und Spiritualität) (Stauss, 2011, S. 24). Mit diesen psychosozialen Grundbedürfnissen sind in der Bonding Psychotherapie sieben entsprechende
Grundkonflikte verbunden, welche wiederum jeweils ein individuelles emotionales Schema mit
29
sich bringen. In besagten Schemata sind die Gefühle gespeichert, die im Zusammenhang mit der
Befriedigung eines Grundbedürfnisses stehen. Bei funktionalen Schemata sind diese Gefühle
positiv, da die Befriedigung gelungen ist. Im Umkehrschluss sind die Schemata dysfunktional,
wenn die Befriedigung des Bedürfnisses nicht erreicht wurde und die Gefühle negativ. Aus diesen verschiedenen Schemata lassen sich die Folgen für die Beziehungsgestaltung festlegen, wobei bei der Nichtbefriedigung die schmerzlichen Gefühle in Verbindung mit einem ausgeprägten
Abwehr- und/oder Vermeidungssystem und den dazugehörigen Strategien stehen. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass es im Gegensatz zum Vermeidungssystem auch ein
Annäherungssystem gibt. Dieses wird aktiviert, wenn eine erlebte emotionale Erfahrung positiv
bewertet wird. Bei der Bewertung der Erfahrungen von positiv oder negativ kommen alle zukünftigen Situationen in Frage, die das frühere Schema aktivieren könnten. Die Bewertung findet
im Gehirn durch das limbische System statt. Hat nun eine positive Bewertung das Annäherungssystem aktiviert, so aktiviert die negative Bewertung logischer Weise das Vermeidungssystem.
Die Systeme, auch Motivationssysteme genannt, haben in der gemeinsamen Interaktion eine
Wechselwirkung im Sinne der Hemmung, können aber auch differenziert aktiviert werden. Mit
der Aktivierung des Vermeidungssystems kann also eine Hemmung des Annäherungssystems
auftreten, was bedeutet, dass eine mögliche positive, bedürfnisbefriedigende Erfahrung vermieden wird. Aufgabe der Bonding Psychotherapie ist es also, durch Ressourcenaktivierung im Gegenzug das Vermeidungssystem zu hemmen und das Annäherungssystem so zu bahnen. Dies
geschieht durch motivationales Priming, was gewinnbringend dadurch erreicht wird, dass dem,
in der Bonding Psychotherapie Patienten, in der Intensivpädagogik Klienten, möglichst viele
bedürfnisbefriedigende Erfahrung geschaffen und ermöglicht werden (Stauss, 2011, S. 43 ff). Ist
dies nämlich nicht der Fall, entsteht nach der Konsistenztheorie von Grawe, eine hohe Inkonsistenzspannung, welche wiederum bedingt, dass die Anfälligkeit für psychische Störungen steigt
(Grawe, 2004, S 191 in: Stauss, 2011, S. 216).
In dieser Aktivierung des Annäherungssystems durch die Schaffung von bedürfnisbefriedigenden Erfahrungen liegt der Schlüssel für die Nutzung der positiven Sanktionen aus der Bonding
Psychotherapie. Denn schlussfolgernd müssen diese so konzipiert sein, dass sie die Aktivierung
des Annäherungssystems als Wirkung zur Folge haben, damit verändernd gearbeitet werden
kann. Für die Praxis ist es vonnöten, dass die Emotionen, die in Verbindung mit einem Bedürfnis
und dem daraus resultierenden Konflikt stehen, prozessual im „Hier und Jetzt“ aktiviert und
durch die bewusste Aufmerksamkeitslenkung auf ebendiese exploriert werden. Auch die Erlebenstiefe des Patienten bzw. Klienten gilt es, zu erhöhen. Dies geschieht durch den Wechsel von
30
der externalen Perspektive, wobei die äußere Schilderung der Probleme stattfindet, zur internalen
Perspektive, bei der das innere Erleben der Emotionen exploriert wird. Diese Methode steht
nachweislich in einem signifikanten Zusammenhang zum Therapieergebnis.
Diese, aus der Bonding Psychotherapie stammende, Erlebnistiefe mit ihren verschiedenen Ebenen habe ich mir für die Erstellung eines, eventuell in der Intensivpädagogik einsetzbaren Instruments, zu Nutze gemacht. Die Erlebnistiefe wird wie erwähnt auf verschiedenen Ebenen beurteilt. Vorausgehend ist die Problemschilderung auf externaler Ebene, was bedeutet, dass das
Problem ohne Emotionen berichtet/analysiert/beschrieben wird. Anschließend folgt das Erleben
einer emotionalen Reaktion auf einen bestimmten interpersonellen Auslöser und die Fokussierung von Gefühlen verbunden mit der ausgedehnten Exploration des inneren Erlebens. Dieses
Erleben sollte sich in einer frei fließenden und offenen Art und Weise abspielen (Stauss, 2011, S.
223).
In Anpassung an die stationäre Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in der Intensivpädagogik würde ich es als sinnvoll erachten, dass die Kinder und Jugendlichen sich ihrer Bedürfnisse und den dazugehörigen Gefühlen bewusst sind. In meiner praktischen Erfahrung fehlte mir
dieser Aspekt des Bewusstmachens des Öfteren. Mein Vorschlag gilt also der Exploration des
inneren Erlebens, um so die Bedürfnisse heraus zu filtern, welche es zu befriedigen gilt, was
dann im Sinne der positiven Sanktion durchgeführt wird. Das entworfene Instrument hierzu nenne ich „Bedürfnisvisitenkarte“. Die Bedürfnisse habe ich hierbei von den psychosozialen Grundbedürfnissen abgeleitet und sie gleichzeitig in ihrem Kern vereinfacht, damit die Kinder und Jugendlichen sie besser begreifen können. Der Begriff der „Bedürfnisvisitenkarte“ entstand bei der
Überlegung zu etwas, das die Kinder und Jugendlichen auf ihrer, ja meist noch sehr kindlichen,
Ebene anspricht. Es folgt ein Beispiel für das genannte Instrument mit einer sich anschließenden
Erklärung.
31
Vorderseite:
Bedürfnisvisitenkarte „Nähe“
Karteninhaber: (Name des Kindes)
Deine Gefühle, wenn du mich brauchst:
Erregung
Leere
Dein Verhalten, wenn du mich brauchst:
ziehe mich zurück
entweder ganz leise oder ganz laut
bin abweisend
Damit du mich nicht mehr vermisst darfst du:
Händchen halten mit einer wichtigen
Person und meinen Erlaubnissatz sagen
(siehe Rückseite)
Rückseite:
Ich darf anderen nahe sein, ich darf leben, meine Existenz und meine Bedürfnisse und Gefühle sind eine Freude für andere, ich bin ein Geschenk, ich darf meine Gefühle kommunizieren.
32
Ablauf zur Nutzung der Karte:
1. bei auftretendem Problemverhalten zeitnah die Frage „Was ist passiert?“ stellen mit dem
Verweis auf die reine Problemschilderung (Fragestellung durch eine am Konflikt nicht
beteiligte Person)
2. aus dem Katalog der Bedürfnisvisitenkarten die dem Problemverhalten entsprechende
(ggf. mit Hilfe einer Fachkraft) aussuchen und
3. Durchführung der auf ihr beschriebenen Instruktionen
Zur Erklärung der Nutzung der Karte:
Das Bedürfnis Nähe ist abgeleitet aus dem psychosozialen Grundbedürfnis Bonding. Dieses beinhaltet in seinem Grundkonflikt den Wunsch nach Nähe und emotionaler Offenheit contra Näheangst und die Angst, Gefühle offen zu zeigen (Stauss, 2011, S. 43). Die beschriebenen Gefühle
beim Auftreten des Bedürfnisses von Nähe sind aus dem Leitaffekt des Grundkonfliktes Bonding
übernommen worden (Stauss, 2011, S. 48). Die Karte wird mit dem Kind oder Jugendlichen
teilweise zusammen erstellt. Beim Ablauf der Punkte vor Nutzung der Karte lässt sich feststellen, dass hier bereits die erste Ebene der Erlebnistiefe durchgeführt wird, nämlich die externe
Problemschilderung (Stauss, 2011, S. 223 f). Festgelegte Punkte sind die aufgelisteten Gefühle
beim Bedürfnis von Nähe. Die Gefühle sind deshalb vorgeschrieben, weil es Kindern bzw. Jugendlichen oft schwer fällt, sie genau zu benennen. Sie stellen also eine Hilfe dar, damit die Kinder definieren können, welches Bedürfnis sie im Moment haben. Als Vorarbeit ist durch die
Fachkraft eine entsprechende vereinfachte Erklärung dieser Gefühle essenziell. Das dem Problem entsprechende Verhalten des Klienten wird am besten durch die Hilfe einer Fachkraft mit
dem Kind bzw. Jugendlichen zusammen erarbeitet, da Kinder und Jugendliche in Stresssituationen oft selbst nicht richtig wahrnehmen können, wie sie sich verhalten, da das Verhalten durch
ein Bedürfnis oder einen Trieb ausgelöst wird (Leonhard, 1978, S. 26). Anschließend erfolgt
dann die positive Sanktion im letzten, kindlich formulierten Punkt „Damit du mich nicht mehr
vermisst, darfst du“. Die Durchführung beinhaltet, dass der Klient mit einer von ihm bestimmten
wichtigen Person (welche auch nicht unbedingt vorher festgelegt sein muss) in einem sicheren
Rahmen (z.B. auf dem Zimmer oder draußen) bei geringem Körperkontakt (Händchen halten)
zuerst die Situation nachstellt und anschließend seinen „Erlaubnissatz“ äußern darf. Dies hat den
Sinn, dass durch die Nachstellung mit einem sicheren Körperkontakt die emotionale Reaktion
auf den vorgefallenen interpersonellen Auslöser (Ebene II der Erlebnistiefe) erneut erlebt wird,
33
nur dieses Mal bewusst fokussiert wird um sie weiteren Bearbeitungsschritten zu unterziehen
(Ebene III Erlebnistiefe) (Stauss, 2011, S. 223). Der sichere Rahmen ist maßgebend für das motivationale Priming, denn der Klient merkt, dass er seine Gefühle nun so bewusst erleben darf in
einer Situation, die keine negativen Beziehungskonsequenzen hat. Das Annäherungssystem wird
also aktiviert und gebahnt und das Vermeidungssystem gehemmt. Im Kontext der Intensivpädagogik ist die Methode des Körperkontaktes üblicherweise nicht vertreten. Ich persönlich bin jedoch der Meinung, dass dieser wichtig ist, da die Klientel, aus meiner Erfahrung heraus, oft unter
einem Mangel an Liebe litt bzw. immer noch leidet. Diese Methode zeigt außerdem auf, dass
Körperkontakt, wohlgemerkt sicherer, dazu verhelfen kann, dysfunktionale emotionale Schemata
zu aktivieren und zu reorganisieren (Stauss, 2011, S. 226 f).
Anschließend noch ein Überblick zu den Überlegungen der von den psychosozialen Grundbedürfnissen abgeleiteten Bedürfnisse, ihrer Grundkonflikte und deren Gefühle beim Auftreten des
Problemverhaltens resultierend aus den Leitaffekten. Die Tabelle zeigt, welche Bedürfnisse ich
von denen aus der Bonding Psychotherapie abgeleitet habe. Die Grundkonflikte, Leitaffekte und
Kognitionen im emotionalen Schema (im erstellten Schema Erlaubnissätze) sind von Stauss
übernommen worden (Stauss, 2011, S. 48 ff).Die Tabelle auf der folgenden Seite dient zur Übertragung der Informationen auf eine jeweilige „Bedüfnisvisitenkarte“.
34
Bedürfnis
Nähe
Geborgenheit
psychosoziales
Grundbedürfnis
Grundkonflikt
Bonding
Bindung
Nähewunsch + Bindungswunsch vs.
Wunsch nach Angst vor Bindungsemotionaler
enttäuschung
Offenheit
vs.
Näheangst
+
Angst Gefühle
offen zu zeigen
Leitaffekt/auftretende diffuse
Erre- Schmerz, Traurigkeit,
Gefühle
gung oder sich Wut, Enttäuschung,
ausbreitende
Hilflosigkeit
Leere
„Erlaubnissatz“
Ich darf anderen nahe sein,
ich darf leben,
meine Existenz
und meine Bedürfnisse und
Gefühle
sind
eine Freude für
andere, ich bin
ein Geschenk,
ich darf meine
Gefühle kommunizieren.
Ich darf anderen vertrauen, die Beziehungswelt ist ein sicherer Platz, ich darf
meine Gefühle und
Bedürfnisse mit anderen teilen, ich darf um
Hilfe bitten und muss
nicht alles alleine bewältigen, wenn ich in
Not bin.
35
Unabhängigkeit Anerkennung
Autonomie
Selbstwert
Wunsch nach
Autonomie vs.
Angst vor Autonomie
und
Liebesverlust
Wunsch
nach Anerkennung
und Achtung
vs.
Unfähigkeit, Anerkennung
und Achtung anzunehmen
Generalisierte
Große
Ängstlichkeit,
Kränkungsbeanfallsartige
Panik,
pho- reitschaft,
bisch gebunde- Scham
ne Angst
Ich darf ich Ich
bin
selbst sein, ich liebensbin ich, die wert,
ich
Welt ist ein bin
gut
spannender Ort, genug, so
an dem es viel wie ich bin.
zu entdecken
gibt, ich darf
neugierig sein
und meine äußere Welt entdecken.
3.2
Möglichkeiten aus Perspektive des Grönenbacher Modells
Im Grönenbacher Modell, ebenfalls von Konrad Stauss entwickelt, lassen sich positive Sanktionen in Verbindung mit Verträgen realisieren. Aus meiner praktischen Erfahrung kann ich berichten, dass in manchen stationären Einrichtungen der Intensivpädagogik bereits Arten dieser Verträge genutzt werden, sie jedoch, meiner Meinung nach, nicht die nötige Ausführlichkeit besaßen, wie die im Grönenbacher Modell Existenten und auch nicht in Verbindung mit positiven
Sanktionen standen. Hierzu schlage ich exemplarisch also vor, ausführliche, gut strukturierte und
alle Seiten beleuchtende Verträge im Rahmen der stationären Unterbringung zu nutzen. Solche
Verträge fand ich im Grönenbacher Modell, einer stationären Behandlung nach den Methoden
der Transaktionsanalyse. Diese Methoden in Form von Verträgen sind dort abgestimmt auf das
Borderline – Syndrom. Für die Nutzung von Verträgen in der Intensivpädagogik habe ich mich
von denen im Grönenbacher Modell inspirieren lassen und orientierte mich an ihnen. In Anlehnung an die Methoden (Non – Verträge, Konfrontationsverträge, Gastverträge in: Stauss, 1994,
S. 110 ff) von Dr. med. Konrad Stauss, unter anderem Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und ehemaliger Leiter und Begründer der Klinik für psychosomatische Medizin Bad Grönenbach, erstellte ich beispielhafte Verträge für die Arbeit in der stationären Intensivpädagogik
mit Kindern und Jugendlichen.
Ich würde diese Verträge „Korrekturverträge“ nennen, da sie in Verbindung mit den positiven
Sanktionen als korrigierende emotionale Erfahrungen wirken (Stauss, 1994, S. 53) und der Klient so weiß, dass er den Vertrag für das Korrigieren seines Verhaltens nutzen kann. Den Vertrag
arbeitet der Klient zusammen mit einer pädagogischen Fachkraft aus. Der vorliegende Vertrag
wurde hier an einem Beispiel konstruiert, bei dem der Jugendliche das Problemverhalten der
Respektlosigkeit und Unfreundlichkeit gegenüber seinen Mitmenschen zeigt. Im Anschluss an
dieses Beispiel werde ich den Vertrag kurz erläutern.
36
Korrekturvertrag
Dies ist ein Vertrag über meine problematischen Verhaltensweisen der Respektlosigkeit und Unfreundlichkeit und den dazugehörigen Regeln, die ich befolge, wenn das Problemverhalten auftritt.
1. Wenn ich mich respektlos und unfreundlich verhalte:
x
sage ich verletzende Dinge
x
benutze Schimpfwörter
x
werde laut
x
lasse den anderen nicht ausreden
x
halte ich mir die Ohren zu
x
achte nicht auf den Nähe- und Distanzbereich zwischen mir und anderen
2. Ich verhalte mich respektlos und unfreundlich wenn:
x
ich mich ungerecht behandelt fühle
x
ich mich im Stich gelassen fühle
x
ich denke, dass ich mich verteidigen muss
x
ich überfordert mit meinen Gefühlen bin
x
mich jemand anschreit, weil mein Vater das früher auch immer gemacht hat
3. Welche selbst gesetzten Ziele kann ich nicht erreichen, wenn ich mich respektlos und unfreundlich verhalte:
x
Respekt und Akzeptanz von Anderen erhalten
4. Was ich brauche, wenn ich mich respektlos und unfreundlich verhalte:
x
Anerkennung
x
Bestätigung
37
5. Wie ich erreiche, was ich brauche:
x
positive Sanktionen (festgelegter Punkt)
6. Welche positiven Sanktionen ich nutzen kann:
x
etwas tun, das mir Anerkennung verschafft, weil ich es gut kann und dadurch mein
Selbstwertgefühl steigere, wie zum Beispiel Fußball spielen, mit einer für mich wichtigen
Person aus der Gruppe
x
etwas tun, das mir Bestätigung verschafft, wie zum Beispiel ein ehrliches Gespräch über
meine Gefühle mit einer für mich wichtigen Person aus der Gruppe
Ich halte mich immer an die in diesem Vertrag beschriebenen Regeln, wenn mein Problemverhalten auftritt.
Ich löse die positiven Sanktionen innerhalb von 24 Stunden ein und befinde mich bis zur Einlösung in meinem Zimmer, damit ich in Ruhe nachdenken kann.
Wenn ich die positiven Sanktionen nicht einlöse oder sie missbrauche, habe ich in 3 aufeinanderfolgenden Gruppenrunden Zeit, die Gruppe und die Erzieher davon zu überzeugen, dass ich bleiben kann.
..............................
............................
..............................
Jugendlicher
Ort, Datum
pädagogische Fachkraft
38
Im Eingangssatz vor dem ersten Punkt, erklärt sich das Kind bzw. der Jugendliche bereit, den
folgenden Vertrag mit seinen Regeln einzuhalten. In diesem ersten Satz wird auch sogleich das
Problemverhalten festgehalten, um das es sich handelt. An dieser Stelle ist also das jeweilige
Verhalten einzusetzen, das dem Klienten Probleme bereitet, in diesem Beispiel das der Respektlosigkeit und Unfreundlichkeit.
In Punkt 1 definiert der Jugendliche wesentliche Merkmale, die charakteristisch sind, für das
auftretende Fehlverhalten. Wie oben bereits erwähnt, nutzt er die Zusammenarbeit mit einer pädagogischen Fachkraft, wobei es essenziell ist, dass diese ausführliche Kenntnisse über das Lebensskript des Klienten hat und ihn oder sie im optimalsten Fall schon längere Zeit kennt und so
auch das jeweilige Verhalten. Es ist sinnvoll für das Kind bzw. den Jugendlichen sein Verhalten
mit den kennzeichnenden Anhaltspunkten so ausführlich zu beschreiben, damit dieses als Anhaltspunkt genutzt werden kann um zu erkennen, dass er sich in diesem Moment respektlos und
unfreundlich verhalten hat. Wenn man so will, ist es eine Art „Checkliste“.
Im darauffolgenden Punkt wird festgehalten, was der jeweiligen Problemsituation vorausgeht/gehen kann, damit das unangemessene Verhalten auftritt/auftreten kann. Dies dient dem
Klienten dazu, solche Situationen also zu kennen und als Signal wahrzunehmen und im besten
Fall von vorneherein zu vermeiden.
Im dritten Punkt wird dem Klienten ganz deutlich vor Augen geführt, was er mit seinem Problemverhalten NICHT erreicht. Die erwähnten selbst gesetzten Ziele sind im Sinne der Vorarbeit
zu diesem Vertrag zu leisten und zählen eher allgemein zum Verlauf des Hilfeprozesses.
Anschließend ist in Punkt 4 ist festgehalten, was der Klient benötigt, um sein Problemverhalten
zu durchbrechen im Moment des Auftretens. Es ist deshalb noch einmal ganz deutlich schriftlich
festgehalten worden, da es oft vorkommt, dass das Kind bzw. der Jugendliche in Konfliktsituationen das problemlösende Denken nicht benutzen kann, bzw. es erheblich eingeschränkt ist.
(Stauss, 1994, S. 66).
Der fünfte Punkt wurde von mir als ein festgesetzter Punkt vorgeschrieben. Aus meiner Sicht, ist
es essenziell den Klienten oberflächlich (oberflächlich im Sinne der sonst zu tiefgreifenden Theorie verschiedener Krankheitsbilder etc.) zu erklären, warum eine positive Sanktion eingesetzt
wird und was sie überhaupt darstellt und beinhaltet. Beim Erklären sollte unbedingt auf den großen Nutzen der positiven Sanktionen aufmerksam gemacht werden. Ein ebenso positiver Neben-
39
effekt wäre aus meiner Sicht das geringere Missbrauchsrisiko der positiven Sanktion bei besserem Wissen darum. Auf dieses Risiko wird später noch genauer eingegangen.
Im 6. Punkt werden dann die endgültigen positiven Sanktionen im Sinne einer durchzuführenden
Aktion beschrieben. Der Klient arbeitet mit der pädagogischen Fachkraft genau aus, was gebraucht wird, um das Problemverhalten zu stoppen, die bisherige skriptbestätigende Erfahrung
zu korrigieren (Stauss, 1994, S. 111).
Postscriptum sind noch klare Regeln zum Vertrag an sich aufgeführt. Die Einlösung der positiven Sanktionen innerhalb von 24, hat den Sinn, dass der Klient sowohl genug Abstand zur Situation gewinnen kann, als auch nicht genug Distanz zu ihr erfährt und sie so in manchen Aspekten,
vor allem dem, der erlebten Emotionen, verdrängt. Dass das Kind bzw. der Jugendliche während
der Zeit auf seinem Zimmer ist, ist so zu begründen, dass er zum einen genügend und ausführlich
genug über die Situation nachdenken kann und zum anderen nicht das Gefühl hat, ohne sich an
seinen Vertrag halten zu müssen mit seinem Problemverhalten „durchgekommen“ zu sein, seine
Abwehr- und Spaltungsmechanismen erfolgreich eingesetzt zu haben. Dieses Gefühl würde sich
sonst wahrscheinlich einstellen, wenn er weiter am Gruppengeschehen teilnehmen würde. Diese
Isolation soll in keinem Fall einer negativen Strafe entsprechen, sondern eher dem Schutz des
Klienten gelten. Abgesehen davon, kann der Klient mit der Einlösung der positiven Sanktion mit
jemandem interagieren und ist so nicht weiter isoliert. Bei Nichteinhaltung oder Missbrauch der
positiven Sanktionen hat das Kind bzw. der Jugendliche die Möglichkeit, alle anderen Gruppenmitglieder und pädagogischen Fachkräfte, in den drei aufeinanderfolgenden, allabendlichen
Gruppenrunden davon zu überzeugen, dass er weiterhin den Hilfeprozess in der Einrichtung in
Anspruch nehmen darf. Mit dem Aufzeigen seiner Perspektiven, wenn er die Hilfe beenden
muss, wird dem Klienten geholfen, dies zu vermeiden. Auch das Deutlichmachen dass er diese
Hilfe benötigt, um sich zu verändern, soll die Anstrengungsbereitschaft des Klienten erneut reaktivieren (Stauss, 1994, S. 115). Sinnvoll ist es auch, die symbiotischen Wünsche des Klienten zu
äußern, damit er angeregt wird, autonom zu werden. Das Überzeugen oder Motivieren der Gruppe kann zum Beispiel durch das Erledigen sonst eher unbeliebter, in Konflikt mit dem Problemverhalten stehenden Aufgaben erfolgen.
Abschließend muss der Vertrag vom Klienten und der pädagogischen Fachkraft unterzeichnet
werden, um seine Gültigkeit zu erlangen.
Der Korrekturvertrag ist, im Gegensatz zu den von Dr. Stauss teilweise mit spezifischen Fachwörtern ausgelegte Verträgen, in einer einfachen, verständlichen Sprache gehalten, damit ge40
währleistet ist, dass ihn sowohl Kinder als auch Jugendliche, mit teilweise kognitiven Einschränkungen, verstehen können.
3.3
Einbeziehung behavioristischer Vorgehensweisen
Bezieht man Vorgehensweisen aus dem Behaviorismus in die Durchführung der positiven Sanktionen mit ein, so ist die Orientierung am operanten Konditionieren nach Skinner sinnvoll. Die
operante Konditionierung liegt der klassischen Konditionierung zu Grunde, welche in umfangreicher Literatur erschöpfend nachgelesen werden kann1.In ihr findet die Theorie der Verstärkung Anklang. Verstärkung meint all die Reize, die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Reaktion auf einen Reiz erhöhen. Ob und welche Reize die Eigenschaft der Verstärkung haben, ist
von jedem Wesen individuell abhängig. Klar zu differenzieren ist, dass nicht die Art des Reizes
die Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht, sondern die Wirkung auf den Reiz. Unterschieden wird
zwischen positiven und negativen Verstärkern, wobei der positive beinhaltet, dass ein Reiz zu
einer Situation hinzugefügt wird, deren Verhalten verstärkt werden soll. Eine negative Verstärkung ist ein Reiz, der aus der Situation entfernt wird, damit die Auftretenswahrscheinlichkeit des
gezeigten Verhaltens bzw. der Reaktion, erhöht wird. Auch zu erwähnen sind Begriffe wie Löschung (Extinktion) und Vergessen. Näheres dazu kann in einschlägiger, im Quellenverzeichnis
erwähnter Literatur in Erfahrung gebracht werden (G. R. Lefrancois, 1967, S. 32 – 49 in:
Baumgart, 1998, S. 128 ff).
Wird nun von den erstellten Instrumenten ausgegangen, lassen sich bestimmte Aspekte hinzufügen, die dann behavioristische Eigenschaften und die daraus resultierende Wirkung haben. So
kann man bei den Möglichkeiten aus der Perspektive mit der Bonding Psychotherapie, den Bedürfnisvisitenkarten, beispielsweise mit der positiven Verstärkung arbeiten. Dies ließe sich so
vollziehen, dass das Kind bzw. der Jugendliche zu jeder Nutzung der Visitenkarte ein Kuscheltier bekommt. Das Kuscheltier wäre in dem Fall der Reiz, der einer Situation hinzugefügt wird,
um das Verhalten, das durch die Bedürfnisbefriedigung eingetreten ist, positiv zu verstärken.
Dabei gilt es, wie erwähnt, den jeweiligen positiven Reiz, der zum Verstärker des Kindes werden
soll, ausfindig zu machen, um ihn dann einsetzen zu können. Beispielhaft kann ein 13 – jähriges
Mädchen das Kuscheltier als positiven Verstärker annehmen, ein 16 – jähriger Junge eventuell
nicht. Das Kuscheltier, oder ein anderer positiver Verstärker wird, wenn er wiederholt mit dem
primären Verstärker (Reiz, der für den Organismus von selbst verstärkend ist und ohne Lernpro40
1 zum Beispiel in: „Lernen: Grundlagen der Lernpsychologie“, Hrsg.: Andrea Kiesel, Iring Koch
zess stattfindet) gepaart wird dem Prozess der generalisierten oder auch sekundären Verstärkung
unterzogen (G. R. Lefrancois, 1967, S. 32 – 49 in: Baumgart, 1998, S. 132). Er wurde durch die
Paarung selbst zum Verstärker. Dies kann insofern nützlich sein, als dass man die Klientel so
konditioniert, dass bei Verhaltensweisen, ähnlich denen, in welchen das Kuscheltier eingesetzt
wurde, künftig nur noch das Kuscheltier benutzt werden kann, um das positive Verhalten hervorzurufen. Wie erwähnt, besteht die Variable im jeweils individuellen positiven Verstärker des
Kindes bzw. des Jugendlichen.
Generell ist das Prinzip der positiven Verstärkung auch im „Allgemeinen“ anwendbar und nicht
nur bezogen auf die von mir erstellten Instrumente. Dies sollte nur als Beispiel zur Verdeutlichung dienen. Wie eingangs erwähnt, knüpft die operante Konditionierung an die klassische, was
bedeutet, dass nach der Theorie der klassischen Vorgehensweise die Begleitumstände, unter denen der unbedingte Reflex, der durch einen Reiz ausgelöst wird, auftritt, selbst die ursprüngliche
Reaktion auslösen können, da sie sich verbunden haben (Leonhard, 1978, S. 20). Das heißt,
wenn nun bei jedem Benutzen der Visitenkarte oder des Vertrages in dieser Situation ein Reiz
auftaucht, der eigentlich völlig unabhängig von der Situation ist, kann dieser später auch allein
für die Auslösung des bestimmten erwünschten Verhaltens stehen. Da wir auch im Alltäglichen
mit der klassischen Konditionierung in Berührung geraten (Leonhard, 1978, S. 21) kann dieser
Sachverhalt jedoch auch zu einem Problem werden, ohne dass es bemerkt wird. Denn angenommen, ein Kind bzw. ein Jugendlicher zeigt ein Problemverhalten und immer dann, taucht, durch
Zufall, ein bestimmter Mitarbeiter auf, zum Beispiel ein Handwerker. Das Problem wird irgendwann, ausgehend von der klassischen Konditionierung, sein, dass das Kind bzw. der Jugendliche
eventuell allein auf den Handwerker schon mit seinem Fehlverhalten reagiert. Ein weiteres Problem tritt darin auf, dieses zu erkennen. Möglicherweise kann der Klient es nicht einmal selbst
erklären geschweige denn, nimmt es überhaupt bewusst wahr.
4.
Vergleich der erarbeiteten Methoden untereinander
Stellt man die nun in dieser Arbeit existierenden Methoden gegenüber, so lassen sie sich hinsichtlich verschiedener Aspekte vergleichen. Bezogen auf ihren äußeren Aufbau stehen Merkmale wie Größe und Handhabung zum Vergleich an. Geht man vom inhaltlichen aus, so lassen sich
ebenfalls verschiedene Merkmale finden, die miteinander konfrontiert werden können. Der In41
halt steht dann unter dem Vergleich der unterschiedlichen Denkansätze, der Komplexität, dem
Einsatz unter Betrachtung der Altersgruppe und der Sprache.
Zu Beginn widme ich mich der äußeren Gestaltung bzw. dem äußeren Aufbau. Betrachtet man
die Bedürfnisvisitenkarten (im laufenden Text mit „BVK“ abgekürzt) hinsichtlich der Größe, so
stellt man fest, dass sie gegenüber dem Korrekturvertrag (im laufenden Text mit „KV“ abgekürzt), der mindestens 2 Seiten oder eine Vorder- und Rückseite beansprucht, relativ klein sind.
Daraus resultiert, dass sie in der Handhabung wohl ein wenig leichter zu gebrauchen sind, da der
KV nun eben größer ist. Weiterhin kann man die BVK sehr gut verstauen, beispielsweise in einem Portemonnaie oder einer Hosen- bzw. Jackentasche. Dies gelingt mit dem Vertrag zwar
auch, nur müsste man ihn mehrmals falten, was auf Dauer ungünstig für die Beschaffenheit des
Materials ist. Der KV ist am besten in greifbarer Nähe aufzuhängen/an die Wand zu bringen. Der
BVK ist eine gute Passform zuzuschreiben, da sie, auf Grund ihrer Größe, gut in der Hand liegt.
Ein Nachteil der geringeren Größe ist jedoch, dass ein höheres Risiko für das Verlieren bzw.
Verlegen besteht. Dieses Risiko ist beim Korrekturvertrag hingegen deutlich geringer, selbst
wenn man ihn faltet. Bezogen auf die Schnelligkeit der Erfassung von Informationen geschieht
dies mit der BVK schneller, als beim KV. Verbindend mit der Informationserfassung erfolgt nun
der Vergleich der Denkansätze beider Instrumente. Bei der BVK handelt es sich um den Ansatz
der Bedürfnisbefriedigung. Dies ist bei dem KV auch gegeben, nur schwingt bei diesem kein
definitiver Körperkontakt mit, wie bei den BVK. Der Wunsch nach Körperkontakt ist beim Vertrag vom Klienten selbst abhängig, bei den BVK ist er vorgegeben, damit die prozessuale Aktivierung der emotionalen Schemata stattfinden kann. Weiterführend betrachtet unterscheiden sich
beide Instrumente auch in ihrer Komplexität. Die BVK ist durch ihre Einfachheit in der Anwendung nicht weniger Komplex als der KV, jedoch kann man schneller zur Durchführung gelangen, da sie nicht so umfangreiche Informationen wie der KV enthält. Auch der zeitliche Aufwand ist bei der BVK als geringer einzuschätzen. Betrachtet man nun die Anwendung bezogen
auf die verschiedenen Altersgruppen innerhalb einer intensivpädagogischen stationären Unterbringung für Kinder und Jugendliche, so lässt sich sagen, dass der Vertrag gegebenenfalls eine
bessere Anwendung findet, wenn die Klientel bereits etwas älter sind. Ich würde sie ab ca. 14
Jahren empfehlen, Die BVK würden, meiner Meinung nach, Anklang finden bei Klienten, die
jünger als 14 sind, da sie allein in ihrem Begriff eher kindlich gestaltet sind und die Kinder zu
einem, für die Kindheit typischen, Rollenspiel veranlasst. In jedem Fall ist es jedoch essenziell
zu erwähnen, dass der Einsatz auch vom jeweiligen Störungsbild und dem mitschwingenden
Intelligenzquotienten des Kindes bzw. des Jugendlichen abhängt. Ein 17 – jähriger Jugendlicher
42
mit Borderline – Syndrom ist eventuell noch mehr in seiner Kindheitsphase gefangen, womit der
KV möglicherweise zu komplex in seiner Anwendung und Ausarbeitung wäre. Auch in puncto
Sprache ist festzustellen, dass die im BVK verwandte einfacher gehalten ist, als die im Vertrag,
wobei auch diese noch nicht mit etlichen Fachwörtern versehen ist.
5.
Schlussfolgerung
Am Ende dieser Arbeit stelle ich fest, dass das Sanktionsverhalten in der Intensivpädagogik und
ihren verschiedenen Ansätzen, vor allem in der stationären Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, in seinem Erfolg stark von Aspekten wie Kongruenz des Arbeitens aller Mitwirkenden, Individualität der Klientel und gleichem Wissensstand des Teams abhängig ist. Im Laufe
der Recherchearbeit zum Thema fiel mir des Öfteren auf, dass ich diese Aspekte teilweise als zu
schwer zu erfüllen wahrnehme und es mir deshalb manchmal zu willkürlich erscheint, die verschiedenen Arbeitsansätze zu nutzen. Ich bin der Meinung dass in besagtem Setting regelmäßig
Pflichtweiterbildungen für alle Mitarbeiter stattfinden sollten, um Wissensstände angleichen und
so ein gemeinsames, gleiches Arbeiten gewährleisten zu können, da dies, meiner Empfindung
nach, der häufigste Grund für das Fehlschlagen einer Maßnahme ist, die dann zu hohen Frustrationen führt. Gleichzeitig denke ich, dass die Methode der positiven Sanktionierung sich als äußerst geeignet für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Setting der stationären Unterbringung herausstellt. Mit dem Ansatz der Bedürfnisbefriedigung kann ich mich sehr gut identifizieren. Aus meiner Sicht ist es absolut sinnvoll an diesem Punkt anzuknüpfen, denn das Ziel der
Befriedigung essenzieller Bedürfnisse ist das eines jeden Menschen. Die Lebensumstände werden mit Begriffen wie Wohlbehagen oder Unwohlsein beschrieben, was in jedem Fall auf Bedürfnisse zurück zu führen ist. Man könnte also mit Fug und Recht behaupten, dass der in dieser
Arbeit aufgeführte Ansatz als lebensnah zu beschreiben ist. Vor allem, und das ist das Besondere
an diesem Ansatz, knüpft er an der Individualität eines jeden im Hilfeprozess Mitwirkenden an.
Dies bedeutet, dass er in seinen Grundaspekten fest ist, der Rest sich jedoch äußerst flexibel gestalten lässt. In der sich ständig veränderten und schnelllebigen Gesellschaft ist das ein absoluter
Vorteil, denn auch kein Klient und kein Erzieher, Sozialpädagoge, Therapeut usw. ist gleich,
sondern einzigartig in dem, was er ist.
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Zukünftig könnten die positiven Sanktionierungen im Setting der intensivpädagogischen stationären Unterbringung von Kindern und Jugendlichen Türen öffnen und auch verschließen. Türen
öffnen im Sinne eines liebevolleren Umgangs mit der Klientel, einer mehr selbstwertgebenden
Umgebung trotz enger Strukturierung und straffem Regelwerk und der Verminderung der Frustration als Entlastung für Mitarbeiter und Klientel. Um die positiven bzw. liebevollen Sanktionen
auf jedem Gebiet der Intensivpädagogik einzusetzen ist weitere Arbeit erforderlich. Es müssen
für jeden Bereich ganz individuelle Abgrenzungen getroffen werden und das Konzept der positiven Sanktionen muss allgemein das Interesse der in der Intensivpädagogik arbeitenden Menschen wecken. Mit dieser Arbeit fand hoffentlich ein Schritt in diese Richtung statt, sodass bald
niemand mehr behaupten kann, dass Kinder und Jugendliche in besagten Einrichtungen grundsätzlich zu bemitleiden sind, da sie keinerlei Liebe bekommen, sondern nur harten Regeln und
Bestrafungen unterworfen sind.
44
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, Anne Fandrich, dass die verfasste Arbeit ausschließlich unter Verwendung
der angegebenen Quellen erstellt wurde.
Anne Fandrich
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