marketing intern 2_2016 PU B LIC R E LATIONS wortliches, solidarisches Handeln sinnvoll in das Schulleben integriert werden können. Dabei werden sie häufig von den Volksbanken und Raiffeisenbanken als Partner begleitet. Mi: Welche Empfehlung würden Sie den Primärbanken beim Umgang mit ihrer genossenschaftlichen Tradition geben? Werner Böhnke: Die Genossenschaftler müssen selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Sie sollten Mut und Bereitschaft zeigen, die aus unserer genossenschaftlichen Identität ableitbaren Möglichkeiten der Differenzierung offensiv zu zeigen und ihre Werte in der täglichen Praxis zu leben. Dabei wäre es mein Wunsch, dass alle Mitarbeiter der genossenschaftlichen Gruppe sich mit dem Tun und Wirken der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft und der Deutschen HermannSchulze-Delitzsch-Gesellschaft auseinandersetzen. Die Raiffeisen-Gesellschaft beispielsweise widmet sich der Pflege und Würdigung des Lebenswerkes von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und seines in Schriften und Reden überkommenen geistigen Erbes. Darüber hinaus hat sie sich der Erhaltung der Raiffeisen-Gedenkstätten in Hamm und Flammersfeld verschrieben. So empfiehlt sich z.B. ein gemeinsamer Ausflug zur „Historischen Raiffeisenstraße“ – rund 40 Kilometer entlang der 29 Bundesstraße B 256 zwischen Hamm und Neuwied –, auf dem die genossenschaftliche Geschichte durch den Besuch von Gedenkstätten und Museen wieder lebendig wird. Im Übrigen jährt sich im Jahr 2018 der Geburtstag Raiffeisens zum 200. Mal. Dies wird die Raiffeisen-Gesellschaft zum Anlass nehmen, um mit vielfältigen Aktionen die Person Raiffeisen und sein Wirken sowie die Aktualität der Genossenschaftsidee einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rücken. Herr Böhnke, vielen Dank für das Gespräch. Fusionen von Genossenschaftsbanken Zielsetzungen und Fusionserfolg Seit Jahrzehnten führen Genossenschaftsbanken Fusionen durch, um sich geänderten Wettbewerbsbedingungen zu stellen. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch eine gemischte Evidenz für den Erfolg von Fusionen genossenschaftlicher Primärbanken. Ob diese Studien allerdings eine adäquate Erfolgsbewertung darstellen, kann ohne eine Analyse der zugrundeliegenden Zielsetzungen nicht beurteilt werden. Vanessa Arts Im Zuge zunehmender Herausforderungen im Umfeld der Banken ist in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe seit mehreren Jahrzehnten eine anhaltende Konsolidierung festzustellen. Während im Jahr 1970 noch 7.096 Genossenschaftsbanken im deutschen Markt existierten, hat sich deren Anzahl bis zum Ende des Jahres 2015 auf 1.021 Genossenschaftsbanken verringert. Die jüngsten Fusionen waren insbesondere durch die zunehmende Regulierung und Aufsicht, die anhaltende Niedrig- bzw. Nullzinspolitik, die Digitalisierung und die Folgen des demografischen Wandels motiviert. Im Gegensatz zu vorherigen Fusionen entwickelt sich die Größe einer Bank zu einem wesentlichen Einflussfaktor auf die Wettbewerbsfähigkeit, da mit zunehmender Größe die genannten Herausforderungen im Markt besser oder überhaupt erst bewältigt werden können. Mit dem unter anderem fusionsbedingten Anstieg der durchschnittlichen Bilanzsumme einer Genossenschaftsbank ist umso mehr ein an den genossenschaftlichen Werten orientiertes Management erforderlich. Mitglieder im Fokus einer Fusion Die Mitglieder stellen die wichtigsten Stakeholder einer Genossenschaftsbank dar. Als Eigentümer bzw. Kapitalgeber beeinflussen sie gemäß ihren gesetzlich vorgegebenen Rechten und Pflichten nicht nur das bank- Die Autorin Vanessa Arts absolvierte eine Ausbildung zur Bankkauffrau und studierte anschließend Volkswirtschaftslehre im Bachelor und Master an der Universität Münster. Studienbegleitende Praxiserfahrungen sammelte sie im Banken- sowie M&ABereich. Seit 2015 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Genossenschaftswesen der Universität Münster (Forschungscluster III: Genossenschaftsstrategische Fragen). spezifische Dienstleistungsgeschäft, sondern nehmen dieses in ihrer Rolle als Kunde in der Regel auch unmittelbar in Anspruch. Die Kontroll- und Entscheidungsrechte der Mitglieder sind im Genossenschaftsgesetz (GenG) festgeschrieben, das ihnen von rechtlicher Seite eine hohe Wertschätzung entgegenbringt. Nach § 1 GenG sind Genossenschaftsbanken zur ausschließlichen Förderung ihrer Mitglieder verpflichtet. Dies gilt weniger im Tagesgeschäft, sondern vor allem bei strategischen Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen im Bankenumfeld, wie beispielsweise bei einer Fusion. Im Zuge einer Fusion ist die Wahrung von Mitgliederinteressen von besonderer Relevanz. Zahlreiche – mitunter auch konfligierende – Mitgliederinteressen treffen bei solch grundlegenden Themen aufeinander. Hinzu kommen Interessen weiterer Stakeholder – wie von Mitarbeitern, Aufsichtsratsoder Vorstandsmitgliedern und/oder Nichtmitglieder-Kunden –, die nicht in jedem Einzelfall mit den Interessen der Mitgliederbasis überein- marketing intern 2_2016 PU B LIC R E LATIONS 30 MemberValue Beitrag zur Mitgliederförderung Beispielhafte Ausprägungen UMV Förderung der Kunden über Inanspruchnahme von kundenbezogenen Dienstleistungen Konditionen Qualität der Leistung Sicherer Leistungsbezug MMV Förderung der Eigentümer über Definition ihrer monetären Ansprüche Dividende Verzinsung Förderung der Eigentümer durch Definition ihrer Kontroll- und Entscheidungsrechte mit Blick auf kurzfristigen Zeithorizont Entscheidungen über Dividende Entscheidung über Gewinnverwendung Förderung der Unternehmer über Sicherstellung einer langfristigen Förderung Rücklagen Markterschließungen Investitionen Förderung der Unternehmer durch Definition ihrer Kontroll- und Entscheidungsrechte mit Blick auf langfristigen Zeithorizont trategische Entscheidungen S (z.B. Fusion) NMV Der MemberValue und seine Komponenten nach Theurl stimmen. Das Fusionsmanagement muss diesen Herausforderungen gewachsen sein und die Fusion vor allem im Sinne der Mitgliederinteressen umsetzen. MemberValue als theoretische Basis Da das GenG die Förderung der Mitgliederinteressen vorschreibt, diese jedoch nicht näher präzisiert, ist zu Beginn einer jeden Fusion zunächst ein grundlegendes Verständnis des Förderauftrages zugrunde zu legen. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine ganzheitliche Berücksichtigung von Mitgliederinteressen im Zuge des Fusionsprozesses. Ein sowohl in der Wissenschaft anerkanntes als auch in der Quelle: Eigene Darstellung Praxis bewährtes Modell stellt hierfür der MemberValue nach Theurl dar. Dieser charakterisiert auf der Grundlage des Eigentümerwertes von Unternehmen den Wert der Genossenschaftsbank aus Sicht der Mitglieder – der Eigentümer – und präzisiert den im GenG verankerten Förderauftrag auf drei Ebenen: Erstens werden die Mitglieder durch den Unmittelbaren MemberValue (UMV) als Kunden gefördert, indem sie von der Inanspruchnahme von Dienstleistungen Vorteile haben. Zweitens werden sie als Eigentümer im Rahmen des Mittelbaren MemberValues (MMV) durch die Definition ihrer Rechte und ihrer monetären Ansprüche gefördert. Anzahl der Genossenschaftsbanken im Zeitverlauf Drittens ermöglicht der Nachhaltige MemberValue (NMV) eine langfristige Mitgliederförderung. PublicValue als Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung Neben den Mitgliedern kann eine Genossenschaftsbank auch weitere Akteure der Gesellschaft fördern. Im Gegensatz zum MemberValue stellt der PublicValue jedoch keine verbindliche Zielverpflichtung dar. Vielmehr kann in ihm ein positives Nebenprodukt einer konsequenten und langfristig angelegten Mitgliederorientierung gesehen werden, indem zusätzlich Werte für die Region und die Gesellschaft geschaffen werden. Als Beispiel kann die langfristige Sicherstellung von Arbeitsplätzen angeführt werden. Fusionen im Kontext des MemberValues und des PublicValues 8.000 7.096 7.000 6.000 5.000 4.226 4.000 3.037 3.000 1.794 2.000 1.138 1.121 1.101 1.078 1.047 1.021 2010 2011 2012 2013 2014 2015 1.000 0 1970 1980 1990 2000 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von veröffentlichten Daten des BVR Fusionen können grundsätzlich eine oder mehrere Dimensionen des MemberValues und damit die Förderleistung insgesamt positiv oder negativ beeinflussen. So können beispielsweise fusionsbedingte Veränderungen von Konditionen oder des Produkt- und Dienstleistungsportfolios den Unmittelbaren MemberValue je nach Änderungsrichtung positiv oder negativ verändern. Ähnlich kann eine Anpassung der Dividende oder ein Wechsel von einer General- auf eine Vertreterversammlung (Mittelbarer MemberValue) von den Mitgliedern befürwortet oder abgelehnt werden. Letztlich marketing intern 2_2016 PU B LIC R E LATIONS hängt das Ausmaß der Auswirkungen auf die Förderleistung wesentlich von dem vorliegenden Status quo, den verfolgten Zielsetzungen und der Qualität des genossenschaftlichen Fusionsmanagements ab. Aus diesen Gründen kann bei einer Fusion nicht automatisch von einer Wertsteigerung des MemberValues ausgegangen werden. Grundsätzlich ist aber – bei sorgfältiger strategischer Positionierung und einem mitgliederorientierten Fusionsmanagement – anzunehmen, dass eine Fusion zumindest positiv auf den Nachhaltigen MemberValue wirken kann. Eine Investition in neue organisatorische Strukturen kann die grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit der Bank erhalten oder erhöhen. Dadurch kann darüber hinaus auch die gesellschaftliche Verantwortung im Sinne des PublicValues aufrechterhalten werden. Mit verbesserten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kann im weiteren Zeitverlauf eine zusätzliche Förderung durch den Unmittelbaren und den Mittelbaren MemberValue erfolgen. Somit sind Fusionen in der Lage, die Förderung der Mitglieder auf einer oder mehreren Ebenen des MemberValues zu stabilisieren bzw. zu verbessern, und stellen daher grundsätzlich keinen Widerspruch zu der im § 1 GenG verankerten Förderverpflichtung dar, sondern konkretisieren diese. Erfolg von Fusionen Vor diesem theoretischen Hintergrund und der hohen Relevanz von Fusionen in der Praxis stellt sich die Frage, ob Fusionen auch ex post als Erfolg angesehen werden. Grundsätzlich gilt eine Fusionsstrategie als erfolgreich, wenn die durch die Bank formulierten und den Mitgliedern gegenüber kommunizierten Zielsetzungen im gewählten Zeitraum erreicht werden. Daher ist es grundsätzlich möglich, dass zur Erfolgsmessung von Fusionen individuelle und bankspezifische Erfolgskennzahlen heranzuziehen sind. In der wissenschaftlichen Literatur existiert lediglich eine begrenzte Anzahl empirischer Studien (Performance-, Effizienz- und Befragungsstudien), die den Erfolg der Fusionen von Genossenschaftsbanken messen. Insbesondere aus Performance- und Effizienzstudien, bei denen Daten aus dem Jahresabschluss oder der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) zur Erfolgsmessung zugrunde gelegt werden, stellt sich ein eher negatives Ergebnis von Fusionsprojekten heraus. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass Jahresabschluss- bzw. GuVDaten nur begrenzt dazu geeignet sind, den MemberValue in seiner Gesamtheit abzubilden. Stattdessen eignen sich diese lediglich zur Erfolgsmessung auf der Ebene des Nach- 31 Fusionserfolg aus Mitgliedersicht Strategische Positionierung mit dem Ergebnis einer Fusion Kommunikation von Fusionszielen an die Mitglieder Nach Zustimmung der Mitglieder: Maßnahmen zur Erreichung der Fusionsziele Bei Zielerreichung: Fusionserfolg aus Mitgliedersicht Quelle: Eigene Darstellung haltigen MemberValues. Darüber hinaus fehlt es Befragungsstudien oftmals an klar definierten sowie objektiven Erfolgskennzahlen, da vielmehr die Ableitung von Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren und nicht die konkrete Messung des Fusionserfolges im Vordergrund steht. Stattdessen liegen subjektive Einschätzungen einzelner Stakeholder zugrunde. Ferner wird ein möglicher Effekt auf den PublicValue bei der Erfolgsbewertung nicht gesondert betrachtet, obwohl er eng mit einer Wertschaffung des Nachhaltigen MemberValues verbunden ist. Das Forschungsprojekt Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das laufende Forschungsprojekt am Institut für Genossenschaftswesen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit den Zielsetzungen von Fusionen in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe. Denn öffentlich verfügbare Informationen an die Mitglieder einer fusionierenden Bank – z.B. Pressemeldungen oder Fusionsbroschüren – legen die Vermutung nahe, dass die Motive einer Fusion vielschichtiger sind, als es in den bisher vorliegenden Erfolgsmessungen berücksichtigt wird. So ist anzunehmen, dass ein Großteil der Ziele über reine Bilanz- und GuV-Positionen hinausgeht und dennoch objektiver Erfolgskennzahlen bedarf. Als Beispiele können die Ziele eines verbesserten Produkt- und Leistungsportfolios, der Erhalt von Kundennähe oder die Sicherstellung von Arbeitsplätzen angeführt werden. Solche und weitere Aspekte sind bei der Messung des Fusionserfolges bisher unberücksichtigt geblieben. Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, die durch diverse Kommunikationsinstrumente geäußerten Fusionsziele im Hinblick auf den MemberValue und den PublicValue umfassend auszuwerten. Folgende Forschungsfragen bilden dabei den Rahmen: Inwiefern verfolgen Genossenschaftsbanken individuelle oder ähnliche Ziele mit einer Fusion? Inwieweit lassen sich die Fusionsziele den einzelnen MemberValue-Ebenen zuordnen? Welcher MemberValue-Ebene wird in einem Fusionsprozess die höchste Bedeutung zugeordnet? Welche weiteren Zielsetzungen (z.B. PublicValue) spielen bei einer Fusion zusätzlich eine entscheidende Rolle? Durch die Beantwortung dieser Forschungsfragen können zum einen konkrete Handlungsempfehlungen für das genossenschaftliche Fusionsmanagement abgeleitet werden. Schließlich ist zur Sicherung des Vertrauens der Mitglieder eine Einhaltung der kommunizierten Zielsetzungen erforderlich. Zum anderen kann das Forschungsvorhaben einen Beitrag zur weiteren Fusionserfolgsmessung leisten, indem die geäußerten Zielsetzungen im Rahmen einer Fusion systematisch ausgewertet werden. Darauf aufbauend erfolgt eine Evaluierung der Methoden bisheriger Erfolgsmessungen, sodass die Aussagekraft der vorhandenen Studien zum Fusionserfolg vor dem Hintergrund sowohl des MemberValues als auch des PublicValues besser eingeordnet werden kann. Vanessa Arts, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Genossenschaftswesen (IfG) Universität Münster [email protected]