Vom Ende der klassischen Physik

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Vom Ende der klassischen Physik
oder: „nur das Licht ist absolut (schnell)“
Die Einstellung der Physiker am Ende des 19. Jahrhundertwende charakterisieren folgende Zitate:
W. Thomson (Lord Kelvin) schrieb 1884: "ich bin niemals
zufrieden, bevor ich ein mechanisches Modell des
Gegenstandes konstruiert habe ... "
A. A. Michelson hielt 1903 fest: "Die wichtigsten Grundgesetze und Grundtatsachen der Physik sind alle schon entdeckt
... Unsere künftigen Entdeckungen müssen wir in den 6. Dezimalstellen suchen."
Typisch für den Aufbau der klassischen Physik ist, dass mit Hilfe der Ätherhypothese Mechanik und
Elektromagnetismus miteinander verbunden werden konnten:
Ein gravierendes Problem galt es allerdings noch zu lösen: Die Verteilung der Temperaturstrahlung über
die verschiedenen Frequenzen ließ sich innerhalb der klassischen Physik nicht verstehen.
Erwartung: Man vermutete, dass die Temperaturstrahlung einer Anregung von harmonischen Oszillatoren
entspringt. Da die Energie eines schwingenden Teilchens („harmonischer Oszillator“) proportional zum
Quadrat seiner Frequenz ist (s. Schwingungslehre & Akustik), erwartete man auch eine quadratische
Abhängigkeit zwischen Strahlungs-intensität und zugehöriger
Frequenz. Ein „Schwarzer Körper“ (er absorbiert die gesamte
einfallende Strahlung) müsste im UV-Bereich wesentlich intensiver
strahlen als im sichtbaren Bereich der Strahlung. Mit zunehmender
Frequenz müsste die Strahlungsintensität über alle Grenzen anwachsen (UV-Katastrophe). Konsequent weitergedacht, müßte die noch kürzere Röntgenstrahlung bei einem heißen Körper (z.B. Ofen)
bes. intensiv sein (s. Bild Maronibrater).
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Diese Erwartung stand jedoch im
krassen Gegensatz zu den Experimenten. Messungen zeigen, dass
es zu jeder Temperatur eine Frequenz gibt, bei der die größte
Strahlungsintensität auftritt. Davon abweichende Frequenzen wiesen geringere Intensitäten auf.
Das Problem der Strahlung eines Schwarzen Körpers (blackbody radiation) konnte Max Planck (Nobelpreis 1918) lösen, indem er so genannte Energiequanten
einführte. Er nahm an, dass bei der Strahlung des Schwarzen Körpers die Emission und die Absorption der Strahlung nur in diskreten Energieportionen
(=Quanten) erfolgt. Jedem Energiequant schrieb Planck eine Energie E zu, die
proportional zur Frequenz f der Strahlung ist:
E = h*f
E .... Energie eines Energiequants
h .... Planck'sches Wirkungsquantum (Plancks constant) h = 6,62*10-34 Js
f .... Frequenz der Strahlung
Unter der Annahme, dass die Häufigkeit der Quanten exponentiell mit ihrer Energie abnimmt, konnte
Planck im Jahr 1900 eine Gleichung für die spektrale Strahtungsdichte angeben, die mit den Messungen
überraschend genau übereinstimmt. Dies war das "Geburtsjahr" der Quantenmechanik.
Wie schnell ist Licht?
Ein Versuch von Michelson und Morley oder: Die Eigenschaften des Äthers sind nicht messbar.
Schall benötigt zu seiner Ausbreitung ein Medium (zB. Luft). Nach klassischer Auffassung brauchen auch
elektromagnetische Wellen wie etwa Licht ein Trägermedium, welches man Äther (ether) nannte. Man betrachtete Licht als Schwingung im Äther, die sich mit großer Geschwindigkeit ausbreitet.
Wegen der außerordentlich hohen Geschwindigkeit des Lichts nahm man an, dass der Äther ein sehr starrer
Körper ist, der jedoch die Bewegung der Erde und der Planeten um die Sonne offenbar nicht bzw. kaum
bremst, also ein sehr dünner Stoff ist.
Man dachte, dass der Äther den gesamten Raum erfüllt. Das Ruhesystem des Äthers
bezeichnete man als absoluten Raum. Dieser ist dadurch ausgezeichnet, dass in ihm die
Vakuumlichtgeschwindigkeit genau den Wert c0 annimmt. In allen anderen
Bezugssystemen, die sich relativ zum absoluten Raum bewegen, vermutete man einen
anderen Wert der Vakuumlichtgeschwindigkeit.
Zur Untersuchung des Äthers wollte man die Relativgeschwindigkeit der Erde zu ihm
messen. Dabei spielte das sogenannte Michelson-Interferometer eine wesentliche Rolle.
Vermutung: Das Interferenzmuster am Schirm bleibt
unverändert, weil sich die Länge der Arme 11 und 12 nicht
ändert und die Geschwindigkeit des Lichts entlang der
beiden Wege gleich ist.
2. Wir betrachten ein Michelson-Interferometer, das sich mit
der Erde durch den Äther mitbewegt, wobei Arm 11 in die
Bewegungsrichtung der Erde zeigt.
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Geht man davon ausgeht, dass Licht im Äther die Geschwindigkeit c0 hat, muss man aufgrund der Addition
von Geschwindigkeiten unterschiedliche Laufzeiten des Lichts entlang der Arme 11 und 12 annehmen. Die
daraus resultierenden Laufzeitunterschiede führen zu einer Phasenverschiebung. Es entsteht ein Interferenzmuster, das von jenem im Gedankenexperiment 1 abweicht.
3. Man dreht das Michelson-Interferometer um 900 so, dass der Arm 12 nun in die Bewegungsrichtung der
Erde zeigt. Während dieser Drehung müsste sich das Interferenzmuster am Schirm ändern, da die Laufzeiten
des Lichts entlang der Arme 11 und 12 von der Einstellung des Interferometers zur Bewegungsrichtung der
Erde abhängen. Aus der Änderung des Interferenzmusters ergibt sich die Geschwindigkeit der Erde im
Äther. Entsprechend den Gedankenexperimenten 2 und 3 wurden ab 1887 von A. Michelson und E. Morley
Messungen mit großer Präzision durchgeführt, die zu einem überraschenden Problem führten:
Eine Bewegung der Erde relativ zum Äther konnte nicht festgestellt werden.
Zur Beseitigung des Problems wurden mehrere Lösungen
vorgeschlagen:
1. Die Erde ruht im Äther (neues geozentrisches Weltbild).
2. Die Erde führt bei ihrer Bewegung dauernd eine
Ätherschicht mit sich (Mitnahmehypothese).
3. Der Äther staucht alle Gegenstände bei ihrer Bewegung
genau in so einem Ausmaß, dass das Ergebnis des
Michelsonversuchs zustande kommt (Lorentz-Kontraktion).
4. Die Vakuumlichtgeschwindigkeit ist konstant. Sie hängt
nicht vom Bewegungszustand von Quelle oder Empfänger
ab (Konstanz der Lichtgeschwindigkeit). Zu diesem Weg entschloss sich 1905 A. Einstein in seiner
Abhandlung zur „Elektrodynamik bewegter Körper“, als „Spezielle Relativitätstheorie“ bekannt.
Raum, Zeit und Energie
Die Folgen davon, dass das Universum nicht gleich einem mechanisches Uhrwerk läuft
Typisch für die Situation:
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schrieb W. Thomson (Lord Kelvin): "Die Schönheit und Klarheit der dynamischen Theorie, nach der Wärme und das Licht eine Art (mechanischer) Bewegung sind, werden zur
Zeit von zwei Wolken verdunkelt. Die erste steht mit der Frage in Zusammenhang, wie sich die Erde durch
einen elastischen festen Körper, wie den Äther, der als Träger des Lichts angesehen wird, hindurchbewegen
kann, und die zweite betrifft die Maxwell-Boltzmann-Doktrin von der Energieverteilung." (Philosophical
Magazine 2, 1901, pp. 1-40).
Beide "Wolken" bargen Ursachen für ein geistiges Gewitter, das die Grundmauern der klassischen Physik
zum Einsturz brachte. Die erste "Wolke", von der Kelvin spricht, steht in Zusammenhang mit dem negativen
Ausgang des Versuchs von Michelson und Morley.
Die Maxwell-Boltzmann'sche Energieverteilung führte zur Postulierung der Energiequanten durch Max
Planck und damit zur Quantentheorie.
Einstein meinte öfters, dass seine Zeit als Patentamtsangestellter in Bern (wo er 1905
drei – genau genommen sogar 5! - bedeutende Arbeiten verfasste) für ihn sehr lehrreich
gewesen sei: er ging gerne zum Bärenzwinger, wo er feststellte, dass die meisten Bären,
die Nase am Boden, nach Essen suchten, einige sich jedoch aufrichteten und, in voller
Körpergröße, einen Überblick bekamen und so das beste Futter fanden. Er wollte damit
darlegen, dass es auch in der Wissenschaft darum ginge, nicht an Details hängen zu
bleiben, sondern nach großen Zusammenhängen zu suchen.
Die Voraussagen der speziellen Relativitätstheorie waren und sind allerdings höchst ungewöhnlich, ja widersprechen häufig ganz massiv unseren Alltagserfahrungen. Begriffe wie Länge, Zeit, Masse und Energie,
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die zu den fundamentalen Grundlagen der klassischen Physik gehören, bekamen eine neue Bedeutung. Die
Auffassungen von Raum und Zeit mussten vollkommen verändert werden.
Ob allerdings Einstein und seine erste
Frau Mileva (geb. Maric), die Mathematik studiert hatte und ihn bei den Berechnungen vermutlich unterstützte, um
1905 in Bern bei ihren Sorgen der Alltagsbewältigung viel Gedanken auf die
Tragweite der Überlegungen anstellen
konnten, ist bei der nebenstehenden Anzeige wohl fraglich.
Nach der speziellen, die einen Rahmen
für die Physik in unbeschleunigten Bezugssystemen bildet, erarbeitete Einstein die so genannte allgemeine Relativitätstheorie (general theory of relativity), welche auch die Physik beschleunigter Bezugssysteme umfasst.
Relativitätsprinzip und Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
Was und wo ist Ruhe?
Wiederhole: Newton'schen Axiome; Inertialsystem (inertial frame of reference)!
Einstein stellt an den Beginn seiner Relativitätstheorie zwei Prinzipen: Relativitätsprinzip und Prinzip von
der Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit.
Die Naturgesetze nehmen in allen Inertialsystemen die gleiche mathematische Form an. Alle Inertialsysteme
sind gleichberechtigt.
Einstein schreibt: "Beispiele ähnlicher Art, sowie die
misslungenen Versuche, eine Bewegung der Erde relativ
zum ,Lichtmedium' zu konstatieren, führen zu der
Vermutung, dass dem Begriffe der absoluten Ruhe nicht nur
in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik keine
Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen" (Albert
Einstein: Zur Elektrodynamik bewegter Körper, Annalen
der Physik 17, 1905)
Dieser Satz stellte
die Physik auf den
Kopf. In der klassischen Physik nimmt die Vakuumlichtgeschwindigkeit nur in einem
System, das im absoluten Raum ruht, den Wert c0 an. Der absolute
Raum ist dadurch gegenüber allen bewegten Bezugssystemen
ausgezeichnet und das Relativitätsprinzip ist daher verletzt. Einstein
verzichtete in seiner speziellen Relativitätstheorie auf den Begriff
des absoluten Raums und damit auf den Äther. Doch musste dadurch
die Newton'sche Mechanik korrigiert werden.
Bei der Maxwell'schen Theorie des Elektromagnetismus konnte der
reine Formalismus unverändert eingebaut werden. Die Formeln
waren jedoch neu zu interpretieren.
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Diese beiden Prinzipien der speziellen Relativitätstheorie scheinen auf den ersten Blick wenig radikal zu
sein und lassen keine dramatischen Effekte erwarten. Tatsächlich ergeben sich aber u.a. folgende unerwartete und weitreichende Konsequenzen:
1. Ob zwei Ereignisse gleichzeitig stattfinden, hängt vom Bewegungszustand des Beobachters ab.
2. Für ruhende Beobachter gilt: Bewegte Uhren gehen langsamer, bewegte Maßstäbe sind kürzer und bewegte Massen sind träger.
3. Die Vakuumlichtgeschwindigkeit kann von Teilchen nicht überschritten werden.
4. Raum und Zeit können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden.
Anmerkung: eigentlich wäre es auf Grund der Absolutheit der Lichtgeschwindigkeit angebracht gewesen,
die Längeneinheit Meter neu zu definieren (z.B. als 1/300 000 000 des im Vakuum vom Licht pro Sekunde
zurückgelegten Wegs, vgl. die Definition oben)!
Relativität der Gleichzeitigkeit
„Was ist schon gleichzeitig?“
Definition:
Zwei Ereignisse sind gleichzeitig, wenn sie
von einer in der Mitte zwischen den Orten der
Ereignisse liegenden Lichtquelle durch
dasselbe Lichtsignal gestartet werden
könnten.
Aus dem Relativitätsprinzip und dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit lässt sich zeigen, dass
die Gleichzeitigkeit von Ereignissen nicht absolut ist. Vielmehr zeigt sich, dass zwischen zwei Ereignissen,
die für einen Beobachter gleichzeitig stattfinden, für einen anderen ein Zeitintervall liegt:
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Relativität der Gleichzeitigkeit:
Ob zwei Ereignisse gleichzeitig ablaufen oder nicht, hängt vom Bewegungszustand des Beobachters ab.
Die Relativität der Gleichzeitigkeit lässt vermuten, dass der Gang der Zeit vom Bewegungszustand des Beobachters abhängt. Für zwei Inertialsysteme I und I´ ergibt sich:
Interpretation: Die Zeitspanne zwischen zwei Ereignissen
hat im ruhenden System I den Wert t. Für dieselben zwei
Ereignisse misst man im bewegten System I´ die Zeitdifferenz t'. Da t' kleiner gleich t gilt, vergeht die Zeit im bewegten System langsamer. Daher spricht man von Zeitdehnung. Die Orte zweier Ereignisse haben im ruhenden System
I den Abstand l. Misst man den Abstand derselben Orte von
System I´ so erhält man den Wert l' kleiner gleich 1. Aus der
Sicht von I´ erscheinen Längen verkürzt.
Das folgende Gedankenexperiment soll Zeitdilatation und
Längenkontraktion verständlich machen. Um das Gedankenexperiment prägnanter zu machen, nehmen wir an, dass
die Lichtgeschwindigkeit nicht c0 = 3.108 m/s, sondern nur c=
3m/s beträgt. Weiters spielt dabei eine fiktive Uhr eine wichtige Rolle, die wir Lichtweguhr nennen wollen.
Gedankenexperiment (vgl. Darstellung beim „Überblick“)
Ein Auto A hat bei seinem linken vorderen Blinker eine Lichtweguhr montiert und ein Auto B hat eine Lichtweguhr bei seinem rechten hinteren Blinker. Das Auto A bleibt am Straßenrand
stehen. Das Auto B fährt an A mit der konstanten Geschwindigkeit v = 0,8*c = 2,4 m/s vorbei. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem
die beiden Lichtweguhren nebeneinander sind, wird ein Lichtsignal am unteren Ende der Lichtweguhren ausgelöst.
1. Das Auto A befindet sich in einem Inertialsystem. In 1s fährt
das Auto B eine Strecke von 2,4m (Abb. 19.2). Für den Lenker
von Auto A läuft die Zeit bei den beiden Lichtweguhren
verschieden schnell ab. Während bei der Lichtweguhr 1 schon 1s vergangen ist, zeigt die Lichtweguhr 2 erst
0,6s an. Für den Fahrer von B kann daher zu diesem Zeitpunkt der Abstand zwischen den Autos erst 1,44 m
betragen.
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2. Da das Auto B sich geradlinig gleichförmig bewegt, ruht
es ebenfalls in einem Inertialsystem (s. Definition von Inertialsystemen!), während A mit einer Geschwindigkeit
von 2,4m/s hinter dem Auto B zurück bleibt. Daher entfernt sich in 1 s das Auto A eine Strecke von 2,4 m
(Abb.19.3). Für den Lenker von Auto B läuft die Zeit bei
den beiden Lichtweguhren verschieden schnell ab.
Während bei Lichtweguhr 2 schon 1 s vergangen ist, zeigt
die Lichtweguhr 1 erst 0,6 s an. Für den Fahrer von A kann
der Abstand zwischen den Autos daher erst 1,44 m betragen.
Aus diesem Gedankenexperiment lassen sich zwei Effekte erkennen:
* vorbei bewegte Uhren gehen langsamer
* vorbei bewegte Strecken sind verkürzt
Beispiel: Myonenlebensdauer (oder: „dem Schnellen schlägt keine Stunde“)
Myonen sind Elementarteilchen mit der selben Ladung wie Elektronen. Sie
weisen aber etwa die 200fache Masse der Elektronen auf. Myonen sind
instabil. Die Halbwertszeit der Myonen beträgt 1,52*10-6s, das heißt, dass von
1000 Myonen nach dieser Halbwertszeit T1/2 nur mehr rund 500 vorhanden
sind. Myonen entstehen beispielsweise in etwa 10 km Höhe durch die Einwirkung der kosmischen Strahlung auf die oberen Schichten der Atmosphäre. Mit
Detektoren wurde gemessen, dass zahlreiche Myonen bis auf den Erdboden
gelangen.
Aus der "Sicht der Myonen" verkürzt
sich die Dicke der Atmosphäre um
den gleichen Faktor wie sich für
einen Beobachter auf der Erde die
Halbwertszeit der Myonen verlängert.
1
γ=
v2
1− 2
c
γ…. „Dehnungsfaktor“
Beispiel: Das Experiment von Haefele-Keating
Die Geschwindigkeit von Flugzeugen reicht aus, um die Zeitdilatation mit
Atomuhren (s. auch „Aufgaben“) nachzuweisen. Dies wurde erstmals 1971
von den amerikanischen Physikern Joseph Haefele und Richard Keating
durchgeführt. Such dazu Informationen im Internet!
Aufgaben:
*Überlege einen mathematischen Grund, weshalb die Vakuumlichtgeschwindigkeit nicht überschritten werden kann!
*Die Ganggenauigkeit von Atomuhren beträgt 10-14. Rechne nach, ob sich
die Zeitdilatation für einen Autorennfahrer (v = 240 km/h) und einen Piloten
(v = 900 km/h) mit Hilfe von Atomuhren nachweisen lässt!
*Für die Symmetrie der Zeitdilatation ist es wesentlich, dass die verRel-theorie.doc
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wendeten "Uhren" sich dauernd in ihrem Inertialsystem befinden und
dieses nicht verlassen. Gib an, welchen Effekt du erwartest, wenn ein
Astronaut von der Erde startet, sich mit großer Geschwindigkeit von
der Erde weg bewegt, umkehrt und wieder auf der Erde landet und sein
Zwillingsbruder auf der Erde geblieben ist!
Der relativistische Doppler-Effekt
Wiederhole den (physikalischen!) Doppler-Effekt!
Das Licht, das von den verschiedenen kosmischen Objekten zu uns auf die Erde gelangt, weist je nach der
Relativgeschwindigkeit zwischen Erde und Strahlungsquelle eine entsprechende Dopplerverschiebung auf.
Beobachtungen zeigen, dass es bei zunehmender Entfernung zu einer immer größeren Verschiebung der
Wellenlängen in Richtung des roten Bereichs des Spektrums kommt (Rotverschiebung, red shift).
Das bedeutet, dass die Relativgeschwindigkeit zwischen Erde und kosmischen Strahlungsquellen mit der
Entfernung zunimmt (Hubble-Effekt).
Betrachten wir eine Lichtquelle und einen Beobachter, die sich mit einer Geschwindigkeit v voneinander
entfernen. t sei die Schwingungsdauer der Welle bei der Quelle.
Die Zeit, in der zwei aufeinander folgende Wellenberge am Beobachter vorbeiziehen, nennen wir T. Der Reziprokwert 1/T ist die Frequenz, die der Beobachter wahrnimmt. Nicht relativistisch gilt für die Zeit

v ⋅t
v
t herausheben → T = t ⋅ 1 + 
T =t+
c0
 c0 
Für Werte von v nahe bei der Lichtgeschwindigkeit c0 muss die Zeitdilatation berücksichtigt werden. Damit

ergibt sich für die beobachtete relativistische Schwingungsdauer T´ = γ*T die Formel
v


t ⋅ 1 + 
c0 
T ´= 
v2
1− 2
c0
Aus diesem Ausdruck folgt die beobachtete Frequenz f´ durch Bildung des Reziprokwertes:
Die Unsichtbarkeit der Längenkontraktion (oder“darf´s ein bisschen Magie sein?“)
Bei der Momentaufnahme eines Körpers tragen jene Photonen zur Abbildung des Körpers bei, die während
der Öffnungszeit des Kameraverschlusses in das Objektiv gelangen. Für rasch bewegte Körper geht die Öffnungszeit gegen 0. Nur Photonen, die gleichzeitig ins Objektiv eingetreten sind, bewirken die Abbildung.
Jedoch unterscheiden sich die Zeitpunkte, zu denen diese Photonen emittiert wurden, also das Licht von jenen Punkten des Körpers, die von der Kamera weiter entfernt sind, schon etwas früher ausgesandt worden
sein muss.
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Lorentztransformation
Jedes Ereignis besitzt in einem Inertialsystem einen Ort und einen Zeitpunkt, wo und wann es stattfindet.
Die Lorentztransformation dient der Umrechnung von Koordinaten von Ereignissen zwischen verschiedenen
Inertialsystemen. Der niederländische Physiker J.H. Lorentz fand diese Umrechnung, welche aus heutiger
Sicht die spez. Relativitätstheorie als logische Folge hat, einige Zeit vorher. Er soll es sein Leben lang Einstein (!) verübelt haben, nicht selbst auf die Konsequenz gekommen zu sein.
Betrachten wir einfachheitshalber ein Inertialsystem I und
ein Inertialsystem I´, die nur in x-Richtung eine Relativgeschwindigkeit v aufweisen (Abb. 22.1)
In klassischer Betrachtung kann man dann die
Koordinaten des Systems I einfach in die Koordinaten des
Systems I´ umrechnen. Diese Umrechnungsformeln heißen
Dabei beziehen sich die gestrichenen Koordinaten auf das System
I´, die ungestrichenen Koordinaten auf das System I.
Da die Relativbewegung nur in der x-Richtung erfolgt, vereinfacht
sich die Galilei-Transformation zu:
x´ = x-v*t
x = x´+v*t
t´ = t
t = t´
In der klassischen Physik sind Raum und Zeit voneinander unabhängig.
Da es bei hohen Geschwindigkeiten zu Längenkontraktion und Zeitdilatation kommt, muss in die Galilei-Transformation ein geschwindigkeitsabhängiger Faktor (γ -Faktor) eingebaut werden. Wichtig ist, dass
aufgrund der Gleichberechtigung aller Inertialsysteme die Symmetrie der Transformation nicht gestört werden darf:
Lorentztransformation für die x-Koordinate: x´ = γ*(x – v*t)
x = γ*(x´ + v*t´)
(1)
Auch die Transformation zwischen t und t' muss an die Relativitätstheorie angepasst werden. Für ein Lichtsignal, das zum Zeitpunkt t = 0 vom Ursprung des Koordinatensystems ausgeht, gilt: x=c0*t; x´=c0*t´
Wir ersetzen in den Formeln (1)
x und x' durch c0*t und c0*t´:
Dies führt zur
Lorentztransformation für die t-Koordinate:
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Die Umrechnung der Koordinaten eines Systems I in die Koordinaten eines Systems I´ erfolgt durch die so
genannte Lorentztransformation:
Anmerkung: Aus der Lorentz-Transformation ergibt sich eine untrennbare Verknüpfung zwischen Raum und
Zeit. Diese Union von Raum und Zeit heißt vierdimensionale Raum-Zeit (spacetime).
H. Minkowski (1864-1909) ist einer der Väter der mathematischen Formulierung der
speziellen Relativitätstheorie. Er sagte bei einem Vortrag: " Von Stund an sollen
Raum für sich und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art
Union der beiden soll Selbständigkeit bewahren."
Beispiel: Relativistische Geschwindigkeitsaddition (relativistic velocity addition)
Eine wesentliche Anwendung der Lorentztransformation liegt darin, dass man berechnen kann, wie sich Geschwindigkeiten innerhalb der speziellen Relativitätstheorie addieren.
Betrachten wir drei Inertialsysteme. Das System I´ bewegt sich
gegenüber dem System I mit der Geschwindigkeit v. Ein System
I´´ weist gegenüber dem System I´ eine Geschwindigkeit u´ auf.
Die Geschwindigkeiten v und u zeigen in die gleiche Richtung.
Wir berechnen die Geschwindigkeit w des Systems I´´ im System I.
Aus der Lorentz-Transformation erhalten wir einerseits:
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Äquivalenz von Energie und Masse
oder: „Was -relativistisch gesehen- so alles an Energie in uns steckt“
In der Physik des 20. Jahrhunderts wurde der Zusammenhang von Energie und Masse zu einem zentralen Thema
mit dramatischen Auswirkungen: Kernspaltung – Atombombe – Stern- & kosmologisches Verständnis – Wasserstoffbombe – Kernspaltung zur Energiegewinnung und
schließlich derzeit das Ringen um die Massehaftigkeit der
Materie („Higgsboson“).
Die Grundlage für die Umwandlungen von Strahlung in
Materie und umgekehrt liegt in einer Gleichwertigkeit
(Äquivalenz) von Masse und Energie und führt dazu, dass
man aus der Masse eines Systems seine Energie (und
umgekehrt) berechnen kann. (Herleitung s.a. „Überblick“!)
Äquivalenz von Energie und Masse: E = m *c02,
mit: E ... Energie; m ... Masse; c0 ....Vakuumlichtgeschwindigkeit
Nur für Musiker (!): In einem Musikgeschäft fand man neben Einsteins Bild den Text „Musik ist E=MI2“.
Bedenkt man den Zusammenhang von „mi“ und „e“, ist dies nicht nur eine Werbung der Tonträgerfirma,
sondern kommt auch als Merkhilfe in Frage.
Beispiel: Massendefekt (mass defect)
Die Sonne bezieht ihre Energie aus der Verschmelzung von Nukleonen zu Kernen von Deuterium (Deuteron), Tritium und Helium. Aus Messungen mit Massenspektrographen kennt man die Masse der beteiligten
Teilchen sehr genau:
Masse eines Protons
1,6726 *10-27 kg
Masse eines Neutron
1,6749 *10-27 kg
Masse eines Deuterons
3,3435 *10-27 kg.
Beachte, dass das Deuteron eine etwas geringere Masse hat als die Summe der Massen seiner Bestandteile
zukommt!
Bei der Verschmelzung eines Protons mit einem Neutron wird
jene Bindungsenergie ∆E frei, die vom Deuteron abgegeben wird.
Der Bindungsenergie ist eine Masse ∆m äquivalent, die nach der
Verschmelzung der beiden Teilchen im neu gebildeten Teilchen
fehlt (Massendefekt). Dabei gilt:
∆E = ∆m*c02
Berechnen wir die Energie, welche bei der Verschmelzung eines
Neutrons und eines Protons zum Kern eines Deuteriumatoms frei
wird:
Der Massendefekt beträgt bei diesem Prozess ∆m = 4*10-30 kg. Daraus ergibt sich für den Betrag der Bindungsenergie (= freigesetzte Energie bei der Verschmelzung) ein Wert von etwa 2¼ MeV.
Mit dem folgenden Gedankenversuch lässt sich – auf eine andere Art als im „Überblick“ geschilderten Abschnitt über den Impuls - die Formel E = m*c02 begründen.
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1. Wir betrachten ein Teilchen, das im Inertialsystem I ruht.
Die Gesamtenergie des Teilchens ist im System I gleich E0.
2. Ein Inertialsystem I´ bewegt sich relativ zu I mit der
Geschwindigkeit v. Für die Gesamtenergie E0´ des Teilchens in I´ muss auch die kinetische Energie des Teilchens
Ek0´ berücksichtigt werden, weil sich das Teilchen in I´ mit
einer Geschwindigkeit vom Betrag v bewegt:
E0' = E0 +Ek0´
3. Das Teilchen sendet nun 2 gleichartige Photonen mit der
Energie ∆E = 2*h*f so aus, dass es im System I weiter in
Ruhe verharrt.
Im System I´ kommt es aufgrund der Relativgeschwindigkeit v zu einer Dopplerverschiebung. Die Frequenzen der
beiden Photonen ändern sich entsprechend den Gleichungen für die Dopplerverschiebung. Damit ergibt sich in
I´ auch ein anderer Wert für die abgestrahlten Energie ∆E´:
4. Die Gesamtenergie verteilt sich im System I nach der
Abstrahlung der Photonen auf die Energie des Teilchens E,
und die Energie der Photonen ∆E. Dabei gilt der
Energieerhaltungssatz: Eo = E1 + ∆E
5. Die Gesamtenergie verteilt sich in I´ ebenfalls auf die Energie des Teilchens und die Energie der Photonen. Bei der Energie des Teilchens muss auch seine kinetische Energie berücksichtigt werden. Man erhält
für die Gesamtenergie in I´ nach der Aussendung der Photonen:
∆E
E0 + Ek 0´= E1 + Ek1´+
v2
1− 2
c0
Die kinetische Energie des Teilchens hat sich aus der Sicht des Systems I´ bei der Aussendung der Photonen
geändert:






1
t
Ek 0´− Ek 1´= 2 ⋅ h ⋅ f ⋅ 
− 1
2

 1− v
2


c0


Den Klammerausdruck kann man in eine Potenzreihe von v2/c02 entwickeln (s. später). Unter Vernachlässigung der Glieder 4ter und höherer Ordnung ergibt sich:
Für die Änderung der klassischen kinetischen Energie ergibt sich:
und somit ∆E = ∆m*c02.
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Interpretation: Durch das Abstrahlen der Energie ∆E hat sich die Masse des Teilchens um ∆m verringert.
Diese Masse steckt in den Photonen, welche die Energie ∆E aufweisen.
Dynamische Masse (oder: „Schnellfahrer leben massiger!“)
Ähnlich wie Zeiten und Längen kommt der Masse eines Körpers kein absoluter Wert zu: mit steigender Geschwindigkeit nimmt die Masse eines Körpers zu. Um die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse m besonders auszudrücken, spricht man auch manchmal von der so genannten dynamischen Masse. Im Unterschied dazu bezeichnet man die Masse eines ruhenden Körpers als Ruhemasse mo.
Masse und Ruhemasse sind durch den γ-Faktor miteinander verknüpft:
Im folgenden Gedankenexperiment wird die Beziehung zwischen Masse
und Ruhemasse begründet. Betrachten wir 2 Kugeln A und B, die in Ruhe die gleiche Masse m0 (=Ruhemasse) aufweisen.
Die Kugel A ruht im Inertialsystem I, die Kugel B ruht im Inertialsystem I´, das sich mit großer Geschwindigkeit v relativ zu I in x-Richtung
bewegt.
1. Die beiden Kugeln treffen aufeinander und stoßen einander elastisch
so, dass sie eine kleine Geschwindigkeit in y-Richtung erhalten (siehe
Abb. 26.2).
Da der Vorgang bezüglich der beiden Inertialsysteme symmetrisch
abläuft, gilt für die Geschwindigkeiten der Kugeln
vA = -vB´
vA .... Geschwindigkeit der Kugel A in y-Richtung im System I
vB'.... Geschwindigkeit der Kugel B in y-Richtung im System I´
2. Bei unseren weiteren Überlegungen müssen wir berücksichtigen, dass wegen der in der y-Richtung geringen Geschwindigkeit praktisch keine Längenkontraktion auftritt. In gleichen Zeiten legen die Kugeln daher
in y-Richtung gleiche Strecken zurück. Wir nennen die Strecke, die in der Zeit T zurückgelegt wird, Y (bzw.
-Y).
3. Für das System I ergeben sich daher folgende Werte für die Geschwindigkeit der Kugeln:
Kugel A:
vA = Y/T
vA .... Geschwindigkeit der Kugel A in I
Y .... Weg in y-Richtung
T .... Zeit im System I
Die Kugel B bewegt sich im System I mit der (großen) Geschwindigkeit vB. Daher muss bei der Berechnung
der Geschwindigkeit vB die Zeitdilatation berücksichtigt werden:
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4. Im System I muss der Impulserhaltungssatz gelten. Vor dem Stoß ist der Impuls in y-Richtung null. Daher muss auch nach dem Stoß der Impuls der Kugeln in y-Richtung null sein:
pA+ pB = 0
mA*vA + mB*vB = 0
pA .... Impuls der Kugel A in y-Richtung
pB .... Impuls der Kugel B in y-Richtung
mA ..Masse der Kugel A in I: mA = m0, weil sich A in I nur langsam bewegt
vA .... Geschwindigkeit der Kugel A in I in y-Richtung
mB .. Masse der Kugel B, die sich mit großer Geschwindigkeit v in x-Richtung bewegt
vB .... Geschwindigkeit der Kugel B in I in y-Richtung
Einsetzen des Ausdrucks für vB in den Impulserhaltungssatz liefert:
Da mA die Masse einer (nahezu) ruhenden Kugel und mB die Masse einer gleichartigen, rasch bewegten Kugel ist, kann man mA mit der Ruhemasse m0 und mB mit der (dynamischen) Masse m identifizieren. Dies
führt auf die Formel
m: (dynamische) Masse
m0: Ruhemasse
v: Geschwindigkeit
c: Vakuumlichtgeschwindigkeit
Energie und Impuls
Ziel: Relativistischer Zusammenhang zwischen Energie und Impuls herleiten und interpretieren.
Ausgangspunkt: Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse:
Unter Verwendung der Gleichungen für die Gesamtenergie und den Impuls
E = m*c02 und p = m*v erhält man aus der oberen Gleichung durch Umformungen die
Folgerungen:
1.) Der Impuls von Photonen
Photonen sind Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie dürfen daher keine Ruhemasse haben (m0 = 0). Für Photonen vereinfacht sich die relativistische E-p-Beziehung zu: E = p*c0
Es ergibt sich daraus gemeinsam mit E = h*f und c=λ*f der
Interpretation: Der Impuls von Photonen ist verkehrt proportional zur Wellenlänge des Lichts ist. Treffen
Photonen auf Materie, so wird Energie und Impuls ausgetauscht.
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2.) Compton-Effekt
Compton bestimmte die Änderung der Wellenlänge
sowohl rechnerisch als experimentell und fand dabei eine
gute Übereinstimmung zwischen Messung und Theorie.
Bleiben Energie und Impuls in ihrer relativistischen Form
erhalten, berechnet sich die Änderung der Wellenlänge
der gestreuten Photonen in Abhängigkeit vom Streuwinkel folgendermaßen:
Anmerkungen:
a.) ∆λ hängt weder von der Wellenlänge der Strahlung noch vom streuenden Material ab!
b.) Der Ausdruck h/me*c0 wird Compton-Wellenlänge des Elektrons (Compton-wavelength of the electron)
genannt. Die Compton-Wellenlänge von Teilchen spielt eine wesentliche Rolle bei der Erforschung und Bestimmung der Reichweite von Kräften.
Überlege Erscheinungen, bei denen das Licht Wellen- bzw. Teilchencharakter zeigt!
3.) Paarerzeugung und Paarvernichtung (pair production, pair annihilation)
Wenn ein energiereiches Photon in das starke elektrische Feld eines Atomkerns gelangt, kann es vorkommen, dass ein Elektron und ein Positron erzeugt werden (Paarerzeugung). Das Positron ist massegleich wie
das Elektron, hat aber positive elektrische Ladung - das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons.
Bei einer Paarerzeugung geht Strahlungsenergie in Ruheenergie über (das Photon hat keine Ruhemasse, jedoch die beiden erzeugten Elementarteilchen).
Die Energie des Photons muss mindestens der Ruheenergie der beiden Teilchen entsprechen, so dass die
Energie des Photons zumindest 1,022 MeV betragen muss. Die überschüssige Energie steckt nach der Umwandlung in der kinetischen Energie der Teilchen.
Überlege, weshalb von einem Photon nicht ein einzelnes Elektron erzeugt werden kann! (Tipp: Ladungserhaltung, Impulserhaltung)
Auch bei der Produktion von Elementarteilchen wird Energie (meist kinetische Energie) in Ruheenergie
m0*c2 neuer Elementarteilchen umgewandelt.
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Bei der Paarvernichtung treffen ein Teilchen und ein Antiteilchen aufeinander und zerstrahlen, wobei ihre
Ruheenergie in Strahlungsenergie umgewandelt wird.
Überlege, warum bei der Paarvernichtung von Elektron und Positron zwei Photonen mit gleicher Energie
entstehen!
4.) Zerfall des Neutrons
Freie Neutronen zerfallen mit einer Halbwertszeit von etwa 1000 s. Dabei entstehen zwei gegensätzlich geladene Teilchen: Proton p+ und Elektron e-. Man spricht vom β-Zerfall des Neutrons.
Wenn man von einem ruhenden Neutron ausgeht, müsste sich für die Energie des Elektrons ein ganz bestimmter Wert ergeben, der sich relativ leicht berechnen lässt. Dasselbe gilt für den Betrag des Elektronenimpulses. Messungen haben aber ergeben, dass die Elektronen nach einem ß-Zerfall nicht einen fixen Energiewert haben, sondern dass sich ein ganzes Energiespektrum ergibt. Der berechnete Energiewert tritt in
diesem Spektrum als obere Grenze der Elektronenenergie auf (Emax).
Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen Theorie und
Experiment wurde erst beseitigt, als man annahm, dass ein
drittes Teilchen beim ß-Zerfall erzeugt wird. Dieses Teilchen
wurde von Wolfgang Pauli im Jahre 1931 postuliert. Es gehört zur Klasse der Neutrinos und ist wegen seiner exotischen Eigenschaften (elektrisch neutral, nahezu masselos,
unterliegt nicht der elektromagnetischen Wechselwirkung) nur schwer nachzuweisen, da es sehr durchdringungsfähig ist. Wegen der geringen Wechselwirkung der Neutrinos mit Materie wird ein Neutrinostrahl
kaum schwächer, wenn er die ganze Erde durchdringt. Erst 1956 gelang es, Neutrinos direkt nachzuweisen.
heute wird im europäischen Kernforschungszentrum in Genf (CERN = Conseil Européen pour la Recherche
Nucléaire) und anderen Laboratorien mit Neutrinos gezielt experimentiert.
Für den ß-Zerfall des Neutrons schreibt man daher n -> p+ + e- +ν e . (ν e heißt elektronisches Antineutrino).
Anmerkung: Neutrinos sind von großer Bedeutung, da sie
bei sehr vielen Kern- und Elementarteilchenreaktionen
beteiligt sind, so z.B. bei Kernverschmelzungsprozessen in
der Sonne. Bei der Fusion von Protonen zu Deuteronen
zerfällt ein Proton in ein Neutron, ein Positron und ein
Neutrino:
Verschaffe dir Informationen über CERN!
5.) Relativistische Stoßprozesse & Teilchenerzeugung
Aus der relativistischen Energie-Impuls-Beziehung folgt, dass die Ruhemasse keine Erhaltungsgröße ist.
Beim Zusammenstoß sehr schneller Teilchen mit geringer Ruhemasse, aber großem (relativistischen) Impuls
ist es möglich, dass dynamische Masse in Ruhemasse umgewandelt wird. Da bei derartigen Reaktionen Elementarteilchen entstehen, spricht man auch von Teilchenproduktion.
Bsp.: Zwei Elektronen stoßen mit so großer Geschwindigkeit
zusammen, dass neben den beiden Elektronen nach dem Stoß
auch ein Proton und ein Antiproton vorhanden sind. Das
Antiproton hat die gleiche Masse wie das Proton, ist aber einfach negativ geladen.
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Relativität und Gravitation
oder: wie sich der Raum unter der Masse krümmt
In der speziellen Relativitätstheorie werden nur Vorgänge in Inertialsystemen beschrieben. In den Jahren
1905 bis 1911 dehnte Einstein die Relativitätstheorie auch auf beschleunigte Bezugssysteme aus. In der allgemeinen Relativitätstheorie gelang es ihm, die Einflüsse von Massen auf Raum und Zeit zu erfassen.
Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie ist das Äquivalenzprinzip:
Beschleunigte Systeme ohne Gravitation sind von ruhenden Systemen mit Gravitation nicht unterscheidbar!
Die Bilder veranschaulichen das Äquivalenzprinzip, das
Einstein angeblich beim Beobachten eines Dachdeckers
fand: wenn dieser hinunter fiele, würde er nichts von der
Erdanziehung spüren (freier Fall)!
Die oberen Bilder stellen eine im schwerelosen Raum mit
9,81m/s2 beschleunigte Rakete einer auf der Erde ruhenden
gegenüber: die Wir-kung auf Mensch und Bälle ist die
gleiche; kann man nicht hinaussehen, so sind sie
ununterscheidbar! (Anm.: Dies erörterte Einstein an Hand
eines in einer Kiste fallenden Physikers)
Unten „schweben“ die Gegenstände (d.h. merken keine
Gravitationskraft) analog zur Situation der Besatzung der
ISS, die – im Gleichgewicht von Zentrifugal- und
Gravitationskraft – „um die Erde fällt“
In einem beschleunigten System kommt es wegen der Trägheit der
Photonen zu einer Ablenkung des Lichtes von der geradlinigen Bahn.
Entsprechend dem Äquivalenzprinzip folgt ein Lichtstrahl in der Nähe
einer schweren Masse einer gekrümmten Bahn (s. Abb. rechts).
Gedankenexperiment
Ein Photon steigt im Gravitationsfeld der Erde auf. Das Photon hat die Masse
und wird daher von der Erde angezogen. Um gegen die Erdanziehungskraft aufzusteigen, muss Hubarbeit auf Kosten der Energie des
Photons verrichtet werden. Dadurch nimmt die Frequenz des Lichts mit
zunehmender Höhe ab.
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Bemerkung: Beim Aufsteigen eines
Photons von der Erdoberfläche kommt es
zu einer Frequenzverminderung (Rotverschiebung). Dieser Effekt kann tatsächlich bei Gammastrahlen gemessen
werden (Pound, Repka und Snider
1965).
Interpretation: Eine mögliche Deutung dieser Erscheinung ist, dass
Uhren in der Nähe einer schweren Masse langsamer gehen als in großer
Entfernung von dieser Masse.
Mit Hilfe des Äquivalenzprinzips gelingt es, den Einfluss einer Masse auf Zeit (und Raum) abzuschätzen:
Abb. linke Spalte: Wir betrachten einerseits ein Labor, das
im leeren Raum ruht und vergleichen es mit einem dazu
bewegten Labor mit der Geschwindigkeit v. Die spezielle
Relativitätstheorie sagt eine Zeitdilatation und eine
Längenkontraktion für das bewegte System voraus.
Abb. rechte Spalte: Betrachten wir ein Labor, das sich (unendlich) weit entfernt von einer schweren Masse befindet
und wir vergleichen es mit einem Labor, das frei aus sehr
großer Entfernung bis zu einer Entfernung r zu einer schweren Masse gefallen ist. Die Geschwindigkeit v des frei
fällenden Systems lässt sich aus der Gleichsetzung der
kinetischen Energie mit der Änderung der potentiellen
Energie berechnen.
Setzt man entsprechend dem Äquivalenzprinzip diese
berechnete Geschwindigkeit in die Formeln für die
Zeitdilatation und die Längenkontraktion ein, dann zeigt
sich, dass Längen und Zeiten durch die Nähe von Massen
verändert werden:
In der Nähe einer schweren Masse
• schrumpfen Maßstäbe und
• gehen Uhren langsamer.
Schätze, um wie viel eine Uhr auf der Erdoberfläche langsamer läuft als auf dem Mond!
Schätze die Größenordnung der Zeitänderung, die bei einem Flug (104 m Höhe) um die Erde mit einer Geschwindigkeit von 103 km/h auftritt!
(Hinweis: Änderung der Zeit durch Geschwindigkeit und größere Entfernung vom Erdmittelpunkt.)
Zur Erinnerung (s. früher): Ein derartiges Experiment wurde 1971 von Hafele und Keating mit Atomuhren
tatsächlich durchgeführt. Dabei stellte man eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment fest; s. nachfolgende Diagramme!
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Der Einfluss von Massen auf die vierdimensionale Raum-Zeit spielt hauptsächlich in der Astronomie und
Kosmologie eine Rolle.
Beispiele:
1.) Die Ablenkung des Lichts eines Sterns durch die Sonne
kann man messen, indem die Position eines Sterns in der
Umgebung der Sonne bei Sonnenfinsternis und bei Nacht ohne Ablenkung des Lichtes im Gravitationsfeld der Sonne bestimmt wird. Die allgemeine Relativitätstheorie sagt eine
Abweichung von etwa 1,75" am Sonnenrand voraus; Einstein
kam 1915 auf diesen Wert. 1919 gab es auf der Südhalbkugel
der Erde eine totale Sonnenfinsternis, bei der erstmals diese
Vorhersage mittels Fotografierens sonnennaher Sterne überprüfbar wurde. Wegen der Bedeutung der Theorie und der
stets fraglichen Wettersituation (man war ja für die Fotos auf
„strahlenden Sonnenschein“ angewiesen) fanden zwei Expeditionen nach Afrika und Südamerika statt, wobei schließlich
eine durch die politische Situation misslang. Nach einer aufwändigen Auswertung der Bilder wurde die Vorhersage auf
einige Prozent genau bestätigt.
2.) Das Shapiro-Experiment
Im Jahre 1965 schlug der amerikanische Physiker
Irwin I. Shapiro eine Überprüfung der geometrischen
Verhältnisse in der Sonnenumgebung vor, die durch
die Fortschritte in der Radartechnik ermöglicht
wurde. Shapiros Experiment ist im Prinzip sehr einfach: Ein Radarsignal geht von der Erde aus, wird an
der Venus reflektiert und kehrt wieder zur Erde zurück. Man misst also den Abstand Erde-Venus mit
Hilfe der Radarmethode. Der Radarstrahl legt dabei
einen annähernd radialen Weg im Schwerefeld der
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Sonne zurück, wobei sein Gesamtweg gleich dem Durchmesser der
Erdbahn plus demjenigen der Venusbahn ist. Diese Durchmesser
müssen sich nach den Vorhersagen der Allgemeinen
Relativitätstheorie als etwas größer erweisen als nach denjenigen
der euklidischen Geometrie. Wegen des größeren Weges verlängert
sich auch die Laufzeit des Radarsignals, wenn das Signal auf seinem
Weg von der Erde zur Venus und zurück knapp am Sonnenrand
vorbeigeht. Dabei konnten die relativistischen Effekte dabei auf 1%
genau bestätigt werden.
3.) Nach der Gravitationstheorie von Newton umläuft jeder einzelne Planet die Sonne
auf einer Ellipsenbahn. Der sonnennächste Punkt dieser Bahn heißt Perihel. Durch
Störungen anderer Planeten kommt es im Laufe der Zeit zu einer Verschiebung des
Perihels. Die Perihelverschiebung des
Merkur stimmte mit der klassischen
Physik (nur) bis auf etwa 43" pro Jahrhundert genau überein. So vermuteten
etliche Astronomen einen weiteren
inneren Planeten, der mit seiner Masse
und Bahn für diese über der Beobachtungsgenauigkeit liegenden Abweichung verantwortlich ist. Sie waren davon so sehr überzeugt, dass dieser fiktive Planet sogar entdeckt wurde. Allerdings
konnten die Messungen nicht verifiziert werden und stellten sich somit als Trugbild heraus (s. auch Astronomie sowie Grundlagen und Methoden der Physik – Falsifizierbarkeit!). Erst mit der allgemeinen Relativitätstheorie konnte auch diese von der klassischen Physik nicht erklärbare Perihelverschiebung gelöst und berechnet werden.
Für diese Zusammenstellung verwendete sowie zur weiterführenden Lektüre dieses Themas empfehlenswerte Literatur:
Jaros/Nussbaumer: Physik-compact 4
Sexl/Kühnelt: Physik 4
Sexl: Arbeitsbuch Relativitätstheorie
Hofstetter: Philosophie, Gesellschaft und Physik
Gamov: Mr. Tompkins´ seltsame Reisen durch Kosmos und Mikrokosmos
Schulentwicklung Bd. 18
Vorlesungsunterlagen & -mitschriften von Pietschmann, einstein lectures, Einstein rechnet
Rel-theorie.doc
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