8 technologie Interview mit Chris Dorner, Geschäftsführer Tourdata «Wir sind Spezialisten für Spezialisten» Von Markus Weber Tourdata bietet als Software-Provider für Reiseveranstalter auch Lösungen für die Aufarbeitung von Daten fürs Internet und mobile Datenträger an. Das Wachstum in diesem Bereich sei riesig, sagt Geschäftsführer Chris Dorner. Und es sei kein Ende in Sicht. Herr Dorner, vor kurzem haben Sie die Geschäftsführung von Tourdata übernommen. Welches sind Ihre wichtigsten Aufgaben? Chris Dorner: Ich bin gewissermassen die Schnittstelle zwischen unserem Unternehmen und unseren Kunden. Rund um die Uhr «Die Online-Trans­ aktionen unserer ­Kunden haben sich versiebenfacht.» stehe ich ihnen und auch weiteren Interessenten für ihre Anliegen und Bedürfnisse zur Verfügung. Wie teilen Sie sich die Aufgaben mit Hugo Hofmann, dem Gründer des Unternehmens? ST 11/11 3. Juni 2011 Die Leitung des Unternehmens liegt bei mir. Hugo Hofmann bleibt zu 100 Prozent Inhaber der Firma. Tourdata ist hauptsächlich als SoftwareProvider für Reiseveranstalter bekannt. «Wir haben uns von Anfang an auf KMUs konzentriert.» Chris Dorner, Geschäftsführer von Tourdata. Ja, das ist so. Unsere Software ist aber auch für Reisebüros geeignet. Wir haben tatsächlich einige Reisebüros, die unser System ausschliesslich für den Wiederverkauf nutzen. wir von Anfang an auf KMUs fokussiert haben. In einem gesättigten Markt hat nur Chancen, wer ständig innovativ und flexibel ist. Ihr Inhouse-System ist vor allem bei den KMUs der Branche weit verbreitet. Wie schätzen Sie den Markt für Inhouse-Systeme ein? Der Markt für Inhouse-Systeme ist in der Schweiz gesättigt. Bei Carunternehmen und spezialisierten Reiseveranstaltern sind wir wohl Marktführer. Dabei hilft uns unsere langjährige Präsenz auf dem Markt und dass Die rasante Verschiebung des Verkaufs von Reisen in Richtung Internet beherrscht gegenwärtig die Diskussionen. Welche Bedeutung kommt dem Inhouse-System zu im Blick auf die Datenaufbereitung für das Internet? Die Aufbereitung von Daten fürs Internet und auch für mobile Datenträger zählt zu unseren Stärken. Wir haben in diesem Bereich auch Bewertungstools von Gästen für Reiseveranstalter entwickelt. Auch über Smartphones sind unsere Kunden dank unseren Softwarelösungen buchbar. Ebenfalls haben wir ein Extranet entwickelt, auf dem der Reisende jederzeit sämtliche Informationen seiner Buchung abrufen kann. Entsprechend ist das Wachstum bei uns in diesem Bereich riesig. Von 2002 bis 2010 haben sich die OnlineTransaktionen unserer Kunden versiebenfacht. Der Anteil von Online-Buchungen eines unserer Top-Kunden macht beispielsweise über 44 Prozent aus. Wir gehen davon aus, technologie Wichtig ist ja nicht nur, dass die Produkte auf der eigenen Homepage buchbar sind. Der Markt im Web fliesst heute vor allem auch über OTA und Portale. Direktbuchungen spielen eine zunehmende Rolle, und dabei sind auch Suchmaschinen sehr wichtig. Wie sehen Sie die Entwicklung grundsätzlich? Man muss zwischen Generalisten und Spezialisten unterscheiden, zwischen preisgetriebenen und beratungsintensiven Produkten. Der Spezialist hat das Privileg, einen selektiven Vertrieb zu bewirtschaften, während der Generalist dazu «verdammt» ist, seine Produkte auf allen Kanälen anzubieten. Und da stellt sich nicht nur die Frage der Technologie, sondern auch die Frage, ob – gerade aus Schweizer Sicht – die nötigen Volumen generiert werden können, um in diesem internationalen Wettbewerb konkurrenzfähige Preise anzubieten. Dynamic Sourcing lautet dabei das Zauberwort. Grundsätzlich muss sich eher der Vollsortimenter der technischen Herausforderung des Dynamic Sourcing stellen. Der spezialisierte Reiseveranstalter hat – wie gesagt – andere Herausforderungen zu bewältigen. Werden Reisen künftig via XML-Schnittstellen direkt auf Datenbanken von Leistungsträgern und Airlines gebucht? Braucht es die GDS in absehbarer Zeit gar nicht mehr? GDS sind nach wie vor ein sehr effizienter Distributionskanal. Die Leistungen der GDS sind denn auch nie in Frage gestellt worden. Eigentlich drehen sich die Diskussionen vor «Die Bedeutung von XML-Schnittstellen wird zunehmen.» allem um deren Kosten. Die Bedeutung von XML-Schnittstellen wird sicher zunehmen. Wer letztlich die Aufgaben der GDS übernimmt, ob auch Google beispielsweise vergleichbare Leistungen anbieten wird, ist natürlich offen. Kolumne Travel DNA – nahe ferne Zukunft? Cornel Küng General Manager Amadeus Marketing (Schweiz) AG Wenn Meiers ein neues Auto kaufen, wissen sie sehr genau, was sie wollen. Einen Kombi für die Familie, Automat, weiss, Vierrad-Antrieb und genügend PS, um den Pferdeanhänger zu ziehen. Und die älteste Tochter will den spritzigen Flitzer «oben ohne», das Budgetmodell. Schwieriger fällt es vielen, bei der Jobsuche ein klares Bild der gesuchten Traumposition abzugeben und dies auch zu artikulieren. Sieht es bei der Suche für die schönsten Wochen im Jahr nicht ähnlich harzig aus? Fragen Sie mal einige Freunde spontan nach ihrem Wunsch für die nächsten Ferien. Wie präzis werden da die Bedürfnisse formuliert? Warm sollte es sein, keine ausgetrampelten Pfade, das Hotel ein unentdecktes Juwel, möglichst mit Sportangebot? Da gibt es 1001 Möglichkeiten an verschiedenen Ecken dieser Welt. Die Psychologie hat schon längst Einzug gehalten in vielen Bereichen, zum Beispiel bei der Partnersuche. Mit Tests wird das Persönlichkeitsprofil abgeholt und in der Datenbank auf passende Pendants abgegli- Was empfehlen Sie Ihren Kunden im Blick aufs Internet? Unsere Kunden verstehen das Internet als Verkaufskanal und nicht als Konkurrenz. Sie haben eine klare Onlinestrategie bezüglich ihrer Produkte. Ihre Produkte sind nicht austauschbar. Entsprechend betreiben Sie auch ein Nischenmarketing. Der Erfolg im Internet hängt weitgehend von der Einfachheit und Schnelligkeit der Buchbarkeit ab. Und genau hier liegen unsere Stärken. Wir liefern und installieren die technischen Voraussetzungen, um einfache, schnelle Buchungsabläufe zu ermöglichen. Welche Chancen sehen Sie für Wiederverkäufer? chen. Als Modewort für Profilinformationen oder Psychogramme bürgert sich langsam der Begriff DNA ein. Frei nach dem Motto: Zeig mir deine Gene und ich sag dir, wer du bist, respektive wer oder was zu dir passt. Job-DNA ist heute oder eigentlich seit Jahren Realität. Wir alle haben wohl schon solche Tests ausgefüllt oder, wie es neudeutsch heisst, ein Assessment gemacht. Erste Gehversuche und Ideen halten nun Einzug in die grosse Welt des Reisens. Wie effizient wäre es doch, wenn ein Kunde seine Travel DNA offenbart, worauf die verfügbaren Angebote auf Grund der DNA-Kriterien auf Knopfdruck herausgefiltert werden? Wirklich spannend wird das Thema bei folgender Überlegung. Ich glaube nur beurteilen zu können, was ich kenne, oder psychologisch ausgedrückt: Was ich aus meinem Bewusstsein abrufen kann. Vielleicht passen aber ganz andere Reiseformen, -ziele, -inhalte zu mir, deren ich mir schlicht nicht bewusst bin. Travel DNA könnte da neue Welten offenbaren, ein weiteres Spektrum an Erfahrungen. Kritiker rufen da George Orwells futuristische Vision «1984» in Erinnerung. Aber sind nicht bereits heute unsere Profilinformationen in Dutzenden Datenbanken vorhanden? Jedenfalls bin ich neugierig, was für Reiseideen sich mir offenbaren, wenn dann meine eigene Travel DNA live geht! Jedes Reisebüros muss sich überlegen, welches USP es seinen Kunden anbieten und wie es sich von seinen Mitbewerbern abheben kann. Das Reisebüro braucht eine Kernleistung, beispielsweise ein eigenes Produkt (auch als Mikro-Tour Operator). Oder es spezialisiert sich auch auf eine bestimmte Zielgruppe, beispielsweise die Honeymooner. Eine andere Möglichkeit ist, ganz bestimmte Dienstleistungen anzubieten, die im Bereich der Beratung einen echten Mehrwert darstellen, Guidance im Dschungel von Flugtarifen zum Beispiel. Herr Dorner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. ◆ ST 11/11 3. Juni 2011 dass 40 Prozent Online-Buchungen bei einigen Reiseveranstaltern in naher Zukunft durchaus realistisch sind. 9