Kardiologie Das weltweit erste tragbare System zur Herz-Lungen-Unterstützung In Deutschland sterben jährlich etwa 36.000 Männer und 29.000 Frauen an den Folgen eines Herzinfarktes. Bei jedem fünften Todesfall durch Myokardinfarkt ist ein kardiogener Schock, also das akute Herzkreislaufversagen als Folge des Herzinfarktes, Ursache für den plötzlichen Tod. Für die Notfallbehandlung von Patienten im oder bei einem drohenden kardiogenen Schock steht jetzt das weltweit erste tragbare System zur Herz-Lungen-Unterstützung zur Verfügung. Dipl. Inf. (Univ.) Michael Brieske führt in die Thematik ein und stellt das von ihm entwickelte System vor. Dipl. Inf. (Univ.) Michael Brieske war nach seinem Studium an der Universität extrakorporalen Kreislaufunterstützung rik, untergebracht. Beide Module kön- Der Eintritt eines kardiogenen Schocks im kardiogenen Schock verstarb der nen während der Anwendung vonein- ist unvorhersehbar und bedeutet auch Freund. Somit war die Idee, ein portab- ander getrennt werden, so dass man stationär eine Herausforderung für die les Notfallsystem zur Herz-Lungen-Un- für eine begrenzte Zeit alleine arbeiten behandelnden Ärzte. Die mechanische terstützung zu entwickeln, geboren. Für kann, etwa im RT W. Das Steuermodul Unterstützung des Herz-Kreislaufsy- Patienten im kardiogenen Schock sollte hat dafür eine eigene, etwas einfachere stems sollte so schnell wie möglich er- ein System zur Unterstützung ihrer Herz- Bedieneroberfläche. Im Patientenmodul folgen. Um irreversible Organschäden als Lungen-Funktion entwickelt werden, das sind alle blutführenden Komponenten, Folge von Hypoperfusion zu vermeiden, im Prinzip überall zur Verfügung gestellt zum großen Teil Standardkomponenten, muss eine ausreichende Blutversorgung werden kann, einfach zu bedienen und untergebracht. Das sind im Wesent- lebenswichtiger Gefäße und Organe un- schnell einsatzbereit ist. lichen eine Zentrifugal-Blutpumpe, ein mittelbar einsetzen. Etwa die Hälfte der Durch die Zusammenarbeit von Wissen- Membran-Oxygenator, also die künstli- Bereich Hardware/Software Herzinfarktpatienten, die einen kardio- schaftlern und Praktikern unterschied- che Lunge, ein arterieller Standardfilter Entwicklung tätig. Seit genen Schock erleiden, könnten überle- lichster Disziplinen und Fachrichtungen sowie handelsübliche Silikonschläuche. 2005 ist er als Vorstand ben, wenn ihr Kreislauf rechtzeitig durch entstand dieses tragbare Herz-Lungen- Eine eigene Ent wicklung ist das ve- ein extrakorporales System mechanisch Unterstützungssystem für die Notfallbe- nöse Reservoir, das über den Sog der unterstützt würde. In einem Kranken- handlung. Passau einige Jahre im Technik der LIFEBRIDGE Medizintechnik AG für Entwicklung, Produktion, Blutpumpe den venösen Rückfluss im mobilen Einsatz mit Hilfe einer aktiven Qualitätsmanagement und haus, in dem eine Herz-Lungen-Maschi- Regulatory Affairs verant- ne zur Verfügung steht, können Patien- Technische Details Drainage gewährleistet. wortlich. ten im kardiogenen Schock deshalb Das System, so wie es sich heute prä- Das Basismodul bleibt immer beim An- gerettet werden. Sehr viel schwieriger sentiert, besteht aus drei Komponenten: wender. Für jeden Einsatz bekommt der ist die Situation in kleineren Kranken- Ein Basismodul in weiß, ein Steuermo- Anwender eine Kombination aus Steu- häusern oder in einem Herzkatheterla- dul in orange und ein Patientenmodul ermodul und Patientenmodul. Sie wird bor, wenn dort keine Herz-Lungen-Ma- in grau. Das Basismodul enthält die ei- auf das Basismodul aufgesetzt, sodann schine zur Verfügung steht. gentliche Bedienoberfläche mit einem in die Primingposition gebracht und an Das war auch die Überlegung, die bei Touchscreen und einem Druck-Dreh- eine Priminglösung (Kochsalzlösung der Entwicklung der LIFEBRIDGE B 2 T ®, Knopf, die Hauptenergieversorgung mit oder Ringerlaktat) angeschlossen. Eine dem ersten tragbaren Notfallsystem einem Akku für zwei Stunden und einem Checkliste auf dem Touchscreen leitet zur Herz-Lungen-Unterstützung, Pate Anschluss für das ex terne Net zteil durch den gesamten Prozess. Wenn das Gerhard Brieske, Inha- stand. Den Anstoß dafür gab das Erleb- (220-240 V~ oder 24 V=). Im Steuermo- System befüllt ist, kann der Patient per- ber der Ampfinger Isen nis eines Herzchirurgen, der als Notarzt dul ist die gesamte Funktionalität des kutan, femoral über die große Leisten- ambulant zu einem befreundeten Pati- Gerätes, wie automatische Klemmen vene angeschlossen werden. Über den enten mit Herzinfarkt gerufen wurde. und Pumpenantrieb sowie Steuer- und Touchscreen und den Druck-Dreh-Knopf Wegen fehlender Möglichkeiten der Überwachungselektronik und -senso- erfolgen die weiteren Einstellungen, et- Industrie Elektronik (IIE), war maßgeblich an der Entwicklung des ersten Prototypen beteiligt. 48 Einleitung hightech für ärzte wa die Einstellung der Pumpendrehzahl. Der Zugang zum Patienten ist entweder durch das Einbringen von Kanülen (durch perkutane Punktion) in die arteriellen Das System besteht aus drei Komponenten: Ein Basismodul in weiß, ein Steuermodul in orange und ein Patientenmodul in grau. und venösen Leistengefäße oder auch über das Einbringen zentraler Kanülen (rechtes Atrium und aufsteigende Aorta nach einer Thorakotomie) möglich. Abhängig von der Art des Zugangs zum Patienten, kann ein Blutfluss von bis zu sechs Litern pro Minute erreicht werden, ein Volumen, das einen adäquaten Gasaustausch und eine ausreichende Perfusion aller entscheidenden Organe sicherstellt. Nach dem Einsatz wird die LIFEBRIDGE B 2 T ® vom Basismodul getrennt. Das Patientenmodul wird verworfen. Das Steuermodul geht zurück zum Hersteller und wird dort wieder aufbereitet. Das Steuermodul wird schließlich wieder mit einem Patientenmodul ergänzt und als neu aufgerüstetes System dem Anwender zur Verfügung gestellt. Damit das System in der Zwischenzeit einsatzfähig bleibt, besteht das Startpaket aus einem Basismodul und zwei Steuer- und Patientenmodulen. Logistisch ist der Prozess einsatzfähig. Sie sind auf geplante An- Neuland betreten. Die Herausforderung innerhalb von 72 Stunden abgeschlossen. wendung innerhalb des Krankenhauses war den Ärzten und Ingenieuren, die den Krankenhausindividuelle Lösungen sind beschränkt. So benötigt das Priming Anstoß für die Entwicklung des ersten je nach Einsatzhäufigkeit möglich. einer konventionellen Herz-Lungen- mobilen Notfallsystems zur Herz-Lungen- Maschine etwa 20 bis 30 Minuten, die Unterstützung gaben, durchaus bewusst. Einsatzbereit innerhalb kürzester Zeit Bedienung erfolgt durch einen speziell In allen Phasen der Systementwicklung Wichtig bei der Entwicklung war, dass geschulten Kardiotechniker. Herz-Lun- das System innerhalb kürzester Zeit gen-Maschinen und entsprechende Kar- einsatzbereit ist. Die Primingzeit beträgt diotechniker sind nur in spezialisierten fünf Minuten, sie kann vom Notarzt ohne kardiologischen Zentren und oft nur in Minuten einsatzbereit und kann vom die Unterstützung eines spezialisierten Rufbereitschaft verfügbar und genügen Technikers bedient werden. Eine be- somit nicht der notwendigen Reaktions- Notarzt ohne die Unterstützung sondere Herausforderung bestand auch schnelle einer akuten Notfallsituation. in der Vermeidung von Luftembolien. Mögliche Anwendungsgebiete sind da- Bei konventionellen Herz-Lungen-Ma- her der Transport instabiler Patienten schinen stellt Luft im System seit Jahr- zwischen Kliniken, z. B. der Notaufnah- zehnten eines der größten Risiken für die me eines Kreiskrankenhauses zur Spe- standen dem Unternehmen anerkannte Patienten dar. Bei dem neuen System zialklinik mit Katheterlabor/OP, intrao- Experten aus der Medizin, Wissenschaft wird Luft im System vollautomatisch er- perative Notfallsituationen im OP oder und Finanzwelt als Berater und Investo- kannt und entfernt. Zur Vermeidung von im Katheterlabor sowie der präventive ren zur Verfügung. Diese Interdisziplina- Luftembolien gibt es insgesamt sieben Einsatz bei Hochrisikopatienten im Herz- rität hat letztendlich dazu beigetragen, Sicherheitsstufen, die einen maximalen katheterlabor. dass dieses Produkt innerhalb von nur Schutz des Patienten garantieren. Das System ist innerhalb weniger eines spezialisierten Technikers bedient werden. knapp fünf Jahren von der Idee bis zur Die gängigen Herz-Lungen-Maschi- Entwicklungsgeschichte Marktreife entwickelt werden konnte. nen sind meist groß und schwer (weit Mit der Entwicklung dieses Systems So erstellte schon früh ein interdiszip- über 100 kg) sowie nicht sehr schnell wurde in vielerlei Hinsicht technisches linäres Kompetenzteam mit Herzchir- hightech für ärzte 49 urgen, Kardiologen, Kardiotechnikern, In einer frühen experimentellen Studie nisse in einer amerikanischen Zeitschrift einem Notarzt und einem Anästhesisten der Universität Köln wurden mit einem für Herzthoraxchirurgie (Mehlhorn U et das Anforderungsprofil für das geplante rudimentären Prototyp herzchirurgische al., Ann Thorac Surg 2005; 80: 1887-92) mobile Notfallsystem zur Herz-Lungen- Eingriffe mit Schweinen simuliert. Die stieß in den Fachkreisen auf großes In- Unterstützung. Dieses Anforderungs- Blutgase der Tiere wurden innerhalb des teresse. profil war dann auch Grundlage für ein physiologischen Bereichs während der Nachdem die ersten Tests erfolgreich Pflichtenheft. gesamten Studiendauer konstant gehal- absolviert waren, bestand die nächs- Dabei wurden die Luftinfusion und eine ten. Der Durchblutungsfluss blieb selbst te Herausforderung darin, das System Minderperfusion als wesentliche Ge- dann stabil, wenn die Höhendifferenz weiter zu entwickeln, die Technik zu fährdungen für den Patienten identifi- zwischen Maschine und Herz verändert verkleinern und in eine transportable ziert. Darüber hinaus bestand Einigkeit, wurde. Auch die Injektion von bis zu Form zu bringen. Ein erster Prototyp, der dem heutigen System schon weitgehend glich, wurde schließlich zusammen mit dem Deutschen Herzzentrum in Berlin bei acht Patienten mit elektiven Routineeingriffen in der Bypass-Chirurgie eingesetzt. Das Ziel der Untersuchung, die von der Ethikkommission genehmigt werden musste, bestand darin, die Gleichwertigkeit des neuen tragbaren Systems im Vergleich zu einer herkömmlichen Herz-Lungen-Maschine aufzuzeigen. Das System lief durchschnittlich 82 Minuten während der Einsätze und wurde bis zu 103 Minuten ohne jegliche Komplikationen eingesetzt. Hierbei gewährleistete das Gerät selbst unter den extremen Bedingungen eines kompletten Herzstillstandes ohne Beatmung – wie bei derartigen Herzoperationen üblich – ausreichende Organdurchblutung und adäquaten Gasaustausch. Damit war klar, dass die extrakorporale Zirkulation nicht nur bei Notfallpatienten, sondern auch präemptiv während risikoreicher kardiologischer und kardiochirurgischer Eingriffe eingesetzt werden kann. Alle Abbildungen: © LIFEBRIDGE Medizintechnik AG 50 dass das Blut durch die Behandlung 100 ml venöser Luft verringerte nicht nicht geschädigt werden darf und dass den Durchblutungsfluss, und selbst die ein Blutverlust vermieden werden muss. ungünstigsten Bedingungen resultierten Zahlreiche Tests mussten vor der Zulassung absolviert werden Das interdisziplinäre Kompetenzteam nicht in einer arteriellen Luftembolie. Mit Blick auf die angestrebte Zulas- war sich darüber hinaus von Anfang an In diesen Experimenten konnte das Ge- sung bestand von Anfang an eine enge auch einig, dass nur herkömmliche, auf rät einen konstanten Systemdruck im Kooperation mit dem TÜV SÜD Product dem Markt erhältliche blut führende Versuchstier von mindestens 60 mmHg Service GmbH in München. Für die Zu- Komponenten verwendet werden sollen. gewährleisten, und zwar unabhängig lassung waren dann letztendlich die Die größten Herausforderungen stellten davon, ob peripher oder zentral kanüliert klinische Bewertung, die elektrische naturgemäß jedoch der geplante mobile wurde. Auch die Blutgaswerte wurden Sicherheit, die konstruktive Sicherheit Einsatz und der Umgang mit Luft durch bis zu einem Höhenunterschied von und die funktionale Sicherheit entschei- das System dar. Die Lösung war ein au- 60 cm vom Herzen zur Maschine kons- dend. Während die klinische Bewertung tomatisches Verfahren zur Eliminierung tant gehalten. Das Minutenvolumen war durch ein umfangreiches Gutachten von Luf tblasen aus einem geschlos- bei peripherer Kanülierung 3,5-4,0 l/min, mit einer kritischen Würdigung der ein- senen System während des laufenden bei zentraler Kanülierung 5,5-6,0 l/min. schlägigen Literatur belegt und die elek- Betriebs. Die Publikation dieser Studienergeb- trische Sicherheit durch die Erfüllung hightech für ärzte der entsprechenden Normvorschriften nachgewiesen wurde, erforderten die konstruktive und die funktionale Sicherheit eine Reihe von Tests. So muss beispielsweise sichergestellt sein, dass das Gerät aufgrund seiner konstruktiven Sicherheit auch bei starkem Regen einsatzfähig ist und funktioniert. Und weil das Gerät mobil eingesetzt werden soll, musste in entsprechenden Crashtests nachgewiesen werden, dass das Gerät auch nach einem Sturz aus 70 Zentimeter Höhe noch funktioniert. Die Frage der funktionalen Sicherheit betrifft vor allem die Frage der Fehleranfälligkeit, bzw. wie das System bei einem Fehler reagiert, so dass der Patient nicht gefährdet wird. Dazu wurden insgesamt mehr als 70 unterschiedliche Schutzsysteme entwickelt und in das System integriert. Mit der Erteilung der behördlichen CEZulassung als mobiles Notfallsystem zur extrakorporalen Herz-Lungen-Unterstützung Anfang April 2007 hat inzwischen die klinische Einführungsphase in ausgewählten kardiologischen und kardiochirurgischen Zentren begonnen. Für den US-amerikanischen Markt ist die Zulassung ebenfalls beantragt und wird für das 4. Quartal 2008 erwartet. Als Fazit lässt sich schon jetzt festhalten: Aufgrund der geringen Größe (61 x 45 x 37 cm), des niedrigen Gewichtes (nur 17,5 kg) sowie seiner schnellen, einfachen und sicheren Handhabung kann dieses System für die Notfallbehandlung von Patienten im oder bei einem drohenden kardiogenen Schock eingesetzt werden. Das Gerät ist in der Lage, innerhalb weniger Minuten den Kreislauf wieder herzustellen und eine normale Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff zu gewährleisten. Damit kann dem meist tödlich verlaufenden Multi-Organversagen infolge eines kardiogenen Schocks nach Herzinfarkt wirksam vorgebeugt werden. Dipl. Inf. (Univ.) Michael Brieske Die Kontaktadresse von Dipl. Inf. (Univ.) Michael Brieske sowie Links zu weiteren Artikeln und Herstellern im Bereich Herz-Lungen-Unterstützung finden Sie im Adressteil am Heftende. hightech für ärzte 51