Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte

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Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Die Rolle von Bioethik-Agenturen in
einer demokratischen Debatte:
der Fall der Schweiz
COMETH, 23. Mai 2007, Berlin
Claude Longchamp, Politikwissenschaftler,
Institutsleiter Forschungsinstitut gfs.bern
© gfs.bern
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Was wollen Nationale Ethik-Kommissionen
erreichen?
Es gibt zwei Perspektiven:
• Die politische Agenda zu kommenden Problemen
mit ethischen Positionen frühzeitig besetzen?
• Regierung und Parlament in laufenden
Entscheidungen mit ethischen Argumenten
beliefern?
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Der policy-Zyklus
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Der Entscheidungsprozess
Umsetzungsphase
Initialisierungsphase
Entscheidungsphase
Vorbereitungsphase
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Systemvergleich
Repräsentativdemokratisches System
• Volkswahl des
Parlamentes/Regierung von
Parlamentsmehrheit abhängig
• Parlament abschliessendes
Initiativrecht und
Gesetzesentscheide,
• gerichtliche Kontrolle der
Verfassungsmässigkeit
"weitgehende
parlamentarische
Souveränität der Agenda"
direktdemokratisches System
• Volkswahl des
Parlamentes/Regierung von
Parlamentsmehrheit abhängig
• Initiativrecht des Parlamentes
wegen Volksinitiative nicht
abschliessend; Gesetzesentscheidungen treten nicht
automatisch in Kraft treten
• Nachkontrolle parlamentar.
Entscheidungen durch
(mögliche) Volksabstimmung
"beschränkte parlamentarische
Souveränität der Agenda"
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Thesen zu der Kommunikationswirkung
der direkten Demokratie
Die politische Elite
…weiss, dass sie nicht nur auf einen diffuse support, sondern vielfach
auf specific support der wählenden und stimmenden Bevölkerung
angewiesen ist.
…weiss, dass sie die relevante politische Agenda in nur bedingten
Masse bestimmt resp. einschränken kann.
... ist gegenüber Bevölkerungsdiskursen sensibler, sie kann aber auch
gezielter entscheiden, was mehrheitsfähig ist und was nicht.
Parteien müssen sich stark auf diesen Prozess einstellen; es gilt aber
auch für Verbände, Wissenschaft und Massenmedien.
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Einstellungen zur Forschung
Forschungsfreundliche Schweiz
Forschungskritische Schweiz
• Forschung als einziger Rohstoff
• Kritik an technologischer
Entwicklung seit KernenergieDebatte der 80er Jahre
teilweise mehrheitsfähig.
• Forschungsplatz teilweise
ausserhalb der EU
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Drei relevante politische Entscheidungen
Datum der
Volksentscheidung
Typ der
Volksentscheidung
Ergebnis der
Volksentscheidung
Gen-Schutz-Initiative
7.7.1998
Volksinitiative
(Oppositionsforderung,
von Regierung und
Parlament verworfen)
abgelehnt
Volksmehr: 33.3%
Ständemehr: 0
Stammzellenforschungsgesetz
28.11.2004
Parlamentarischer
Gesetzgebung,
fakultative
Gesetzesreferendum
angenommen
Volksmehr: 64,4%
Gentechfreie
Landwirtschaft
27.11.2005
Volksinitiative
(Oppositionsforderung,
von Regierung und
Parlament verworfen
angenommen
Volksmehr: 55.7%
Ständemehr: 20 6/2
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Grundhaltung zur Gentechnologie
"Reden wir einen Moment lang von der Bio- und Gentechnologie. Ganz grundsätzlich, befürworten Sie
Gentechnologie eher, oder lehnen Sie sie eher ab?"
in % Stimmberechtigter
weiss nicht/keine
Antwort
22%
eher dafür
26%
eher dagegen
52%
© gfs.bern, Gentechnologie, Mai 2004 (N = 1215)
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Konsumbereitschaft gentechnisch veränderter Lebensmittel
"Angenommen es wären in der Schweiz gentechnisch veränderte Lebensmittel erhältlich, würden Sie solche
konsumieren oder nicht?"
in % Stimmberechtigter
weiss nicht/keine
Antwort
3%
unsicher, ob nicht schon
(unbewusst) konsumiert
(spontan)
14%
würde solche nicht
konsumieren
66%
© gfs.bern, Gentechnologie, Mai 2004 (N = 1215)
würde solche
konsumieren
17%
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Gentechnologie in der Medizin
"Befürworten Sie die Anwendung von Gentechnologie in der Medizin oder lehnen Sie sie eher ab?"
in % Stimmberechtigter
weiss nicht/keine
Antwort
18%
befürwortet eher
52%
lehnt eher ab
30%
© gfs.bern, Gentechnologie, Mai 2004 (N = 1215)
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Vertrauen in Akteure Gentechnologie
"Ich nenne Ihnen jetzt einige Gruppen, die in der Öffentlichkeit für oder gegen Gentechnologie auftreten.
Sagen Sie mir bitte jedes Mal, wem Sie vertrauen resp. misstrauen, wenn es um Fragen der Gentechnologie
geht? Wenn Sie eine Gruppe nicht kennen, sagen Sie mir das bitte."
in % Stimmberechtigter
KonsumentInnen-Organisationen
60
Ärztinnen und Ärzte
56
Forscher und Forscherinnen
Prof. Zinkernagel, Novelpreisträger
32
Bundesrat
32
Kirchen
chemisch-pharmazeutische Industrie
konservative religiöse Kreise
hat Vertrauen
5
9
weder/noch (spontan)
© gfs.bern, Gentechnologie, Mai 2004 (N = 1215)
1 1
55
4 1
58
2
1
62
69
hat kein Vertrauen
2
45
16
9
kennt nicht
2
2
50
16
16
11
10
14
24
13
26
21
26
1
24
14
6
1 1
19
19
45
4 1
19
23
54
Ethiker/EthikerInnen
Basler Appell gegen Gentechnologie
16
keine Antwort
2
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Argumentarium Anwendung Medizin
Individuum
Missbildung bei Ungeborenen
Lebensqualität verbessern
unfruchtbare Paare:
Genetische Veranlagung
Lösung konkreter Probleme
Schwere Krankheiten besiegen
klare ethische Regelen
forschung spitzenni
wirtschaftlicher Nutzen
Grundlagenforschung
Kollektiv
Minderheit
© gfs.bern, Gentechnologie, Mai 2004 (N = 1215)
Mehrheit
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Rolf Martin Zinkernagel
(6. Januar 1944 in Riehen, BaselStadt) ist emeritierter Professor
für experimentelle Immunologie
am Departement für Pathologie
an der Universität Zürich.
Zusammen mit dem Australier
Pete Doherty bekam er 1996 den
Nobelpreis für Medizin für die
Entdeckung, wie das
Immunsystem virusinfizierte
Zellen erkennt, verliehen.
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Simonetta Sommaruga
Geboren am 14. Mai 1960, aufgewachsen mit zwei
Brüdern und einer Schwester in Sins (AG), Matura
Typus B am Gymnasium Bethlehem in Immensee (SZ)
- Ausbildung zur Pianistin am Konservatorium Luzern,
Weiterbildung in Kalifornien und Rom, 1980 bis 1983,
Anglistik- und Romanistikstudium in Fribourg, 1988 bis
1991, Verheiratet mit dem Schriftsteller Lukas
Hartman
Politik
Seit 1986
Mitglied der Sozialdemokratischen Partei SP
1999-2003
Nationalrätin, Mitglied der Umwelt-, Energie- und
Raumplanungskommission
Seit 2003, Ständerätin
Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben
(WAK)
Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und
Energie (UREK)
Mitglied der Aussenpolitischen Kommission (APK)
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Klassierung ausgewählter Akteure in der
Biotech-Debatte
Forderung
Mit
Pro-Profil
Mehrheitsfähig
ÄrztInnen
ForscherInnen
Nicht
mehrheitsfähig
Bundesrat
Industrie
Ohne
spezifisches
Profil
Mit
Kontra-Profil
KonsumentInnenOrganisationen
Zinkernagel
Basler Appell
Kirche
Konservative
EthikerInnen
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
Zwischenbilanz
EthikerInnen/Ethikkommission sind in politischen
Entscheidungen ein weitgehend akzeptierter
Kommunikator. Sie rangieren zwar hinter den
Interessenvertretungen der KonsumentInnen und
der Medizin, aber vor der Politik.
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
These 1:
EthikerInnen/Ethikkommission legitimieren mit
ihren Äusserungen zu kommenden politischen
Entscheidungen diese in einem erheblichen Masse.
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These 2:
EthikerInnen/Ethikkommission beeinflussen mit
ihren Äusserungen zu kommenden politischen
Entscheidungen nicht im vergleichbaren Masse.
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
These 3:
EthikerInnen/Ethikkommission müssen in laufenden
politischen Entscheidungen die passive Rolle des
nachgefragten Ratgebers verlassen und zu LobbyAgenturen der Ethik in der Politik werden.
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
These 4:
EthikerInnen/Ethikkommission müssen in
kommenden Themen, die zu politischen
Entscheidungen führen können, die möglichen
Probleme antizipierend aufgreifen und zu EthikKommunikatoren auf der öffentlichen Agenda
werden.
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
These 5:
EthikerInnen/Ethikkommission in einer direkten
Demokratie wie der Schweiz haben den Vorteil, das
sie an sich kommunikativer und für ein
Massenpublikum arbeiten müssen. Sie folgen damit
dem Trend, der in Politik, Interessenvertretung,
Wissenschaft generell beobachtbar ist.
Bioethik-Agenturen in der demokratischen Debatte
www.gfsbern.ch
www.polittrends.ch
www.soziotrends.ch
www.kommunikationstrends.ch
© gfs.bern
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