Augsburg, 07.09.2015 Immunität Laut gängiger Definition verspricht

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Augsburg, 07.09.2015
Immunität
Laut gängiger Definition verspricht die Immunität den Schutz vor einer viralen,
bakteriellen Erkrankung oder den giftigen Stoffwechselprodukten von Bakterien, so
dass das Individuum keine Krankheitssymptome entwickelt [1]. Als Maß wird in der
praktizierenden Medizin bis heute der Antikörper-Titer gegen einen bestimmten
Erreger angewandt. Dabei wird kein Unterschied gemacht, ob er nun durch den
Nestschutz der Mutter, nach natürlichem Kontakt mit dem Erreger und evtl. einer
überstanden Erkrankung oder auch durch eine Impfmaßnahme aufgebaut wurde. In
den letzten Jahren mussten jedoch die Vorstellungen über unser Wissen des
Immunsystems überarbeitet, verworfen oder komplett neu definiert werden, da dieses
in seiner Komplexität bis heute nicht vollständig geklärt und verstanden ist. Sprach
man noch zu Pasteurs Zeiten von Zauberkugeln, so sind heute zwölf verschiedene
Immunzelltypen und ca. 50 Botenstoffe bekannt und es werden stetig mehr. [2]
Die unspezifische Immunantwort, auch als konstitutionell oder genetisch
bezeichnet, besteht aus unterschiedlichen physikalischen Barrieren wie der Haut,
den Schleimhäuten (insbesondere im Darm) und der Magensäure. Sind diese
Barrieren intakt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Erkrankung manifestiert,
gering. An der Aufrechterhaltung dieser Barrieren sind eine Menge biologischer
Mechanismen wie antimikrobielle Enzyme und Substanzen in Zellen, Geweben und
Schleimhäuten beteiligt (z.B. Dendritische Zellen, Komplement-System, etc.). [3]
In den ersten Monaten nach der Geburt wird die unspezifische Immunantwort durch
den Nestschutz unterstützt. Diese sogenannte Leihimmunität oder angeborene
Immunität besteht aus Antikörpern, die von der Mutter während der Schwangerschaft
über Nabelschnur und Plazenta in den Blutkreislauf des Kindes gelangen, sowie
Antikörpern, die in der Muttermilch enthalten sind [1]. So können viele Erkrankungen
im Säuglingsalter verhindert werden.
Nach Lehrmeinung wird die spezifische Immunantwort ab dem Tag der Geburt
aufgebaut. Erst ab dem 4. Lebensjahr kann das Immunsystem fehlerfrei und
angemessen auf aufgenommene Fremdpartikel (Antigen) reagieren. [4]
Die spezifische Immunantwort wird selektiv über Antikörper in Körperflüssigkeiten
(humorale Immunität) oder über spezifische weiße Blutkörperchen, den TLymphozyten, Fresszellen und weitere immunkompetente Zellen (zelluläre
Immunität) ausgeführt. Zudem gilt für die weißen Blutkörperchen die Gesamtheit
aller Fremdpartikel, die in unseren Körper gelangen, als Trainingslager.
Insbesondere die Darmbakterien spielen eine entscheidende Rolle, da hier der
größte Kontakt zu Fremdpartikeln (Antigenen) stattfindet und deren Aufbau studiert
wird. [5] So lernt unser Immunsystem die sogenannten Antigene auf deren winzigste
Bausteine
genau
kennen
und
entscheiden,
ob
die
Fremdpartikel
gesundheitsförderlich, neutral oder potentiell krankmachend sind. Dieses Erkennen
verläuft nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Antikörper oder spezielle Bindestellen
(Rezeptoren) auf den Lymphozyten definieren Strukturen schon als fremd oder
entartet (z.B. Krebszelle), wenn sie sich nur geringfügig von den körpereigenen,
gesunden Strukturen unterscheiden oder fremde Signale aussenden [6].
Das Erkennen eines Partikels als körperfremd dient dem Immunsystems auch dazu,
ein immunologisches Gedächtnis aufzubauen. Nach Erstkontakt oder
Wiedererkennen bildet eine andere Klasse von weißen Blutkörperchen, die BLymphozyten, die für die Antigene spezifischen Antikörper aus und es verbleiben
Gedächtniszellen im Organismus. Bei einem Zweitkontakt können die Antikörper die
Fremdpartikel schnell erkennen, die Produktion weiterer Antikörper veranlassen und
die ausführenden Zellen des Immunsystems wie die Fresszellen aktivieren [3, 6, 7].
Hier kann man bereits erkennen, dass nicht das alleinige Vorhandensein von
Antikörpern für einen sicheren Schutz vor Erkrankung hilft. Es muss insgesamt eine
Immunkompetenz des Körpers vorliegen, also die Fähigkeit des Organismus, die
Partikel zu differenzieren, alle Akteure des Immunsystems zu aktivieren und in
angemessener Weise zu reagieren. Neuere Forschungsergebnisse verlangen eine
Korrektur der vorhandenen gültigen Lehrmeinung der Schulmedizin [2].
Immer mehr Bedeutung kommt dem „Mikrobiom“ zu. Es scheint sich dabei um ein
komplexes mit Mikroorganismen vernetztes Zellorgan zu handeln, das in einer Art
Dialog mit dem Immunsystem kommuniziert. [8]
Deswegen kommt der Pflege der Bakterienbesiedlung des Darmes besondere
Aufmerksamkeit zu, da sich bekannter Weise ca. 80% des Immunsystem im Darm
befindet. Wir begegnen unserer Außenwelt – Nahrung – zuerst mit der Mundhöhle,
die den Eingang zu unserem Verdauungskomplex bildet, einschließlich unseres
Darmes mit seiner Länge von 8 Metern und mit einer Oberfläche von der Größe
eines Fußballfeldes. [5] Die Pflege dieses „vielfältigen Rasens“ ist
Grundvoraussetzung für ein Geschehen des glatten Spiels = Gesundheit.
Um eine Immunität aufrechtzuerhalten, also das Immunsystem in schlummernder
Alarmbereitschaft zu halten, bedarf es jedoch immer wieder eines Kontaktes mit
diesen Fremdproteinen (immunologische Boosterung). So wird das immunologische
Gedächtnis permanent aktualisiert und weiter geschult. Hat der Körper über längere
Zeit (einige Jahre) keinen Kontakt, lässt auch die Immunität nach.
Offen bleiben hingegen Fragen wie
1. warum es gesunde Träger und Ausscheider von in anderen Fällen
krankmachenden Fremdpartikeln gibt,
2. warum erkranken nicht alle im gleichen Maße unter gleichen Einflüssen,
3. warum bekommt ein Kind die Masern und das Geschwisterkind beispielsweise
nicht,
4. was bewirkt, dass Herpesbläschen aufblühen oder nicht,
5. warum übertragen geimpfte Mütter keinen effektiven Immunschutz an ihre
Kinder,
6. wo sind die Grippeviren im Sommer,
7. warum erkranken auch Menschen trotz hoher Antikörpertiter. Vermitteln
zirkulierende Antikörper wirklich Schutz?
Vielleicht ist die Immunität ein rein individueller Schutz zu einem bestimmten
Zeitpunkt. Lässt allgemein die Immunkompetenz des einzelnen durch Stress,
Mangelernährung oder einer Erkrankung nach, kann der den Körper besiedelnde
Erreger überhand nehmen und krank machen.
Literatur:
[1] Pschyrembel - Klinisches Wörterbuch (260. Aufl.). Walter de Gruyter Berlin, New
York 2004
[2] Iwasaki, Akiko; Medzhitov, Ruslan (2015): Regulation of adaptive immunity by the
innate immune system. In: Nature immunology 16 (4), S. 343–353. DOI:
10.1038/ni.3123.
[3] Alberts, B. et al: Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie. Wiley-VCH Verlag GmbH
& Co. KGaA; Auflage: 4. vollst. überarb. Aufl. 2012
[4] http://www.gepd.med.uni-goettingen.de/kongresse/2/vortrag/immunsystem.pdf
[5] Enders, Giulia: Darm mit Charme. Alles über ein unterschätzes Organ. Ullstein
Verlag 2014
[6]http://www.rki.de/DE/Content/Service/Publikationen/Fachwoerterbuch_Infektionssc
hutz.pdf;jsessionid=8AD3003AA6CEA6D9FED87FEEFF372FEF.2_cid363?__blob=p
ublicationFile
[7] http://das-immunsystem.de/fuer-jedermann/unser-immunsystem
[8] http://www.gehirnforschung.at/project/die-darm-gehirn-achse/
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