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PHYSIK III
Vorwort
In der Vorlesung ”Physik III” werden wir die ”Klassische Elektrodynamik”
behandeln. Diese Vorlesung ist eine Grundvorlesung für das Verständnis der
”Quantenmechanik” Vorlesung, die wir als ”Physik IV” behandeln werden.
Die ED hat ferner weitreichende Implikationen für die Anwendung der Physik. Die ED ist ein recht schwieriges und komplexes Gebiet, da die mathematische Methode eine grosse Rolle spielt. Unser Ziel ist es, eine ausführliche
Diskussion der Maxwell-Gleichungen und ihre Konsequenzen in der Natur
und der Technik durchzuführen. Dabei werden wir uns nur wenigen Themen
intensiv widmen können, da die Zeit für die Vorlesung beschränkt ist. Später,
in den Vorlesungen ”Festkörperphysik” und ”Quantenelektronik”, werden
diese speziellen Themen (Metall-, Halbleiter-, Laser-physik usw.) besser behandelt. Ich bedanke mich bei meiner Frau Hedi für die grosse Hilfe bei der
Verfassung dieses Skriptes und bei C. Kendel für die Figuren.
Dieses Skript widme ich meinem Vater, der am 19 Oktober 2002 gestorben
ist.
Zürich, im Oktober 2004
D. Pescia
ii
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
ii
1 Elektrostatik
1.1 Die Grundgleichungen der Elektrostatik . . . . . . . . .
1.2 Das elektrische Feld von einfachen Ladungsverteilungen
1.3 Elektrostatik von Metallen . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Elektrostatik eines Isolators (= Dielektrikum) . . . . .
2 Magnetostatik
2.1 Der elektrische Strom . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Die Gesetze der Magnetostatik . . . . . . . . . .
2.2.1 1. Gesetz der Magnetostatik . . . . . . .
2.3 Magnetische Felder einfacher Stromverteilungen
2.4 Die Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Magnetostatik in der Materie . . . . . . . . . .
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3 Elektrodynamik
3.1 Faradaysches Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Die Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Ebene Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Allgemeine Lösung der inhomogenen Wellengleichung . . . .
3.5.1 Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.2 Eine weitere Anwendung: elektrische Dipolstrahlung
(nicht obligatorisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
iii
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1
9
13
19
25
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33
34
37
38
40
43
44
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49
49
52
55
60
67
69
. 74
Kapitel 1
Elektrostatik
In ”Physik I” und ”II” haben wir jedem physikalischen Objekt eine Masse
zugeordnet: das war das einzige physikalische Merkmal. Physikalische Objekte können aber auch geladen sein. Die Ladung ist der zentrale Begriff in
der Vorlesung ”Physik III”. Es gibt zwei Arten von Ladungen, positive bzw.
negative. Einfache Experimente belegen, dass sich gleichnamige Ladungen
abstossen, während sich verschiedenartige Ladungen anziehen. Ein Beispiel
von negativ geladenen Massenpunkten ist ein Elektron. Positiv geladene Teilchen sind zum Beispiel die Protonen, die zusammen mit den Elektronen die
Bausteine der ganzen Materie sind. Die Ladung, die ein Elektron oder ein
Proton trägt, beträgt 1.6 · 10−19 C (C: Coulomb). Ferner stellt man fest, dass
die Kraft zwischen zwei Ladungen q1 und q2 proportional zu ihrem Produkt
ist und mit dem Quadrat des Abstandes der beiden Ladungen abnimmt.
Diese zusätzliche Kraft der Natur, die zwischen Ladungen existiert, ist die
Coulomb Kraft. Die Coulomb Kraft ist demnach der Gravitationskraft sehr
ähnlich, mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie sowohl anziehend als
auch abstossend sein kann. Für die Coulomb-Kraft der Ladung q1 auf die
Ladung q gilt
q · q r − r
1
Kq →q (r , r) =
4πε0 |r − r |2 |r − r |
Nm2
1
= 9 × 109 2 , [q] = C
4πε0
C
Eine der Eigenschaften der Coulomb Kraft, die wesentlich zur Vielfalt beiträgt, die wir in der Natur beobachten, ist ihr vektorieller Charakter. Aber
genau diese Eigenschaft macht den Zugang zum Elektromagnetismus so kompliziert. In der Tat kann man oft in der Mechanik die Probleme durch Massenpunkte modellieren, die eben in einem Punkt lokalisiert waren. Der vektorielle Charakter der Gravitation äusserte sich als kugelsymmetrisches Kraftfeld,
1
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
2
dV ρ(r )
r − r
r
r
Abbildung 1.1: Figur zur Coulomb-Gesetz und zum Superpositionsprinzip
das von diesem Massenpunkt produziert wird. Diese Kugelsymmetrie vereinfacht das Verständnis erheblich. Ladungen dagegen lassen sich auf einfache
Weise in beliebige Geometrien makroskopisch aufstellen und die eigentliche
Geometrie spielt bei vielen Anwendungen (siehe z.B. das Elektronenmikroskop oder die Antenne) eine sehr grosse Rolle: eine Ladung q, welche sich
in der Nähe einer makroskopischen Ladungsverteilung aufhält, spürt – nach
dem Superpositionsprinzip – die vektorielle Summe einer grossen Anzahl
Kräfte, die aus den einzelnen Ladungen entstehen: Bei der Anwesenheit von
N Ladungen q1 , ..., qN , wirkt auf die Ladung q die folgende Kraft:
r =
K
N
qi · (r − ri )
q
·
4πε0 i=1 | r − ri |3
Haben wir eine kontinuierliche Ladungsverteilung vorliegen, die im Volumen
V eingeschlossen ist, so müssen wir von der Summation über die Punktladungen zu einer Integration über die räumliche Verteilung übergehen. Wir
setzen an die Stelle der Punktladung qi das Ladungselement ρ(r )dV , mit
dV = dx dy dz und ρ(r ) die Ladungsdichte am Ort r . Somit ergibt sich
r) =
K(
q
·
4πε0
V
ρ(r )
r − r
dV | r − r |3
Entsprechend kompliziert wird die Bewegung der Ladung q sein.
Bei diesen Ausfhrungen haben wir stillschweigend angenommen, dass die Anwesenheit von q die Ladungsverteilung ρ(r ) nicht beeinflusst. Dann lässt sich
r ) schreiben. E
ist das elektrische Feld der Ladunsgverteidie Kraft als q · E(
lung ρ(r ), und ist durch die formelle Gleichung
.
r) =
E(
1
·
4πε0
V
ρ(r )
r − r
dV | r − r |3
gegeben. Somit wird jedem Raumpunkt ein (vektorielles) Feld zugeordnet,
das an verschiedenen Punkten im Raum verschiedene Werte und Richtungen
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
3
annimmt. Wenn wir die Bestandteile der Ladungsverteilung festhalten, so ist
das Feld zeitunabhängig: es handelt sich um ein elektrostatisches Feld. Ist
r ) bekannt, lassen sich die Bewegungsgleichungen von q formulieren, in der
E(
Form der Newton BGL. Hinter der Annahme eines elektrostatischen Kraftfeldes steckt eine Vereinfachung: es wird angenommen, dass q selbst keine
Kraft auf die Bestandteile der Ladungsverteilung ausübt. Diese Kraft führt,
genau betrachtet, möglicherweise zu einer zeitabhängigen Umverteilung der
Ladungen, die berücksichtigt werden sollte, um die genaue Bewegung von q
zu finden. Das Kraftfeld-Konzept der Elektrostatik ist deswegen eine Vereinfachung der Realität, die nur dann gut ist, wenn q eine ’kleine Störung’ ist.
Eine Ladung q, welche die Ladungsverteilung nicht beeinflusst, nennt man
ist eine Charakteristik der La”Probeladung”, und das elektrische Feld E
dungsverteilung und ist von q unabhängig.
Zusammenfassend, im Gegensatz zur Mechanik, dürfen wir nicht mehr die
räumliche Ausdehnung der Ladung gegenüber den in unserem Problem relevanten Abständen vernachlässigen. Diese Komplikation erfordert die Einführung
zusätzlicher mathematischer Begriffe aus der Vektoranalysis. Noch eine Bemerkung über das Wort ”klassisch”, das im Titel dieser Vorlesung vorkommt.
In vielen Fällen lässt sich die Bewegung einer Ladung sehr gut durch die klassische Bewegungsgleichung der Mechanik beschreiben: die Quantenmechanik
– genauer gesagt: die Quantenelektrodynamik – liefert im Allgemeinen kleine Korrekturen. Die klassische Elektrodynamik ist deswegen immer noch ein
aktuelles Gebiet der Physik. Hinzu kommt, dass die Beschreibung der elektrischen und magnetischen Felder durch die Maxwell Gleichungen immer noch
exakt ist.
Der Gradient
Der Begriff des Feldes stellt ein fundamentales Konzept in der Physik dar. Man unterscheidet zwischen Skalarfeldern und Vektorfeldern. Ein Skalarfeld Φ(r) = Φ(x, y, z) ist
eine skalarwertige Funktion dreier unabhängiger Variablen, wobei sich die Zahl drei auf
die Dimension unseres Raumes bezieht.
Beispiel: Wir betrachten die Funktion Φ(r) = α/( x2 + y 2 + z 2 ). Graphisch stellt man
solche Felder durch 2-dimensionale Schnitte dar, in denen die Flächen Φ(r) = Konst
(Äquipotentialfläche) als Höhenlinien erscheinen. Der Abstand der Linien enstpricht dabei gleichen Wertunterschieden der Konstanten.
= K(
r ) zu.
Ein Vektorfeld ordnet jedem Punkt im Raum eine vektorwertige Funktion K
Beispiel: Das Gravitationsfeld eines Masssenpunktes ist gegeben durch
r ) = −m 2 2r 2 3/2 .
K(
(x +y +z )
Graphisch lassen sich Vektorfelder mittels Feldlinien darstellen, wobei das Feld tangential
zur Feldlinie verläuft. Die Dichte der Feldlinien ist dann ein Mass für die Stärke des Feldes.
Für Skalarfelder kann man den Begriff der partiellen Ableitung einführen:
∂Φ .
Φ(x + ∆x, y, z) − Φ(x, y, z)
= lim
∆x→0
∂x
∆x
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
4
Abbildung 1.2: Konstruktion zur Berechnung von dΦ (links) und graphische
Deutung des Gradienten (rechts)
(und ähnlich für y, z). Damit lässt sich die räumliche Änderung der Skalarfelder beschreiben. Wir betrachten zwei Punkte r1 und r2 , die durch eine kleine Strecke dr voneinander
getrennt sind.
Die Änderung dΦ = Φ(r2 ) − Φ(r1 ) ist gegeben durch die folgende Summe:
dΦ
∂Φ
∂Φ
∂Φ
dx +
dy +
dz
∂x
∂y
∂z
∂Φ ∂Φ ∂Φ
= (
,
,
) · (dx, dy, dz)
∂x ∂y ∂z
. = ∇Φ
· dr
=
der Gradient von Φ und dΦ das totale Differential des Feldes Φ sind. Der
wobei ∇Φ
Gradient lässt sich deuten, indem man dr in die Richtung wählt, so dass dΦ = 0 in
senkrecht auf dr0
· dr0 = 0 folgt, dass ∇Φ
dieser Richtung ist. Aus der Gleichung ∇Φ
steht. Anderseits definiert dΦ = 0 Flächen Φ = Konst., so dass ∇Φ senkrecht auf den
Äquipotentialflächen steht. Sein Betrag ist ein Mass für die Stärke der Änderung von Φ,
wenn man senkrecht zu den Äquipotentialflächen fortschreitet.
Die Divergenz
Gegeben sei ein Vektorfeld a = a(r ) . Die Operation div a erzeugt ein Skalarfeld
div a =
3
∂ai
· a
=∇
∂x
i
i=1
Rechnungsbeispiele:
1. Durch Anwendung der Produktregel folgt für ϕ(r ) und a (r ):
div (ϕa) =
3
3
3
∂
∂ϕ ∂ai
ϕai =
ai
+
ϕ
∂xi
∂xi i=1 ∂xi
i=1
i=1
+ ϕ∇
· a .
= a · grad ϕ + ϕ div a = a · ∇ϕ
2. Für a = const. folgt div a = 0. Ein konstantes Feld ist quellenfrei.
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
5
3. Die Divergenz von r entspricht der Raumdimension,
div r =
3
∂xi
i=1
∂xi
=3
.
Ausgehend von
3
3
∂
∂
∂2ϕ
ϕ =
≡ ϕ
div grad ϕ =
∂xi ∂xi
∂x2i
i=1
i=1
führen wir den Laplace-Operator ein:
=
∂2
∂2
∂2
+
+
= div grad .
∂x21
∂x22
∂x23
Um der Divergenz eine physikalische Interpretation zu geben, definieren wir eine weitere Grösse der Vektoranalysis, den Fluss eines Vektorfeldes. Wir betrachten eine Fläche
S im Raum, in welchem das Vektorfeld a(r) definiert ist. Auf der Fläche betrachten wir
Der Fluss von a durch die Fläche S ist definiert als
das Flächenelement dS.
Φ=
a(r) · dS
S
In einem strömenden Gas mit der Dichte ρ(x, y, z) und mit einem Geschwindigkeitsfeld
a
dS
Abbildung 1.3: Zur Definition des Flusses eines Vektorfeldes
v (x, y, z) ist ΦS (a = ρ · v ) die gesamte Anzahl Teilchen pro Zeiteinheit, die durch die
gesamte Fläche S hindurchströmt. Wir betrachten jetzt ein kleines Volumenelement dx ·
dy · dz = dV . und berechnen Φ(a) durch die Wände von dV . Dazu werden wir die Summe
der Flüsse durch alle sechs Seitenflächen bilden. Betrachten wir zum Beispiel die mit ’1’
bezeichnete Fläche in der Figur. Aus dieser Fläche ist der Fluss Φ1 = −ax (1) · dy · dz. Da
wir mit einem infinitesimal kleinen Würfel zu tun haben, nehmen wir den Wert von ax im
Mittelpunkt der Fläche - wir nennen ihn den Punkt (1). In ähnlicher Weise schreiben wir
Φ2 = ax (2) · dy · dz. Nun sind im Allgemeinen ax (1) und ax (2) etwas verschieden. Da dx
klein genug ist, können wir schreiben ax (2) = ax (1) + ∂ax/∂x · dx. Somit beträgt der Fluss
durch die Flächen ’1’ und ’2’ [∂ax /∂x · dx · dy · dz]. Mit der selben Genauigkeit können wir
den Gesamtfluss durch alle 6 Flächen des Quaders berechnen:
=∇
· a · dV
a · dS
S(V )
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
6
Abbildung 1.4: Konstruktion zur Deutung der Divergenz eines Vektorfeldes
a
Damit ist die Divergenz eines Vektorfeldes im Punkt r der Fluss – die nach aussen fliessende
Strömung- von a pro Volumeneinheit durch die Fläche eines infinitesimale Quaders um
r. Diese physikalische Deutung lässt sich zu einem berühmten Satz der Vektoranalysis
verallgemeinern (Gauss’sche Satz):
dV ∇ · a =
a · dS
V
S
Beweis: Man teile das Volumen V in infinitesimal kleine Quader, für welche die Beziehung
a·
zwischen Divergenz und Fluss gilt und summiere die linke und rechte Seite von
S(Vi ) dS = ∇ · a(ri ) · dVi über die kleine Quader mit Index i. Der Beitrag der gemeinsamen
Seitenflächen zu den Flächenintegralen auf der linken Seite der Gleichung hebt sich wegen
der entgegengesetzten Richtungen der entsprechenden Flächennormale aus. Es bleibt das
Oberflächenintegral über die Einhüllende des Gesamtvolumens.
Die Rotation
Gegeben sei ein Vektorfeld a = a(r ), dann erzeugt
e1
e2
∂/∂x
∂/∂x
rot a = ∇ × a = 1
2
a1
a2
e3
∂/∂x3
a3
ein Vektorfeld. Unter Benutzung des antisymmetrischen Tensors εijk lautet die Komponentenschreibweise
rot a =
3
i,j,k=1
εijk
∂
aj ek
∂xi
Man achte hier auf die Reihenfolge der Indizes.
Rechnungsbeispiele:
.
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
7
1. Die Rotation des Produktes aus einem Skalar- und Vektorfeld ergibt nach Anwendung der Produktregel:
∂
rot (ϕa) =
εijk
(ϕaj ) ek
∂xi
i,j,k
=
εijk
i,j,k
=
∂ϕ
∂aj
aj ek +
εijk ϕ
ek
∂xi
∂xi
i,j,k
× a + ϕ∇
× a
grad ϕ × a + ϕ rot a = ∇ϕ
.
2.
rot [f (r)r ] = (grad f ) × r + f rot r = 0 .
Der erste Summand verschwindet, da gradf und r parallel sind; der zweite Summand verschwindet wegen rot r = 0.
3. Gradientenfelder sind wirbelfrei:
rot grad ϕ = 0 .
Das überprüft man komponentenweise. Für die 1. Komponente erhalten wir z.B.
∂
∂
(grad ϕ)3 −
(grad ϕ)2
(rot grad ϕ)1 =
∂x2
∂x3
∂2ϕ
∂2ϕ
=
−
=0 .
∂x2 ∂x3
∂x3 ∂x2
4. Wirbelfelder sind quellenfrei:
div rot a = 0
.
Um die Rotation physikalisch zu deuten, berechnen wir das Linienintegral (die Zirkulation von a um den geschlossenen Weg Γ)
ΣΓ = a(r)dl
Γ
um eine kleine quadratische Schleife um r. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit betrachten wir jetzt eine Schleife Γ in der xy-Ebene. Nach der Figur ist
ΣΓ = ax (1)dx + ay (2)dy − ax (3)dx − ay (4)dy
Mit ax (3) = ax (1) + ∂ax /∂y · dy und ay (4) = ay (2) − ∂ay /∂x · dx finden wir
× a)z · dx · dy
ΣΓ = (∇
Diese Gleichung lässt sich zu einer beliebig orientierten Schleife verallgemeinern:
× a) · dS
ΣΓ = (∇
n
und bestimmt eine eindeutige Beziehung zwischen der Rotation eines Vektorfeldes und
ihrer Zirkulation (die Richtung der Normalen ist so zu wählen: man lege den Zeigefinger
der rechten Hand in Schleifenrichtung, dann zeigt der Daumen entlang der ’richtigen’
Normalen). Die Verallgemeinerung dieser Gleichung auf beliebigen Schleifen Γ heisst Satz
von Stokes:
× a) · dS
a · dl = (∇
Γ
S
Zum Beweis: man decke die Fläche S mit infinitesimal kleinen Schleifen.
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
8
Abbildung 1.5: Zur Deutung der Rotation eines Vektorfeldes
Die Diracsche δ Funktion
Zur Ermittlung auftretende Integrale führen wir die Diracsche δ-Funktion. Die Diracsche
δ-Funktion einer Veränderlichen wird gewöhnlich mit δ(x − a) bezeichnet. Diese Funktion
ist eine verallgemeinerte Funktion der Variablen x, sie ist überall gleich Null, ausser in
x = a. In x = a ist sie so stark unendlich, dass das Integral über diese Funktion über ein
Intervall, das den Punkt x = a enthält, gleich 1 ist:
δ(x − a)dx = 1
Die wichtigste Eigenschaft der δ-Funktion ist die Gleichung
f (x)δ(x − a)dx = f (a)
wenn der Integrationsbereich x = a enthält. Mittels der δ-Funktion weisen wir der Funktion f (x) einen speziellen Funktionswert f (a) zu: die δ-Funktion ist ein Funktional, keine
Funktion im üblichen Sinne der Mathematik. Wie auch andere verallgemeinerte Funktionen (Distributionen genannt) wird die δ Funktion nicht durch Vorgabe ihrer Werte für alle
Werte des Argumentes gegeben, sondern durch die Integrationsvorschrift für die Produkte mit stetigen Funktionen (Testintegral über Testfunktionen). Wir wollen jetzt
einige Gleichungen angeben, denen die δ-Funktion genügt. Der Sinn dieser Gleichungen
liegt darin, dass die beiden Seiten dassselbe Ergebnis liefern, wenn man sie als Faktoren
im Integranden benutzt:
δ(−x)
=
δ(x)
xδ(x)
=
0
δ(ax)
=
f (x)δ(x − a)
=
1
δ(x)
|a|
f (a)δ(x − a)
δ(x − a)δ(x − b)dx
=
δ(a − b)
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
9
δ(x2 − a2 )
0=
δ(x − a) + δ(x + a)
2|a|
Man kann auch die Ableitung der δ Funktion als
δ (x)F (x) = −F (0)
definieren (durch partielle Integration). Die dreidimensionale δ Funktion δ(r) wird durch
die Gleichung δ(r) ≡ δ(x) · δ(y) · δ(z) definiert. Es gilt
δ(r − a)F (r)d3r = F (a)
wenn der Integrationsbereich den Punkt a enthält. Zur Anwendung der δ Funktion führen
wir folgendes Beispiel an. Man betrachte eine punktförmige Ladung q, die sich an der
Stelle r = a befindet. Die Ladung lässt sich formal auch als eine kontinuierliche La.
ρ(r) = qδ(r − a) schreiben. Für die Gesamtladung ergibt sich dann
dungsverteilung
ρ(r)dV = qδ(r − a)dx = q. Anderseits kann die Kraft einer Punktladung q1 am Ort
r1 auf die Ladung q am Ort r auch als Integral über eine kontinuierliche Verteilung berechnet werden, womit für die Formulierung der Elektrostatik die Summe über diskrete
Punktladungen vermieden werden kann:
r − r
q · q1
r − r1
q (r) = q ·
K
q1 · δ(r − r1 )
dV =
·
4πε0 V | r − r |3
4πε0 | r − r1 |3
1.1
Die Grundgleichungen der Elektrostatik
Gegeben sei eine vorgegebene kontinuierliche Ladungsverteilung ρ(r), die in
einem bestimmten Gebiet fest angeordnet sind. Formell ist der aus dem Superpositionsprinzip hergeleitete Ausdruck für das elektrische Feld eine exakte und vollständige Lösung des Problems, das elektrische Feld aus einer
Ladungsverteilung zu berechnen. Es existieren aber äquivalente Formulierungen der Gesetze der Elektrostatik als partielle Differentialgleichungen, und
für einige Probleme ist die Lösung solcher Gleichungen angemessener als die
Berechnung des Integrals.
1. Gesetz der Elektrostatik
Theorem:
Aus
r) =
E(
1
·
4πε0
V
ρ(r )
r − r
dV 3
| r − r |
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
10
folgt die Integralform
r ) · dS
= 1
E(
0
S(V )
ρ(r)dV =
V
q
0
durch eine beliebige
mit q = V ρ(r)dV In Worten: der Fluss von E
geschlossene Fläche ist proportional zur Gesamtladung innerhalb
dieser Fläche. Die äquivalente DG lautet:
=
div E
ρ(r)
0
Beweis:
Für den Beweis brauchen wir folgende wichtige Identitäten: Es gilt
r − r
1
r
=
−
∇
| r − r |3
| r − r |
Diese Identität lässt sich komponentenweise durch direkte Durchführung der
partiellen Ableitungen beweisen. Das Symbol ∇r bedeutet, dass die partiellen
Ableitungen nach der Variablen r durchgeführt werden. Darüberhinaus gilt
1
= −4πδ(r − r )
| r − r |
Um eine heuristische Begründung dieser wichtigen Gleichung zu finden, setzen wir o.B.d.A r = 0, und bemerken, dass
1
=0
| r |
falls r = 0. Im Ursprung existiert eine Divergenz, die wir durch Integration
über ein Gebiet V um den Ursprung untersuchen wollen. O.B.d.A nehmen
wir V als kugelförmig mit Radius R an. Gemäss dem Gauss’schen Theorem
gilt
V
1
dV
| r |
·∇
1 dV
∇
| r |
V
1 dS
∇
=
| r |
|
r |=R
= −4π
=
Zusammen mit der Definition der δ-Funktion erhalten wir die wichtige Gleichung von oben. Somit sind wir imstande, die Integralform des 1-Gesetzes zu
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
11
beweisen. Es gilt nämlich
S(V )
1
r − r
·
dV ρ(r ) dS
4πε0 V | r − r |3
S
1
1
∇
r
= −
·
dV ρ(r ) dS
4πε0 V
| r − r |
S
1
1
= −
·
dV ρ(r ) dV r
4πε0 V
| r − r |
V
1
=
· 4π ·
dV ρ(r )
4πε0
V
· dS
=
E
S ist irgendeine, die Ladungsverteilung umgebenden geschlossene Fläche.
Diese ”fiktive” Fläche wollen wir Gauss-Fläche nennen, da wir für ihre Her
· dS
= div EdV
leitung den Gausschen Satz benutzt haben. Aus S(V ) E
V
erhalten wir durch Gleichsetzen der Integranden die DG.
Das 1. Gesetz der Elektrostatik drückt die Tatsache aus, dass die Quellen
des elektrischen Feldes die elektrische Ladungen sind. Da man explizit das
Gauss Theorem für die Durchführung des Beweises benutzt, nennt man sie
auch Gauss-Gesetz.
2. Gesetz der Elektrostatik
Um das zweite Gesetz zu formulieren, merken wir dass
r − r
r
ρ(r )
dV = −∇
3
| r − r |
V
V
ρ(r )
1
dV | r − r |
r ) kann als Gradient eines Potentials Φ(r) geschrieben werde, mit
ist, d.h. E(
1
Φ(r) =
4πε0
V
ρ(r )
dV | r − r |
Diese Tatsache drückt man in der DG
r) = 0
rotE(
aus, welche besagt, dass ein Gradientenfeld rotationsfrei ist. Die Integralform
entlang
folgt aus dem Satz von Stokes und besagt, dass die Zirkulation von E
eines geschlossenen Weg genau 0 sein muss. Aus E = −∇Φ(r) folgt, dass das
wegunabhängig ist und
Linienintegral über E
Φ(r) − Φ(r0 ) = −
r
r0
r ) · dr
E(
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
12
beträgt. Man bezeichnet diese Potentialdifferenz als Spannung U(r,r0 ). Die
Einheiten von U und von Φ sind das Volt (V ).
Die zwei Gesetze der Elektrostatik können als Poissongleichung kombiniert werden. Die Poisson Gleichung erhält man aus
· ∇Φ
−∇
=
ρ
0
Φ(r) = −
ρ(r)
0
oder bei expliziten Berechnung von ∆Φ aus dem Integralausdruck für Φ .
Die Poisson Gleichung stellt eine partielle Differentialgleichung für die zweite räumliche Ableitung des elektrischen Potentials dar. Wie alle DG, hat
diese DG nur im Zusammenhang mit vorgegebenen Randbedingungen - Φ
muss auf einer Fläche bekannt sein - eine Bedeutung. Die Poisson Gleichung
ist Gegenstand beträchtlicher mathematischer und numerischer Studien (sog.
Randwertprobleme der Elektrostatik). Die Poisson DG wird zum Beispiel in der Entwicklung sog. elektronenoptischer Systeme angewandt, die
zum Beispiel für die Fokussierung von Elektronen entwickelt werden (Elektronenmikroskop). Zusammenfassung: Es gibt zwei Gesetze, die das elektrostatische Feld vollständig bestimmen. Sie besitzen Integral und DG
Darstellungen. Aus diesen zwei Gesetzen werden alle Vorhersagen der Elektrostatik hergeleitet. Das Gausssche Gesetz allein kann kein Problem lösen,
weil das andere Gesetz berücksichtigt werden muss. Daher müssen wir noch
etwas anderes hinzufügen, wenn wir das Gausssche Gesetz zur Lösung eines
bestimmten Problems verwenden wollen. Zum Beispiel, müssen wir uns zuerst eine Vorstellung von der Form des elektrischen Feldes machen – wobei
wir von Symmetrieerwägungen ausgehen werden. Oder aber wir müssen irgendwie die spezifische Idee einführen, dass die Feldstärke der Gradient eines
Potentials ist uns somit das elektrische Feld wirbelfrei ist. Eine alternative
Formulierung ist die Poisson Gleichung.
Die Greensche Funktion
In der mathematischen Physik spielt die ”Greensche” Funktion eine wichtige
Rolle. Wir erklären diese Methode anhand der Elektrostatik. Die Aufgabe
ist, eine allgemeine Lösung der Poissongleichung zu fnden.
Φ(r) = −
ρ(r)
0
Die Methode der Greenschen Funktion besteht darin, die Lösung G(r, r ) der
Poissongleichung für eine Punktladungsdichte δ(r − r ) zu finden. G(r, r)
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
13
ist die Greensche Funktion des Problems. Befindet sich die Punktkladung
innerhalb einer Ladungverteilung ρ(r ), so ist das Potential, welche von dieser
Punktladung stammt,
ρ(r )dV G(r − r )
Das Potential der Ladungsverteilung und somit die allgemeine Lösung der
DG, erhalten wir durch das Superpositionsprinzip (solange es sich um eine
lineare DG handelt):
Φ(r) =
V
G(r − r )ρ(r )dV Im Spezialfall der Elektrostik ist
G(r, r ) =
1.2
1
1
4π0 | r − r |
Das elektrische Feld von einfachen Ladungsverteilungen
Feld einer geladenen Kugel
Eines der schwierigen Probleme, auf die Newton stiess, als er die Gravitation
untersuchte, bestand darin zu beweisen, dass eine feste Kugel von Materie
mit endlichem Radius R das selbe Gravitationsfeld besitzt wie ein Massenpunkt gleicher Masse im Zentrum der Kugel. Newton hat seine Theorie der
Gravitation jahrelang nicht veröffentlicht, weil er nicht sicher war, ob dieses
Theorem richtig ist.
Durch die Integralform des Gaussschen Gesetzes lässt sich dieses Theorem
radial gesofort beweisen. Da es keine ausgezeichnete Richtung gibt, ist E
richtet. Wir konstruieren eine fiktive Kugelfläche S mit Radius r > R, die
konzentrisch zur festen Kugel verläuft. Die zu berechnende Feldstärke E(r)
kommt als Unbekannte im Gaussschen Gesetz vor:
S
E(r)r 2sinϑdϑdϕ = Q/ε0
wobei Q die Gesamtladung der Kugel ist. Die Lösung dieser Gleichung ist
E(r) = 4πεQ0 r2 , r ≥ R. Das Potential am Ort r hängt nur von r ab, d.h. die
Äquipotentialflächen sind konzentrische Kugelflächen. Für r ≥ R kann Φ(r)
aus der Gleichung
Φ(r) − Φ(∞) = −
zu Φ(r) =
Q
4π0 r
bestimmt werden.
r
dr
r=∞
Q
4πε0r 2
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
14
Feld einer geladenen ebenen Schicht
Wir betrachten eine dünne Platte in der x − y-Ebene, auf welcher die homogene Flächenladungsdichte σ (die totale Ladung Q auf der Fläche A dividiert
durch A) aufgebracht wurde. Die Symmetrie des Problems suggeriert, dass E
orthogonal zur Platte steht. Darüberhinaus vermuten wir, dass aufgrund der
= E(z)
Translationssymmetrie in der x − y Ebene E
ist. Die Feldstärke muss
(ihrem Betrag nach) auf beiden Seiten gleich sein. Wir wählen als Gausssche
Fläche eine rechteckige Schachtel, welche die Schicht schneidet, siehe Figur.
Die beiden Seitenflächen parallel zur Schicht haben den gleichen Flächenin-
E
A
Abbildung 1.6: Feld einer geladener Ebene
halt A. Das Feld ist normal zu diesen beiden Flächen und parallel zu den
anderen vier. Der Gesamtfluss ist die Unbekannte | E(z) | ·2A (der Beitrag
von den anderen vier Flächen ist Null). Die Gesamtladung im Innern der
Schachtel ist σ · A. Wegen dem Gauss Gesetz ist deshalb | E(z) |= σ/2ε0 ,
unabhängig von | z |. Die Äquipotentialflächen verlaufen parallel zur x − y
Ebene, und es gilt
Φ(z) − Φ(0) = −
|z|
0
σ
−|z|σ
=
20
20
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
15
Randbedingungen an Grenzflächen
an einerbeliebigenGrenzAls Nächstes untersuchen wir das Verhalten von E
fläche S, welche die Flächeladungdichte σ(y ) trägt. Wir legen zuerst um die
Fläche S ein GaussschesKästchen mit dem Volumen V . Die Kante senkrecht zu S habe die Länge x, die wir als sehr klein wählen. Somit kann
der Fluss durch die Seitenkanten des Kästchens vernachlässigt werden. Das
a · n und E
i · n (n senkrecht zu S). Das
Problem hat somit zwei Ukebannte: E
1. Gesetz liefert eine Gleichung zwischen diesen zwei unbekannten:
i) =
a − E
n · (E
σ
0
Die Normalkomponente des elektrischen Feldes verhält sich an der Grenzfläche unstetig, der Sprung beträgt σ0 . Um das Verhalten der Tangential zu untersuchen, ziehen wir eine Stoksche-Kontur Γ um
komponente von E
die Fläche S, dessen Dicke so gering ist, dass das Linienintegral entlang der
Kanten vernachlässigbar ist. t ist tangential zu S und definiert die Normale zur Fläche, die vom Kontour Γ definiert ist. Anwendung des Stokeschen
Gesetzes liefert die Gleichung
a − E
i) = 0
(t × n) · (E
Diese Gleichung drückt die Stetigkeit der Tangentialkomponente aus: Die
Tangentialkomponente des E-Feldes
ändert sich nicht beim Durchgang durch
eine geladene Grenzfläche.
Der Plattenkondensator
Unter einem Plattenkondensator versteht man ein System von zwei parallel
zueinander angeordneten Platten mit dem Abstand d und der Fläche F . Die
beiden Platten tragen homogen verteilt die entgegengesetzten Ladungen ±Q,
mit der positiven Platte bei −d/2 und die negative bei d/2. Die Flächenladungsdichte beträgt dann σ = Q/F . Zur Vereinfachung des Problems werden
die Streufelder am Rand vernachlässigt, d.h. es wird angenommen, dass die
Platten parallel zur x − y Ebene unendlich ausgedehnt sind (F >> d). Somit
ist das Feld im Inneren des Kondensators σ0 , ausserhalb des Kondensators
ist das elektrische Feld genau 0, und zwar auch in unmittelbarer Nähe einer der Platten. Die Potentialdifferenz zwischen der positiv und der negativ
geledenen Platte (die Spannung) beträgt
U = Φ(−d/2) − Φ(d/2) = −
−d/2
d/2
dz
σ
σ
Q
=d· =d
0
0
F · 0
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
16
.
Wir definieren die Kapazität C eines Kondensators durch C = Q
. Diese
U
Grösse bestimmt die Ladung, die bei gegebener Spannung auf dem Kondensator passt. Für die Kapazität des Flächekondensators folgt
C=
F · 0
d
C hängt somit im Allgemeinen von der Geometrie des Objektes ab, auf
welchem wir eine Ladung anbringen. Je grösser die Kapazität ist, desto
mehr Ladung braucht man, um eine gegebene Spannung zu erzielen. Anders
ausgedrückt: mit einer vorgegebenen Ladung lässt sich eine kleinere Spannung erreichen je grösser die Kapazität ist. Aus der Definition von C sehen
wir, dass die Einheit der Kapazität C/V olt ist. Diese Einheit nennt man
auch Farad. Wir können mit dieser neuen Einheit, 0 anders ausdrücken:
0 = (36π · 109 )−1 Farad/m. Das ist sogar die Einheit, die am häufigsten
verwendet wird. Die Kapazitäten typischer Kondensatoren liegen zwischen
einem Pikofarad (10−12 ) und einigen Millifarad. Kleine Kapazitäten werden
in Hochfrequenzschaltkreisen benutzt, und grosse Kapazitäten benutzt man
als ’Filter’. Ein Plattenpaar mit einer Fläche von einem Quadratzentimeter und einem Abstand von 1 mm hat eine Kapazität von 1 Farad. Objekte
mit Kapazitäten ∼ 10−18 Farad sind Gegenstand der heutigen Forschung, die
mit ”Nanophysik” bezeichnet wird. Diese kleinsten Kapazitäten führen dazu,
dass das Anbringen eines einzelnen Elektrons auf solche Nano-Objekte eine
erhebliche Potentialerhöhung verursacht, so dass das Anbringen eines weiteren Elektrons praktisch blockiert ist: man spricht von ”Coulomb Blockade”.
Bemerkung: Wir haben bis jetzt von Spannung und Kapazität zwischen
zwei Ladungsträgern gesprochen. Allgemein spricht man auch von der Spannung und der Kapazität eines einzelnen Objekts. Man sagt, ein Linsenelement einer Elektronenkanone, eine Metallplatte oder eine Metallkugel seien
auf eine bestimmte Spannung gelegt. Dabei ist Folgendes gemeint. Man hat
die Ladung Q aus einem sehr grossen Objekt entfernt – die ”Erde” – deren
Kapazität so gross ist, dass man praktisch Ladung entfernen kann, ohne ihr
Potential zu verändern. Die Erde wird üblicherweise als ’unendlich’ entfernt
betrachtet und deshalb auf Potential 0 gesetzt. Die entfernte Ladung wird auf
ein massives Objekt gebracht: je nach Kapazität, nimmt dieses Objekt ein
bestimmtes Potential an. Dieses Potential ist die Spannung. Diese Spannung
entspricht der Arbeit, die geleistet werden muss, um eine Einheitsladung von
der Erde bis zum Objekt zu befördern. Wir wollen ein konkretes Beispiel eines
massiven Objekts betrachten, und zwar fragen wir uns, auf welchem Potential
ist eine geladene Kugelschale von Radius R. Das elektrischen Feld ausserhalb
der Kugelschale ist radialgerichtet und beträgt E = Q · (4πε0r 2 )−1 |rr| . Denken
wir uns eine - einfachheitshalber - kugelförmige ”Erdschale” unendlich weit
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
17
entfernt von unserer geladenen Kugelschale. Die Beförderung einer positive
Einheitsladung von dieser Erde zur Kugeloberfläche erfordert die Arbeit
Φ(R) − Φ(∞) = −
R
∞
E(r)dr =
Q
4π0 R
Die Oberfläche der Kugel ist daher auf einer Spannung 4πεQ0 R . Wie im Beispiel
der Kondensatoren, ist diese Spannung proportional zu der Ladung Q. Die
Kapazität ist 4πε0 R. Wie aus dieser Rechnung ersichtlich ist, skaliert die
Kapazität eines Objektes mit den linearen Dimensionen dieses Objektes, und
nicht mit dessen Fläche.
Gleichgewicht in einem elektrostatischen Feld: die Stabilität der Atome
Wir stellen uns eine Punktladung im Feld von anderen Ladungen vor. Die
Bedingungen für ein mechanisches Gleichgewicht sind a) die Ladung ist an
einem Ort P mit Feld 0 und b) wenn das GG stabil sein soll, ist es notwendig,
dass es eine rücktreibende Kraft gibt, wenn wir die Ladung in irgendeine
Richtung von P wegbewegen. Mit anderen Worten: das elektrische Feld muss
an allen benachbarten Punkten nach innen gerichtet sein - auf den Punkt P
zu. Wir werden zeigen, dass dies eine Verletzung des Gauss’schen Gesetzes
ist, wenn in P keine Ladung vorhanden ist (ausser der Probeladung, die nicht
an der Bildung des Feldes beteiligt ist). Stellen wir uns eine Gauss Fläche
wie in der Figur vor. Da wir annehmen, dass das elektrische Feld in der
P
S
Abbildung 1.7: Feldverteilung für Gleichgewichtslage
Umgebung überall auf P gerichtet ist, ist der Fluss durch die Gauss Fläche
bestimmt nicht null. Aber da wir vorausgesetzt haben, dass in P keine Ladung
ist, widerspricht eine solche Feldkonfiguration dem Gauss’schen Gesetz. Wir
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
18
haben oft gesagt, dass die Stabilität der Atome - und somit die der Materie
- aufgrund der Coulomb Kraft zwischen Elektronen und Protonen zustande
kommt. Diese Überlegungen zeigen uns, dass die Materie auf keinen Fall
das Resultat von Elektrostatik zwischen statischen Punktladungen ist. Die
Stabilität der Atome wird nur durch die quantenmechanische Behandlung
der Bewegung eines Elektrons im Coulomb Feld des Kerns erklärt.
Das Feld eines Dipols
Wir betrachten eine Ladung q am Ort d und eine Ladung −q im Nullpunkt.
Wir wollen das von diesem Ladungspaar verursachte E-Feld
berechnen, und
zwar im Limes d → 0 aber q · d → p. Eine solche Ladunsgverteilung bildet
einen Dipol und der Vektor p ist das elektrische Dipolmoment. Die Ladungsdichte beträgt (im Grenzfall d klein),
≈ −
r)
ρ(r) = −q · δ(r) + q · δ(r − d)
p · ∇δ(
Das entsprechende Potential wird, nach Anwendung der partiellen Integration
r)
1 p · r
−
p · ∇δ(
1
=
Φ(r) =
dV 4πε0 V | r − r |
4πε0 | r |3
Mit n =
r
|
r|
und
p · n · f (| r |)] = (p · ∇)
nf (| r |)
∇[
∂f
f (| r |)
[p − n(p · n)] + n(p · n)
=
| r |
∂r
lässt sich das elektrische Feld eines Dipols am Ort r für r = r0 zu
r) =
E(
1 3[p · (r − r0 )](r − r0 ) − p· | r − r0 |2 4πε0
| r − r0 |5
exakt berechnen. Am Ort des Dipols selbst ist der Ausdruck für das Potential
r0 ) aufpassen.
divergent, und deshalb müssen wir mit der Berechnung von E(
korrigiert werden
Die folgende Überlegung zeigt, wie der Ausdruck von E
muss. Wir betrachten eine Kugel mit Radius R und setzen einen Dipol p in
den Ursprung der Kugel. O.E.d.A wählen wir p = p(0, 0, 1). Benutzen wir den
obigen Ausdruck für die Berechnung von
Kugel EdV für das elektrischen
Feld eines Diplos dann erhalten wir
Kugel
EdV
=
1
4πε0
dV
Kugel
3npnz − p
dV
| r |3
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
19
1
(0, 0, p
=
4πε0
= (0, 0, 0)
3n2z − 1
dV )
r |3
Kugel | denn das Integral über die Kugelkoordinate ϑ verschwindet aus Symmetriegründen exakt verschwindet. Allerdings ist
1
−
4πε0
p · r dV
∇
r |3
Kugel | p · r 1
= −
dS
4πε0
r |3
r=R | π
2πp
(0, 0,
cos2 ϑ sin ϑdϑ)
= −
4πε0
0
p
= (0, 0, −
)
3ε0
Damit das Integral den richtigen Wert annimmt, muss der Ausdruck für das
elektrische Feld eines Dipols modifiziert werden. Der exakte Ausdruck für
das elektrische Feld eines am Ort r0 lokalisierten Diplos ist
r) =
E(
1 3[p · (r − r0 )](r − r0 ) − p· | r − r0 |2 1
4π
−
· δ(r − r0 )p
5
4πε0
| r − r0 |
4πε0 3
Die hinzugefügte Delta-Funktion liefert nur am Ort des Dipols einen Feldbeitrag und errfüllt den Zweck, das geforderte Volumenintegral zu liefern. Die
Delta -Funktion liefert ausserhalb des Dipols keinen Beitrag. Der erste Term
beschreibt das elektrische Feld für r = r0 . Graphisch sieht das elektrische
Dipolfeld etwa wie in der Figur aus.
q
E
r
p
Abbildung 1.8: Feld eines Dipols
1.3
Elektrostatik von Metallen
Ein elektrischer Leiter (ein Metall) ist ein fester Körper, der für die chemische Bindung viele ’freie’ Elektronen benötigt. Die Elektronen können sich
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
20
frei bewegen in einem positiven Hintergrund von Ionen, welche fest am Gitter gebunden sind. Man benutzt oft ein Jellium Modell, um freie Elektronen
in einem Metall zu beschreiben. Elektronen können sich frei in der Materie
bewegen, aber sie können die Oberfläche nicht verlassen: an der Oberfläche
existiert eine Barriere – die sog. Austrittsarbeit (etwa 4-5 eV) – die es den
Elektronen schwer macht, die Oberfläche zu verlassen. Die Komponenten
EPot
4-5 eV
x
Abbildung 1.9: Potentielle Energie eines Elektrons in einem Metall
eines elektronenoptischen Ensembles, wie sie im Elektronenmikroskop oder
Elektronenspektrometer verwendet wird, besteht aus einem Metall. Es ist
deshalb wichtig zu lernen, was passiert wenn man Ladungen auf eine solche
Komponente aufbringt. Setzt man ins Innere eines Metalls eine Extraladung,
entsteht ein elektrisches Feld, welches die freie Elektronen in Bewegung setzt.
Entweder muss der auf diese Weise hervorgerufene Strom beständig von äusseren Energiequellen in Gang gehalten werden, oder die Bewegung der Elektronen lässt nach, wenn sich die Quellen entladen, die das anfängliche Feld
erzeugten. Bei ’elektrostatischen’ Situationen betrachten wir keine stetigen
Stromquellen (das tun wir später in der Magnetostatik): daher bewegen sich
die Elektronen nur so lange, bis sie sich so angeordnet haben, dass sie überall im Innern des Leiters das elektrische Feld null erzeugen (dies geschieht
gewöhnlich in einem Bruchteil einer Sekunde.) Bliebe ein Feld übrig, so würde
dieses Feld noch weitere Elektronen in Bewegung setzen; die einzige elektrostatische Lösung ist die, dass das Feld im Innern überall Null ist. Somit
ist der Gradient des Potentials Null. Das bedeutet, dass sich V (x, y, z) von
Punkt zu Punkt nicht ändert: Jeder Leiter ist ein Äquipotentialbereich und
seine Oberfläche ist eine Äquipotentialfläche. Da das elektrische Feld in ei Null und
ner leitenden Substanz überall Null ist, ist die Divergenz von E
nach dem Gauss’schen Gesetz muss die Ladungsdichte im Innern des Leiters
ebenfalls Null sein. Wenn es in einem Leiter keine Ladungen gibt, wie kann
er dann geladen werden? Was meinen wir damit, wenn wir sagen, ein Leiter sei ”geladen”? Wo sind die Ladungen? Die Antwort ist, dass sie auf der
Oberfläche des Leiters sitzen, wo es starke Kräfte gibt, die sie zurückhalten sie sind nicht völlig ”frei”. In der Festkörperphysik lässt sich zeigen, dass die
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
21
überschüssige Ladung jedes Leiters im Mittel in einer oder zwei atomaren
Schichten an der Oberfläche sitzt.
Dieses Bild gilt auch, wenn wir eine bestimmte Anzahl Ladungen an einem
bestimmten Ort der Oberfläche anbringen. Diese lokale Ladung kann nicht
so überleben: sofort verteilt sich die Ladung auf die gesamte Oberfläche, und
zwar mit den Bedingungen i) das Feld im Innern des Metalls ist genau 0 und
ii) seine Tangentialkomponente ist auch 0. Wenn es dort eine solche gäbe,
würden sich die Elektronen entlang der Oberfläche bewegen; es gibt, parallel
zur Oberfläche, keine Kräfte, die das verhindern.
Mit Hilfe des Gauss’schen Gesetzes berechnet sich die Feldstärke unmittelbar
ausserhalb eines Leiters mit der lokalen Oberflächenladungsdichte σ zu σ/ε0 ,
und das Feld ist senkrecht zur Oberfläche (schliesslich ist die Oberfläche eines
Leiters eine Äquipotentialfläche).
Betrachten wir jetzt unter dem gleichen Gesichtspunkt das Problem eines
hohlen Behälters - ein Leiter mit einem Hohlraum. Es gibt kein Feld in dem
Metall, aber wie steht es mit dem Hohlraum? Wir werden zeigen, dass keine
Felder existieren, wenn der Hohlraum leer ist - unabhängig davon, welche
Form der Leiter oder der Hohlraum hat (Faraday Käfig). Wir betrachten
+
+
+
+
+
+
+
+
-?
+
+
-
++
M
+
+
+
+
?+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
S
+
+
+
Abbildung 1.10: Faraday Käfig
eine Gauss’sche Fläche wie S, die den Hohlraum umschliesst, aber überall
im Innern der leitenden Materie bleibt. Überall auf S ist das Feld Null; es
gibt daher keinen Fluss durch S und die Gesamtladung im Innern von S
ist Null. Aber im Allgemeinen können wir nur daraus schliessen, dass es auf
der inneren Oberfläche des Leiters gleiche Mengen positiver und negativer
Ladung gibt. Es könnte eine positive Oberflächenladung auf einem Teil und
eine negative auf einem anderen Teil geben, wie es in der Figur angezeigt
ist. Das Gauss’sche Gesetz schliesst das nicht aus. Was natürlich in Wirk-
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
22
lichkeit geschieht, ist, dass die umgekehrt gleichen Ladungen auf der inneren
Oberfläche sich aufeinander zubewegen und dann vollständig kompensieren.
Wir können zeigen, dass sie sich vollständig kompensieren müssen, wenn wir
immer Null ist. Nehdas Gesetz verwenden, nach dem Zirkulation von E
men wir an, dass es Ladungen auf bestimmten Teilen der inneren Oberfläche
gäbe. Wir wissen, dass es dann an anderer Stelle eine gleiche Anzahl entge bei den
gengesetzter Ladungen geben muss. Nun müssten alle Linien von E
positiven Ladungen beginnen und an den negativen Ladungen enden (da wir
nur den Fall betrachten, in dem es keine freien Ladungen im Hohlraum gibt).
Stellen wir uns nun eine Schleife M vor, die durch den Hohlraum entlang einer Kraftlinie von einer positiven zu einer negativen Ladung führt und dann
über den Leiter zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. Das Integral entlang
einer solchen Kraftlinie von der positiven zur negativen Ladung wäre nicht
= 0. Wir erhielten daher
Null. Das Integral durch das Metall ist Null, da E
M Edl = 0. Aber das Linienintegral von E um eine geschlossene Schleife
in einem elektrostatischen Feld muss immer Null sein. Daher kann es keine
Felder innerhalb des leeren Hohlraums geben und auch keine Ladungen auf
der inneren Oberfläche: das erklärt das Prinzip der Abschirmung durch einen
Metallkäfig.
Dieses Resultat kann für die Überprüfung des Gauss’schen Gesetzes – und
schlielich von der Genauigkeit der r −2 -Abhängigkeit des Coulomb’schen Gesetzes – benutzt werden. Man hat ein Elektrometer in das Innere einer grossen Kugel gesetzt und beobachtet, ob Ablenkungen auftreten, wenn die Kugel
auf Hochspannung gebracht wird. Man erhielt immer das Resultat null. Wenn
man die Geometrie des Apparates und die Empfindlichkeit des Instrumentes
kennt, ist es möglich, das kleinste nachweisbare Feld auszurechnen. Mit dieser Zahl kann man eine obere Grenze für die Abweichung des Exponenten
von zwei angeben. Wenn wir schreiben, dass die Coulomb Kraft ∝ r −(2+ε) ,
dann hat man festgestellt, dass ε < 10−9 ist.
Wenn wir einen Leiter aufladen, der keine Kugel ist, sondern eine Spitze
hat, so ist das Feld in der Umgebung der Spitze viel stärker als in den anderen
Bereichen. Eine relativ kleine Ladungsmenge an der Spitze kann eine grosse
Flächendichte verursachen. Eine grosse Ladungsdichte bedeutet ein starkes
Feld in der unmittelbaren äusseren Umgebung. Quantitativ: wir legen um
die Spitze zwei verschiedene Kugeln, mit den Radien a und b >> a. Der
Fluss durch diese Kugeln – Ea · 4πa2 = Eb · 4πb2 – gleicht der auf der Spitze
konzentrierten Ladung. Daraus folgt: Ea = Eb · ( ab )2 . Dieses Resultat ist
zum Beispiel technisch sehr wichtig. Wenn das elektrische Feld zu stark ist,
wird an einem Luftmolekül ein Elektron weggerissen und durch das Feld
beschleunigt. Wenn das Feld sehr stark ist, kann die Ladung, ehe sie auf
ein anderes Atom trifft, genügend beschleunigt werden, um ein Elektron aus
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
23
a
b
Abbildung 1.11: Feld in der Nähe einer Spitze
diesem Atom herauszuschlagen. Daraus resultiert, dass mehr und mehr freie
Ladungen erzeugt werden. Ihre Bewegung führt zu einer Entladung oder
einem Funken. Wenn man einen Körper auf hohes Potential laden will und
nicht möchte, dass er sich in Form von Funken in die Luft entlädt, so muss
die Oberfläche absolut glatt sein, damit es keine Stelle gibt, an der das Feld
abnormal stark ist.
Die starken Felder an Spitzen haben aber auch interessant positive Entwicklungen erlaubt. Das Feldemissionenmikroskop von E. Müller ist eine
davon. Das Feldemissionsmikroskop ist folgendermassen gebaut: eine sehr
E
Erde
Vakuum
-V
Abbildung 1.12: Aufbau des Feldemissionenmikroskops
feine Nadel, deren Spitze einen Durchmesser von ungefähr 1000 Angström
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
24
hat (oder weniger!!) wird in die Mitte einer Glaskugel gebracht, deren Inneres luftleer gepumpt wird. Die innere Oberfläche der Kugel wird mit einer
dünnen leitenden Schicht eines fluoreszierenden Materials versehen und man
legt eine Spannung zwischen der fluoreszierenden Schicht und der Nadel an.
Betrachten wir zunächst, was passiert wenn die Nadel relativ zur fluoreszierenden Schicht negativ geladen ist. Die Feldlinien sind an der scharfen Spitze
sehr stark konzentriert. Die elektrische Feldstärke kann bis zu 40 Millionen
Volt pro Zentimeter betragen. In so intensiven Feldern werden Elektronen
aus der Oberfläche der Nadel abgezogen und entlang der Potentialdifferenz
zwischen der Nadel und der fluoreszierenden Schicht beschleunigt. Wenn sie
dort ankommen, bewirken sie, dass Licht emittiert wird, genau wie in einer
Fernsehbildröhre. Die Elektronen, die an einem vorgegebenen Punkt auf der
fluoreszierenden Fläche ankommen, sind in ausgezeichneter Näherung diejenigen, die das andere Ende der radialen Feldlinie verlassen, denn die Elektronen
bewegen sich entlang der Feldlinie, die von der Spitze zur Oberfläche verläuft.
Daher sehen wir auf der Oberfläche eine Art Abbildung der Nadelspitze. Genauer gesagt sehen wir ein Bild des Emissionsvermögens der Nadeloberfläche
- es stellt die Leichtigkeit dar, mit der Elektronen die Oberfläche einer Metallspitze verlassen können. Wenn das Auflösungsvermögen hoch genug wäre,
könnte man hoffen, die Orte der einzelnen Atome auf der Nadelspitze zu sehen. Bei Elektronen ist dieses Auflösungsvermögen aus folgenden Gründen
nicht erreichbar. Erstens gibt es eine quantenmechanische Beugung der Elektrowelle, die das Bild verwischt. Zweitens haben sie aufgrund ihrer Bewegung
im Innern des Metalls eine kleine seitwärts gerichtete Anfangsgeschwindigkeit, wenn sie die Nadel verlassen. Diese zufällige Seitwärtskomponente trägt
dazu bei, dass das Bild verwischt wird. Das Zusammenwirken dieser beiden
Effekte begrenzt das Auflösungsvermögen auf ungefähr 2.5 nm. Wenn wir jedoch die Polarität umkehren und eine kleine Menge Heliumgas in die Glaskugel bringen, so ist ein sehr viel grösseres Auflösungsvermögen möglich. Wenn
ein Heliumatom mit der Spitze der Nadel zusammenstösst, so entreisst das
dort herrschende intensive Feld dem Heliumatom ein Elektron, so dass das
Heliumatom positiv geladen übrigbleibt. Das Heliumion wird dann auswärts
entlang einer Feldlinie beschleunigt, die zu der fluoreszierenden Schicht führt.
Da das Heliumion viel schwerer als das Elektron ist, sind die quantenmechanischen Wellenlängen sehr viel kleiner. Wenn die Temperatur nicht zu hoch
ist, dann ist auch der Effekt der thermischen Geschwindigkeiten kleiner als
im Fall des Elektrons. Anstelle eines verwischten Bildes erhält man eine sehr
viel deutlichere Abbildung des Punktes. Mit dem Feldemissionsmikroskop für
positive Ionen war es möglich, eine 106 -fache Vergrösserung zu erreichen - und
damit einzelne Atome zu sehen. Die Figur ist ein Beispiel für die Resultate,
die mit einem Feldemissionsmikroskop erzielt wurden, das eine Wolframna-
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
25
del enthielt. Der Mittelpunkt eines Wolframatoms ionisiert ein Heliumatom
mit geringfügig verschiedener Stärke als der Raum zwischen den Wolframatomen. Das Muster, das die Punkte auf der fluoreszierenden Schicht bilden,
zeigt die Anordnung der einzelnen Atome auf der Wolframspitze. Man versteht, warum die Punkte Ringe bilden, wenn man sich eine grosse Schachtel
vorstellt, in die in rechtwinkliger Anordnung Kugeln gepackt sind, die Atome
in dem Metall darstellen. Wenn sie aus dieser Schachtel einen annähernd kugelförmigen Teil ausschneiden, werden sie das Ringmuster sehen, das für die
Atomstruktur charakteristisch ist. Das Feldemissionsmikroskop hat es zum
ersten Mal möglich gemacht, dass Menschen Atome sehen konnten. Wenn
man bedenkt, wie einfach dieses Instrument ist, so ist das eine beachtliche
Leistung.
Abbildung 1.13: Abbildung einer Spitze mit dem Feldemissionsmikroskop.
1.4
Elektrostatik eines Isolators (= Dielektrikum)
In der Natur treten nicht nur Metalle auf, sondern auch Isolatoren. In Metallen sind einige Elektronen (typischerweise 1 Elektron pro Baustein) im
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
26
Inneren frei beweglich. Isolatoren (sowohl als Festkörper als auch als Flüssigkeiten) sind Materialien, bei welchen alle Elektronen an Atome gebunden
sind. Damit ist gemeint, es gibt eine Energiebarriere, die überwunden werden muss, um Elektronen in Bewegung zu setzen. Diese Energiebarriere ist
eine Konsequenz der chemischen Bindung. Bringt man eine Ladung auf einen
Isolator, so bleibt diese Ladung an Ort und Stelle lokalisiert.
Wir wollen jetzt untersuchen, was in einem Isolator passiert, wenn man ein
elektrisches Feld einschaltet. Um das Problem zu vereinfachen, betrachten
wir ein Elektron, das gebunden um ein Proton ’herumkreist’. Wir vermuten
Folgendes: wenn sich ein Atom in einem elektrischen Feld befindet, dann zerrt
das Feld die Elektronen in eine Richtung und den Kern in die andere. Obwohl die Atome hinsichtlich der elektrischen Kräfte, die uns experimentell in
der Regel zur Verfügung stehen, sehr steif sind, findet eine kleine Gesamtverschiebung der Ladungsschwerpunkte statt. Diese kleine Verschiebung wollen
wir jetzt abschätzen. Dafür brauchen wir eine konkrete Beschreibung eines
gebundenen Elektrons. Wir wissen, dass die korrekte Beschreibung nur durch
die Quantenmechanik möglich ist. In einfachen Fälle lässt sich aber ein gebundenes Elektron durch ein Modell beschreiben, das wir kennen. Wir verteilen
das Elektron als ’Wolke’ um das Proton. Der Schwerpunkt dieser Wolke liegt
am Ort des Protons, um die Ladungsneutralität des Atoms zu ermöglichen.
Da es sich um ein gebundenes Elektron handelt, wird jede Verschiebung der
Elektronenwolke von einer rücktreibenden Kraft erschwert. Wir setzen diese Kraft proportional zur Verschiebung x. Dann können wir ein gebundenes
Elektron mit der uns wohl bekannten Gleichung mẍ + mω 2 x = 0 beschreiben. Durch Gleichsetzung von h̄ · ω mit der Bindungsenergie des Elektrons
erhält die Proportionalitätskonstante ω eine genaue physikalische Bedeutung.
Der genaue Wert der Bindungsenergie lässt sich allerdings nur anhand der
Quantenmechanik berechnen: deshalb ist das, was wir hier brauchen, um ein
Atom zu beschreiben, ein Modell mit einem zu bestimmenden Parameter
ω. Wir tauchen jetzt unser Atom in ein konstantes elektrisches Feld E und
berechnen, wie sich der Elektronenschwerpunkt verschiebt: genau für eine
solche Rechnung ist dieses Modell brauchbar (das lässt sich zeigen, wenn
man unser Resultat mit der quantenmechanischen Berechnung vergleicht!!).
Wir müssen die Gleichung mẍ + mω 2 x = q · E lösen. Die einfachste Lösung
ist selbstverständlich die Konstante δ = qE/mω 2 , welche die Verschiebung
des Schwerpunktes unter der Wirkung eines konstanten Feldes angibt (man
denke an eine Masse, die an einer Feder hängt und unter der Wirkung der
Gravitation steht). Die Verschiebung ist proportional zu E und zu q. Als
Resultat dieser Verschiebung bildet sich eine räumliche Ladungsinhomogenität entlang der von E vorgegebenen Richtung im Inneren des Isolators, der
selbst ein elektrisches Feld erzeugt. Diese Ladungsinhomogenität nennt man
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
27
elektrischen Dipolmoment
.
2 .
= α · ε0 E
p = q · δ = q 2 E/mω
wobei die Materialkonstante α die Polarisierbarkeit des Atoms darstellt. Die
Anwesenheit atomarer Dipolmomente pi am Ort i wird, in einem KontinuumLimes, durch die Einführung eines Polarisationsdichtevektors P (r) berücksichtigt, mit pi = P (r) · dV . Somit schreibt sich das gesamte Potential einer
Ladungsverteilung, welche auch Dipole enthält, als
ρ(
1 P (r ) · (r − r ) r)
Φ(r) =
dV +
4π0 G
| r − r |
| r − r |3
Den zweiten Term können wir durch eine Identität der Vektoranalysis umformen:
P (r )
∇
1
1
1
P (r ) + P (r ) · ∇
∇
=
| r − r |
| r − r |
| r − r |
Nehmen wir an, dass P in einem endlichen Raum lokalisiert ist. Dann können
wir den Gaussschen Satz benutzen, um das Integral über die Divergenz auszuwerten. Sein Beitrag verschwindet. Somit ist das Potential einer Ladunsgverteilung mit P (r) = 0
Φ(r) =
ρ(
· P (r) 1 r) − ∇
dV 4π0 G
| r − r |
Das ist der Ausdruck für das Potential einer effektiven Ladungsverteilung
· P ): das 1. Gesetz der Elektrostatik erhält einen zusätzlichen Term
(ρ(r) − ∇
. ρpol = −∇ · P .
· P ]
·E
= 1 [ρ − ∇
∇
0
Diese extra effektiven Polarisationsladungen müssen bei der Lösung elektrostatischer Probleme zur Ermittlung elektrischer Felder berücksichtigt werden: u.a. sind sie selbstverstndlich an der Aufstellung der Randbedingungen
beteiligt.
Der Plattenkondensator mit Dielektrikum
Wir führen die Suche nach Polarisationsladungen in der einfachen Geometrie eines Plattenkondensators, welcher mit einem homogenen Dielektrikum
P (r) = P0 = ρ0 p gefüllt wird (ρ0 : Dichte des Isolators). Für p kann man das
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
28
einsetzen (E
ist dann das elektrische Feld am
induzierte Dipolmoment 0 ·α· E
Ort des Dipols). Später werden wir permanente Dipolmomente untersuchen:
die Resultate dieses Abschnittes sind aber von der Art von p unabhängig.
· P = ∂Pz . Für Pz (z) setzen wir Pz = P0 im InneIn dieser Geometrie ist ∇
∂z
ren der Platte und Pz = 0 ausserhalb, siehe Figur. Somit ist die Divergenz
P
d
P0
z
d
Abbildung 1.14: Pz fällt innerhalb der Dicke δ von P0 auf 0.
von P an den Rändern des Dielektrikums konzentriert, und zwar beträgt sie
P0
bei −d/2 und − Pδ0 bei d/2. Die dazugehörige effektive Polarisationslaδ
dung ist demnach in dünnen Schichten am Rand des Isolators konzentriert,
und zwar besteht eine effektive positive Ladungdichte Pδ0 bei d/2 und eine
negative bei −d/2. Wir sind jetzt bereit, durch die Einführung einer geeigneten Gaussschen Schachtel, die elektrischen Felder zu berechnen. Die Sym entlang z ist. Wir haben auch eine
metrie des Problems suggeriert, dass E
vollständige Idee, wo und wie viele Ladungen sich befinden. Auf den Kondensatorplatten haben wir die Ladungsdichte ±σf rei , unmittelbar daneben
die Polarisiationsdichten ρpol = ∓ Pδ0 . Anwendung des Gaussschen Gesetzes
auf die Fläche S1 liefert eine Gleichung für E0 : E0 = σf rei /ε0 . Anwendung
auf die Fläche S2 liefert eine Bestimmungsgleichung für E:
E · A = (σ · A − ρpol · A · δ)/ε0
Für den Fall P0 = ρ0 0 · α · E erhalten wir
E=
E0
1 + ρ0 · α
Die Materialkonstante ρ0 · α heisst elektrische Suszeptibilität χ. Die Konstante κ = 1 + χ heisst Dielektrizitätskonstante. Die Spannung zwischen den Kondensatorplatten ist U = Uf rei /κ. Somit ist die Kapazität
C = Cf rei · κ. Wird ein Plattenkondensator von einem Dielektrikum bei
konstanter Plattenladung ausgefüllt, sinkt die Spannung.
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
S2
S1
29
Metall
+++++++++++++++++++++++++
E0
-----------------------------E
Isolator
+++++++++++++++++++++++++
-----------------------------Metall
Abbildung 1.15: Konstruktion der Gausschen Flächen
Die Gleichung κ = 1 + ρ0 α setzt eine makroskopische Grösse (die Dielekq2
trizitätskonstante) mit atomaren Eigenschaften (α = ε0 ·m·ω
2 ) in Verbindung.
Damit können wir Messungen der Dielektrizitätskonstante benutzen, um etwas über atomare Eigenschaften der Materie zu erfahren. Unsere Formel ist
natürlich nur eine sehr grobe Näherung, weil wir ein Modell gewählt haben,
das quantenmechanische Komplikationen unberücksichtigt lässt. Beispielsweise haben wir angenommen, dass ein Atom nur eine Resonanzfrequenz
hat, während es in Wirklichkeit viele hat. Um die Polarisierbarkeit der Atome
ordentlich zu berechnen, müssen wir die vollständige Quantentheorie anwenden. Die oben angeführten klassischen Ideen liefern uns aber eine vernünftige
Abschätzung. Sehen wir, ob wir die Grössenordnung der Dielektrizitätskonstanten von einigen Substanzen bestimmen können. Versuchen wir es mit
Wasserstoff. Die Bindungsenergie - d.h. die Energie, die notwendig ist, um
das Wasserstoffatom zu ionisieren - beträgt bekanntlich 13.6 eV. Daher folgt:
ω = 2·1016 Hz. Wenn wir nun diesen Wert für die Berechnung von κ benutzen,
erhalten wir κ = 1.00022 (in einem Gas bei Normaldruck und -Temperatur
(1 Atm, 0 C) befinden sich 2, 69 · 1019 Atome/cm3 ). Der Messwert der Dielektrizitätskonstanten für Wasserstoffgas beträgt 1.00026. Eine weniger allgemeine Version der Maxwell Gleichungen für die Elektrostatik lässt sich aus
der Beobachtung herleiten, dass der Effekt der Polarisationsladungen durch
Division der freien Ladungsdichte durch κ · ε0 statt durch ε0 simuliert werden
·E
= ρf rei /(κ · ε0 ).
kann (in einigen einfachen Fällen): ∇
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
30
Moleküle mit einem permanenten Dipolmoment.
Als Nächstes betrachten wir ein Molekül, das ein permanentes Dipolmoment
aufweist - so wie das Wassermolekül. Die Ladungstrennung ist eine Folge der
- O
H
+
H
H2O
+
Abbildung 1.16: Ladungsverteilung in einem H2 O Molekül
chemischen Bindung und nicht eines angelegten elektrischen Feldes. In einem
Wassermolekül finden wir beispielsweise eine negative Nettoladung auf dem
Sauerstoffatom und eine positive Nettoladung auf jedem der beiden Wasserstoffatome, die nicht symmetrisch, sondern wie in der Figur angeordnet sind.
Obwohl die gesamte Ladung des ganzen Moleküls Null ist, hat diese eine Ladungsverteilung mit einem kleinen Überschuss an negativer Ladung auf der
einen Seite und einem kleinen Überschuss an positiver Ladung auf der anderen. Diese Anordnung bildet einen Dipol: die Ladungstrennung findet statt,
obwohl kein E Feld vorhanden ist. In Abwesenheit eines elektrischen Feldes
zeigen die einzelnen Dipole statistisch in alle Richtungen, so dass das Gesamtmoment pro Einheitsvolumen Null ist. Wird aber ein elektrisches Feld
angelegt, so geschieht zweierlei: Erstens wird aufgrund der Kräfte, die auf
die Elektronen wirken, ein zusätzliches Dipolmoment induziert. Dabei erhalten wir genau dieselbe Art von Elektronenpolarisation, wie wir sie bei einem
nicht-polaren Molekül festgestellt haben. In einer sehr genauen Untersuchung
müsste dieser Effekt natürlich berücksichtigt werden; wir werden ihn aber im
Augenblick vernachlässigen. Zweitens hat das elektrische Feld die Tendenz,
die einzelnen Dipole auszurichten und erzeugt so ein Gesamtmoment pro
Einheitsvolumen. Wären alle Dipole eines Gases ausgerichtet, so gäbe es eine
sehr starke Polarisation, aber das kommt in Gasen nicht vor. Bei gewöhnlichen Temperaturen und elektrischen Feldern verhindern die Zusammenstösse
der Moleküle, verursacht durch ihre Wärmebewegung, dass sie sich stark ausrichten. Es gibt aber eine gewisse Gesamtausrichtung und daher auch eine
gewisse Polarisation. Die auftretende Polarisation kann mit den Methoden
der statistischen Mechanik berechnet werden. Um diese Methoden zu verwenden, müssen wir die Energie eines Dipols in einem elektrischen Feld kennen.
Betrachten wir einen Dipol mit dem Moment p in einem elektrischen Feld,
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
31
siehe Figur. Die Energie der positiven Ladung ist q · Φ(1) und die Energie
E
+q (1)
d
-q (2)
Abbildung 1.17: Energie eines Dipols im elektrischen Feld
der negativen Ladung −q · Φ(2). Die Energie des Dipols ist daher
Epot = q · Φ(1) − q · Φ(2)
= q · d · ∇Φ
= −p · E
Wir bezeichnen den thermischen Mittelwert von p bei einer bestimmten Tem Feld entlang z angelegt ist, erwarten wir
peratur mit < p >. Da das E< p >= (0, 0, p0· < cos ϑ >). Für Wasser ist p0 = 6 · 10−30 C · m. ϑ ist
einen
der Winkel zwischen p und der z-Richtung. Die W-keit, dass p mit E
Winkel ϑ aufspannt, hängt von der Temperatur ab: nach W.Gibbs ist diese
W-keit (kB Boltzmannschekonstante, kB = 1.38 · 10−23 Joule/K)
∝e
−Epot (ϑ)
kB ·T
Somit ist
< pz > = p 0 ·
sin ϑdϑdϕ cos ϑep·E·cosϑ/kB T
sin ϑdϑdϕep·E·cosϑ/kB T
Für normale Temperaturen und Felder ist der Exponent klein: durch die
Taylor-Entwicklung der Exponentialfunktion erhalten wir schlussendlich
< Pz >=
ρ0 · p20 · E
3 · kB · T
Somit ist die Polarisationsdichte proportional der Feldstärke E: χ =
und κ = 1 +
ρ0 ·p20
.
3·0 ·kB ·T
ρ0 ·p20
3·0 ·kB ·T
Auch hängt die Polarisation erwartungsgemäss von
KAPITEL 1. ELEKTROSTATIK
32
der reziproken Temperatur ab, weil bei höheren Temperaturen wegen der
Zusammenstösse weniger Ausrichtung möglich ist. Diese T −1 Abhängigkeit
nennt man das Curie Gesetz.
Eine interessante Anwendung von festen Dielektrika mit einem permanenten Dipolmoment ist die Piezoelektrizität. Dieser Effekt benutzt die Tatsache, dass in gewissen
Materialien (sog. Ferroelektrika) die permanente Dipole vollständig ausgerichtet sind. Eine
mechanische Spannung, der ein Kristall unterworfen ist, ändert dessen elektrischen Polarisation. Umgekehrt verursacht auch ein an den Kristall angelegtes elektrisches Feld in ihm
eine mechanische Verzerrung. Ein schematisches Beispiel eines piezoelektrischen Kristalls
ist in der Figur gegeben. Der nicht beanspruchte Kristall hat eine dreizählige Symme-
Abbildung 1.18: Piezoelektrizität
trieachse. Die Pfeile bedeuten Dipolmomente. Die Summe der drei Dipolmomente eines
jeden Schnittpunktes ist Null. Wird der Kristall einem elektrischen Feld ausgesetzt, so
entsteht in der angegebenen Richtung eine Polarisation. Die Polarisation verursacht eine
mechanische Dehnung: Es gilt typischerweise l/l = E · η (l/l = prozentuelle elastische
Dehnung; η ≈ 10−7 − 10−9 cm/V = piezoelektrische Koeffizient). Piezokristalle sind in
der modernen Forschung und Technologie sehr nützlich: sie werden zum Beispiel in Rastertunnelmikroskopen benutzt, um kleine und kontrollierte Bewegungen durchzuführen.
Kapitel 2
Magnetostatik
Die mit Magnetfeldern verbundenen Erscheinungen haben die Menschheit
immer fasziniert, angefangen mit den Griechen. Wir betrachten, als einfache Illustration, eine Spule, die mit feinem Magnetpulver (z.B Eisenspänen)
gefüllt ist. Magnetpulver besteht aus magnetischen Körnern, die sich entlang
Abbildung 2.1: Photographie eines Feldlinienbildes einer Spule
den magnetischen Feldlinien ansammeln. Deswegen kann man Eisenspäne
zum Visualisieren von Magnetfeldern benutzen. Schicken wir Strom durch
die Spule, so entsteht aus einer unregelmässigen Verteilung der Eisenspäne
eine ziemlich geordnete Anordnung - ein klarer Hinweis, dass ’Etwas’ die
Eisenspäne an bestimmte Orte zwingt. Es kann nicht das Resultat der Coulomb Kraft sein: die im Draht fliessenden Elektronen sind von einer genau
gleichen Anzahl positiver Ladungen umgeben, so dass die resultierende Coulomb Kraft genau 0 ist. Dieses ’Etwas’ muss mit der Anwesenheit bewegter
Ladungen verbunden sein: bevor man den Strom eingeschaltet hat, waren die
Magnetkörner ungeordnet. Dieses so faszinierende ’Etwas’ ist das Magnetfeld
das eine Kraft auf die Magnetkörner ausübt, sodass sie sich entlang der
B,
33
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
34
Feldlinien ansammeln. Der Erste, der den Zusammenhang zwischen Strom
und Magnetfeld bemerkt hat, ist H.C. Oersted (1819). Er schaffte es, eine
Kompassnadel - ein magnetisches Objekt, das sich vorzüglich in Magnetfeldrichtung orientiert - durch das Einschalten von Strom zu beeinflussen. Er
beobachtete, dass die Nadel je nach Stromrichtung in die eine oder andere
entgegengesetzte Richtung zeigte. Und das alles kann weder die Coulombnoch die Gravitationskraft verursachen! Kurz danach (1820) entdeckte Ampere, dass zwischen zwei stromdurchflossener Drähte eine Kraft existiert, und
das wiederum trotz der Neutralität der Drähte. Diese Beobachtungen wurden
korrekt mit der Existenz eines weiteren Feldes, was weder mit der Gravitation
noch mit dem elektrischen Feld zu tun hatte. Obwohl die Existenz eines Ma neben dem elektrischen Feld E
lange Zeit bekannt war und von
gnetfeldes B
Maxwell sogar in einem Satz von Gleichungen kodifiziert wurde, blieb der eigentliche Ursprung des Magnetfeldes, anders als beim elektrischen Feld, auch
zu den Zeiten von Maxwell unklar. Der wichtigste Ingredient zur Erzeugung
von Magnetfeldern ist der Strom, welchen wir ausführlich behandeln werden.
ist die Relativitätstheorie von
Der zweite Ingredient zur Erzeugung von B
durch bewegte Ladungen ist ein relativiEinstein: die Erzeugung von B
stischer Effekt. Das konnten die Ampere und Oersted nicht wissen! Wir
werden dennoch die Gesetze der Magnetostatik durch den von Oersted, Ampere und Kollegen eingeschlagenen– phänomenologischen – Weg einführen.
2.1
Der elektrische Strom
Wir führen den elektrischen Strom in einem 1-dimensionalen (Draht) Modell ein. Elektrischer Strom entsteht folgendermassen. Man denke sich einen
Draht aus Metall (typischerweise Cu) und eine Quelle von Ladungen (eine
Batterie, ein Netzgerät). Man bringe diese Ladungen an ein Ende des Drahtes. Das hervorgerufene Potential erreicht mit Lichtgeschwindigkeit (das werden wir später zeigen) das andere Ende des Drahtes. Sorgt man mit der Quelle dafür, dass dieses Ende bei einem unterschiedlichen Potential bleibt, dann
ensteht eine Spannung zwischen den beiden Enden des Drahtes. Somit wird
im Inneren des Metalls ein elektrisches Feld aufgebaut und beständig aufrechterhalten. Die freien Elektronen im elektrischen Feld bewegen sich nach
der Newton Gleichung mẍ = q · Ex mit der Lösung ẋ = q · Ex · t/m. Betrachten wir eine Ladungsverteilung mit Teilchendichte ρ. Aufgrund der endlichen
Geschwindigkeit in x-Richtung durchquert die Ladung q = q · ρ · A · ẋ · t
die Fläche A im Zeitintervall t. Daraus resultiert eine Stromdichte Jx
(durchströmende Ladung pro Zeiteinheit und Flächeneinheit) gegeben durch
2
q
Jx = t·A
= ρ·qm ·t · Ex [Jx ] = Cb/(sec · m2 ) = A/m2 ). Nach dieser Gleichung
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
35
wächst der Strom linear mit der Zeit, was zu unendlich grossen Strömen
führen würde. Diese Theorie des elektrischen Stroms ist natürlich unvollständig. In der Tat ist der Strom, der in einem Metalldraht fliesst, endlich.
Es geschieht folgendes. Die Ladungsträger können nicht unbegrenzt beschleunigt werden. Denn, in Folge der Streuung der Kristallelektronen an Phononen
und Gitterfehlern, verlieren die Elektronen ständig Energie, die sie nach der
obigen Gleichung aus dem elektrischen Feld holen. Nach Einschalten des elektrischen Feldes stellt sich nach einer kurzen Zeit (etwa 10−15 sec) – eine sog.
Relaxationszeit ein – ein stationärer Strom Js , mit (Ohmschem Gesetz):
ρq 2 · τ ·E
Js =
m
Die Proportionalitätskonstante heisst elektrische Leitfähigkeit σ. Zu Js defi-
Abbildung 2.2: Für einen Draht mit Länge l und Querschnitt A schreibt man
l
I = V
, mit V = l · E, I = J · A und der Widerstand R = σ·A
, [R] =
R
Ω (Ohm). Um Materialien hinsichtlich deren Leitfähigkeit zu vergleichen,
definiert man den spezifischen Widerstand ρ = σ −1 = A · R/l.In der Tabelle
erkennt man drei Gruppen von Stoffen: gute Leiter (L) mit sehr kleinem
spezifischen Widerstand, Halbleiter (S) und Isolatoren (I).
nieren wir eine Driftgeschwindigkeit vD durch die Gleichung Js = q·ρ·vD . Diese ist die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher die Ladungen im Draht ”driften”. Typische Driftgeschwindigkeiten in einem Cu-Draht (ρ = 6 · 1022 /cm3 )
. js
≈ 2 · 10−3 m/sec.
mit A = 1mm2 und I = 30 A sind : | vD |= ρ·q
Mit dem Stromfluss ist eine Dissipation der Energie verknüpft. Da die Driftgeschwindigkeit konstant ist, wird die von der Quelle ausgeübte elektrische
Kraft völlig von einer entgegengerichteten Reibungskraft neutralisiert. Diese
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
36
Reibungskraft – die die inelastischen Stösse simuliert – führt zur Dissipation
der elektrischen Energie, die von der Quelle geliefert wird. Die elektrische Lei-
Abbildung 2.3: Geometrie zur Berechnung der Jouleschen Wärme
stung (= totale elektrische Arbeit pro Zeiteinheit), geleistet von der Quelle
um eine totale Ladung ρqAl von ’a’ bis ’b’ zu transportieren, ist
L = (tb − ta )−1 ρqAl ·
tb
ta
E · vdrif t dt = I 2 · R = V · I
Diese Leistung wird zunächst in Form von Joulscher Wärme an den Draht
abgegeben. Wird die Temperatur des Drahtes aufgrund der abgegebenen
Joulschen Wärme genügend erhöht, so beginnt der Draht Licht (Strahlung)
zu emittieren: die Temperatur verursacht eine Bevölkerung der angeregten
Zustände der Atome. Diese entleeren sich kurz danach, und geben ihre Energie in der Form von Strahlung wieder: elektrische Energie wird nicht nur in
Wärme umgewandelt, sondern auch in Strahlung. Damit sind wir bei der
wichtigsten Anwendung des elektrischen Stromes gelandet: durch diesen Mechanismus hat Edison unsere Nächte beleuchtet. Wird die Temperatur noch
weiter erhöht, dann beginnen die Atome zu verdampfen: der Draht wird
dünner. An gewissen Stellen kann der Draht ’explodieren’ so werden unsere
Nächte dunkel. Die zweite wichtige Anwendung ist das Entstehen von Magnetfeldern.
Die Kontinuitätsgleichung
Im Allgemeinen charakterisiert man bewegliche Ladungen mit einer Strom
dichte j(r, t). Der Einheitsvektor |jj| ist die Normale in Bewegungsrichtung
der fliessenden Ladungen. Deren Betrag | j | gibt die Ladung an, die pro
Zeiteinheit durch die Flächeneinheit senkrecht zur Stromrichtung transportiert wird. Als Stromstärke durch eine vorgegebene Fläche S bezeichent man
das Flächenintegral
I = j · dS
S
sei der Strom durch die Oberfläche des Volumens V und ∂ ρdV
j · dS
∂t V
ist die zeitliche änderung der Gesamtladung des Volumens V . Die LadungsS(V )
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
37
erhaltung besagt, dass
dV
V
∂ρ
=−
∂t
S(V )
j · dS
ist, d.h. die zeitliche Änderung der Ladung im Volumen V muss dem Ladungsstrom durch die Oberfläche S entgegegesetzt gleich sein. Das Oberflächenitegral an der linken Seite lässt sich in einem Volumenintegral umschreiben, so dass die Ladungserhaltung mit der Kontinuitätsgleichung
∂ρ +∇·j = 0
∂t
identisch ist. Für die Magnetostatik ist der stationäre Fall ∂ρ
= 0 relevant.
∂t
j = 0, d.h. durch jeden Querschnitt fliesst der selbe
Im stationären Fall ist ∇·
Strom und die Summe aller zufliessenden Ströme an einem Leiterknoten ist
gleich der Summe der abfliessenden Ströme (Kirchhoffsche Knotenregel).
I3
I5
S(V)
dS
I4
I2
F1
S(V )
I1
F2
Abbildung 2.4:
2.2
Die Gesetze der Magnetostatik
Die phänomenologischen Beobachtungen von Ampere und Oersted zeigen,
dass eine stationäre Stromdichte j(r) die Quelle eines neuen Feldes ist, wel r ) genannt ist. Von Biot-Savart stammt ein Integralausches Magnetfeld B(
druck für das B-Feld
einer beliebigen stationären Stromverteilung:
r ) = µ0
B(
4π
V
dV j(r ) ×
r − r
| r − r |3
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
38
V ·s
Die Kopplungskonstante µ0 = 01·c2 = 4π10−7 A·m
enthält die Lichtgeschwin
digkeit und zeigt eindrucksvoll den Ursprung des B-Feldes:
im Limes c →
[B] =
∞ (sogenannte nicht-relativistische Limes), verschwindet nämlich B.
.
V ·s
= T (Tesla). Wie im Fall der Elektrostatik, lassen sich aus diesem Ausm2
druck äquivalente Formulierungen der Gesetze der Magnetostatik herleiten,
welche oft einfacher zu benutzen sind als das Biot-Savart Integral.
2.2.1
1. Gesetz der Magnetostatik
Wir benutzen die folgenden Identitäten um das Integral umzuschreiben:
r − r
1
r
= −∇
3
| r − r |
| r − r |
× (ψj) + ψ ∇
× j
j × ∇ψ
= −∇
Damit erhalten wir für das B-Feld
×
= µ0 ∇
B
4π
V
dV j(r )
| r − r |
Da die Divergenz einer Rotation immer verschwindet, können wir schreiben
·B
=0
∇
Dieses Gesetz bedeutet, dass es keine magnetischen Ladungen (Monopole)
gibt.
Ampersche Gesetz
Durch Verwendung der Identität
× (∇
× A)
= ∇(
∇
· A)
− A
∇
und der partiellen Integration über eine beschränkte Stromverteilung können
explizit berechnen:
wir die Rotation von B
j(r )
)
| r − r |
1
1
− j(r )
= = −∇ dV j(r ) · ∇
| r − r |
| r − r |
dV ∇ · j + 4πj(r)
= ∇
| r − r |
4π = ∇
× (∇
×
·∇×B
µ0
dV KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
39
· j = 0 für stationäre Ströme, verbleibt die Gleichung
Da ∇
×B
= µ0j
∇
Diese ist das Ampersche Gesetz. Mit Hilfe des Stokeschen Satzes lässt sich
eine äquivalente Integralform ableiten. Es sei S eine Fläche und C ihr Rand.
Dann
· ds = µ0 jdS
× B)
· ndS =
= I · µ0
B
(∇
S
C
S
I ist die Gesamtstromstärke durch S und n der Normalvektor auf der Fläche.
um eine geschlossene Kurve
Damit erhalten wir, dass Die Zirkulation von B
C gleich dem Strom I durch die von C umschlossene Fläche multipliziert mit
µ0 ist.
· ds = µ0 · I
B
C
Die Grundgleichungen der Magnetostatik
·B
=0
∇
×B
= µ0 · j
∇
·∇
×A
= 0, lässt sich B
als
können weiter umformuliert werden. Da ∇
=∇
×A
B
ist das Vektorpotential. Das Vektorpotential ist nur bis auf den
schreiben. A
Gradienten einer skalaren Funktion bestimmt: wir können stets die Eichtrans
= A+gradϕ
vormehmen, ohne etwas am Magnetfeld zu ändern.
formation A
Das skalare Feld ist ein Eichfreiheitsgrad des Magnetfeldes. Um eine Eindeutigkeit des Vektorpotentials zu erreichen, brauchen wir noch eine zusätzliche
= 0 (Coulomb Eichung), die Vektorrelation
Festlegung. Durch die Wahl div A
× (∇
× A)
= ∇(
∇
· A)
− A
∇
und das Ampersche Gesetz, erhalten wir
= −µ0j
A
Diese Gleichung entspricht die Poissongleichung der Elektrostatik. Die formelle Lösung kennen wir: aus
= µ0 ∇
×
B
4π
folgt
= µ0
A
4π
V
V
dV dV j(r )
| r − r |
j(r )
| r − r |
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
2.3
40
Magnetische Felder einfacher Stromverteilungen
Feld eines Stromfadens
Unter dem Konzept eines Stromfadens versteht man einen linienförmigen
Strom I längs eines Weges C. Wir paramatrisieren C nach der Bogenlänge
C
dr
S
Abbildung 2.5:
s, d.h. r = r(s). In jedem Punkt der Bahn sei t der Tangentialeinheitsvektor.
Dann gilt
dr = ds · t
= df · t
dS
· dt = df · ds
dV = dS
Somit erhalten wir
jdV = jtdf ds = It(s)ds
und
I · t(s) × (r − r (s))
r ) = µ0
ds
B(
4π C
| r − r (s) |3
Feld eines unendlich langen geradlinigen Drahtes
Als Anwendung der obigen Formel betrachten wir t = (0, 0, 1), C als unendlich lang und setzen als Parameter s die Koordinate z . Darüberhinaus
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
41
betrachten wir, o.E.d.A., z = 0. Somit gilt
∞ (0, 0, 1) × (x, y, −z )
r ) = µ0 · I
dz B(
4π −∞ (x2 + y 2 + z 2 )3/2
∞
1
µ0 · I
(−y, x, 0)
=
dz 2
2
4π
−∞ (x + y + z 2 )3/2
µ0 · I (−y, x, 0)
=
2π (x2 + y 2 )
= B (−y,x,0)
”zirkuliert”
Am Ort r = x, y, z finden wir ein Vektorfeld B
.B
(x2 +y 2 )1/2
| hätten wir auch aus der Integralin einer zum Draht senkrechten Ebene. | B
form des Amperschen Gesetzes herleiten können, mit der Annahme, dass die
Feldlinien Kreise in einer zum Draht senkrechten Ebene sind. Man betrachte
als Stokessche Kontur eine dieser Kreisen (Rechnung in Polarkoordinaten):
2π
0
d.h. B =
Brdϕ = µ0 · I
µ0 ·I
.
2π·r
Feld einer unendlich langen Spule
Die Spule habe n-Windungen pro Längeneinheit. Aus der Vektorkonstrukti nach Biot-Savart vermuten wir, dass B
– falls es existiert
on des Feldes B
– parallel zur Spulenachse verläuft. Man kann zeigen, dass ausserhalb der
genau 0 ist: äquivalente Teile der Spule liefern einen gleichen aber
Spule B
an einem Ort ausserhalb der
entgegengesetzten Beitrag zur Bildung von B
Spule. Das Feld im Innern der Spule finden wir, indem wir das Amp. Gesetz
auf eine fiktive Schleife C (siehe Figur) anwenden. Aus
C
i · dl =| B
i | ·l
B
i |= µ0 · n · I: B
verläuft parallel zur Spulenachse und
Itot = n · l · I folgt | B
ist innerhalb der Spule homogen.
Das Feld einer Stromschleife
Wir benutzen die Identität
S
n × ∇ψdS
=
ψtds
C
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
42
C
I
Abbildung 2.6: Anwendung des Amperschen Gesetzes auf eine Spule
um das A-Feld
einer Stromschleife C, welche eine Fläche S umrandt, zu
berechnen:
= µ0 · I
A
4π
C
t(s)
µ0 · I
1
r
ds
=
ds
n × ∇
| r − r (s) |
4π S
| r − r (s) |
| r |
r
1
∇
+ O(
)
=
| r − r (s) |
| r |3
| r |3
r
Für kleine Schleifen
× r
. µ0 m
r) = µ0 I · S ndS × r =
A(
3
4π
| r |
4π | r |3
mit m
=I·
S
ndS das magnetische Dipolmoment. Mit
m
× r
× m
=∇
3
| r |
| r |
erhalten wir
r ) = µ0 ∇
× (∇
× m
B(
)
4π
| r |
µ0 m
µ0
1
=
∇(∇ ·
)−
m
4π
| r |
4π
| r |
µ0 1 ) + µ0 · m
∇(m
·∇
· δ(r)
=
4π
| r |
Die erste Komponente des B-Feldes
ist identisch mit dem E-Feld
eines elektrischen Dipols: Die Vorstellung, dass magnetische Dipole aus magnetische
Ladungen bestehen, vermag das B-Feld
fast korrekt zu beschreiben. Der Unterschied manifestiert sich in der Tat nur am Ort des Dipols.
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
2.4
43
Die Lorentz-Kraft
Die Experimente von Ampere haben eindrucksvoll gezeigt, dass ein stromdurchflossener Leiter ”1” eine Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter
”2” ausübt. Seine Entdekungen können wie folgt mathematisch beschrieben
t2
B1
1
2
I2
I1
Abbildung 2.7:
werden:
F1→2 = I2
C2
1 (r(s2 ))ds2
t(s2 ) × B
1 (r(s2 )) ist das vom Leiter1 am Ort r2 ausgeübte Magnetfeld. Als Beispiel
B
für die Anwendung dieser Formel betrachten wir die Kraft zwischen zwei lange geradlinigen Stromfäden im Abstabnd ρ voneinander. Am Ort des Leiters
1 = µ0 ·I eϕ . Die von ”1” ausgeübte Kraft pro
”2” existiert ein Magnetfeld B
2π·ρ
Längeneinheit ist nach innen radialgerichtet (siehe Figur) und beträgt
µ0 · I1 · I2 1
2π · ρ 2L
L
−L
dz =
µ0 · I1 · I2
2π · ρ
Aus dieser Formel haben 1856 Kohlrausch und Weber die Konstante µ0
experimentell bestimmt. Später bemerkte Kirchoff die Ähnlichkeit mit 01·c2 .
Unter Ausnutzung der Relation Itds = j(r)dV können wir die Kraft, die
eine beliebige Stromverteilung innerhalb eines Volumens V in einem äusseren
r ) erfährt, ausdrucken.
Magnetfeld B(
F =
V
r)
dV j(r) × B(
Für eine Punktladung q, die sich mit der Geschwindigkeit v (r) bewegt, gilt
j(r) = q · v (r) · δ(r − r(t))
Einsetzen führt auf die Lorentz-Kraft
r (t))]
F = q · [v (r(t)) × B(
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
44
I1
I2
r
F2-1
F1-2
Abbildung 2.8:
2.5
Magnetostatik in der Materie
Das A-Feld
einer kontinuierlichen Verteilung magnetischer Momente erhalten
der Magnetisierungsvektor ist.
r ) · dV , wobei M
wir, durch m
= M(
×
r ) = µ0 · ∇
A(
4π
r)
r)
M(
µ0
∇ × M (
=
dV
dV
| r − r |
4π V | r − r |
V
×M
entspricht. Eine solche kontiwas einer effektiven Stromdichte jM = ∇
nuierliche Verteilung kleiner Stromschleifen bestand, nach Ampere, am Ort
der Atome in magnetischen Materialien. In Anwesenheit von Materie muss
das Ampersche Gesetz diese effektiven atomare Strömen berücksichtigen.
×M
]
×B
= µ0 [j + ∇
∇
Die klassische Vorstellung atomarer Kreisströme liefert eine formal exakte
(r) kann aber
Gleichung. Das in dieser Gleichung vorkommende Vektorfeld M
nur quantenmechanisch gerechtfertig werden. In der QM (siehe Physik IV)
zeigt man, dass sich die Energie eines Atoms durch Anlegen eines Feldes B
ändert. Diese Aenderung setzt sich aus zwei Termen zusammen:
+ αD · B
2
Em = −µ · B
Der erste Term, der für den Paramagnetismus der Materie verantwortlich ist, ist proportional zur Feldstärke: die Proportionalitätskonstante nennt
man magnetisches (Dipol)Moment des Atoms. Die Einheit für µ ist
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
45
Joule/Tesla. µ schreibt man oft in Einheiten einer fundamentalen Grösse,
das Bohrsche Magneton µB = 9.27410−24 J/T . Dieser Term erinnert an
die Energie eines elektrischen Dipolmomentes in einem elektrischen Feld:
ein klasder Unterschied liegt darin, dass die elektrische Energie −p · E
sisches Resultat ist, während Em rein quantenmechanischen Urprungs ist.
Genau gesagt: der Ursprung von µ liegt in der Dirac Gleichung der relativistischen Quantenmechanik. In der Quantenmechanik findet man
(gL : Lande Faktor, J:
der Drehimpulsvektor des atomaren
µ = −gL · µB · J/h̄
−1
Systems, µB =| e | ·h̄ · (2m) ). Der Grund dafür, dass Atome ein µ haben,
steckt in deren Elektronenkonfiguration.
Der zweite Term stellt den Diamagnetismus der Materie dar. In einem Feld
von 1T liegt der erste Term in der Grössenordnung µB · 1T ≈ 10−4 eV . Der
zweite ist etwa 10−10 eV : Diamagnetismus ist nur dann beobachtbar, wenn
atomare Momente verschwinden. Typische Atome mit einem permanenten
magnetischen Moment sind 3d Atome wie Fe, Co, Ni, Cu++ und viele seltene
Erden. Paramagnetische Substanzen sind Salze solcher Atome, wie zum Beispiel Cu++ SO4 K2 SO4 6H2 O. Nehmen wir an, dass wir einen Kasten voller
Atome oder Moleküle mit permanenten magnetischen Momenten haben – ein
Gas oder eine Flüssigkeit oder einen Festkörper. Wir möchten wissen, was
= (0, 0, B) anlegen. Ohne Magnetfeld
geschieht wenn wir ein äusseres Feld B
werden die Atome durch die thermischen Bewegungen umgestossen, und die
Momente zeigen regellos in alle Richtungen. Wenn aber das Magnetfeld vorhanden ist, bewirkt es eine (partielle) Ausrichtung der Momente: < µ
>= 0.
Es ensteht eine Magnetisierung M = ρ· < µ
>, wobei ρ die Atomdichte ist
([M] = A/m) (Curie Paramagnetismus):
2
= (0, 0, ρ · µ · B )
M
3kB T
Das Verhältniss von M zu B, das die Response eines Materials zu einem angelegten Magnetfeld charakterisiert, nennt man die magnetische Suszeptibilität
χ (es ist oft aussagekräftiger, wenn χ als dimensionslose Grösse µ0 · M/B de2
0 ·ρ·µ
finiert ist ). Im Fall des Curie Paramagnetismus ist χp = µ3k
. Typische
BT
−3
−6
Werte von χp bei Zimmertemperatur: 10 (χD ist etwa 10 , also viel kleiner: Diamagnetismus ist nur dann feststellbar, wenn paramagnetische Effekte
genau verschwinden).
Es gibt in der Natur besondere Materialien, die den Ferromagnetismus
zeigen, wie z.B. metallisches Fe, Co, Ni und Gd (und viele Legierungen
davon). In diesen Materialien sorgt das Pauli Prinzip der Quantenmechanik dafür, dass ein sehr kleines Feld B genügt, um alle magnetischen
Momente auszurichten, und zwar auch bei Raumtemperatur: die Curie Formel gilt nicht mehr. Im Gegensatz zu paramagnetischen Substanzen, ist die
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
46
von der Temperatur verursachte Unordnung der atomaren magnetischen Momente nicht wirksam. Mit anderen Worten, besitzen diese Materialien eine
sehr hohe Suszeptibilität. Obwohl die Mehrzahl der Materialien in der Natur
Abbildung 2.9: M(B) für eine ferromgn. Probe
nicht ferromagnetisch sind, spielen genau die ferromagnetischen Stoffe eine
besondere technologische Rolle, die wir im Kapitel 4 untersuchen werden.
Die Bedeutung der Magnetisierung werden wir deswegen am Beispiel solcher
Materialien erläutern, wobei wir annehmen, dass alle magnetischen Momente
ausgerichtet sind, d.h. M = ρ · µ.
Magnetfeld in einer unendlich langen Spule mit ferromagnetischen Kern
Wie bereits besprochen, genügt ein kleiner Stromstoss durch die Spule, um M
entlang der Spulenachse zu richten. Um das Ampersche Gesetz anzuwenden,
verursacht werden: wir
suchen wir nach den effektiven Strömen, die durch M
in zylinderkoordinaten.
berechnen rotM
= eϕ (−
rotM
∂Mz
)
∂ρ
ist somit ein zirkulierendes Vektorfeld, welches nur an den Orten
rotM
von 0 verschieden ist, wo seine Ableitung gross ist. Mz fällt von M zu 0
innerhalb einer Randschicht der Dicke δ: somit ist jm = Mδ eϕ . Der von der
Magnetisierung verursachte effektive Strom muss bei der Berechnung des
berücksichtigt werden, und zwar muss das Amperesche Gesetz wie
Feldes B
folgt ergänzt werden:
i · dl =| B
i | ·l = µ0 (n · l · I + M · l · δ)
B
δ
C
Daraus folgt: Bi = BSpule + µ0 · M. Mit anderen Worten: die Anwesenheit der
Magnetisierung führt im Innern des Materials zu einem Extra-Magnetfeld
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
47
MZ
d
M
r
Abbildung 2.10: Zur Berechnung von jM
Bm . Das gesamte Feld innerhalb einer Spule mit Eisenkern setzt sich deshalb
aus zwei Anteilen zusammen: BSpule ist bei normalen Strömen im Allgemeinen klein. Bm ist hingegen viel stärker: typische Werte für ferromagnetische
Materialien ≈ 1 T. Fazit: der Eisenkern dient deshalb der Feldverstärkung.
Diese Verstärkung findet in der Technologie zahlreiche Anwendungen.
Feldverhalten an Grenzflächen
Sollten die Spule und der Zylinder eine endliche Länge besitzen, dann bleibt
nicht genau innerhalb der Spule beschränkt, wie folgende allgemeine ÜberB
legung zeigt. Man konstruiere eine Gaussschachtel um die Grenzfläche wie in
=0
der Figur. Dann gilt, wegen div B
0=
V
=
dV div B
S(V )
· dS
B
Für den Grenzfall x → 0 bekommen wir für dieses Oberflächenintegral
a − B
i ). Daraus ergibt sich die Stetigkeit der Komponente von B
0 = F n(B
senkrecht zur Grenzfläche zwischen zwei unterschiedlichen magnetischen Ma in der Nähe des Randes ausserhalb des Kernes ebenso
terialien. Somit ist B
nimmt mit der Entfernung ab. Um die Tangentialstark wie in Inneren. B
komponente von B an einer Grenzfläche zu untersuchen, die in einer dünnen
Schicht der Dicke δ von einer Stromdichte j durchflossen wird, legen wir um
die Grenzfläche eine kleine Stoksche Kontur. t sei die Normale zur Fläche,
die von C umrandet ist. Aus
× Bd
S
=
l
=
∇
Bd
µ0jdS
S(C)
S(C)
und l2 = l(t × n) = −l1 folgt, für kleine x
2 − B
1 ) = µ0 δj · t
(t × n)(B
C
KAPITEL 2. MAGNETOSTATIK
n
Ba
48
DF
Dx
Bi
Abbildung 2.11:
Diese Gleichung nimmt eine einfache Gestalt für den Fall eines entlang der
an. Dann
Achse magnetisierten Zylinders mit homogener Magnetisierung M
ist j·tδ = M und für die Komponente des B-Feldes
parallel zur Achse entlang
des Zylindermantes gilt
Bt,i − Bt,a = µ0 · M
Das ergibt Bt,a = 0, wegen Bt,i = µ0 · M.
Abbildung 2.12:
Kapitel 3
Elektrodynamik
3.1
Faradaysches Induktionsgesetz
Das Biot-Savart Gesetz enthält die fundamentale Aussage, dass eine Strom erzeugt. Michael Faraday machte im Jahre 1831
dichte j ein Magnetfeld B
die fundamentale Entdeckung, dass in einer geschlossenen Leiterschleife elektrischer Strom fliesst, wenn diese Schleife derart in einem Magnetfeld bewegt
wird, dass sich der magnetische Fluss durch die Schleife ändert. Wir wollen
die Faradaysche Betrachtung jetzt mathematisch formulieren. Hierzu definieren wir die sogenannte elektromotorische Kraft
.
EMK =
C
· dl
E
Ferner definieren wir den magnetischen Fluss F durch die Fläche SC als
F=
SC
· dS
B
Die Faradayschen Experimente lassen sich durch die Integralform
C = ∂S
dS
B
S
dl
Abbildung 3.1: Zur Herleitung des Faradayschen Gesetzes
· dl = − ∂ F
E
∂t
C
49
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
50
beschreiben. Das Minuszeichen wurde von Lenz durch seine Regel begründet:
Die induzierte EMK erzeugt einen Induktionsstrom der stets so gerichtet ist,
dass er den ihn erzeugenden Vorgang zu hemmen versucht (Lenzsche Regel).
Mit Hilfe des Stokesschen Satzes bekommen wir
SC
˙ = 0
∇
×E
+ B)
dS(
Dies gilt für beliebige Flächen SC . Demnach können wir schliessen
=−
rotE
∂B
∂t
(Faradaysches Gesetz oder Induktionsgesetz). Diese Gleichung verallgemei = 0.
nert die für die Elektrostatik gültige Gleichung rotE
Erzeugung von Wechselstrom
Die technischen Wechselspannungen unserer Verteilernetze werden ausnahmslos durch Induktion erzeugt. Wir wollen diesen Induktionsvorgang am einfachen Beispiel einer rotierenden Leiterschleife in einem homogenen Magnetfeld
nach der Abbildung illustrieren. F durch die Schleife beträgt S · B · cos ϕ.
B
S
B
S
j
Rotationsachse
Drehwinkel = w t = j
S: Fläche der Schleife
dS
Abbildung 3.2: Rotierende Schleife in einem Magnetfeld
Da die Schleife rotiert, ist ϕ = ω · t. Somit ensteht eine Wechselspannung:
EMK = −S · B · ω · sin ωt.
Transformatoren
Da das Stromnetz 220 V Wechslspannung liefert, aber jedes Gerät mit einer
anderen Spannung arbeitet, muss man zwischen Netz und elektrischem Gerät
einen Transformator einsetzen. Der Transformator wandelt nahezu ohne Ver-
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
U1
N1
51
N2
U2
B
Abbildung 3.3: Transformator
luste niedrigere Spannungen in höhere und umgekehrt. Die umzuwandelnde
Spannung wird der Primärwicklung mit N1 Windungen zugeführt und ist
dort gleich dem induktiven Spannungsabfall U1 = −N1 dF1/dt. Die gewünschte Spannung wird der Sekundärwicklung entnommen (N2 Windungen): sie
beträgt U2 = −N2 dF2 /dt. Nun sind sowohl F1 als F2 durch das Magnetfeld
mal die Fläche des Eisenkernes bestimmt, sodass F1 = F2 . Daraus ergibt
sich die Transformatorgleichung U1 /U2 = N1 /N2 .
Selbstinduktion
Eine Spule ist ein wichtiges Element der Elektrotechnik. Sie wird in Schaltkreisen mit dem Parameter L (L: Selbstinduktion) berücksichtigt. Die Selbstinduktion ist wie folgt zu verstehen. Wir betrachten eine Spule der Länge l
mit n Windungen pro Längeneinheit. Fliesst in der Spule der Strom I(t),
dann ensteht in der Spule ein Magnetfeld µ0 · n · I. Dieses Feld verursacht
einen Fluss F = n · l · S · B = µ0 · n2 l · I. Nach Faraday ist die induzierte
.
Gegenspannung EMK = −µ0 Sn2 l · dI/dt = −L · dI/dt. Sollte die Spule
mit einem magnetischen Material gefüllt sein, dann ist Lm = L(1 + χ) eine
geometrie- und materialabhängige Konstante.
Die Wirkung von L kann in einem einfachen Schaltkreis abgeschätzt werden. Zur Zeit t = 0 wird eine Spannung U0 angelegt. Das Einschalten der
R
L
I
U0
Abbildung 3.4: Schaltkreis mit Spule und Widerstand
Spannung führt zum Fliessen eines Stromes I(t). An der Spule bildet sich
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
52
I
U0/R
L/R
t
Abbildung 3.5: Stromverlauf
die Gegenspannung −L · dI/dt, die selbst I(t) beeinflusst. Anwendung des
Ohmschen Gesetzes führt zu einer DG für I(t), R · I = U0 − L · dI/dt, deren Lösung zu der gegebenen Anfangsbedingung U0 /R · (1 − e−R/L·t ) lautet.
Diese Lösung zeigt, dass die Stromstärke nicht sofort den Endwert I = U0 /R
erreicht, sondern von Null an mit einer endlichen Anstiegszeit L/R den Endwert erreicht.
3.2
Die Maxwell-Gleichungen
Bisher haben wir die Maxwell-Gleichungen Stück für Stück untersucht, jetzt
ist es an der Zeit, ein letztes Stück hinzuzufügen und ein Ganzes daraus zu
machen. Wir verfügen dann über die vollständige und korrekte Beschreibung
der elektromagnetischen Felder, die sich auf irgendeine Wiese mit der Zeit
und dem Ort ändern können. Die bis jetzt ausgearbeiten ”Stücke” sind hier
zusammengefasst. In diesem Kapitel betrachten wir nur freie Ladungen und
Ströme, d.h. es sind weder ρpol noch jm vorhanden:
·E
= ρ/0
∇
×E
= − ∂B
∇
∂t
·B
= 0
∇
×B
= µ0 J
∇
Maxwell fand heraus, dass die letzte Gleichung unvollständig ist, und schlug
vor, den Term c12 ∂∂tE an der rechten Seite zu addieren (sog. Verschiebungsstrom). Er stellte am Amperschen Gesetz fest, dass etwas seltsam war. Bildet man die Divergenz dieser Gleichung, so wird die linke Seite Null, weil die
Divergenz eines Rotors immer Null ist. Die Gleichung verlangt daher, dass
auch die Divergenz von j Null ist. Wenn aber die Divergenz von j Null ist, so
ist der gesamte aus einer geschlossenen Oberfläche fliessende Strom ebenfalls
Null. Der Stromfluss aus einer geschlossenen Oberfläche ist aber gleich der
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
53
Abnahme der Ladung im Innern der Oberfläche. Diese Abnahme kann bestimmt nicht allgemein Null sein, denn wir wissen, dass Ladungen von einem
Ort an einen anderen transportiert werden können, d.h. Ladungen einen Ort
verlassen können. Für Ladungen gilt nämlich die Kontinuitätsgleichung
· J = − ∂ρ
∇
∂t
Diese Gleichung drückt das sehr fundamentale Gesetz aus, dass elektrische
Ladung erhalten bleibt – jeder Fluss von Ladung muss aus einer Quelle
kommen. Maxwell schätzte diese Schwierigkeit richtig ein und schlug, um
sie zu vermeiden, die Ergänzung der 4.Gleichung vor. Zeigen wir, dass der
Ergänzungsterm genau das ist, was fehlte, um die von Maxwell entdeckte
Schwierigkeit zu überwinden. Bilden wir die Divergenz seiner Gleichung, so
stellen wir fest, dass die Divergenz der rechten Seite Null sein muss. Die Di
vergenz von c12 ∂∂tE ergibt, wenn man die Reihenfolge der Ableitungen nach Ort
und Zeit vertauscht und die erste MG (Maxwell Gleichung) anwendet, ∂ρ/∂t.
Somit folgt aus der vierten MG die gewünschte Kontinuitätsgleichung.
einen neuen Term hinzufügten, stellten
Als wir zu der Gleichung für rotE
wir fest, dass eine ganze Klasse neuer Phänomene beschrieben wurde. Max hat ebenfalls weitreichende
wells kleine Ergänzung der Gleichung für rotB
Konsequenzen: die Existenz elektromagnetischer Wellen.
Die inhomogene Wellengleichung
Wir wollen zeigen, dass die Anwesenheit des Maxwell Verschiebungsstroms
zur Existenz elektromagnetischer Wellen führt. Dazu führen wir das skalare
Aus ∇
·B
folgt, dass wir B
als
Potential Φ und das Vektorpotential A.
=∇
×A
B
parametrisiern können. Die Faradaysche Induktionsgleichung hingegen schreiben wir als
× (E
+ ∂A ) = 0
∇
∂t
oder
= −∇Φ
− ∂A
E
∂t
Die Wahl dieser Parametrisierung erlaubt, die homogene Maxwell Gleichun und Φ sind durch die inhomogenen
gen identisch zu erfüllen. Die DG für A
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
54
lauten die inhomogeMG bestimmt. Umgeschrieben in den Feldern Φ and A
nen MG
∂ −ρ
∇·A=
∂t
0
2
∇
− 1 ∂ A −∇
·A
+ 1 ∂Φ = −µ0j
∇2 A
2
2
c ∂t
c2 ∂t
∇2 Φ +
Um diese Gleichungen zu schreiben, haben wir die Identität
× (∇
× A)
= ∇(
∇
· A)
− ∇2 A
∇
benutzt. Wir haben also die vier MG auf die zwei DG zweiter ordnung für die
und Φ reduziert. Die DG sind immer noch gekoppelt und zeiPotentiale A
gen noch nicht explizit die Existenz EM-Wellen. Wir können die DG günstig
durch eine Transtransformieren, indem wir das Prinzip benutzen, dass B
formation
= A
+ ∇Λ
A
unverändert bleibt, muss offensichtlich Φ
unverändert bleibt. Damit auch E
zu
∂Λ
Φ = Φ −
∂t
invariant lassen, heissen Eichtranswerden. Diese Transformationen, die B und E
fromationen. Es lässt sich zeigen, dass wir stets Potentiale durch eine geeignete Umeichung finden können, welche die sogenannte Lorentz-Eichung
erfüllen:
·A
+ 1 ∂Φ = 0
∇
c2 ∂t
Diese Bedingung entkoppelt die beiden Bestimmungsgleichungen für Φ und
durch Einführung des d’Alembert -Operators
A:
≡−
1 ∂2
c2 ∂t2
und Φ genau die gleiche Gestalt an, und zwar die der
nehmen die DG für A
inhomogenen Wellengleichungen
ρ
Φ = −
0
= −µ0j
A
1.. Diese DG legen fest, dass elektromagnetische Felder wie Wellen propagieren: ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit ist notwendigerweise c, die Lichtgeschwindigkeit. Darüberhinaus sind die homogenen Wellengleichungen (ρ =
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
55
j = 0) ein Beweis für die Existenz eines völlig neuen Systems, das freie elektromagnetische Feld (Licht), was auch notwendigerweise die Ausbreitungsgeschwindigkeit c besitzt. Die Optik ist fortan ein Teilgebiet der Elektrodynamik.
2. Die endliche Fortpflanzungsgeschwindigkeit besagt, dass keine instantane Fernwirkung zwischen zwei geladenen Teilchen im Abstand r existieren
kann: Die Wirkung ist gegenüber der Ursache um die Laufzeit (r/c) des Lichtes verzögert.
3. Die Existenz EM-Wellen führt dazu, dass Energie durch diese Wellen
übertragen wird. Dies zeigt folgende Überlegung: Aus der Identität
· (E
× B)
=B
·∇
×E
−E
·∇
×B
∇
und den MG folgt
1 = 1 B(−
∂ B ) − E(
j + 0 ∂ E ) ⇐⇒
∇ · (E × B)
µ0
µ0
∂t
∂t
∂ 1 2
2 ) = −0 c2 ∇
· (E
× B)
− j · E
(0 E + 0 c2 B
∂t 2
Die Integralform dieser Gleichung
d
dt
V
1 2
2) = −
dV (0 E
+ 0 c2 B
2
S(V )
0 c 2 (E
× B)
−
dS
V
dV j · E
besitzt eine einfache Deutung: Der letzte Term rechts ist die im Gebiet pro
Zeiteinheit auf die Ladungsträger übetragene Energie, denn für eine Punktladung ist die Leistung der Lorentz-Kraft
+ v × B)
= evE
v (q E
.
2 + 0 c2 B
2 ) als die Energiedichte des Feldes
Wir definieren deshalb u = 12 (0 E
.
=
B)
als die Energiestromdichte des Feldes (Poynting Vektor).
und S
0 c2 (E×
Die obige Gleichung besagt, dass sich die Feldenergie im Gebiet V ändern
kann, weil Energie durch die Oberfläche S als EM Welle strömt, oder auf
Ladungen in V übertragen wird.
3.3
Ebene Wellen
Wir suchen nach den Fundamentallösungen der MG in Abwesenheit von Ladungen und Ströme. Dann lauten die MG
·E
= 0
∇
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
56
·B
= 0
∇
×E
= − ∂B
∇
∂t
×B
= 1 ∂E
∇
c2 ∂t
und B
lassen sich, in diesem Spezialfall, entkoppeln
Die Gleichungen für E
und auf Wellengleichungen reduzieren: Einsetzen von
× E)
× (∇
× B)
= 1 ∂ (∇
∇
c2 ∂t
in die Faraday Gleichung mit Berücksichtigung der Identität
× (∇
× B)
= ∇(
∇
· B)
− ∇2 B
∇
liefert
−
B
1 ∂2B
=0
c2 ∂t2
−
E
1 ∂2E
=0
c2 ∂t2
Analog erhalten wir
und B
erfüllen die selbe homogene Wellengleichung.
Die beide Vektoren E
Wir suchen ein Fundamentallösungssystem durch den Ansatz
=E
0 · ei(k·r−ωt)
E
=B
0 · ei(k ·r−ω t)
B
0, B
0 , k, k und ω, ω zu bestimmenden Parameter sind. Das Rechnen
wobei E
mit komplexen Feldern ist legitim: da die linearen Feldgleichungen reelle Koeffizienten haben, sind Real- und Imaginärteil einer Lösung auch Lösungen.
Wir fassen den Realteil als das physikalische Feld auf. Durch diesen Ansatz
werden die MG zu algebraischen Gleichungen, welche die zu bestimmenden
Paramer verknüpfen. Einsetzen in die Wellengleichungen ergibt die Dispersionsrelationen
ω = ±c | k |; ω = ±c | k |
Einsetzen in die Faradaygleichung ergibt
0 · ei(k ·r−ω t)
0 )ei(k·r−ωt) = iω B
i(k × E
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
57
Dies soll für alle Raum-Zeit-Punkte gültig sein. Um diese Bedingungen zu
erfüllen fordern wir
ω = ω
k = k 0 = ωB
0 sein. Aus div E
=
Um die Faraday-Gleichung zu erfüllen muss k × E
folgt k · E
0 = k · B
0 = 0. Aus dem Maxwell Gesetz folgt weiter
0 = div B
ω
k × B
0 . Das ergibt folgendes Bild: ein Funfamentallösungssystem
0 = − 2 E
c
der MG für das freie Feld besteht aus monochromatischen Wellen, welche
die Frequenzen ω = ± | k | besitzen. Die Vektoren E0 , B0 , k bilden ein
0 und B
0 dürfen auch nicht
orthogonales Rechtssystem. Die Beträge von E
E
k
B
Abbildung 3.6:
0 |= c | B
0 |
frei gewählt werden, sondern sind durch die Gleichung | E
verknüpft. Betrachten wir eine Momentanaufnahme bei t = t0 , so sind die
Flächen konstanter Phasen durch die Bedingung k · r = Konst. bestimmt.
Das ist die Gleichung einer Ebene senkrecht zu k. Diese Ebene kann als
Wellenfront betrachtet werden. Für alle Punkte r mit gleicher Projektion
auf die Richtung von k hat die Welle die gleiche Phase. Man spricht von
transversalen ebenen Wellen für dieses Fundamentalsystem von Lösungen.
Der Abstand | r | zwischen nächst benachbarten Wellenfronten mit der
gleichen Phase ist aus der Gleichung
| k || r |= 2π
herauszulesen, und wird als Wellenlänge λ = 2π
bezeichnet. Halten wir statt
|k|
die Zeit den Ort fest, d.h. betrachten wir von einem festen Raumpunkt r0
aus, so ändern sich die Werte der Welle periodisch, mit der Periode τ = 2π
.
ω
Die Kombination mit der Dispersionsrelation liefert λ = τ · c.
Die Polarisation ebener Wellen
Die Lösungen der MG für das freies Feld lauten (o.E.d.A. ist k in Richtung
z)
= (E0xex + E0y ey )ei(kz−ωt)
E
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
58
= 1 (−E0y ex + E0xey )ei(kz−ωt)
B
c
Im Allgemeinen dürfen wir annehmen, dass E0x und E0y komplexe Grössen
sind,
E0x = | E0x | eiϕ
E0y = | E0y | eiϕ+δ
Daraus folgt für E
=| E0x | ei(kz−ωt+ϕ)ex + | E0y | ei(kz−ωt+ϕ+δ)ey
E
Für das physikalischen Realteil folgt
=| E0x | cos(kz − ωt + ϕ)ex + | E0y | cos(kz − ωt + ϕ + δ)ey
Re(E)
Der E-Feldvektor
ist die Summe zweier Vektoren mit unterschiedlichen Amplituden in den ex und ey Richtungen. Bezüglich der relativen Phase δ können
wir mehrere Fälle unterscheiden: die wichtigste Zwei sind hier beschrieben.
1. δ = 0 oder δ = ±π. Dann gilt
= (| E0x | ex ± | E0y | ey ) cos(kz − ωt + ϕ)
E
Der Koeffizient vor der Kosinusfunktion ist ein orts-und zeitunabhängiger
Vektor, d.h. das el.-Feld schwingt entlang einer festen Richtung. Man nennt
y
E
|E0Y|
|E0X|
x
Abbildung 3.7:
die Polarisationsrichdiese Welle linear polarisiert und die Richtung von E
tung.
2. δ = ± π2 , | E0x |=| E0y |= E. In diesem Fall folgt
= E[cos(kz − ωt + ϕ)ex ∓ sin(kz − ωt + ϕ)ey ]
E
Für einen festen Raumpunkt z stellt die Klammer die Parameterdarstellung
des Einheitkreises dar. Der E-Vektor
durchläuft als Funktion der Zeit einen
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
59
Kreis mit Radius E mit der Winkelgeschwindikteit ω in der Ebene senkrecht
zur Ausbreitungsrichtung. Man nennt diese Welle demnach zirkularpolari
siert. Für δ = +1/2 dreht sich das E-Feld
in Antiuhrzeigersinn, wenn man in
die Welle von vorne hineinschaut (links-zirkular polarisiertem Licht). Im Fall
in Uhrzeigersinn: man spricht von rechts-zirkularer
δ = −1/2 dreht sich E
Polarisation. Zur Illustration betrahcte wir eine ”Lichtfalle”.
y
y
x
x
δ = +π/2
δ = −π/2
Spiegel
Abbildung 3.8: der k-Vektor zeigt senkrecht aus der zeichenebene heraus
Zirk
ular
l/4
Polarisation
Line
ar
Abbildung 3.9:
Oft benutzt man als Basisvektoren in der x − y-Ebene die komplexen
Vektoren e± = √12 (ex ± i · ey ). Damit gilt
1
(E0xex + E0yey ) = √ [(E0x − iE0y )e+ + (E0x + iE0y )e− ]
2
Mit E0x ± iE0y = E± eiγ± (E± reelle Parameter), lässt sich die Ebene Welle
auch als
= √1 [E− ei(kz−ωt+γ− )e+ + E+ ei(kz−ωt+γ+ )e− ]
E
2
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
60
darstellen. Für den physikalischen Realteil resultiert daraus
1
E− [cos(kz − ωt + γ− )ex − sin(kz − ωt + γ− )ey ]
2
1
+
E+ [cos(kz − ωt + γ+ )ex + sin(kz − ωt + γ+ )ey ]
2
=
Re(E)
Dies ist die Summe zweier entgegengesetzer zirkularpolarisierter Wellen mit
unterschiedlichen Amplituden.
Die vom freien Feld übertragene Energiestromdichte zeigt in Richtung
k. Wir sind am zeitlichen Mittelwert des Betrages von S
interessiert (der
Intensität einer EM Welle), d.h.
. 1 t+τ
S(t)dt
S̄ =
τ t
Da S nicht linear in den Feldern ist, muss man den Ausdruck für reelle Felder
einsetzen:
0 · c
· (| E0x |2 + | E0y |2 )
S̄ =
2
( 01·c = 377Ω).
3.4
Wellenoptik
Wir wollen hier die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie untersuchen.
Dafür brauchen wir die Maxwell Gleichung in einem Medium. Es liegt die
Vermutung nahe, dass die Maxwell Geichungen wie folgt aussehen:
·E
= (ρf rei + ρpol )
∇
0
×E
= − ∂B
∇
∂t
∇·B = 0
×B
= µ0 (Jf rei + Jm ) + 1 ∂ E
∇
c2 ∂t
Auch hier fehlt aber ein wichtiger Term. Bildet man die Divergenz der letzten
·E
= (ρf rei +ρpol ) , so erhalten wir
Gleichung, und benutzen wir ∇
0
∂
· Jf rei = 0
(ρf rei + ρpol ) + ∇
∂t
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
61
ρpol muss aber von der Kontinuitätsgleichung verschwinden, und das können
. wir durch die Einführung von jpol = ∂∂tP in der 4. MG erreichen. Somit lauten
die MG in Materie mit effektiven, zeitabhängigen Polarisationsladungen
·E
= (ρf rei − ∇ · P )
∇
0
×E
= − ∂B
∇
∂t
∇·B = 0
+
1 ∂(E
∇ × B = µ0 (Jf rei + Jm ) + 2
c
∂t
P
)
0
Wir können diesen Term mit einem mikroskopischen Atommodell begründen, in welchem ein gebundenes Elektron durch die klassische BG
m¨r + mω02r = q E
stellt das elektrische Feld am Ort des Atoms dar. Im Unterschied
beschrieben ist. E
zeitabhängig. Dies verursacht, in einem Medium, eine ebenso
zum statischen Fall ist E
zeitabhängige Polarisationsdichte P , mit
dP
= ρ · p˙ = qρ · r˙ = Jpol
dt
und
Diese Gleichungen enthalten, zusätzlich zu den gesuchten Feldern E
B, die Felder M und P , welche die Einzelheiten des Materials beschreiben.
und B
und
Diese Felder sind, im Allgemeinen, eine Funktion der Felder E
solange diese Abhängigkheit nicht spezifiziert ist, kann man die MG nicht
lösen. Wir betrachten in dieser Vorlesung, einfache Spezialfälle.
Reflektion und Brechung
=0
Ein wichtiger Spezialfall ist ein homogen isotropisches Medium mit M
das keine Grenzflächen hat. Wir setzen sowohl ρf rei als auch Jf rei zu Null
χ reell und positiv.
und wählen P = 0 χE,
In unserem Atommodell können wir diese Wahl begünden. Wir lassen das Atom mit einem
=E
0 · cos(ωt) wechselwirken. Eine mögliche Lösung der BG ist
elektrischen Feldvektor E
r =
Für Frequenzen ω < ω0 ist χ(ω) =
q · E0
cos ωt
m(ω02 − ω 2 )
ρ·q2
0 m(ω02 −ω 2 )
≥ 0.
Dies ergibt einen Satz von MG, welche formell identisch ist mit den MG für
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
62
das freie Feld:
·E
= 0
∇
×E
= − ∂B
∇
∂t
·B
= 0
∇
1
∂E
×B
=
∇
c
(√
)2 ∂t
κ(ω)
Die vierte Gleichung ergibt als mögliches Fundamentallösungssystem ebene
. c
austransversale EM-Wellen, die sich mit der Geschwindigkeit √ c = n(ω)
κ(ω)
breiten. n(ω) ist der Brechungsindex. In unserem einfachen Atommodell
ρ·q 2
ist n2 (ω) = 1 + 0 m(ω
2
2 . Unter den getroffenen Voraussetzungen für χ(ω)
0 −ω )
ist n(ω) ≥ 1. In allen anderen Eigenschaften sind die Wellen identisch mit
den Lösungen für das freie Feld.
Wir betrachen jetzt die Reflektion und Brechung einer ebene Welle an
der ebene Grenzfläche F (die y − z Ebene) zwischen zwei homogenen Dielektrika mit n1 und n2 , welche in der halbebenen x < 0 und x > 0 residieren.
Wir indizieren die einfallende Welle mit ”i”, die reflektierte mit ”r” und die
y
Er
k’
k’’
Et
x
k
Ei
n1
n2
Abbildung 3.10:
transmittierte mit ”t”. Somit können wir schreiben
0 ei(ωt−kx ·x−ky ·y)
i = E
E
r = E
0 ei(ω t−kx ·x−ky ·y)
E
t = E
0 ei(ω t−kx ·x−ky·y)
E
i = k × Ei
B
ω
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
63
r = k × Er
B
ω
t = k × Et
B
ω 2
mit ω 2 = k 2 · nc 2 (k ist der Betrag des Wellenvektors). Das Resultat dieser
Rechnung hängt von der Lichtpolarisation ab. Wir berechnen den einfachsten
0 senkrecht zur Einfallebene), siehe Figur.
Fall von s-polarisiertem Licht (E
An den Genzflächen zwischen zwei Medien sind die Felder im Allgemeinen
unstetig. Mit und ⊥ bezeichnen wir die Komponenten parallel und senkrecht zur Grenzfläche F . Wegen
·B
= 0
∇
×E
= − ∂B
∇
∂t
stetig. Wegen
⊥ und E
sind B
·E
= (ρf rei − ∇ · P )
∇
0
+
∂(E
×B
= µ0 (Jf rei + Jm ) + 1
∇
c2
∂t
P
)
0
− µ0 M
+ P )⊥ und (B
) stetig, falls F keine Leitungsladungen und
sind (E
0
am Ort x = 0 folgt in diesem SpeStröme trägt. Aus der Stetigkeit von E
zialfall die Gleichung
E0 ei(ωt−ky ·y) + E0 ei(ω t−ky ·y) = E0 ei(ω
t−k ·y)
y
Damit diese Gleichung für alle t und y gilt, muss
ω = ω = ω ky = ky = ky
Daraus folgt kx2 + ky2 = kx2 + ky2 , d.h. kx = ±kx . Das positive Vorzeichen
würde wieder eine einfallende Welle geben, keine reflektierte. Somit folgt aus
den Randbedingungen, dass der Reflektionswinkel mit dem Einfallswinkel
übereinstimmt d.h.
θi = θr
Aus
k 2
k2
=
n21
n22
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
64
ky
= sin θi
k
ky
= sin θt
k ky = ky
ergibt sich das berühmte Snellius Gesetz der Brechung
n1 · sin θi = n2 · sin θt
Für die Amplitude der Wellen haben wir die Gleichung
E0 + E0 = E0
E0 stellen wir uns als bekannt vor, und wir suchen nach den Verhältnissen
E0
E um eine
und E00 . Wir nutzen die Stetigheit der y-Komponente von B
E0
zusätzliche Gleichung zwischen den Amplituden der elektrischen Felder zu
schreiben:
kx
k
k E0 ei(ωt−ky ·y) + x E0 ei(ωt−ky ·y) = x E0 ei(ωt−ky ·y)
ω
ω
ω
Diese Gleichung vereinfacht sich zu
kx · E0 + kx · E0 = kx · E0
Das Geichungssystem hat die eindeutige Lösung
kx − kx
E0
=
E0
kx + kx
E0
2 · kx
=
E0
kx + kx
oder (kx = k · cos θi und kx = k · cos θt )
n1 cos θi − n22 − n21 sin2 θi
E0
=
E0
n1 cos θi + n22 − n21 sin2 θi
E0
2n1 cos θi
=
E0
n1 cos θi + n2 − n2 sin2 θi
2
1
Diese sind die Fresnelschen Formeln. Für senkrechten Einfall bekommen wir
die besonders einfache Beziehung
2
n − n 1
2
. E
R = 02 =
E0
n1 + n2
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
65
(R: Reflektionskoeffizient), welche für alle Polarisationszustände gilt.
Die quantenmechanische Rechnung zeigt, wie man Metalle, welche freie Elektronen enthalten, behandeln muss: man setzt ω0 = 0 in den Ausdruck für n2 . Diese Wahl bedeutet,
dass die Elektronen keine rücktreibende Kraft in Metallen erfahren, was Sinn macht. Das
ergibt
ω 2
ρ · q2
.
p
=
1
−
n2met = 1 −
m · 0 · ω 2
ω
ωp ist eine kritische Frequenz, genannt ”Plasma” Frequenz, für welche n2 genau Null ist.
Unterhalb dieser Frequenz ist n2 negativ. Für ω < ωp ist n eine rein imaginäre Zahl.
Eingesetzt in
| 1 − nmet |2
R=
| 1 + nmet |2
ergibt sich, dass R = 1 unterhalb der Plasma Frequenz. Metalle, die aus freien Elektronen
bestehen, reflektieren über einen grossen Frequenzbereich das meiste Licht. Das ist der
physikalische Ursprung für den Glanz von Alkali Metallen wie Li, und N a.
R1
n= 0
1
wp
w
Abbildung 3.11:
Absorption
Reflektion und Brechung sind nicht die einzigen Phänomene, die aus der
Wechselwirkung zwischen Licht und Materie entstehen. Reflektion und Brechung, wie wir sie kennen, sind nämlich nur im Bereich der Frequenzen üblich,
die entfernt von der Resonanzfrequenz ω0 liegen. Diesen Bereich bezeichnet
man als normale Dispersion. Das Wort ’Dispersion’ benutzt man in Verbindung mit der Tatsache, dass die Dispersionsrelation ω = ω(k) aufgrund
der ω-Abhängigkeit von n nicht mehr linear in k ist. ’Normal’ bezeichnet das
langsame, monotone Variieren von κ(ω). Wie ist die Physik in der Nähe von
ω0 (anomale Dispersion)? Die Lösung im Resonanzfall kennen wir: Strahlt
man mit E ∝ cos(ω0 t) ein, so bewegt sich das Elektron wie sin(ω0 t). Der
Strom, als Ableitung des sin, ist deshalb, im Resonanzfall, in Takt mit E.
(= dem Atomsystem übertraSomit ist der zeitliche Mittelwert von J · E
gene Leistung), im Gebiet der anomalen Dispersion, von Null verschieden
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
66
genau 0). Mit anderen Wor(im Gebiet der normalen Dispersion ist J · E
ten: entfernt von der Resonanz kann das EM Feld dem System keine Energie
übertragen, anders als bei der Resonanz. Quantenmechanisch erfolgt diese
Energieübertragung dadurch, dass das Elektron einen optischen Übergang
in einem angeregten Zustand durchführt. Dieses Phänomen, das nur bei bestimmten Frequenzen stattfindet, heisst Absorption: die EM-Welle wird
sozusagen ’verschluckt’. Bestrahlt man ein Objekt mit weissem Licht und
wird eine Farbe stark absorbiert, so ergibt die Vereinigung aller restlichen
Farben nicht mehr weiss, sondern eine andere Farbe, welche komplementäre
Farbe genannt wird. Somit ist Absorption – streng genommen ein reines
quantenmechnisches Phänomen – verantwortlich für die Verfärbung der Materie (siehe auch Farbenlehre). Im Gebiet der Absorption betrachtet man eine
anomale Dispersion von κ(ω): knapp oberhalb der charakteristischen Absorptionsfrequenz wird κ(ω) negativ. Ein negativer Wert für κ(ω) bedeutet aber
k
1
w
R
1
wO
w
Abbildung 3.12: Anomale Dispersion
n = i· | n |, d.h. n ist eine rein imaginäre Zahl. Einsetzen einer imaginären
Zahl in der Formel für die Reflektivität ergibt R = 1, d.h. starke Reflektion für einen Frequenzbereich in unmittelbarer Nahe des Absorptionsmaximums, und zwar befindet sich das Reflexionsmaximum an der kurzwelligen
Seite des entsprechenden Absorptionsmaximums. Somit wird bei glatte Objekte mit Absorptionszentren eine bestimmte Farbe aus dem transmittierten
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
67
Strahl herausgefiltert und erscheint als Verfärbung des reflektierten Strahls.
3.5
Allgemeine Lösung der inhomogenen Wellengleichung
Unser Ziel ist die Konstruktion einer allgemeinen Lösung der MG in Anwesenheit einer lokalisierten Ladungsdichte ρ(r, t) und einer lokalisierten Strom r, t). Dafür müssen wir die inhomogenen Wellengleichungen
dichte J(
ρ
0
A = −µ0 J
Φ = −
lösen. Wir verwenden die Methode der Greenschen Funktion. Die inhomogene
Wellengleichung hat die Form
1 ∂2
Ψ − 2 2 Ψ = f (r, t)
c ∂t
und die dazugehörige Greensche Funktion ist die Lösung des Problems
G(P, Q, t, s) −
1 ∂2
G(P, Q, t, s) = δ(P − Q)δ(t − s)
c2 ∂t
Somit betrachten wir eine Punktquelle, die am Ort Q zur Zeit s erscheint,
und fragen uns, welches Potential sie am Ort P zur Zeit t erzeugt. Bei einer
solchen Quelle, die nur von relativen Koordinaten in Zeit und Raum abhängt,
ist ein Ansatz G = G(R, τ ) mit R = P − Q und τ = t − s gerechtfertigt.
Darüberhinaus erwarten wir, dass für eine Punktquelle nur der Abstand |
P − Q | massgebend ist. Durch die Fourier-Darstellung
1
G(τ, R) =
2π
∞
−∞
δ(τ ) =
G(ω, R)e−iωτ dω
1
2π
∞
−∞
e−iωτ dω
und nach Vergleich der Koeffizienten für e−iωτ erreichen wir die inhomogene
Helmoltz Wellengleichung
G(R, ω) +
ω2
G(R, ω) = δ(R)
c2
Physikalisch bedeutet diese Fourier Transformation, dass wir einen Oszillator als anregende Punktquelle betrachten. Die gesuchte Greensche Funktion
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
68
ist dann die Summe von unendlich vielen harmonischen Oszillatoren. Die
Kugelsymmetrie des Problems erlaubt, in Kugelkoordinaten zu schreiben,
1 d2
ω2
(R
·
G(R,
ω))
+
G(R, ω) = δ(R)
R dR2
c2
Für R = 0 gilt die Gleichung
d2
ω2
(R · G(R, ω)) + 2 R · G(R, ω) = 0
dR2
c
mit Fundamentallösungen
R · G± (R, ω) = A± e±iω/c·R
Die Delta-Funktion hat nur bei R → 0 einen Einfluss, wo aber der zweite
Term an der linke Seite der DG vernachlässigt werden kann. Somit wird die
DG zur Poissongleichung. Wir erwarten deshalb
limR→0 G(R) =
−1
4πR
Somit ist die allgemeinste Lösung der Helmoltzgleichung
G± (R, ω) =
−1 ±iω/c·R
e
4πR
Die Greenschen Funktionen G± (R, τ ) erreicht man durch
1
G± (R, τ ) =
2π
∞
−∞
G(R, ω)e−iωτ dω = −
1
R
δ τ∓
4π · R
c
Von den beiden Funktionen ist nur eine physikalisch relevant. Wir verlangen
nämlich, dass τ positiv ist. D.h: der Einfluss einer Quelle, welche zur Zeit
”0” wirkt, soll zu einer späteren Zeit τ spürbar sein. Das ist das Prinzip der
Kausalität und die Wahl τ > 0 beschreibt eben ein kausales Verhalten. Somit
ist die einzige physikalisch relevante Lösung
G(R, τ ) = −
R
1
δ τ−
4π · R
c
Die ”physikalische” Greensche Funktion heisst auch retardierte Greensche
Funktion.
Durch Verwendung des Superpositionsprinzip sind wir jetzt im Stande, die
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
69
allgemeine Lösung für die retardierten Potentiale zu geben:
1
4π0
1
=
4π0
Φ(r, t) =
r , t) = µ0
A(
4π
δ t − t − Rc
ρ(r , t )
dV dt
R
r |
r , t − |r−
)
ρ(
c
dV
| r − r |
r , t − |r−r | )
j(
c
dV
| r − r |
Die Potentiale zur Zeit t sind durch die Geschichte der Quelle zu einer früherr |
bestimmt. Dies beweist die Existenz von EM Wellen, welche
en Zeit t − |r−
c
sich mit Lichtgeschwindigkeit verbreiten und besagt, dass die Felder, die von
einer Quelle erzeugt werden, nicht instantan übertragen werden.
3.5.1
Beugung
Als Anwendung dieser Lösung untersuchen wir das Verhalten einer ebenen
Welle, die auf einem ebenen Schirm S mit Öffnung Ω trifft. Wir beschränken
Abbildung 3.13: Zur Berechnung des Beugungsfeldes
uns auf ein skalares Feld u, welches aus dem oberen Halbraum auf den Schirm
fällt. Wir betrachten eine Lösung u(y) der homogenen Helmoltzschen Wellengleichung u(y) + k 2 u(y ) = 0, die sich im unteren Halbraum für y → ∞
wie eine auslaufende Kugelwelle verhält. D.h.
u(y)y→∞ → f (θ, ϕ)
1
∂u
− iku = O( 2 )
∂y
y
eiky
⇔
y
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
70
Darüberhinaus verlangen wir die Randbedingung u = 0 auf S. Die Ausstrahlungsbedingung verlangt, dass das Feld, in genügend grossen Abständen, (viel
grösser als die lineare Dimension der Öffnung Ω) wie eine Kugelwelle abklingt.
Die Amplitude darf aber vom Winkel abhängen, unter welchem die gebeugte
Welle betrachtet wird.
Eine mögliche Strategie, die homogene Helmoltz Gleichung mit vorgegebenen
Randbedingungen auf einer Grenzfläche zu lösen, ist die Greensche Funktion der zugehörigen inhomogenen DG zu finden. Für die Konstruktion der
Greenschen Funktion stellen wir uns eine Ladung im unteren Halbraum am
Ort x vor, setzen wir den Schirm S auf Potential 0 und suchen wir nach
dem von der Ladung hervorrgerufenen Coulomb Potential. Wir verlangen
von der Greenschen Funktion, dass sie die Bedingungen erfüllt, die die allgemeine Lösung erfüllen muss. Mit der Methode der Spiegelladung am Ort x
im oberen Halbraum finden wir
eikr
eikr
G(y , x) =
−
4πr 4πr mit der Eigenschaft
(y + k 2 )G(y , x) = −δ(y − x)
mit r =| y − x | und r =| y − x |. Eine weitere Eigenschaft ist ∂G
− ikG =
∂y
−2
O(y ) für y → ∞. Diese Greensche Funktion verschwindet sowohl auf S
als ins Unendliche, wie von den Randbedingungen verlangt. Die Kenntniss
dieser Greenschen Funktion benutzen wir, um die homogene DG in eine Integralgleichung umzuformen. In den Gleichungen
G + k 2 G = −δ
u + k 2 u = 0
multiplizieren wir die erste mit u, die zweite mit G, subtrahieren wir danach
die beiden und integrieren über ein Volumen V in der unteren Halbebene.
Somit erhalten wir
−u(x) =
V
dVy (uG − Gu)
Diese Integralgleichung enthält ein Volumenintegral. Dieses Integral können
wir in ein Oberflächenintegral transformieren, und zwar durch die Anwendung der Greenschen Identität:
∂u
∂G
− G )do = (uG − Gu)dV
(u
∂n
∂n
∂V
V
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
71
Die partielle Ableitung nach n ist die Richtungsableitung entlang der Normalen zur Oberfäche des Volumens V . Wählen wir als Volumen eine Halbkugel,
dann verschwindet wegen
u
∂u
∂G
∂u
∂G
−G
= u(
− ikG) − G(
− iku)
∂n
∂n
∂y
∂y
der Beitrag der Halbkugelfläche für grosse Radien der Kugel. Die Integralgleichung enthält nur ein Integral über die Schirmebene, welches selbst nur
einen Beitrag von der Öffnung Ω entält. Es gilt somit die Kirchoffsche
Integralgleichung für die gesuchte Welle u(x)
u(x) = −
Ω
doy
∂G
· u(y )
∂n
Somit wird das Beugungsfeld unterhalb des Schirmes durch die Werte des
Feldes in der Schirmöffnung bestimmt. Unter Benutzung von
∂G
2 ∂ eikr
=
cos α
∂n
4π ∂r r
und
∂ eikr
eikr
≈ ik
∂r r
r
vereinfacht sich die Integralgleichung für grosse Werte von r zu
1
u(x) =
iλ
Ω
doy
eikr
· u(y ) cos α
r
Diese Formel zeigt, dass sich das gebeugte Wellenfeld aus Kugelwellen zusammensetz. Die Quelle der Kugelwellen sind die einzelnen geometrischen
Punkte in der Öffnung. Die Amplitude jeder Kugelwelle ist der Wert des
Wellenfeldes am Ort der Quelle. Das ist das Beugungsprinzip, das von Huygens empirisch gefunden wurde. Konkrete Rechnungen werden durch eine
zusätzliche Näherung vereinfacht, die von Kirchoff eingeführt wurde. Diese
Näherung besteht darin, in der rechten Seite der Integralgleichung u(y) durch
das einfallende Feld u0 (y ) (z. Bp. eine ebene Welle) zu ersetzen. Die so berechnete Lösung verletzt die Randbedingung u = 0 auf S, ist aber trotzdem
eine gute Beschreibung der Realität. Als konkretes Beispiel betrachten wir
die Fraunhofersche Beugung an einer kleinen Öffnung mit rundem Profil für
senkrechten Einfall. Für grosse Abstände haben wir
| x − y |≈| x | −y · n
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
72
n = |xx| ist die Richtung, unter welcher die Welle beobachtet wird. Für eine
einfallende Welle mit der Richtung n0 (u0 (y ) = eikn0 ·y ) beträgt das gebeugte
Wellenfeld
eik|x| 1
cos α
doy eik(n0 −n)·y
u(r, n0 , n) =
iλ
| x | Für senkrechten Einfall hat das Problem zylindrische Symmetrie und wir
erhalten das Integral
2π
eikr d
1
cos α
ρdρ
dϕe−i·k·ρ sin α cos ϕ
u(r, α) =
iλ
r 0
0
eikr d
1
cos α
=
ρdρ2πJ0 (kρ sin α)
iλ
r 0
2πd2
eikr J1 (k · d sin α)
=
cos α
iλ
r
k · d sin α
Ein Gitter (eng. grating) besteht aus einer periodischen Anordnung von
J12(x)
2
x
x
Abbildung 3.14:
Öffnungen, welche auf der Schirmebene S verteilt sind. Wir betrachten den
eindimensionalen Fall einer periodischen Anordnung von N Spalten, welche
parallel zur y-Koordinate in der Ebene S laufen und unedlich lang sind.
Entlang x wiederholen sie sich mit einer Periode d. Ihre Spaltbreite beträgt
s0 . Die totale gebeugte Welle beträgt
N eik·r 1
cos α
doy eik(n0 −n)·(y−yl )
u(r, n0 , n) =
iλ
r l=1 Mit dem Index l wird der l-te Spalt bezeichnet. Definieren wir als u0 (r, α)
die von einem einzelnen Spalt gebeugte Welle, dann ist die totale Welle (für
de Fall n0 entlang z und yl = (l · d, 0, 0))
u(r, α) = u0 (r, α) ·
N
l=1
(eik·d·sin α )l
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
73
Abbildung 3.15: Beugung an kreisförmigen (links) und rechteckigen (rechts)
Öffnung
Fr N → ∞ ist die Summe nur dann von Null verschieden, falls
k · d · sin α = p · 2π, p = 0, ±1, ±2, ....
Diese Gleichung bestimmt einen Satz von Beobachtungswinkeln αp , unter
welchen eine konstruktive Interferenz der gebeugten Wellen stattfindet. Diese
Winkel sind durch die Gleichung
sin α =
λ
·p
d
gegeben. Die endliche Spaltbreite liefert eine Einhüllende, welche die Intensität der scharfen Intensitätsmaxima moduliert, und zwar durch den Faktor
| u0 (rα) |2 . Somit beträgt die Intensität der Maxima
Ip ≈ N
2
(p · π · s0 /d)
(p · π · s0 /d)2
2 sin
Die Interferenz der Wellen aus verschiedenen Spalten sorgt dafür, dass die
gebeugte Welle nur unter bestimmten Winkeln vorkommt. Unter den meisten
Winkel ist keine Intensität vorhanden. Dafür ist die Intensität in den Maxima
proportional zu N 2 . Das Beugungsmuster einer periodischen Anordnung von
kreisförmigen Öffnungen in der Ebene S zeigt ähnliche Interferenzeffekte.
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
400
74
s0= 0,5 d
300
200
100
0
400
s0= 0,33 d
300
200
100
0
-3 -2 -1 0
1
2
3
Abbildung 3.16:
3.5.2
Eine weitere Anwendung: elektrische Dipolstrahlung (nicht obligatorisch)
Wir betrachten eine Ladungs-und Stromverteilung im Gebiet | y |< d. Im
und B
für r → ∞ mindenstens wie r −2
statischen Fall fallen die Felder E
−3
bzw. r ab. Im zeitabhängigen Fall bewirkt die Retardierung, dass sie nur
mit r −1 abfallen. Der Energiefluss in einem festen Raumwinkelelement wird
deshalb konstant für r → ∞ (Ausstrahlung). Diese wichtige Resultate wollen
wir jetzt herleiten. Wir beschränken uns auf eine harmonische Zeitabhängikeit für ρ und j. Das stellt, mathematisch betrachtet, eine einzelne FourierKomponente dar. Wegen der Linearität der MG genügt es, wenn wir jede
einzelne Fourier-Komponente separat behandeln, um die Lösung für eine allgemeine Zeitabhängigkeit zu finden.
ρ(r, t) = ρ(r)e−iωt
j(r, t) = j(r)e−iωt
Nach den Resultaten des vorigen Paragraphen besitzen wir eine vollständige
r , t). Setzen wir j(y , t − |r−y| ) in den
und exakte Lösung für Φ(r, t) und A(
c
Integranden ein, so erhalten wir
r, t) = µ0 e−iωt
A(
4π
ik|
r−
y|
j(y ) e
dVy
| r − y |
kann als ∇
×A
berechnet werden. Für | r |> d gilt ∇
×B
=
(k ≡ ωc ). B
und somit
×B
= ic∇
E
k
1 ∂E
,
c2 ∂t
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
75
als auch E
vollständig aus A
herleiten. A
ist
Damit kann man sowohl B
wiederum eindeutig vom Stromdichtevektor bestimmt. Um | r − y | zu vereinfachen, setzen wir sowohl d << λ = 2π
und d <<| r |. Somit ist
k
| r − y | =
r 2 + y 2 − 2r · y
2
≈ r 1 − n · y
r
n · y
)
≈ r(1 −
r
und
eik|r−y| ≈ eikr · (1 − ikn · y )
Wir betrachten nur die niedrigste Ordnung (sogenannte elektrische Dipolstrahlung)
eik|r−y|
eikr
≈
| r − y |
r
Die weiterenTerme stellen elektrische Quadrupolstrahlung und magnetische
Dipolstrahlung dar. Für die elektrische Dipolstrahlung gilt
ikr r ) = µ0 e
j(y )dVy
A(
4π r
Das Integral bekommt nach partiellerIntegration eine klare physikalische
Deutung:
j(y )dVy = −
y · J)dV
y = −iω
y (∇
y ρ(y )dVy
· j). Somit
(die Kontinuitätsgleichung liefert iωρ = ∇
ikr
= − iµ0 ω e p
A
4π r
mit
p =
y ρ(y )dVy
das elektrische Dipolmoment der Elektrostatik. Um die Felder zu ermitteln
nutzen wir die Identität
× (pϕ) = ϕ∇
× p + p × ∇ϕ
∇
Somit bekommen wir
2
ikr
= µ0 ck (n × p) e (1 − 1 )
B
4π
r
ikr
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
76
Das Magnetfeld ist transversal zum Radiusvektor. In der sogenannten Strahlungszone (oder Fernzone) gilt d << λ << r. Da ist
2
ikr
f ern = µ0 ck (n × p) e
B
4π
r
Nach einer längeren Rechnung erhalten wir
=
E
1 2
1
eikr
ik
+ [3n(n · p) − p]( 3 − 2 eikr
k (n × p) × n
4π0
r
r
r
f ern = cB
× n.
und E
z
E
j
p
j
n
B
x
y
Abbildung 3.17:
transversal zur Ausbreitungsrichtung. Wie im
In der Fernzone ist auch E
B
lokal ein orthogonales Vektorsystem. Die
Fall des freien Feldes bilden n, E,
Orts- und Zeitabhängikeit sind durch den Faktor
ei(k·r−ωt)
r
gegeben. Diese Welle stellt eine Kugelwelle dar. Kugelwellen sind ein Fundamentallösungssystem der homogenen Wellengleichung. Ihr Wellenfront ist
kugelförmig . In der Fernzone fallen die Felder wie Kugelwellen mit r −1 ab.
×n) × B
= n(B
· B)
zeigt die von der EM Strahlung transportierte
Wegen (B
×B
in Richtung n. Über die Zeit gemittelt ist
= 0 c2 E
Energiestromdichte S
der Betrag von S
c
· k 4 · | p |2 · sin2 ϑ
0 32π 2 r 2
wobei ϑ der Winkel zwischen p und n ist. Die abgestrahlte Leistung pro
Raumwinkel dΩ = sin ϑdϑdϕ beträgt
c
dP
¯
· n =
= r2S
· k 4 · | p |2 · sin2 ϑ
2
dΩ
0 32π
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
77
z
y
x
Dipol in z-Richtung
Abbildung 3.18:
Die totale abgestrahlte Intensität ist
P =
dΩ
c
c
· k 4 · | p |2 · sin2 ϑ =
· k 4 · | p |2
2
0 32π
12π0
Die Strahlungsleistung ist proportional zur vierten Potenz der Frequenz und
zum Quadrat des Dipolmomentes.
Wir betrachten, als konkrete Anwendung, eine Dipolantenne der Länge
d, wobei d klein verglichen mit der Wellenlänge sein soll. Die Antenne liegt
Z
d/2
0
-d/2
Abbildung 3.19:
zwischen z = −d/2 und z = d/2 und hat einen kleinen Spalt am Ursprung.
Am Spalt wird die Ladung ±q cos ωt angebracht. ρ = 2q/d cos ωt ist die
Ladung pro Längeneinheit. Es entsteht ein Dipol
d/2
pz =
−d/2
zρdz =
q·d
cos ωt
2
KAPITEL 3. ELEKTRODYNAMIK
78
Die gesamte abgestrahlte Leistung beträgt somit
(q · d)2
c
· k4 ·
12π0
4
Die Kontinuitätsgleichung besagt, dass eine zeitabhängige Ladungsverteilung
einen Strom produziert. Wir können P mit I0 = q · ω parametrisieren: I0 ist
der im Stab fliessende maximale Strom, welcher am Spalt erreicht wird. Somit
ist
k 2 · d2
P = I02 ·
48π0 · c
Der Koeffizient von I02 hat die Dimension eines Widerstandes und wird Strahlungswiderstand Rrad genannt. Rrad ≈ 5(kd)2 Ohm.
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