Hinweis: Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule). Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht herunter geladen werden, unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende: http://online-media.uni-marburg.de/chemie/chids/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html Philipps-Universität Marburg Fachbereich Chemie Übungen im Experimentalvortrag Leitung: Prof. Dr. B. Neumüller, Dr. Ph. Reiß, Prof. Dr. U. Koert, Prof. Dr. U. Müller Datum: 08. Juli 2004 Protokoll zum Experimentalvortrag Komplexchemie Schön bunt Stefanie Kowol, Goethestraße 12, 35043 Marburg Inhaltsverzeichnis I. Besonderheiten der Komplexverbindungen Seite 3 1. Darstellung des Komplexes CoCl3·6 NH3 Seite 3 2. Versuch 1: Nachweisreaktionen im CoCl3·6 NH3 Seite 4 3. Versuch 2: Leitfähigkeitsmessung Seite 5 II. Historische Entwicklung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Seite 7 III. Erklärungsmodelle – vorgestellt am Beispiel wichtiger Seite 8 Eigenschaften 1. Die Wernersche Theorie Seite 8 2. Die Valence-Bond-Theorie Seite 9 Demonstration: Magnetismus 3. Die Ligandenfeldtheorie Seite 12 Versuch 3: Oxidationsstufen des Mangans 4. Zwei weitere wichtige Eigenschaften 4.1. Stabilität von Komplexen Seite 17 Seite 17 Versuch 4: Hydratisomerie bei Chromkomplexen 4.2. Der Chelateffekt Seite 19 Versuch 5: Nickelkomplexe 5. Die Molekülorbitaltheorie IV. Anwendung Seite 21 Seite 23 1. Versuch 6: Färben mit Berliner Blau Seite 23 2. Geschichte des Berliner Blau Seite 24 3. Verwendung von Berliner Blau Seite 25 Literaturangaben Seite 26 2 I. Besonderheiten der Komplexverbindungen Besonderheiten der Komplexverbindungen Grundlegende Eigenschaften der Komplexe sollen zunächst an einem schon lange bekannten Komplex, dem Cobaltchlorid-Ammonikat, untersucht werden. Damals waren allerdings weder die richtige Struktur noch der Name bekannt; dieser wurde erst einige Jahre später eingeführt. Bis zur Einführung einer ersten Theorie über Komplexe werde ich diesen Komplex weiter als Ammonikat bezeichnen. 1. Darstellung des Komplexes CoCl3NH3 Chemikalien: 24 g Cobalt(II)chlorid-Hexahydrat 16 g Ammoniumchlorid entionisiertes Wasser 100 mL Ammoniaklösung, konzentriert 2 g Aktivkohle 30 mL Wasserstoffperoxidlösung, w = 0,3 Ethanol Geräte: Waage 1-L-Becherglas Messzylinder Magnetrührer mit Rührfisch Büchnertrichter, vorgewärmt und mit Filter Schnelllauftrichter mit Filter Durchführung: Das Cobalt(II)chlorid-Hexahydrat wird zusammen mit dem Ammoniumchlorid in etwa 25 mL entionisiertem Wasser gelöst. Zu dieser Lösung werden dann die Ammoniaklösung und die Aktivkohle gegeben. Zur Oxidation des Cobalts wird nun vorsichtig und unter Rühren die Wasserstoffperoxidlösung hinzugegeben. Jetzt erhitzt man die Lösung fünf Minuten lang zum Sieden und filtriert anschließend heiß über dem vorgewärmten Büchnertrichter ab. Beim Abkühlen kristallisiert der Komplex orange 3 I. Besonderheiten der Komplexverbindungen aus. Nun wird er über einem normalen Trichter abfiltriert und erst mit einem EthanolWasser-Gemisch 2:1, dann mit reinem Ethanol gewaschen. Das Produkt kann bei 90 – 100 °C im Trockenschrank getrocknet werden. 2. Versuch 1: Nachweisreaktionen im CoCl3NH3 Chemikalien: Cobaltchlorid-Ammonikat-Lösung, c = 0,05 mol/L Silbernitratlösung, c = 0,1 mol/L Verdünnte Salpetersäure, c = 2 mol/L Geräte: 2 Reagenzgläser Reagenzglasgestell Glasstab pH-Papier Durchführung und Beobachtung: Man überführt einen Teil der Probelösung, die orange ist, in ein Reagenzglas und säuert mit etwas verdünnter Salpetersäure an. Anschließend gibt man wenige Tropfen der Silbernitratlösung hinzu. Es bildet sich sofort ein weißer Niederschlag. Man gibt einen weiteren Teil der Probelösung in das zweite Reagenzglas und prüft den pH-Wert. Er stellt sich als neutral bis leicht sauer heraus. Auswertung: Der weiße Niederschlag ist Silberchlorid, das im sauren Milieu ausfällt: Ag+(aq) + Cl-(aq) AgCl(s) Die Chloridionen müssen also „frei“ in dem Komplex vorliegen; denn sonst könnten sie nicht von den Silberionen gefällt werden. Der pH-Wert von < 7 deutet darauf hin, dass sich in der Komplexlösung keine „freien“ Ammoniakmoleküle befinden, ansonsten würden diese dissoziieren und man würde eine pH-Wert > 7 messen: NH3(aq) + H2O NH4+(aq) + OH-(aq) 4 I. Besonderheiten der Komplexverbindungen Da sich Co3+-Ionen nicht mit einfachen Methoden nachweisen lassen, wird an dieser Stelle auf die Reaktion verzichtet. Es ist aber ohnehin komplex gebunden und der Nachweis würde negativ ausfallen. Auch der nächste Versuch zeigt ein typisches Verhalten der Komplexe. 3. Versuch 2: Leitfähigkeitsmessung Chemikalien: Cobaltchlorid-Ammonikat-Lösung, c = 0,05 mol/L Ammoniumchloridlösung als Vergleichslösung, c = 0,05 mol/L Geräte: Leitfähigkeitsprüfer Demonstrationsvielfachinstrument (Amperemeter) Stelltrafo Kabel 2 kleine Bechergläser Stativmaterial Versuchsaufbau: Amperemeter Stelltrafo Leitfähigkeitsprüfer Durchführung und Beobachtung: Der Stelltrafo wird auf etwa 20 V (Wechselspannung) reguliert. Wichtig ist, dass beide Messungen bei exakt derselben Voltzahl durchgeführt werden und die Konzentrationen der beiden Lösungen gleich sind. 5 I. Besonderheiten der Komplexverbindungen Zunächst misst man die Leitfähigkeit der Cobaltchlorid-Ammonikat-Lösung, dann die der Vergleichslösung. Man stellt fest, dass die Leitfähigkeit der Vergleichslösung etwa halb so groß ist wie die der Cobaltchlorid-Ammonikat-Lösung. Auswertung: Die Vergleichslösung ist ein 1,1-Elektrolyt, das heißt Ammoniumchlorid ist ein Stoff, der unter Wasserzugabe in ein Kation und ein Anion dissoziiert: NH4Cl(s) H2O NH4+(aq) + Cl-(aq) Da die Leitfähigkeit der Cobaltchlorid-Ammonikat-Lösung etwa doppelt so groß ist wie die der Vergleichslösung, lässt das darauf schließen, dass das Cobaltchlorid-Ammonikat CoCl36 NH3 in Lösung in vier Ionen zerfällt. Auf Grund der Zusammensetzung hätte man allerdings noch eine weitaus größere Leitfähigkeit erwartet. Aus diesen beiden Versuchen lässt sich also schließen, dass Komplexverbindungen sich in ihren Eigenschaften stark von denen der nicht-komplexen Salze unterscheiden. Die Komplexe enthalten Metallionen in ungewöhnlichen Wertigkeiten wie sie in Salzen nicht vorkommen (in den Cobaltsalzen kommt Cobalt stets als zweiwertiges Kation vor). In Komplexen können scheinbar auch neutrale Moleküle wie Ammoniak gebunden werden. Hier stellt sich die Frage, wie diese Art von Bindung aussieht. Auch das chemische Verhalten unter Wasserzugabe weicht stark von dem der Salze ab; es erfolgt keine vollständige Dissoziation. Die Komplexe sind intensiv gefärbt, wohingegen die meisten Salze farblos sind. 6 II. Historische Entwicklung Historische Entwicklung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Das erste wissenschaftliche Dokument über eine Komplexbildung stammt von dem Arzt Libavius aus dem Jahre 1597. Er ließ eine Lösung aus Calciumhydroxid und Ammoniumchlorid auf Bronze einwirken und stellte eine Blaufärbung fest. Er hatte einen Tetraamminkupfer(II)komplex [Cu(NH3)4]2+ hergestellt, allerdings konnte er ihn damals weder isolieren noch benennen. Im Jahre 1704 machten die Alchemisten Diesbach und Dippel durch Zufall eine große Entdeckung. Sie hatten eine Eisenvitriol (Eisensulfat-Heptahydrat) enthaltende Lösung mit Kalilauge versetzt, die zuvor mit organischen stickstoffhaltigen Stoffen erhitzt worden war. Die Lösung wurde blau. Sie hatten das Berliner Blau entdeckt und konnten es damals schon isolieren. Es wurde von da an für das Färben von Textilien verwand. – Auf den Themenkomplex „Berliner Blau“ werde ich im letzten Kapitel noch näher eingehen. Tassaert entdeckte 1798 einen orangefarbenen Stoff beim Stehenlassen einer ammoniakalischen Cobaltchloridlösung. Er konnte allerdings keinerlei Erklärung für die Bindungsverhältnisse des neuen Produkts geben und formulierte es vorläufig als Additionsverbindung CoCl36 NH3. In dieser Zeit wurden viele Cobaltamminkomplexe hergestellt. Fremy gab den Substanzen Namen, die sich auf die Farben bezogen. So wurden beispielsweise die gelben Komplexe Luteokobaltiaksalze, die purpurfarbigen Purpureosalze genannt. Die Komplexverbindungen gaben den Forschern viele Rätsel auf und entsprechend intensiv wurden sie untersucht. 1858 versuchte man erstmals die Verbindung CoCl36 NH3 zu beschreiben. Aber erst etwa 60 Jahre später stellten Blomstrand und Jörgensen die Vermutung auf, es handle sich um eine Kettenstruktur ähnlich wie bei den organischen Strukturformeln: Co NH3 Cl NH3 NH3 NH3 NH3 Cl NH3 Cl 7 III. Erklärungsmodelle Erklärungsmodelle – vorgestellt am Beispiel wichtiger Eigenschaften 1. Die Wernersche Theorie 1893 gelang Alfred Werner (1866 – 1919) der erste entscheidende Durchbruch. Er erfolgt buchstäblich über Nacht. Sein Ziel war es, das experimentelle Material unter einem gemeinsamen Konzept zusammenzufassen und Vorhersagen über physikalische und chemische Eigenschaften noch nicht präparierter Verbindungen zu treffen. Es ist keine Theorie nach dem heutigen Verständnis, aber es war der Beginn der modernen Komplexchemie. Sie liefert auch keine Erklärung für magnetische und spektroskopische Eigenschaften, sowie für die Farbigkeit. Alfred Werner war der Begründer der Koordinationslehre. Er postulierte eine Bindung in innerer und äußerer Sphäre und führte die Nebenvalenz als eine neue Art der chemischen Bindung axiomatisch ein. Begründen konnte er das damals nicht; er konnte es nur aus seinen Experimenten herleiten. Seine Theorie beruht auf drei grundlegenden Aussagen: (1) Jedes Ion verfügt über Hauptvalenzen; einige Ionen verfügen noch über Nebenvalenzen. (2) Nebenvalenzen binden die Partner fester als Hauptvalenzen. (3) Nebenvalenzen sind räumlich gerichtet. Die Struktur wird den Komplexen aufgezwungen. In der Folgezeit hat Werner mehr als 8000 Substanzen synthetisiert, die seine Theorie untermauern. Am Beispiel des Cobaltchlorid-Ammonikat bedeutet dies, das Cobalt drei Hauptvalenzen besitzt, da es als Co3+-Ion vorliegt. Zusätzlich besitzt es sechs Nebenvalenzen, die durch die sechs Ammoniak-Moleküle abgesättigt werden. Die sechs Nebenvalenzen sind oktaedrisch ausgerichtet. Vier Nebenvalenzen wären tetraedrisch oder quadratisch-planar ausgerichtet. Damit erhält man eine neue Strukturformel: H3N 3+ NH3 Co H3N NH3 NH3 + 3 Cl- NH3 Werner gab den Komplexen auch neue Namen. Sie setzen sich nun aus Anzahl der Liganden, Name der Liganden, Zentralteilchen und Ladung zusammen. Das Cobaltchlorid-Ammonikat heißt damit Hexaammincobalt(III)chlorid. 8 III. Erklärungsmodelle Im Folgenden sollen weitere wichtige Eigenschaften von Komplexen besprochen werden. Beginnen möchte ich mit dem Magnetismus. 2. Die Valence-Bond-Theorie Demonstration: Magnetische Messung Chemikalien: Gelbes Blutlaugensalz K4[Fe(CN)6] Eisen(II)sulfat [Fe(H2O)6]SO4 Geräte: 2 Mikroreagenzgläser Hufeisenmagnet mit Spulen und Polschuhen Demonstrationsvielfachinstrument Stelltrafo Kabel Gouy-Waage Versuchsaufbau: Amperemeter Polschuhe Stelltrafo Spulen Hufeisenmagnet 9 III. Erklärungsmodelle Durchführung und Beobachtung: Man befüllt die Mikroreagenzgläser mit dem gelben Blutlaugensalz und dem Eisen(II)sulfat und befestigt sie nacheinander an der Gouy-Waage. Gemessen wird bei Gleichstrom. Das gelbe Blutlaugensalz wird aus dem Magnetfeld herausgestoßen, das Eisen(II)sulfat wird hineingezogen. Auswertung: Magnetische Momente werden durch den Spin ungepaarter Elektronen erzeugt. Sie sind proportional zur Stromstärke I und der vom Strom eingeschlossenen Fläche F. Grundsätzlich weisen alle Stoffe, deren Atome, Ionen oder Moleküle abgeschlossene Schalen oder Unterschalen besitzen, ein diamagnetisches Moment auf. Es existiert kein resultierendes magnetisches Moment, da sich die Spinmomente aufheben. Der Stoff wird aus dem Magnetfeld herausgestoßen. Hat der Stoff zusätzlich ungepaarte Elektronen, so besitzt er ein permanentes magnetisches Moment. Legt man ein äußeres Magnetfeld an, so richten sich die magnetischen Momente in Feldrichtung aus; der Stoff wird in das Magnetfeld hineingezogen. Man spricht von Paramagnetismus. Er ist oft 103- bis 104-mal so groß wie der Diamagnetismus. Das gelbe Blutlaugensalz ist also ein diamagnetischer Stoff. Das Eisen(II)sulfat ist paramagnetisch. Zur Erklärung dieses Phänomens reicht die Wernersche Theorie nicht aus. 1927 wurde eine neue Theorie entwickelt, die den Magnetismus erklären kann. Diese wurde 1927 entwickelt und durch Pauling ausgebaut. Grundlage ist die Anwendung des Hybridisierungsmodells auf die Komplexe. Die Bindung von Zentralteilchen zu Ligand wird damit als kovalent beschrieben. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Mischt man das s-Orbital mit den drei verschiedenen p-Orbitalen, so erhält man ein sp3-Hybridorbital. Die Orbitallappen sind dabei tetraedrisch angeordnet. 10 III. Erklärungsmodelle z y Mischung x Die drei wichtigsten Hybridorbitale sind das oben beschriebene sp3-, das dsp2- und das d2sp3-Hybridorbital. Für das dsp2-Orbital resultiert quadratisch-planare, für das d2sp3Orbital oktaedrische Geometrie. Nun kann das magnetische Verhalten der beiden besprochenen Komplexe erklärt werden. Sowohl im gelben Blutlaugensalz als auch im Eisen(II)sulfat liegt ein Fe2+-Ion vor. Es besitzt die d-Elektronenkonfiguration 3d6. In beiden Fällen handelt es sich um einen Komplex mit sechs Liganden, so dass oktaedrische Geometrie vorliegt. Zur Hybridorbitalbildung werden zum einen das 4s- und die drei 4p-Orbitale herangezogen, zum anderen werden noch zwei d-Orbitale benötigt. Im Fall des Eisen(II)sulfat gehen zwei der fünf 4d-Orbitale in die Hybridisierung ein. Die neu entstandenen Hydridorbitale werden dann mit den 6 2 Ligandenelektronen aus den freien Elektronenpaaren des Sauerstoffs im Wasser besetzt. 3d 4s 4p 4d Hybridisierung und Besetzung der Hybridorbitale durch Ligandenelektronen 11 III. Erklärungsmodelle Mit Hilfe dieser Theorie lässt sich aber noch nicht erklären, warum ausgerechnet die 4dOrbitale zur Hybridisierung herangezogen werden. Im Fall des gelben Blutlaugensalzes sind es zwei der 3d-Orbitale, was zu einer Spinpaarung der 3d-Elektronen des Fe2+-Ions führt. Die Hybridorbitale werden in diesem Fall von dem freien Elektronenpaar am Kohlenstoffatom besetzt. 3d 4s 4p Spinpaarung, Hybridisierung und Besetzung der Hybridorbitale durch Ligandenelektronen Damit kann die VB-Theorie den Magnetismus richtig erklären; er lässt sich aber nicht vorhersagen. Dazu ist eine weiterführende Theorie notwendig. Eine weitere wichtige Eigenschaft der Komplexe ist ihre intensive Farbigkeit. 3. Die Ligandenfeldtheorie Versuch 3: Oxidationsstufen des Mangan Chemikalien: Natronlauge, w = 0,3 Kaliumpermanganatlösung, w = 0,0075 Borsäurelösung, c = 0,5 mol/L Wasserstoffperoxidlösung, c = 1 mol/L Natronlauge, c = 2 mol/L Geräte: Magnetrührer mit Rührfisch Erlenmeyerkolben (300 mL) 12 III. Erklärungsmodelle Tropftrichter Messpipette (10 mL) Messzylinder Versuchsaufbau: 4 mL H2O2(aq), c = 1 mol/L mL 100 75 25 mL NaOH(aq), c = 2 mol/L 50 25 20 mL H3BO3(aq), c = 0,5 mol/L 1,5 mL KMnO4(aq), w = 0,75 % 300 250 300 m L 200 150 150 mL NaOH(aq), w = 30 % 100 Durchführung und Beobachtung: 150 mL der 30-prozentigen Natronlauge werden mit 1,5 mL Kaliumpermanganatlösung versetzt. Sofort tropft man unter Rühren eine frisch bereitete Lösung von Natriumperborat zu, das man aus 4 mL Wasserstoffperoxid, 25 mL 2molarer Natronlauge und 20 mL Borsäure herstellt. Die tief violette Färbung der Kaliumpermanganatlösung schlägt sofort nach grün um, das in hellblau übergeht und schließlich braungelb wird. Auswertung: Bei den vorliegenden Reaktionen handelt es sich um Redoxreaktionen, bei denen das Permanganatanion stufenweise über das Manganat(VI)- und Manganat(V)anion zum Manganat(IV)anion reduziert wird. Reduktionsmittel ist das Wasserstoffperoxid. Damit ergeben sich folgende Reaktionsgleichungen: +7 -1 2 MnO4-(aq) + H2O2(aq) violett +6 -1 grün +5 0 2 MnO43-(aq) + O2(g) + 2 H+(aq) blau -1 2 MnO43-(aq) + H2O2(aq) blau 0 grün 2 MnO42-(aq) + H2O2(aq) +5 +6 2 MnO42-(aq) + O2(g) + 2 H+(aq) +4 0 2 MnO44-(aq) + O2(g) + 2 H+(aq) braungelb 13 III. Erklärungsmodelle Die Farbigkeit der Manganationen lässt sich nicht mit Hilfe der VB-Theorie erklären. Hierzu wird die Ligandenfeldtheorie benötigt. Der Vorläufer der Ligandenfeldtheorie war die Kristallfeldtheorie, die um 1930 von Bethe und van Vleck zunächst für Festkörper entwickelt wurde. Ab 1951 wurde sie dann weiterentwickelt von Ilse und Hartmann, die sie auch auf Lösungen anwenden wollten. Aus der Kristallfeldtheorie wurde so die Ligandenfeldtheorie. Der Grundgedanken ist, dass sich zwischen den Ligandenelektronen und den d-Orbitalen des Zentralteilchens elektrostatische Wechselwirkungen ausbilden. Wie schon bei der Wernerschen Theorie beruht die Struktur auf einer Annahme. Sechs Liganden ordnen sich oktaedrisch an, vier Liganden ordnen sich tetraedrisch oder quadratisch-planar an. Die Theorie soll hier am Beispiel der Manganationen entwickelt werden. Die Manganionen besitzen im isolierten Zustand fünf entartete, d.h. energiegleiche, dOrbitale: dz² dx²-y² dxy Das dxy-Orbital steht hier stellvertretend für die drei Orbitale, die in den Ebenen zwischen den Koordinatenachsen liegen. Ausgehend von einem tetraedrischen Ligandenfeld bei den Manganationen ist die Größe der Abstoßung für die unterschiedlichen d-Elektronen bei Annäherung der Liganden verschieden. Die Entartung wird also aufgehoben. Im Fall der dxy-, dxz- und dyz-Orbitale treffen die Liganden direkt auf einen Orbitallappen, wenn man davon ausgeht, dass sich die Liganden auf den 14 III. Erklärungsmodelle Raumdiagonalen des Würfels nähern. Daher erhöht sich die Energie dieser Orbitale. Bei dem dx²-y²-Orbital hingegen nähern sich die Ligandenelektronen dem Orbital nicht so stark; gleiches gilt für das dz²-Orbital. Die Energie dieser beiden Orbitale wird erniedrigt. Damit ergibt sich ein neues Energieniveaudiagramm: Energie t2g-Orbitale dxy dxz dyz 2 2 Entartete d-Orbitale 3 eg-Orbitale 5 T 5 T 5 T T dz² dx²-y² Die Aufspaltung der d-Orbitale, die auch Ligandenfeldauspaltung genannt wird, erfolgt nach dem Schwerpunktsatz, der besagt, dass sich der energetische Schwerpunkt der entarteten Orbitale beim Übergang zum tetraedrischen Ligandenfeld nicht verändern darf. Geht man nun davon aus, dass alle Orbitale vollständig besetzt sind, so ist der Schwerpunktsatz erfüllt, denn: 6 2/5 T - 4 3/5 T = 0 Vereinbarungsgemäß nennt man das höhere Energieniveau das t2g-Niveau, das energieniedrigere das eg-Niveau. Am Beispiel der Manganationen bedeutet dies: d0 im MnO4- d1 im MnO42- d2 im MnO43- d3 im MnO44- In allen vier Fällen wurden die Orbitale gemäß der Hundschen Regel besetzt, d.h. die Anzahl der Elektronen mit gleichem Spin ist in jeder Unterschale maximal. Im Fall der d3-Konfiguration wäre es aber auch denkbar, zunächst das energetisch niedrigere eg-Niveau zu besetzen, was einen Energiegewinn bringen würde. Andererseits muss dazu die 15 III. Erklärungsmodelle Spinpaarungsenergie aufgebracht werden. Der Komplex, der entsteht, wenn man zunächst nur das eg-Niveau besetzt, wird Low-spin-Komplex genannt. Er besitzt eine minimale Anzahl von gepaarten Eletronen und entsteht immer dann, wenn die Ligandenfeldaufspaltung größer ist als die Spinpaarungsenergie. Liegt die maximale Zahl an ungepaarten Elektronen spricht man von einem High-spin-Komplex. Hier sind die d-Orbitale gemäß der Hundschen Regel besetzt. Nun lässt sich die Farbigkeit der Manganationen erklären: Zum einen liegen in den Mangantionen Charge-Transfer-Übergänge vor. Hierbei wird durch Absorption eines Lichtquants Elektronenladung innerhalb eines Komplexes übertragen. Man unterscheidet drei Arten von CT-Übergängen. O - Im Fall der Manganationen handelt es sich um Übergänge vom Liganden zum Metall. Dabei wird ein freies Elektron am Sauerstoff zum Mangan „verschoben“. O Mn O O e- Außerdem gibt es noch CT-Übergänge vom Metall zum Ligand, wie dies zum Beispiel in Cyano-Komplexen der Fall ist und Übergänge von Metall zu Metall wie beispielsweise im Berliner Blau (siehe Kapitel IV). Zum anderen liegen – außer in dem Permanganation – noch d-d-Übergänge vor. Dabei werden Elektronen durch Lichtabsorption aus dem eg-Niveau in das t2g-Niveau angeregt. Liegt die Absorptionbande im sichtbaren Bereich, erscheint der Komplex farbig. Die erforderliche Energie entspricht gerade der Ligandenfeldaufspaltung. Für das Manganat(IV)ion sieht das wie folgt aus: Grundzustand Lichtabsorption angeregter Zustand Eine weitere wichtige Eigenschaft der Komplexe ist ihre Stabilität. 16 III. Erklärungsmodelle 4. Zwei weitere wichtige Eigenschaften 4.1. Stabilität von Komplexen Versuch 4: Hydratisomerie bei Chromkomplexen Chemikalien: 30 mL Chrom(III)nitratlösung [Cr(H2O)6](NO3)3 3 H2O , c = 0,1 mol/L 30 mL Chrom(III)chloridlösung trans-[CrCl2(H2O)4]Cl 2 H2O, c = 0,1 mol/L (die Lösung muss frisch sein) 10 mL Natriumchloridlösung, c = 1 mol/L 10 mL Magnesiumnitratlösung, c = 1 mol/L Eis Geräte: 2 Bechergläser (250 mL) 2 Bechergläser (500 mL) 6 Reagenzgläser Reagenzglasgestell Messzylinder Glasstäbe Dreifuß mit Drahtnetz Bunsenbrenner Heizbarer Magnetrührer Durchführung und Beobachtung: Man versetzt die Chrom(III)nitratlösung mit der Natriumchloridlösung und überführt für spätere Farbvergleiche eine kleine Probe in ein Reagenzglas. Die Lösung ist blau. Die Chrom(III)chloridlösung versetzt man mit der Magnesiumnitratlösung und nimmt ebenfalls eine Probe. Die Lösung ist grün. Nun erhitzt man beide Lösungen zum Sieden. Dabei stellt man fest, dass jetzt beide Lösungen grün sind. Wiederum nimmt man von beiden Lösungen eine Probe. Damit die Proben heiß bleiben, stellt man sie in ein vorgeheiztes Wasserbad. 17 III. Erklärungsmodelle Dann nimmt man noch einmal jeweils eine Probe der Lösungen. Diese stellt man in ein Eisbad. Sind die beiden Proben unterhalb von Raumtemperatur abgekühlt, sind sie beide blau. vorher heiß kalt Chrom(III)nitrat-lösung mit Natriumchlorid-lösung Chrom(III)chlorid-lösung mit Magnesiumnitrat-lösung Auswertung: 3+ OH2 H2O H2O Cr OH2 OH2 + Cl + 2 Cl-(aq) OH2 H2O H2O Cr Cl (aq) OH2 + 2 H2O OH2 (aq) Bei beiden Reaktion findet eine Ligandenaustauschreaktion statt. Bei höherer Temperatur liegt der thermodynamisch stabilere trans- Tetraaquadichlorochrom(III)komplex vor. Das Hexaaquachrom(III)ion tauscht beim Erhitzen zwei Wasserliganden gegen zwei Chloroliganden aus. Dieser Komplex ist kinetisch stabil. Bei Temperaturerniedrigung wird der Hexaaquachrom(III)komplex stabiler. Die Reaktion verläuft in die anderen Richtung. Man spricht hier von Hydratisomerie. 18 III. Erklärungsmodelle 4.2. Der Chelateffekt Versuch 5: Nickelkomplexe Chemikalien: Nickelnitratlösung, c = 0,1 mol/L Ammoniaklösung, w = 0,25 Ethylendiamin Geräte: 5 Reagenzgläser Reagenzglasgestell Pipetten Glasstäbe Zentrifugengläser Zentrifuge Durchführung und Beobachtung: In die fünf Reagenzgläser gibt man jeweils 1-2 mL Nickelnitratlösung. Reagenzglas 1 dient als Vergleichslösung. Sie ist tief grün gefärbt. In das zweite Reagenzglas gibt man einige Tropfen Ammoniak, worauf sich die Lösung dunkelblau färbt. In das dritte Reagenzglas gibt man ebenfalls Ammoniak, dann füllt man mit entionisiertem Wasser auf. Nach einigem Stehenlassen wird die dunkelblaue Lösung wieder grün. Außerdem bildet sich ein hellgrüner Niederschlag. Auch in das vierte Reagenzglas gibt man einige Tropfen Ammoniak, anschließend fügt man einige Tropfen Ethylendiamin hinzu. Nach dem Abzentrifugieren erhält man eine violette Lösung über einem hellrosa gefärbten Niederschlag. Mit dem fünften Reagenzglas verfährt man ebenso wie mit dem vierten. Allerdings gibt man zum Schluss noch einige Milliliter Ammoniak hinzu. Dabei bleibt die Violettfärbung erhalten. Auch längeres Stehenlassen bringt keine Veränderung. 19 III. Erklärungsmodelle Auswertung: In der Nickelnitratlösung liegt das Hexaaquanickel(II)ion vor. Es reagiert mit dem Ammonaniak zum Hexaamminnickel(II)komplex. Die Gleichgewichtskonstante für diese Reaktion beträgt KB = 109. Damit ist zwar die Hinreaktion begünstigt, doch nach Wasserzugabe weicht das Gleichgewicht dem Zwang aus (nach dem Prinzip von Le Chatelier) und der Aquakomplex wird zurückgebildet. 2+ OH2 H2O H2O Ni OH2 OH2 H3N + 6 NH3(aq) OH2 2+ NH3 H3N (aq) Ni NH3 + 6 H2O NH3 NH3 (aq) Setzt man den Amminkomplex mit Ethylendiamin (en) um, so entsteht der Triethylendiaminnickel(II)komplex. Hier beträgt die Gleichgewichtskonstante KB = 1018. Damit ist der Ethylendiaminkomplex wesentlich stabiler. Auch durch erhöhte Ammoniakzugabe ist der Amminkomplex nicht zurückzugewinnen. 2+ NH3 H3N H3N Ni NH3 en + 3 en NH3 NH3 (aq) en Ni 2+ NH2 CH2 H2 N CH2 (aq) + 6 NH3(aq) Es gibt zwei Möglichkeiten die große Komplexstabilität des Ethylendiaminkomplexes zu erklären. Thermodynamisch betrachtet liegt die Ursache in der Anzahl der Reaktanden auf Eduktund Produktseite. Ethylendiamin ist ein zweizähniger Ligand und damit ein Chelatligand. Es entsteht ein Chelatkomplex, wobei auf der Produktseite sieben Moleküle im Vergleich zu vier Molekülen auf der Eduktseite stehen. Das System gewinnt also an Entropie. In der Reaktion mit Wasser und Ammoniak als Liganden tritt keine Entropieänderung auf. Da für die freie Bildungsenthalpie G einer Reaktion gilt G = H - TS, mit H Änderung der Reaktionsenthalpie, T Temperatur und S Änderung der Entropie, wird diese negativer, wenn die Entropie S im Verlauf der Reaktion zunimmt. Da nun für die Gleichgewichtskonstante KB gilt: 20 III. Erklärungsmodelle G K B exp , RT mit R allgemeine Gaskonstante, wächst diese durch Erniedrigung der Bildunsenthalpie G. Dieses als Chelateffekt bezeichnete Phänomen ist im wesentlichen entropiebestimmt. Messungen haben gezeigt, dass Enthalpiedifferenzen H nicht für die wachsende Stabilität der Chelatkomplexe verantwortlich sind. Aus kinetischer Sicht liegt die Ursache für den Chelateffekt darin, dass die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Bindung bei einem zweizähnigen Liganden gegenüber zwei einzähnigen Liganden en en erhöht ist. Ist ein zweizähniger Ligand bereits mit einem „Ende“ am Zentralteilchen gebunden, ist das zweite, noch „freie“ Ende gezwungen, sich ebenfalls in der Nähe des Zentralteilchens 2+ Ni NH 2 CH2 CH2 NH2 aufzuhalten. 5. Die Molekülorbitaltheorie Die Molekülorbitaltheorie vereint die Valence-Bond-Theorie mit der Ligandenfeldtheorie. Die Atomorbitale des Zentralteilchens werden mit denen der Liganden kombiniert. Mit Hilfe der Gruppentheorie lässt sich ableiten, welche Orbitale kombiniert werden können. Darauf möchte ich an dieser Stelle aber nicht näher eingehen. Berücksichtigt man nur -Bindungen und betrachtet einen oktaedrischen Komplex, so eignen sich Orbitale, die ihre größte Elektronendichte in der Richtung Metall-Ligand besitzen. Dies sind das s-, die px-, py- und pz- sowie die dz²- und dx²-y²-Orbitale. Jeder Ligand besitzt ein -Orbital. Es resultieren also sechs bindende und sechs antibindende Molekülorbitale. Die dxy-, dxz- und dyz-Orbitale sind zu -Bindungen fähig. Ihre energetische Lage bleibt daher unverändert. 21 III. Erklärungsmodelle xb yb zb Energie s* 4p *x²-y² *z² Oktaedrisches Ligandenfeld 4s 3d xy xz yz bx²-y² bz² xb yb zb b s Im MO-Schema findet man also das oktaedrische Ligandenfeld wieder. Mit Hilfe dieser Theorie lassen sich nun alle Eigenschaften der Komplexe erklären. Insbesondere liefert diese Theorie eine Erklärung für die Struktur der Komplexe und für die Stärke eines Liganden. 22 IV. Anwendung Anwendung 1. Versuch 6: Färben mit Berliner Blau Chemikalien: Kaliumhexacyanoferrat(II)lösung, w = 0,1 Eisen(III)chloridlösung, w = 0,01 Leinentuch Geräte: Petrischalenhälfte Becherglas Tiegelzange Dreifuß mit Drahtnetz Bunsenbrenner Durchführung und Beobachtung: Man legt das Leinenstück in eine Petrischalenhälfte und übergießt mit etwas Lösung von Gelbem Blutlaugensalz. Anschließend überführt man das Leinenstück in ein Becherglas, in dem sich bereits die Eisen(III)chloridlösung befindet. Die Lösung wird schlagartig blau. Zur Festigung der Farbe in der Faser wird die Lösung zum Sieden erhitzt. Dann kann man das gefärbte Leinentuch zum Trocknen aufhängen. Auswertung: Gibt man Gelbes Blutlaugensalz mit Fe3+-Ionen zusammen, entsteht das sogenannte Berliner Blau: +2 3 [Fe(CN)6]4-(aq) +3 3+ + 4 Fe (aq) +2 Fe4[Fe(CN)6]3n H2O(s) In diesem Fall handelt es sich um das unlösliche Berliner Blau. Die Anzahl n der gebunden Wassermoleküle beträgt ungefähr 14. Die Elementarzelle besitzt folgende Struktur: 23 IV. Anwendung Fe2+-Ionen Fe3+-Ionen H2 O Jedes Fe2+-Ion ist oktaedrisch von sechs Cyanidliganden umgeben. Ebenso ist ein Fe3+Ion oktaedrisch von sechs Cyanidliganden koordiniert (siehe Pfeil). Drei Fe3+-Ionen sind jeweils von vier Cyanidliganden und zwei Wassermolekülen umgeben. In jedem Oktanden der Elementarzelle befindet sich zusätzlich noch ein weiteres Wassermolekül. Gibt man Hexacyanoferrat(II) und Fe3+-Ionen im gleichen Molverhältnis zusammen, so bildet sich das lösliche Berliner Blau, welches kolloidal vorliegt. +2 +3 +2 4 K+(aq) + [Fe(CN)6]4-(aq) + Fe3+(aq) KFe[Fe(CN)6]H2O(aq) + 3 K+(aq) Das lösliche Berliner Blau hat folgende Struktur: Kaliumionen Die Elementarzelle besteht aus acht Würfeln, deren Ecken abwechselnd mit Fe2+- und Fe3+-Ionen besetzt sind. Die Cyanidgruppen liegen entlang der Kanten der kleinen Würfel im Innern, wobei die Fe2+-Ionen von der Kohlenstoffseite, die Fe3+-Ionen von der Stickstoffseite koordiniert sind, da weiche Lewissäuren mit weichen Lewisbasen koordinieren und harte Säuren mit harten Basen. Das Berliner Blau erhält seine intensive Farbe durch Charge-Transfer-Übergänge von Metall zu Metall. Diese Übergänge treten oft auf, wenn eine Verbindung ein Metall in zwei verschiedenen Oxidationsstufen enthält. Durch gelbes Licht erfolgt der Übergang eines d-Elektrons vom Fe2+- zum Fe3+-Ion. 2. Geschichte des Berliner Blau Die Verbindung Berliner Blau ist schon seit 1704 bekannt. Allerdings hatte man noch eine weitere blaue Verbindung entdeckt, die dem Berliner Blau sehr ähnlich war. Sie wurde Turnbulls Blau genannt und entsteht, wenn man Eisen(II)salze mit Hexacyanoferrat(III)ionen umsetzt. Man hat lange Zeit versucht, die Natur der beiden 24 IV. Anwendung Verbindungen mit Hilfe chemischer Methoden aufzuklären. Es könnte sich – gemäß der Darstellung – sowohl um Eisen(III)salze der Verbindung H4[Fe(CN)6] als auch um Eisen(II)salze der Verbindung H3[Fe(CN)6] handeln. Schon 1909 konnten E. Müller und Th. Stanisch zeigen, dass Berliner Blau und Turnbulls Blau kein Gemisch der beiden Salze sind. Zu dieser Zeit hat man auch das Berliner Blau richtig als Fe4[Fe(CN)6]3 formuliert. Durch Anwendung der Mößbauer-Spektroskopie konnten Fluck, Kerler und Neuwirth dann Mitte des 20. Jahrhunderts die Identität von Berliner Blau und Turnbulls Blau beweisen. Verstehen lässt sich diese Tatsache, wenn man beachtet, dass bei der Bildung von Turnbulls Blau eine Redoxreaktion vorangeht: Fe2+(aq) + [Fe(CN)6]3-(aq) Oxidation: Fe2+(aq) +3 Reduktion: [Fe(CN)6]4-(aq) Fe3+(aq) + [Fe(CN)6]4-(aq) Fe3+(aq) + e- E0 = 0,77 V +2 [Fe(CN)6]3-(aq) + e- E0 = 0,36 V Wie man an den Standardpotentialen erkennt, liegt das Gleichgewicht der Redoxreaktion auf der Seite der Eisen(III)- und Hexacyanoferrat(II)ionen, aus denen sich das Berliner oder auch Turnbulls Blau bilden kann. 3. Verwendung von Berliner Blau Berliner Blau wird als Farbpigment für Tinten, Druckfarben und Lacke verwendet. Weiterhin wird es mit den Pigmenten Chromgelb oder Zinkgelb gemischt, wodurch Chromgrün und Zinkgrün entstehen. Diese Mischungen werden ebenfalls für Lacke und Druckfarben benutzt. Ebenso findet es Anwendung für Buntpapiere, beim sogenannten Blaupausen. Außerdem dient das Berliner Blau als Wäscheblau. Die blaue Farbe soll als Komplementärfarbe zu gelb den gelblichen Ton der Wäsche ausgleichen und diese wieder weiß erstrahlen lassen. 25 Literaturangaben [1] Demuth, Reinhard: Eine exemplarische Behandlung der Komplexverbindungen. In: PdN-Ch. 4/34 (1985). Seiten 23, 27, 28. [2] Hilgers, Uwe und Blume, Rüdiger: Der Chelat-Effekt. In: PdN-Ch. 8/41 (1992). Seite 21. [3] Jäckel, M., Prof. Dr. Kühnl, H. und Prof. Dr. Wenck, H.: Kinetische Stbilität von Chrom(III)-Komplexen. In: Chemische Experimente für den Unterricht A-7 (1981). Seiten 36 – 39. [4] Prof. Blumes Medienangebot: Farbstoffe und Färben, http://dc2.uni- bielefeld.de/dc2/farben/farbv_08.htm [5] Prof. Blumes Medienangebot: Komplexverbindungen, http://dc2.uni- bielefeld.de/dc2/... [6] Becke-Göring und Hoffmann: Komplexchemie. 1970.? [7] Riedel, Erwin: Anorganische Chemie. 4 Auflage. Berlin, New York 1999 [8] Hollemann, A.F. und Wiberg, Egon. Lehrbuch der Anorganische Chemie. 101. Auflage. Berlin, New York 1995. [9] Gerstner, E.: Skriptum zum anorganisch-chemischen Praktikum für Lehramtskandidaten, 3. teilweise neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Marburg 1993. [10] Demuth, Reinhard und Kober, Friedhelm: Studienbücher Chemie. Komplexchemie – experimentell. Frankfurt am Main, Berlin, München 1980. 26