ich pierrot - du lunaire

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Festivalalmanach „Virtuosissimo“, Aspekte Salzburg 2oo3
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Ich Pierrot – Du lunaire
oder: Verständigungsschwierigkeiten zwischen Mensch und Musik
Was macht ein Regisseur bei einem Festival für Neue Musik – also einer
„Fachmesse für Komponisten“. Als ich begonnen habe, Architekturstudenten
etwas über Emotionen von Gebäuden und Stadträumen zu erzählen und dort das
gleiche gefragt wurde, war meine Antwort, dasselbe wie sie: wir bauen einen
Raum, stecken weiße Mäuse rein und schauen, was passiert.
Also: ein Regisseur inszeniert Neue Musik – eine neue Idee. Na gut: ganz so neu
ist sie nicht. Fast hundert Jahre alt – wie die Musik, die heutzutage unter der
Bezeichnung Zeitgenössische Musik, die heutzutage unter der Bezeichnung
Zeitgenössische Musik gespielt wird (Esa-Pekka Salonen sagte bei seinem ersten
Auftreten bei den Salzburger Festspielen in einem Interview: Neue Musik? Was
meinen Sie? Ach so – Sie meinen die Musik, die in wenigen Jahren die Musik des
vorigen Jahrhunderts sein wird.). Also nix is mit neu: weder die Idee noch die
Musik. Aber eine Wiederbesinnung auf etwas Vergessenes. Liegengelassenes,
Am-Anfang-Gewesenes. Wie vielleicht die Neue Musik ja auch. Und
wahrscheinlich überhaupt alles Neue auf dieser Welt.
Da ich zur Regie von der Musik und nicht vom Schauspiel gekommen war, merkte
ich im Laufe meiner Laufbahn zweierlei:
unsere szenische Präsentationsform des Musiktheaters geht frustrierend an den
Inhalten des Objekts vorbei – Thema verfehlt. Realismus, Historismus und
Naturalismus (moderne Opernregie war ja auch nichts anderes als heutige
Realität statt alte Realität als Imitat auf die Bühne gehievt) statt Gefühlsausdruck.
wenn Neue Oper angesetzt wird, bricht der Not- und Katastrophenfall aus.
Publikum und (!!!) Theaterverantwortliche fühlen sich in ihrer Existenz und ihrem
Frieden bedroht und flüchten.
Als ich meine freischaffende Tätigkeit begann, waren junge Komponisten –
eingedenk meines Studienweges – meine ersten Ansprechpartner in der
gefährlichen Theaterwelt ohne Netz – wir hatten eines gemeinsam: keine
Aufträge. Und – meine allerersten Inszenierungen waren Uraufführungen gewesen
. Meine ersten Erkenntnisse aus der Berührung mit Neuer Musik waren: nur eine
emotionale Verknüpfung kann die Barriere zwischen ihr und den Hörern
beseitigen. Es gibt keine unmusikalischen Menschen. Jede Musik – und mit jede
meine ich jede – löst in einem Zuhörer eine Emotion aus. Gefühle, oft basierend
auf Assoziationen und Erinnerungen. Nur: Gefühle sind bekanntlich schwer in
Worte zu fassen. Mit Musik geht’s besser. Die Schilderung wie’s mir geht.
Verstehst Du mich? Also gehört alles weg, was dieser Schilderung der Gefühle
nicht dient. Also gehört die Bühne ausgeräumt (Adolphe Appia, Peter Brook –
siehe hundert Jahre weiter oben).
ches themann
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Wir – die Künstler – haben gelernt, Neue Musik zu analysieren, ihre Konstruktion
zu verstehen. Aber kein Unterricht hat den Zuhörern vermittelt, daß auch Neue
Musik von nichts anderem handelt als die Alte davor auch: von Gefühlen. Ich
erkannte, daß die tradierten Mittel der Darstellungskunst ihre Aufgabe bei der
Neuen Musik nicht mehr erfüllten und Neue Musik Neue darstellerische Mittel
braucht. Meine Beschäftigung mit der Architektur soufflierte mir den Weg: der
Dialog des Darstellers mit dem leeren Raum war für mich geboren. Der Raum löst
genauso wie Musik Gefühle aus. Und er kann zuhören. Am Anfang meiner
methodischen Abenteuerreise standen keine Opernsänger – sondern italienische
Geiger. Am Ende szenische Liederabende. Die Ergebnisse meiner
Entwicklungsarbeit konnte ich 2oo1 bei der Sommerakademie Mozarteum in
Salzburg präsentieren.
Und so steht auch am Beginn dieses Festivals ein Versuch mit Instrumentalmusik
– und erst am Ende eine singende Person. Wie sagt doch Puck am Ende des
Karnevals im Sommernachtstraum: meine Augen haben so was noch nicht gehört
– meine Ohren so was noch nicht gesehen.
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