Medienlinguistik A3 Protokoll von Desiree Lutz, FU1, 12. November 2003 Sprachstruktur Sätze Gast: UNO-Inspekoten.mov Beispiel: Gute Sätze bauen kann nur, wer bereit ist, an ihnen zu arbeiten. In diesem Satz kommt das Prädikat bereits am Anfang, deshalb wissen wir sehr bald, worum es geht. Nämlich ums Sätze bauen. Gute Sätze kann nur, wer bereit ist an ihnen zu arbeiten, bauen. Prädikat am Schluss. Wir wissen lange nicht, was mit den guten Sätzen sein soll. Negativ-Beispiel: Sie schlugen die Frauen, die Mädchen und die jungen Mütter ........ vor. Denken wir hier zu Beginn des Satzes nicht an etwas anderes als an "vorschlagen"? Natürlich, wir denken an "schlagen" im Sinn von „verprügeln“. Erst ganz am Ende des Satzes verstehen wir, dass von Anfang an „vorschlagen“ gemeint gewesen wäre. Da haben wir uns aber schon ein falsches Bild gemacht, müssen dieses Bild im Kopf löschen und ein neues Bild aufbauen. Unsere Sprache (Deutsch) neigt dazu, Verbalklammern zu benutzen. Das heisst, dass das wichtige erst am Schluss kommt. Für die Information sollten wir das aber nicht so machen, sondern das Wichtige so früh wie möglich nennen. Gast: NICHT-NIEMALS.mov Verbesserungsvorschläge aus dem Plenum: Dass Irak Massenvernichtungswaffen weder besass, noch besitzt, noch besitzen wird. Dass Irak Massenvernichtungswaffen niemals besass, besitzt und besitzen wird. ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 1 Voice-over aus dem Off Voice-over, weil man die Originalstimme im Hintergrund hört und aus dem Off, weil man den Übersetzer nicht sieht. Praxisprobleme: Satzbau In den Medien sind Zeit und Platz oft knapp. Alles Wesentliche soll auf möglichst wenig Platz geschrieben, möglichst kurz gesagt werden. EU-Delegation in Nahen Osten aufgebrochen. Ist das nun ein Satz? Nein eine Ellipse. Der ganze Satz hiesse: Eine EU- Delegation ist in den Nahen Osten aufgebrochen. Sätze sind mehr als Folgen von Wörtern: Syntax, Satz Syntax: untersucht den Aufbau von Sätzen aus Elementen und Verknüpfungsregeln. Schreibt Wörtern und Wortgruppen in Sätzen bestimmte Funktionen zu. Aus einer Wortgruppe lassen sich wohlgeformte Sätze bilden, z.B. Fragesatz, Hauptsatz und Nebensatz. In allen drei Sätzen gilt die gleiche Regel: Artikel und Nomen sollen in Kasus, Numerus und Genus kongruent sein. Satz: Sprecheinheit aus Nominal- und Verbalsteil, ist relativ abgeschlossen in Inhalt, gramm. Struktur und Intonation. Ein Satz antwortet oft auf die Frage: wer tut was?. a Der Satz in der Satzgliedlehre: Es gibt immer einen Handelnden und die Handlung, das was der Handelnde tut. b Der Satz in der Valenzgrammatik: Satz = eine Einheit mit einem Verb an der Spitze, von dem Mitspieler in bestimmten Rollen abhängen. So wird sehr rasch/früh ein Bild/Film im Kopf erzeugt. Er schlägt Mädchen... wir haben sofort ein Bild von Mädchen schlagenden Männern im Kopf. EU-Delegation in den Nahen ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 2 Osten aufgebrochen. Hier wissen wir erst am Schluss, was mit der EU-Delegation geschieht. Wir können uns am Anfang des Satzes kein Bild machen. aufbrechen im Sinn von "abreisen" hat Valenz 1, bindet nur einen Mitspieler obligat an sich. Das belebte Subjekt. aufbrechen im Sinn von "gewaltsam öffnen" hat Valenz 2, bindet gezwungenermassen einen zweiten Mitspieler an sich (der, der aufbricht und der, der aufgebrochen wird). 3 Satzteile können fehlen: Ellipse Eine Satzkonstituente kann eingespart werden, wenn sie aus dem Kommunikationszusammenhang erschlossen werden kann. Nimmst du noch einen Tee? – Ja gern. (Ellipse für Ja, ich nehme gerne noch einen Tee) EU-Delegation ist in den Nahen Osten. Eine solche Verkürzung ist nicht möglich. Wenn wir aber statt aufgebrochen das Wort ist weglassen, verstehen wir den Satz: EU-Delegation in den Nahen Osten aufgebrochen. Spielraum: Stilregeln können wir umstossen und den Satz noch als ‚normal’ akzeptieren. Die tiefer liegenden Sprachregeln können wir aber nie umstossen. Ohne solche Sprachregeln, zum Beispiel Satzbauregeln, gäbe es Sätze wie schwimmen wir heute gehe. Wir haben meist im Gefühl, ob ein Satz richtig ist, können aber oft nicht erklären weshalb. Wir können also die Regel anwenden und tun dies auch dauernd, die Regel ist uns aber nicht bewusst, und wir können sie auch nicht formulieren. Sätze kann man auch verbinden Gast: JEDOCH.mov ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 3 "Kritisiert wurde jedoch nicht der Inhalt des Gesetzes, sondern das Abstimmungsverfahren." Dieser Satz tut so, als ob er sich auf den vorhergehenden beziehen würde (wegen jedoch). Tut er aber nicht. Metakommunikative Bemerkungen Die Handouts sind Arbeitspapiere, keine Publikationen. Im Handout kann es Tippfehler haben. Nach Woche 12 können alle Texte redigiert von der Agenda geladen werden. An der Prüfung dürfen keine Unterlagen benützt werden. Lektionen 3 und 4 mit Aleksandra Gnach Fragen zur Morphologie Was ist Konversion, was ist Flexion? Bei der Konversion ändert die Wortart, z.B. Nomen wird zu Verb. Bei der Flexion ändert nur die Wortform. Wir mach-en lM+gM Du mach-st lM+gM Er mach-t lM+gM Flexion. Nur die Wortform ändert. Die Wortart bleibt dieselbe, immer ein Verb. Übungstest Frage 1 Bei "zuständige" spricht man nicht ein z, sondern ein ts, wenn man ganz genau hinhört. Darum: gesprochen total 7 Konsonanten (t, s, sch, t, d, n, g) ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 4 geschrieben total 6 Konsonanten (z, s, t, n, d, g) Im Deutschen wird das Schriftzeichen z immer als zwei Konsonanten ausgesprochen, als ts. Bei pfeifen hören wir am Wortanfang das p und das f. Wir hören nicht "feifen". Es sind also gesamthaft 4 gesprochene und 4 geschriebene Konsonanten (p, f, f, n) . Bei Schluss haben wir 6 geschriebene Konsonanten (s, c, h, l, s, s, ) und 3 gesprochene Konsonanten (sch, l, ss= langes s) Bei "Sturm" haben wir 4 geschriebene Konsonanten (s, t, r, m) und 4 gesprochene Konsonanten (sch, t, r, m) Frage 2 Richtige Antworten: A, C, D Type ist abstrakt, Token ist realisiert (Im Fall vom Phonem heisst realisieren aussprechen). Wichtig: bedeutungsunterscheidend sind Phoneme, bedeutungstragend sind Morpheme! Ein Phon ist nicht bedeutungsunterscheidend, nur das Phonem. Wenn ein Phon bedeutungsunterscheidend wäre, würde "Birne" mit verschieden ausgesprochenen "i" jeweils etwas anderes bedeuten. Frage 3 Richtige Antwort: D "kein" und "mein" unterscheiden sich durch die Phoneme "k" und "m" Frage 4 Richtige Antwort: D Lexem ist eine Wortform, die im Lexikon steht. Wir finden im Lexikon aber nicht Straf, sondern Strafe, strafen, usw. ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 5 Frage 5 Richtige Anwort: C Jugend-anwalt-schaft-en lM+lM+gM+gM Jugend+anwalt = Komposition Jugendanwalt+schaft = Derivation (die Wortform bleibt, Jugendanwalt und Jugendanwaltschaft sind beide Nomen) Jugendanwaltschaft+en = Flexion (Plural) Anmerkung: anwalt kann auch weiter zerlegt werden, in {an-}gM und {walt}lM, bedeutet. Das was einen Beispiel zusätzlichen ist Wortbildungsprozess verfänglich, das kommt in den bewerteten Tests nicht vor. Frage 6 Richtige Antwort: D Syntax Wichtig ist die Abgrenzung zwischen Satzgliedern und Wortarten. Wortarten, wie beispielsweise Verb, Nomen oder Adjektiv sind kategoriale Grössen. Das heisst, sie werden aufgrund von bestimmten Merkmalen, Merkmalen die sie immer tragen, einer Kategorie zugeordnet. Satzglieder sind relationale Grösse. Das bedeutet dass sie durch die Beziehung, die sie zu den anderen Teilen des Satzes haben, bestimmt werden. Beispiel für kategoriale/relationale Merkmale: ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 6 Ein Mensch kann weiblich sein und ein bestimmtes Alter haben. Diese Merkmale hat dieser Mensch immer, es sind kategoriale Merkmale. Andere Merkmale dieses Menschen können sein Ehefrau, Tochter oder Bekannte. Solche Merkmale sind relational, d.h. sie sind abhängig von der Beziehung oder Situation in der sich dieser Mensch gerade befindet. Ähnlich ist es mit Wortarten und Satzgliedern: das Wort "Frau" ist immer ein Nomen, es kann aber in einem Satz mal Subjekt, mal Objekt sein: Die Frau küsst (Frau = Subjekt) Er küsst die Frau (Frau = Objekt) Übung: KOMMENTAR, der Bund 263, 11. November 2003 Erster Satz: Verschiebeprobe, um die Grenzen der Satzglieder zu ermitteln. Satzglieder sind diejenigen Satzteile, die beim Verschieben nicht getrennt werden können. • Ende 2005 bekommt Bern, was Burgdorf schon eine ganze Weile hat: eine Begegnungszone. • Bern bekommt, Ende 2005, was Burgdorf schon eine ganze Weile hat: eine Begegnungszone. • Was Burgdorf schon eine ganze Weile hat, eine Begegnungszone, bekommt Bern Ende 2005. • Bekommt Bern, Ende 2005, was Burgdorf schon eine ganze Weile hat: eine Begegnungszone? • Was Burgdorf schon eine ganze Weile hat, bekommt Bern Ende 2005: eine Begegnungszone. Usw. Aus der Verschiebeprobe ergeben sich folgende Satzglieder: ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 7 Bern / bekommt / Ende 2005 / was Burgdorf schon eine ganze Weile hat / eine Begegnungszone Wenn man die Satzglieder durch das Vertauschen abgegrenzt hat, kann man sie mit Hilfe von Hilfsfragen bestimmen (analytisches Verfahren): Wer bekommt eine Begegnungszone? Bern = Subjekt Was tut Bern? bekommt = Prädikat Ende 2005 ist ein weiteres Satzglied, ein Adverbiale der Zeit (müssen wir nicht können). was Burgdorf schon eine ganze Weile hat ist ein eigener Satz mit Subjekt und Prädikat, der in den anderen Satz eingeschoben werden kann. Nicht nur Wörter, sondern Sätze (Nebensätze) können also Satzgliedfunktionen erfüllen. Ein Beispiel für einen Satz in der Funktion des Subjekts: Wer kein Auto besitzt lebt gesünder. Subjekt: Wer kein Auto besitzt, weil: Wenn wir fragen Wer lebt gesund? Kann die Antwort nicht "wer" heissen, sondern "wer kein Auto besitzt". Zweiter Satz Arbeitstext "Kommentar Bund" Prädikat: kann sein (Prädikatsklammer) Die Stelle des Prädikats kann immer nur von einem Verb eingenommen werden. Das Prädikat kann aber aus mehreren Teilen bestehen: ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 8 Ich lade sie zum Essen ein. (ein ist die diskontinuierliche Konstituente von einladen) Ich muss heute arbeiten Ich werde diesen Text nicht lesen müssen. Metakommunikative Bemerkung Für die Prüfung müssen Subjekt und Prädikat bestimmt werden können. Hausaufgaben In der Vorlesung ML 05 ist Prüfung über A1 Laut, A2 Wort, A3 Satz. ¸ Zürcher Hochschule Winterthur | Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM | Medienlinguistik | Prof. Dr. Daniel Perrin | 2003-11-12 Seite 9