Buddha und Jesus

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XI. Gott und Götter
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XI. Gott und Götter
Buddha und Jesus glaubten an die Götter ihrer Zeit und ihrer Religion.
Buddha lebte in der indischen Welt von tausenden Göttern. Die Götter haben die
Welt und die unzähligen Welten vorher erschaffen. Es gibt gute und böse Götter, in
den Legenden und Predigten Buddhas wird Mara erwähnt, der Versucher und Todbringer. Er versuchte, Buddha an seiner Erleuchtung zu hindern. Der wohlgesonnene
Schlangengott Mucalinda dagegen schützte Buddha während seiner Meditation bei
einem heftigen Gewitter mit seinem Leib. Der Gott Brahma-Sahampati schließlich redete Buddha zu, die Lehre der Erleuchtung nicht für sich zu behalten, sondern sie
unter den Menschen zu verbreiten.
Die Götter greifen in das Geschick der Menschen ein, helfen ihnen oder bring en ihnen Unglück. Aber eines können sie nicht: Sie können die Menschen nicht aus dem
Kreislauf der Wiedergeburten retten.
„Ich selber weiß es nicht, nicht hab’ ich davon Kenntnis.“
(Sutta-Nipata, S.204, Nr.989).
Die Götter wissen nicht den Ausweg aus dem Samsara, sie unterliegen selbst dem
Kreislauf der Wiedergeburten, sie sind zeitlich und vergänglich. Auch die Götter verbrauchen ihr angesammeltes gutes Karma und müssen auf tiefere Stufen hinab, werden wiedergeboren als Tier oder Mensch und müssen von neuem den mühevollen
Weg des Aufstiegs in die Götterwelt auf sich nehmen und sind dann immer noch
nicht am Ziel, der Erlösung, angelangt.
„Und wer nun hat auf diesem Erdenrund das Wissen…?
Das wolle künden mir, o Göttin!“
„Der Weltenherr ist ausgegangen von jener Stadt, Kapilavatthu heißend,
Vom Königs-Stamm Okkakas stammt er ab, der Sakyer-Sohn, der uns das
Licht gebracht.“ (Sutta-Nipata, S.204, Nr.990f).
Allein Buddha fand den Weg zur Erlösung. Deshalb kann der Buddhismus im Blick
auf die Erlösung ohne Götter auskommen. Im Kern ist der Buddhismus, in seiner
strengen, alten Form, ein Denken und eine Praxis ohne Gott. Jeder einzelne gewinnt
die Erlösung für sich aus eigener Kraft, durch Meditation, durch Zügelung der Sinne
und des „Durstes“ und durch ethisches Verhalten. Götter helfen dabei nicht, sie haben dafür keine Bedeutung.
„Und er (der den achtfachen Pfad geht) verharrt ungestützt, und von nichts in
der Welt ist er abhängig.“
(Mylius 132, Nr.2; Mahasatipatthana-Suttanta)
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Die buddhistische Praxis, die ohne Götter auskommt, ist kein moderner, europäischer Atheismus. Bei ihm handelt es sich um eine andere Form der Gottlosigkeit:
Der europäische Atheismus ist eine philosophisch begründete Weltanschauung. Er
erklärt die Welt ausdrücklich ohne Gott und wendet sich aggressiv gegen jeden religiösen Glauben an Gott oder Götter. Der buddhistische „Atheismus“ erkennt die Göt ter an, nur sind sie nicht allmächtig und können zum Werk der Erlösung nichts beitragen.
Soweit im strengeren, alten Buddhismus, dem Hinayana- oder Theravada-Buddhismus. Im Mahayana-Buddhismus hingegen wurde Buddha selbst zu einem Gott, und
damit spielen dort Götter eine andere Rolle. Darüber etwas mehr in dem Kapitel
„Sangha und Kirche“.
Jesus
In Jesu Frömmigkeit kommt Gott dagegen eine tragende Bedeutung zu. Jesu Glauben an Gott entstammt der jüdischen Vorstellung. Es ist der eine Gott, der die Welt
erschaffen hat und alle Dinge und alle Wesen umsorgt und erhält. Es ist keineswegs
der grausame Rachegott, den gibt es im Alten Testament so nicht, der ist vielmehr
eine Erfindung des liberalen, antisemitisch eingestellten Bürgertums des 19.Jhs.,
eine Verleumdung, beruhend wie üblich auf Unkenntnis und Überheblichkeit.
Der Gott, von dem Jesus redet, ist am besten beschrieben in Psalm 103:
„Lobe den Herrn, meine Seele…und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
Der dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen…
Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.
Er wird nicht immer hadern, noch ewig zürnen…“
Oder:
„So wahr ich lebe, spricht der Herr, ich habe kein Gefallen am Tod des Gott losen, sondern daran, dass er seine bösen Wege verlässt und umkehrt und
am Leben bleibt.“ (Ezechiel 33,11 u.ö.)
Die Bezeichnung Gottes als „Vater“ war im Judentum zur Zeit Jesu üblich, sie war
nicht Jesu Schöpfung, sondern er übernahm sie nur. Jedoch betonte er in der Aus einandersetzung mit frommen, gesetzesstrengen Kreisen die viel umfasssendere,
unermessliche Güte des göttlichen Vaters und seine Bereitschaft zu verzeihen (Lk
15). Die Bereitschaft Gottes, den reuigen Sünder wieder anzunehmen, greift weiter
als das Gesetz der Gerechtigkeit. Freilich verkündigte Jesus nicht einen „lieben“
Gott, der zu allen lieb ist und zu allen sagt : “Ihr seid ja so lieb!“ - und alles gutmütig
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durchgehen lässt. „Sünder“ konnte Jesus auch ermahnen, sich zu bessern, oder
auch erklären, dass Unbelehrbare „in die Finsternis hinaus gestoßen würden, wo sie
heulen und mit den Zähnen knirschen werden“.
(Es ist ein leidiges Thema und gewiss logisch nicht restlos aufzulösen.
Trotzdem gilt einiges: Mit Gesetzen kann man Menschen übel knebeln. In
der religiösen Diskussion geht es aber um etwas anderes, hier wird der Wider spruch zwischen dem Gesetzes-Ideal, Gerechtigkeit, Strafe einerseits und
Gnade bzw. Vergebung andererseits ausgetragen. „Das Gesetz“ stammt von
Gott, und Gott ordnet durch das Gesetz Strafe an. Er tut es um des geschädigten Schwachen willen, um den Schwachen zu schützen und ihm Genugtuung zu verschaffen, aber nicht um Rache zu nehmen: „Gott erhebt sich zum
Gericht, um den Elenden auf der Erde zu helfen.“ Psalm 76,10. Denn Sadisten, Räuber und Mörder tummeln sich durchaus auf der Erde, und Geschlagene, Geschändete, Getretene gibt es ebenso in großer Zahl, denen niemand
hilft. Das Erbarmen mit dem „Sünder“, das Jesus vertrat und ebenso an zahlreichen Stellen im Alten Testament ausgesprochen ist, steht erst am Ende
eines langen Weges, zu dem unter anderem Einsicht, Besserung und Sühne
gehören.)
Man kann versuchen, Jesu Botschaft auch ohne Gott zu verstehen, also aus ihr das
herauszuschälen, was auch dann bleibt, wenn man vom Glauben an Gott absieht.
Dieser Versuch beruht nicht auf Willkür, sondern ergibt sich aus der Entwicklung des
abendländischen Denkens. Es geht auch nicht darum, dass Jesus oder das Christentum immer Recht haben müssen und sie durch alle Veränderungen der Zeit bewahren zu wollen. Vielmehr sind wir überzeugt, dass in Jesu Botschaft eine wertvolle
Wahrheit enthalten ist, die es lohnt, sie weiter zu führen.
Von Jesus selbst bliebe zunächst sein Schicksal, der Tod eines Unschuldigen. In ihm
können wir ein Vorbild dafür sehen, zu sich selbst, zu seiner Überzeugung zu stehen,
auch wenn es Nachteile bringt. Jesu Sterben wird zum Beispiel für alle, die unschuldig leiden müssen. Der Blick auf sein Geschick kann helfen, Mitgefühl und Achtung
vor Schwächeren und Wehrlosen zu entwickeln. Nietzsche machte sich darüber lustig und schüttete Schalen grimmigen Hasses über das christliche Mitleid mit den
Unterlegenen aus, aber er irrte zutiefst. Die Zeit von 1914 – 1945 enthüllte, was sich
in der Verherrlichung und im Recht des Stärkeren verbirgt, – „dynamisch, kontaktfreudig, erfolgsorientiert“ heißt es heute. Nachher konnte Nietzsche „froh“ sein, dass
ihn jemand versorgte.
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Von der Botschaft Jesu bliebe das Vertrauen – zwar auf keine göttliche Person, auf
niemand Bestimmtes. Stattdessen stände die Haltung eines gefassten Vertrauens in
sich selbst, die Überzeugung, im Leben einen Platz zu haben, einen angenehmen
oder einen kummervollen; in der gesetzten Lebenszeit „Liebes oder Leides“ anzunehmen, wie es kommt. Nicht dauernd unzufrieden zu sein, zu nörgeln, zu maulen,
immer nur haben zu wollen; auf andere nicht neidisch zu sein, anderen nicht Hab und
Gut, Leib und Leben wegnehmen zu wollen. Eine Haltung, die in sich gegründet, ruhig, offen und mitfühlend ist. Dieses Vertrauen hält auch im Leid stand und lebt aus
der Hoffnung, dass das Leben sich auch zum Guten wenden kann. Eine solche Einstellung zum Leben lässt sich tatsächlich überall antreffen, auch außerhalb des Christentums und außerhalb der Religionen. Gleichwohl bleibt, dass das Vertrauen auf
„Gott“ vieles leichter macht und leichter erklären lässt.
„Jesus nimmt in meinem Herzen den Platz eines großen Menschheitslehrers
ein, die mein Leben beträchtlich beeinflusst haben. Ich sage den Hindus, dass
ihr Leben un-vollkommen sein wird, wenn sie nicht auch ehrfürchtig die Lehre
Jesu studieren. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass, wer die Lehren
anderer Religionen ehrfürchtig studiert – ganz gleich, zu welchem Glauben er
sich selbst bekennt -, sein Herz weitet und nicht verengt.
Die Botschaft Jesu ist in der Bergpredigt enthalten, ganz und
unverfälscht…Wenn nur die Bergpredigt und meine Auslegung davon vor mir
läge, würde ich nicht zögern zu sagen: ‚Ja, ich bin ein Christ.’“
(M. Gandhi, Freiheit ohne Gewalt. Köln 1968. In: Der Mann aus Nazareth,
Jesus Christus. Oberstufe Religion 7)
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