Vernissage-Ansprache von Wolfgang Bortlik

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Vernissage-Ansprache von Wolfgang Bortlik
zur Eröffnung der Ausstellung «Düdül Steiner – Götter zu Gast»
Kunstmuseum Olten, 27. November 2010
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Meine Damen und Herren
Ich darf Sie auch herzlich begrüssen. Ich freue mich und bin geehrt und gebauchpinselt, die
Ausstellung von Eduard Düdül Steiner mit meiner kleinen Rede eröffnen zu dürfen.
Es sind harte Zeiten.
Bei uns geht es ja noch, aber Griechenland steckt in einer schweren Krise. In einer
Wirtschaftskrise. Und die griechische Götterwelt ist darob in heller Panik. Ihre Existenz als
Götter ist bedroht, denn Existenz bedeutet heute ja nur noch: einen Job haben.
Also müssen sich Zeus und Co. einen Job suchen, sie werden sozusagen vom Olymp
ausgeschafft. Sie müssen sich ein neues Tätigkeitsfeld suchen. Und wo wird der Job, der
Beruf, die Tätigkeit, der homo faber, der Schaffer, der Chrampfer mehr verehrt als in der
Schweiz.
Also kommen die Götter zu uns in die Schweiz.
Zeus, der Herr der Blitze, arbeitet jetzt hier als patenter Elektriker für alle Fälle. Der
Götterbote Hermes ist selbstverständlich bei der Post. Bei der A-Post!
Dionysos arbeitet als Kellner und schwört, nie betrunken im Dienst zu sein, auch wenn er bei
seiner beruflichen Tätigkeit arg behindert wird. Sein Gefolge aus Satyrn, Mänaden und
Nymphen tanzt ihm nämlich ständig ums linke Bein herum. Ein bisschen schwierig für einen,
der im Service arbeitet.
Helios schliesslich, der Sonnengott, hat laut Homer seit jeher eine Affinität zu Rindern und
macht deswegen eine Alpkäserei auf. Er ist einer der wenigen, die das Geheimnis der
Appenzeller Kräutersulz kennen.
Das Götterproblem ist gelöst, ganz praktisch, ganz ohne Theodizee und SVP.
Gelöst nach Düdüls Art.
Auf so eine Geschichte, so eine Idee kann nur Düdül kommen!
Und niemand anderes als Düdül kann so eine Idee auch so optimal in Bild und Text
umsetzen.
Aber nicht nur die Götter, auch die Musen, die Töchter des Zeus, suchen eine neue Existenz,
sprich: einen Job.
Kalliope, die Muse der epischen Dichtung und der Philosophie, wird von ihrem Buchhalter
angehalten, zum Lebensunterhalte Hemden zu bügeln.
Melpomene, die Tragödin, strickt schwarze Strümpfe.
Thalia, die vom Theater kommt, mischt ihren guten frischen Maskensalat.
Euterpe, zuständig für Tonkunst und lyrische Poesie, hat eine neue Existenz als Gärtnerin.
Und Klio, verantwortlich für die Geschichtsschreibung, ist Wäscherin geworden,
wahrscheinlich im Aargauischen Staatsarchiv.
Erato, die Muse der Liebeslyrik, die wir alle aus dem Kreuzworträtsel her kennen, hat Düdül
merkwürdigerweise vernachlässigt.
Wolfgang Bortlik, Vernissage-Ansprache «Düdül Steiner – Götter zu Gast», KMO, 27.11.2010, Seite 1 von 2
Neben der offiziellen Mythologie gibt es in dieser Ausstellung auch noch Düdüls
Privatmythologie.
Ihnen wird der Kopf surren, wenn Sie in diesen drei Räumen im Erdgeschoss des Oltener
Kunstmuseums herumgehen und Düdüls aus allen Nähten der Fantasie platzendes
Universum betrachten können: Götter, Dämonen, Halbgötter und Halbhelden, Musen,
Allegorien, schöne Damen, Erfinder, Wortspiele und Trugbilder, Sinnbilder und Schlaufen,
beseelte Natur und Nature morte.
Sie werden dabei etwas über Dämonen lernen, die im Gegensatz zu den Göttern keine
Existenz brauchen. Deswegen kann man sie nicht fotografieren, sondern nur mit Malerei
abbilden. Düdül sei dank, tut er das für uns.
Mir hat er auch noch gesagt, dass er für Olten extra ein bisschen wie Martin Disteli
gezeichnet und gemalt hat.
Ein paar biografische Daten:
Eduard Steiner, genannt Düdül, ist 1932 im Berner Oberland geboren. Mit 16 Jahren
bestreitet er das vorbereitende Jahr an der Kunstgewerbeschule Zürich und von 1949 bis
1952 ist er in der Grafikklasse bei Ernst Keller. Düdül geht aber noch vor dem Diplom von
der Schule ab, denn der gestrenge Grafiker Keller ist in seiner visuellen Reduziertheit und
Strenge nicht nach Düdüls eher barockem und radikal unmodernem Geschmack.
Von 1952 bis 1955 macht Düdül eine Lithographenlehre, er ist das Schlusslicht der ehedem
bedeutsamen Aarauer Lithographengilde. Danach arbeitet er als Grafiker. Er entwirft
Weinetiketten, bewegt sich in der Nähe der Künstlergruppe Ziegelrain und ist in Aarau eine
lebende Legende, nicht zuletzt wegen seiner Tätigkeit für den «Alpenzeiger».
Ganz hinten, da im Eck, sind noch ein paar Hefte dieses «Alpenzeigers» ausgestellt. Das
war eine sogenannte Alternativzeitschrift, für die zu schreiben ich auch die Ehre hatte.
Düdüls Beiträge, zumeist direkt auf die Druckmatritze gezeichnet und also im Original nicht
mehr vorhanden, waren stets das Substantiellste im Blatt.
Seine beiden Freisinnigen Brüder Schrey – Schrey mit Ypsilon und der Feinsinnigere der
beiden heisst Schrey-Negligé. Diese beiden so gegensätzlichen Brüder sind die Titelhelden
des Liberalbums, einer gross angelegten Geschichte des Liberalismus und seines geistigen
Erbes im Kanton Aargau.
Bücher liegen auf
Kurzum, Düdül ist ein grosser Phantast, ein Allegoriker, ein umfassend gebildeter
Privatgelehrter, dessen Vielfalt an Wissen ich immer wieder nur bewundern kann. Und Düdül
ist ein geistreicher Spötter und ein grossartiger Dichter.
Gerade ich als Mann des Wortes muss das hier in aller Deutlichkeit betonen: Düdül ist ein
begnadeter Lyriker. Er beherrscht Versbau und Versmass, er schafft wunderbare Reime, so
akkurat wie Melpomene die schwarzen Strümpfe strickt oder Kalliope ihre Hemden bügelt.
Zugleich ist der Inhalt seiner Gedichte, seiner Oden und Elegien, aber von bacchantischer
Ausschweifung beseelt.
Insofern möchte ich Sie noch auf dieses Breitfomat hier an der Wand hinweisen, auf dem Sie
eine breite Palette an allegorischen Figuren sehen, neben den Brüdern Schrey etwa den
Flügelstürmer, ein Bild gewordenes Wort. Ausserdem beinhaltet das Gemälde
schlussendlich auch eine politische Forderung: Das Füllhorn muss ausgeschüttet werden,
mehr Geld muss her, für Bildung, Kultur und Sport!
Dem kann ich mich nur anschliessen!
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit Düdüls Bildern und Texten.
Wolfgang Bortlik, Vernissage-Ansprache «Düdül Steiner – Götter zu Gast», KMO, 27.11.2010, Seite 2 von 2
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