Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 139. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 24. Januar 2008 (A) Plenarprotokoll 16/139 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 139. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 24. Januar 2008 1 Sie machen immerhin 1,4 Milliarden Hektar, also (C) ein Drittel der Gesamtwaldfläche, aus. Hinzu kommen die tropischen Regenwälder – in der Debatte wird immer wieder über sie gesprochen – in Mittel- und Südamerika, in Westund Zentralafrika sowie in Südostasien. 1950 schätzte man die Flächengröße der tropischen Regenwälder auf 16 bis 17 Millionen Quadratkilometer. 1982 ergaben die Schätzungen eine Fläche von 9,5 Millionen Quadratkilometern. Drei Jahre später betrug die Fläche 1 Million Quadratkilometer weniger. So ging es immer weiter bergab. Wald ist der größte CO2-Speicher, insbesondere aufgrund der hohen Produktivität der Tropenwälder. Der Wald ist das größte Landökosystem mit der größten Artenvielfalt. Allein im tropischen Regenwald leben zwei Drittel der landgebundenen Arten. Das sind gute Gründe, die Waldökosysteme zu schützen und sie, wenn man sie nutzt, nachhaltig zu bewirtschaften. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (B) Den Klimawandel wirksam durch Urwaldschutz bekämpfen – Agrarüberschüsse in den Erhalt der Urwälder investieren – Drucksache 16/7710 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Ihnen heute einen Antrag vorgelegt, der darauf abzielt, die Agrarüberschüsse der EU dem Urwaldschutzprogramm der Weltbank zum Teil zur Verfügung zu stellen. Das ist nicht einfach nur eine gute grüne Idee, sondern wichtig und begründet. Es gibt einen Sachzusammenhang. Ich will Ihnen gerne erläutern, warum ich das so sehe. Unser Planet ist zu etwa 30 Prozent mit Wald bedeckt. Das entspricht knapp 4 Milliarden Hektar. Die ausgedehntesten Waldgebiete sind die borealen Wälder in Finnland, Sibirien und Kanada. Die Waldvernichtung, der Raubbau am Wald, hält an, trotz früher Erkenntnisse; ich erinnere an die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ und an den Bericht „Schutz der tropischen Wälder“ von 1990. Die Hauptursachen für die Waldvernichtung sind der illegale Holzeinschlag und die Umwandlung in Acker- und Weideflächen. Zurzeit befinden sich 1,4 Milliarden (D) Hektar rechtmäßig unter dem Pflug. Die Flächenreserve in Nord- und Lateinamerika beträgt 5 Prozent und ist damit sehr gering. Der Druck auf die Fläche ist ungeheuer groß. Ich verweise auf den Artikel von Emilio Rappold, der heute von dpa veröffentlicht wurde: „Gier nach Fleisch und Soja tötet den Amazonas-Urwald in Rekordtempo.“ Man muss die Waldvernichtung verhindern. Aber wie? Erstens. Wir haben ein Urwaldschutzgesetz vorgelegt, um den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz zu verbieten. Die Umsetzung wäre ein Weg gewesen, Waldvernichtung zu verhindern. Sie haben das abgelehnt. Eine entsprechende Regelung fehlt noch immer. Zweitens. Waldvernichtung kann verhindert werden durch Unterschutzstellung, also durch die Schaffung von Nationalparks mit Nutzungseinschränkungen bzw. -verboten. Weltweit gibt es in rund 120 Ländern mehr als 2 200 Nationalparks. Ich möchte einen Vergleich anstellen: Deutschland hat 2,6 Prozent des Bundesgebietes unter Schutz gestellt und 13 Nationalparks geschaffen. In Kanada gibt es immerhin 43 Nationalparks. Das arme Tansania hat ein Viertel der Landesfläche unter Schutz gestellt. Brasilien hat Ende 2006 das größte 2 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 139. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 24. Januar 2008 (A) Urwaldschutzgebiet der Erde geschaffen; es umfasst 16 Millio-nen Hektar und ist damit fast halb so groß wie Deutschland. Der gewaltige Nutzungsdruck auf die Fläche erfordert aber nicht nur die Ausweisung von Schutzgebieten, sondern auch deren Sicherung. Wälder müssen nachgeforstet und neu begründet werden. Es müssen finanzielle Anreize für die Flächenbesitzer geschaffen werden, damit der Raubbau eingedämmt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dafür brauchen diese armen Länder Geld. Es ist nur gerecht, dass die Industrieländer als Beitrag zum internationalen Klimaund Biodiversitätsschutz gewisse Kompensationszahlungen an diese Länder leisten; denn die Industrieländer verschmutzen die Umwelt, sie importieren Futter und andere Agrarprodukte in einer Größenordnung, die den Druck auf die Flächen weiter erhöht, und sie selbst haben kaum noch Urwälder. Ich erinnere daran, dass es in Deutschland keine Urwälder mehr gibt und nur 2,6 Prozent der Fläche unter Schutz gestellt sind. Wenn Sie sich fragen, warum gerade nicht verbrauchte Haushaltsmittel der Agrarpolitik dafür verwendet werden sollen, dann möchte ich auf den folgenden Sachzusammenhang verweisen: 10 Prozent der Treibhausgasemissionen, die die (B) globale Erwärmung antreiben, kommen aus der (C) Landwirtschaft. Es muss alles dafür getan werden, dass die globale Erwärmung unter 2 Grad bleibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es muss alles dafür getan werden, dass die Artenvielfalt nicht weiter so rasant abnimmt. Jeder muss dazu den Beitrag leisten, den er zu tragen imstande ist. Die EU kann leisten, was wir in unserem Antrag gefordert haben, nämlich 200 Millionen Euro – – Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Behm, diese Erläuterung müssen wir auf die nächste Beratung verschieben. Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. – Die EU kann der Forest Carbon Partnership Facility 200 Millionen Euro Restmittel aus dem Agrarhaushalt 2007 zur Verfügung stellen; denn so besteht immerhin die Chance, dass die ärmeren Länder mit ihrem großen Reichtum an Urwäldern ihren Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (D)