Universität Regensburg Institut für Geschichte Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte Übung: Staatsexamensthemen aus der Bayerischen Geschichte WS 2012/ 13 Dozent: Dr. Georg Köglmeier Referentin: Johanna Bauer 06.11.2012 Bayern in der Ära Montgelas (1799 – 1817) 1. Stellung Bayerns 1799 Teil des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation Kaiser Franz II (Habsburger) Bayern ist Kurfürstentum, der bayerische Kurfürst regiert in Altbayern (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz), aber Teile links des Rheins (Pfalz und Berg) von Frankreich annektiert kein geschlossenes Staatsgebiet (Reichsstädte, Hochstifte, Reichsabteien, Grafschaften) seit 1180 Herrschaftsfamilie der Wittelsbacher, stirbt 1777 aus (Max III Joseph) 1799 stirbt Karl Theodor (Pfälzer Linie) ohne legitimen Erben Nachfolger: Fürst Max IV Joseph aus der Linie Pfalz- Zweibrücken- Birkenfeld Kurfürst von Pfalz- Bayern, ab 1806 König 2. kurze Biographie 2.1 Maximilian IV. Joseph (1756 – 1825) 1756 in Mannheim geboren (Linie: Pfalz- Zweibrücken- Birkenfeld) Teil der Kindheit und Jugend in Frankreich 1795: Herzog von Zweibrücken 1799: unvorhergesehener Erbe des Kurfürstentums Pfalz- Bayern 1806: Erhebung zum König Maximilian I. Joseph Lässt Montgelas seine Politik durchführen 2.2 Maximilian Joseph Freiherr von Montgelas (1759-1838) 1759 in München geboren von Aufklärung geprägt Jurastudium Zugehörigkeit zum Geheimbund der Illuminaten 1786: auf dem Hof von Herzog Karl von Zweibrücken 1796: Ernennung zum Geheimrat unter Herzog Maximilian IV. Joseph Entstehung der Ansbacher Memoire 1799 – 1817: Außenminister 1803 – 1806: Finanzminister 1806 – 1817: Innenminister 1809: Erhebung in den Grafenstand 1816: gesundheitliche Krise → Vorwurf er könnte nicht mehr arbeiten → Putsch durch Gegner (Wrede und Zenter) → überreden König Max I. Joseph Montgelas zu entlassen (02.02.1817) 1 3. Außenpolitische und territoriale Entwicklung von 1792 – 1816 3.1 Die Ausgangslage Erster Koalitionskrieg 1792 – 1797: Frankreich gegen Österreich, röm. Reich dt. Nation, Holland u.a. o Frankreich gewinnt linksrheinische Gebiete 1797: Friede von Campo Formio zwischen Österreich und Frankreich 1799: Kongress von Raststatt zwischen Frankreich und dem Reich 3.2 Montgelas als Außenminister Zweiter Koalitionskrieg 1799 – 1801: Frankreich gegen Russland, England, Österreich o Bayern auf Österreichischer Seite, aber Überlegungen Seite zu wechseln o Bayern für Frankeich interessant, da Bayern an der österreichischen Grenze liegt o Frankreich besitzt linksrheinische Gebiete → bedroht rechtsrheinische Pfalz 1801 Friede von Lunéville zwischen Frankreich und Kaiser Franz (dt. Reich und Österreich) o Anerkennung der Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich o Abkommen zwischen Bayern und Frankreich: Bayern soll für die linksrheinischen Verluste geistliche Territorien bekommen → 25.02.1803 Reichsdeputationshauptschluss o Säkularisation (geistliche Territorien werden aufgelöst, Fürsten enteignet) o Mediatisierung (Mittelbar machen: Staaten, die Reichunmittelbar waren, sollten in einen Staat eingegliedert werden) Montgelas rät Maximilian IV. Joseph zu einem Bündnis mit Frankreich, da Österreich eher eine Einverleibung Bayerns anstrebt → 1805: Vertrag von Bogenhausen zwischen Frankreich und Bayern o Geheimes Schutz- und Trutzbündnis o Erst spät ratifiziert, erst als die österreichischen Truppen schon einige bayerische Gebiete besetzt hatten → bayerische und französische Truppen vereint Dritter Koalitionskrieg 1805: Frankreich gegen Großbritannien, Russland, Österreich mit Bayern als Bündnispartner o Bayern wurde besetzt und durch französische Siege befreit o „Dreikaiserschlacht“ (Napoleon, Franz I von Österreich, Zar Alexander I) bei Austerlitz → Frankreich siegt Friede von Pressburg: o Österreich muss Gebiete abtreten o Bayern und Württemberg erhalten Königswürde 01.01.1806 Proklamation Bayerns zum Königreich o Maximilian IV. Joseph wird König Maximilian I. Joseph o erhält Souveränität → mehr Rechte o Besiegelung der Verbindung zwischen Bayern und Frankreich durch Eheschließung: Eugene Beauharnais (Adoptivsohn Napoleons) und älteste 2 Tochter von Maximilian I. Joseph (auch Legitimation für Napoleon → standesgemäße Verbindung mit einer alten Dynastie) 12. Juli 1806 Rheinbundakte (Bayern und 15 weitere Staaten unterzeichnen) o neues Bündnissystem parallel zum Reich o Napoleon als Schutzherr, sichert sich militärische Unterstützung o Mitglieder souverän, aber eingeschränkt → Mitglieder müssen aus dem Reich austreten → Kaiser Franz II tritt zurück (Napoleon droht mit Krieg) → 6. August 1806 Ende des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation o besteht bis 1813 (Sturz Napoleons) Vierter Koalitionskrieg 1806/07: Frankreich, Mitglieder des Rheinbundes gegen Preußen und Russland o Oktober 1806 Doppelschlacht von Jena und Auerstett → Preußen verliert viele Gebiete Fünfter Koalitionskrieg April 1809 o Österreich beginnt Aufstand gegen Frankreich, marschiert in Bayern ein o Österreich will Bayern befreien, aber Bayern kämpft gegen Österreich o 1810 Bayern bekommt Salzburg und Regensburg Friede von Schönbrunn o Österreich verliert viele Gebiete und Großmachtstellung wie zuvor Preußen Spannungen zwischen Bayern und Frankreich ab 1810 o Kontinentalsperre Napoleons (gegen England) → wirtschaftliche Nachteile für Bayern o 1812 Russlandfeldzug Napoleons: Bayern musste viele Soldaten schicken → Napoleon verliert, viele Verluste für Bayern→ Bayern will sich von Frankreich lösen o Verhandlungen Max I. Joseph und Montgelas mit Metternich (Österreich) 08.10.1813 Vertrag von Ried o Bayern tritt aus dem Rheinbund aus o Stellt sich auf österreichische Seite (Max I. Joseph zögert anfangs, Montgelas drängt zu Bündniswechsel) o Österreich garantiert Besitzstand und Souveränität Bayerns und Entschädigungen bei Gebietsverlusten o Völkerschlacht bei Leipzig → Napoleon verliert ohne Bayern → Napoleon muss abdanken 1814/15 Wiener Kongress (Neuordnung Europas) o Großmächte (Russland, Großbritannien, Österreich, Preußen) versammeln sich → Bayern hat untergeordnete Rolle o Deutsche Staaten schließen sich zu deutschen Bund zusammen unter österreichischer Führung (1815-1866) 1816 Münchner Vertrag o Bayern soll linksrheinische Pfalz bekommen → aber kein direkter Anschluss an Bayern → Österreich zahlt Entschädigungssumme 3 Fazit: Bayerisches Gebiet wird immer größer Rangerhöhung Bayern stand zum richtigen Zeitpunkt auf der richtigen Seite Bayern hat durch neu gewonnene Gebiete viele Schulden 4. Innenpolitische Reformen unter Montgelas 4.1 Memoire Montgelas (seit 1796 ausgearbeitetes Ansbacher Grundsatzprogramm) o o o o Politische Denkschrift für Herzog Max IV. Joseph Stark von Reformansätzen in Frankreich, Preußen und Österreich beeinflusst Unterschied zur Konstitution von 1808: Beseitigung der Landstände fehlte Missstände in der bayerischen Verwaltung sollen beseitigt werden: Neugliederung der Verwaltung Fünf Fachministerien Umbau in ein modernes Staatswesen Eine sogenannte „Revolution von oben“: aus den alten Privilegien des Adels entstand der neue moderne Staat → Ideen der Aufklärung wurden umgesetzt, Neues Staatsverständnis o Trennung von Staat und Dynastie o Unterscheidung von staatlichem Gut und Kammergut (fürstliches Gut) o Fürst ist ein Organ des Staates o Staatssouveränität/ -absolutismus → Herrschaftsmonopol des Staates: neben der staatlichen Gewalt keine anderen selbstständigen Gewalten, wie z.B.: Landstände (hatten besondere Privilegien, Mitspracherecht in der Regierung) Vertreter der Städte und Märkte (Prälaten, Ritter) 4.2 Reformen von Montgelas 4.2.1 Säkularisation (erster Schritt zur Aufhebung der Ständeverfassung) o Gründe für Aufhebung von Klöstern: Verfassungsrechtliche Gründe gegen Landstände Entlastung der Staatsfinanzen Weltanschauliche Gründe: Aufklärung: Aberglaube der Kirche, „nicht rational was Klöster machen“ o Klöster waren verfassungsrechtlich geschützt, deswegen zuerst Auflösung der Bettelorden: 1802: Aufhebung der Bettelorden o nur aus weltanschaulichen Gründen (waren nicht verfassungsrechtlich geschützt und hatten kein Geld) 1802: Aufhebung von fundierten nicht landständischen Klöstern 1803: Aufhebung der landständischen Klöster o möglich wegen Reichdeputationshauptschluss Entschädigung für verlorene Gebiete, aber Passus, dass rechtlicher Schutz für landständische Klöster wegfällt 4 Negative Folgen: o Sozial gravierende Folgen o Verarmung im Bereich Kultur, Schule und Bildung auf ländlichem Gebiet o Bibliotheken nur geringe Verluste o Nur geringer finanzieller Gewinn Positive Folgen: o Geistliche Personen konzentrieren sich mehr auf geistliche Arbeit o Gewinn von Waldbesitz o Gewinn auf wissenschaftlichem und künstlerischem Gebiet Fazit: o Montgelas war vor einer Totalsäkularisierung gewarnt worden (es gab bereits Erfahrungen aus der Französischen Revolution): Pfarreien, Schulen, etc. müssen übernommen werden der Erlös der Klostergebäude und Wirtschaftsbetriebe würde mangels einer zahlungskräftigen Käuferschicht gering ausfallen → er setzte sich über diese Warnungen hinweg, wohl aus ideologischen, klosterfeindlichen Gründen → aus rein fiskalischen Gründen wäre die Säkularisation wohl in diesem Ausmaß nicht notwendig gewesen 4.2.2 Adel (Reformen nicht so radikal wie bei den Klöstern) Adelsprivilegien werden beseitigt, jedoch bleiben obere Schichten bis 1918 gesellschaftlich einflussreich Steuerprivilegien werden abgeschafft Keine Unterschiede mehr in der Gerichtsbarkeit Patrionalgerichtsbarkeit bleibt bis 1848 bestehen (Adel ist Gerichtsherr) Verlust des Monopols auf höhere Staatsstellungen Verlust vieler Funktionen in Hof, Staat, Militär und Kirche Adelmatrikel (Liste in der Adelige vom Reichsherolenamt anerkannt werden müssen) 4.2.3 Städte und Märkte Selbstverwaltung wurde zwischen 1802 und 1808 beseitigt → verschiedene Stadt- und Marktverfassungen sollten vereinheitlicht werden Landgemeinden werden untergeordnet Es gab noch eigene Verwaltungen, aber jede wichtige Handlung musste vom Staat genehmigt werden → Zentralismus und Überbürokratisierung → ab 1818 neues Gemeindeedikt 4.2.4 Verwaltungsreform Neue leistungsfähigere Verwaltung Zentralbehörden: vier Fachministerien (Außen-, Innen-, Justiz-, Finanzministerium), ab 1808 Kriegsministerium Ministerien mit Direktorialprinzip: Minister besitzen die alleinige Entscheidungsgewalt (vorher: Kollegialbehörden) 1808: Bayern wird in Kreise (Departements) eingeteilt Bayerische Behördenstruktur: o Oberste Ebene: fünf Fachministerien o Mittlere Ebene: Generalkommissariate der Kreise → Vorgänger der Regierungsbezirke 5 o Unter Ebene: Einteilung Patrimonialgerichte (adelig) in Landgerichte (staatlich) und 4.2.5 Beamtentum 1805 Staatsdienerpragmatik o Sportel- und Beteiligungswirtschaft wird abgeschafft o Feste Besoldung und Altersvorsorge o Abschaffung von Käuflichkeit von Ämtern o Feste Einstellungsvoraussetzungen für Beamten, nicht mehr Herkunft 4.2.6 Rechtspflege 1808 Abschaffung der Folter 1808 Edikt über Gerichtsverfassung: Unabhängigkeit der Richter und Etablierung der Gerichtsbarkeit als unabhängige dritte Gewalt 1813 Zivilgesetz 4.2.7 Toleranzgesetzgebung (vorher war nur die katholische Konfession zugelassen) 1801 Niederlassungsfreiheit für Protestanten 1803 Religionsedikt: Parität für Protestanten und Katholiken 1809 Religionsedikt: o Parität auch für Calvinisten, bedeutet staatlicher Schutz, Unterstützung und privilegierte Stellung o Private Religionsgemeinschaften bekamen staatliche Genehmigung mit eingeschränkten Rechten (Israeliten) o Nichtgenehmigte Religionsgemeinschaften besaßen nur Recht der Hausandacht (Sekten) 1813 Judenedikt o Bekommen Bürgerrechte, aber keine rechtliche Gleichstellung o Wurden in Matrikelbücher eingetragen, aber nur beschränkte Plätze, die ohne Platz müssen auswandern 4.2.8 weitere Reformen Pressefreiheit 1805 allgemeine Wehrpflicht Vereinheitlichung der wirtschaftlichen Einrichtungen Allmähliche Aufhebung der Zünfte → Gewerbefreiheit 4.3 Konstitution von 1808 (inhaltliche Zusammenfassung der seit 1799 durchgeführten Reformen Montgelas) Erste geschriebene Verfassung Bayerns, als Provisorium verkündet und nicht vollständig realisiert, da man die Souveränität behalten will Verfassung wurde nach dem Vorbild des Königreiches Westfalen verfasst Inhalte: o Einheitliches Staatsrecht o Abschaffung der Ständeverfassung o Zusammenfassung der bürgerlichen Grundrechte o Gleichheit vor dem Gesetz o Allgemeine Steuer- und Wehrpflicht o Neue Verwaltungsorganisation 6 Entscheidendes Merkmal einer modernen Verfassung: Nationalrepräsentation durch indirekte Wahl in drei Stufen (hoher Zensus, passives Wahlrecht hatten nur Bürger mit höchster Grundsteuer → Adelige sollen nicht Vorrecht haben, sondern Reichtum bestimmt) → Sehr fortschrittlich, auch Leistungsfähigkeit wichtig, nicht nur Ständezugehörigkeit ABER: Nationalrepräsentation wurde nie einberufen Fazit der Reformen von Montgelas: Negative Aspekte: Zentralismus Überforderung der Verwaltung Weltfremder Bürokratismus Rücksichtslose Übereilte Durchsetzung mancher Reformen Unzufriedenheit in der Bevölkerung („Revolution von oben“) Hohe Staatsausgaben führt zu Positive Aspekte: Schöpfung eines modernen bayerischen Staates Entwicklung von einer sozial ungleichen Ständegesellschaft hin zu einem gerechter aufgebauten modernen Staat im Sinne des aufgeklärten Absolutismus Liberale Verfassungsinhalte: rechtliche Gleichstellung der Bürger, konfessionelle Toleranzpolitik, Meinungsfreiheit, etc. Behauptung Bayerns: Erhebung zum Königreich und Erhalt der Souveränität Territoriale Abrundung und Vergrößerung Bayerns → Grundlagen des heutigen Bayerns wurden geschaffen Literatur: Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute, Regensburg 42004. Kraus, Andreas: Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 21988. Max, Spindler: Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV/1: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, Hrsg: Alois Schmid, München 22003. Prinz, Friedrich: Die Geschichte Bayerns, München 21999. Treml, Manfred (Hrsg.): Geschichte des modernen Bayerns. Königreich und Freistaat, München 32006. 7