Contergan Das Medikament Contergan, das den Wirkstoff Thalidomid enthielt, war Ende der 1950er Jahre in Deutschland als Schlaf- und Beruhigungsmittel, das gleichzeitig gegen die morgendliche Schwangerschaftsübelkeit hilft, gebräuchlich und galt seinerzeit im Hinblick auf Nebenwirkungen als besonders sicher. Durch die Anwendung des Contergans in einem frühen Stadium der Schwangerschaft kam es jedoch zu schweren Missbildungen der ungeborenen Kinder. In den Jahren 1958 bis 1961 wurden weltweit etwa 10.000 Kinder mit Missbildungen der Gliedmassen geboren, davon allein in Deutschland, wo das Arzneimittel stark verbreitet war, etwa 4.000. Es dauerte mehrere Jahre, in denen missgebildete Kinder geboren wurden, bis die Zusammenhänge mit der Einnahme von Contergan erkannt und besonders anerkannt sowie notwendige Schritte eingeleitet wurden. Contergan ist bis heute ein Mahnmal für die Bedeutung von Qualität und vor allem Sicherheit von Arzneimitteln. Ferner soll Contergan als Symbol für die Dringlichkeit stehen, das ungeborene Leben bei medizinischen Behandlungen und Untersuchungen optimal zu schützen. Die Contergan-Katastrophe Das Schlafmittel Contergan führte zu einem der schwerwiegendsten Arzneimittelskandale der Bundesrepublik Deutschland. Dies betrifft zum einen den Schweregrad der Schädigung und die Anzahl der Opfer und zum anderen die Art der Bewältigung dieses Vorgangs. Die Contergan-Katastrophe ist ein tragisches Beispiel für die damals unzulängliche Arzneimittelsicherheit. Unter anderem war sie der Anlass für die Verabschiedung des deutschen Arzneimittelgesetzes, das mittlerweile einen weltweit führenden Standard für die Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik Deutschland garantiert. Der Umfang der Katastrophe ist unter anderem so gross, weil es Jahre dauerte, bis öffentlich anerkannt wurde, dass die plötzlich gehäuften Fälle von missgebildeten Neugeborenen mit dem Arzneimittel Contergan in Verbindung standen. Es verging wertvolle Zeit, in der weiterhin ahnungslose schwangere Frauen bei Schlafstörungen Contergan einnahmen. Der Kampf um die Anerkennung der arzneimittelbedingten Schäden der Kinder durch Contergan dauerte sehr lange. Zwischen 1967 und 1970 fand ein Mammutprozess um Entschädigungszahlungen an die Betroffenen statt, der im Dezember 1970 von der Staatsanwaltschaft mit einem Vergleich eingestellt wurde. Die Verantwortlichen der Schädigerfirma Grünenthal AG wurden strafrechtlich nicht belangt. Erst im Jahr 1972 wurde von der Bundesrepublik Deutschland und der Arzneimittelfirma Grünenthal eine Stiftung zur finanziellen Entschädigung der Opfer gegründet. 2001 wurden 26,3 Mio. DM an insgesamt 2.872 Betroffene an Rentenleistungen gezahlt. Das Arzneimittel Contergan und seine Folgen Das Arzneimittel Contergan enthielt den Wirkstoff Thalidomid, von der chemischen Struktur ein Phthalimidoglutarimid. Thalidomid wurde 1956 von dem Chemiker Dr. Heinrich Mückter entwickelt und im Oktober 1957 durch die Firma Grünenthal in Stollberg bei Aachen in den Handel gebracht. Im November 1961 wurde Contergan, nach Bekanntwerden der schwer wiegenden Nebenwirkungen, vom Markt genommen. Contergan galt als besonders sicher. Zu der damaligen Zeit waren viele Schlafmittel im Handel, die bei Überdosierungen ein hohes Risiko für eine Vergiftung beinhalteten. Die tödliche Dosis von Contergan ist so hoch, dass es beispielsweise praktisch unmöglich war, mit diesem Arzneimittel Selbstmord zu begehen. Dass ungeborene Kinder durch die Einnahme von Arzneimitteln in der Schwangerschaft möglicherweise geschädigt werden können, wurde zu der damaligen Zeit noch nicht ausreichend bedacht. Contergan überschreitet die Plazentaschranke, gelangt damit in den Blutkreislauf des Embryos und führt zu Störungen in der Organentwicklung. Bei der Einnahme des Schlaf- und Beruhigungsmittels in der frühen Schwangerschaft, also etwa in der vierten bis sechsten Schwangerschaftswoche, führte Contergan zu Fehlbildungen der Gliedmassen, zu fehlenden Ohrmuscheln und zu Schäden an den inneren Organen. Die genauen biochemischen Zusammenhänge für die Missbildungen durch Thalidomid sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Die Opfer der Contergan-Katastrophe sind teilweise lebenslang auf eine zeit- und personalaufwändige Pflege angewiesen. Die Betreuung der Menschen besteht vor allem darin, die degenerativen Veränderungen an den Gelenken und der Wirbelsäule zu behandeln. Ausserdem ist häufig eine Schmerzbehandlung vor allem der Schulter, der Ellenbogen oder der Hüfte erforderlich. Thalidomid in der heutigen Zeit Nachdem Thalidomid aufgrund des ConterganSkandals jahrelang als Arzneimittel geächtet galt, wird die Substanz heute zum Beispiel für die Behandlung von Lepra verwendet. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Krebstherapie. Der Verwendung dort beruht auf der antiangiogenetischen Wirkung des Thalidomids. Unter Antiangiogenese versteht man eine Hemmung der Neubildung von Blutgefässen und dadurch eine Hemmung des Krebswachstums. Quelle: http://www.onmeda.de