Universität Bayreuth Seminar: Klassische Probleme der Antike; SS1997 Michael Süß 12.05.1997 Unmöglichkeitsbeweis der Winkeldreiteilung 1. Allgemeines: Kernfrage: Wie kann man beweisen, daß gewisse geometrische Probleme nicht gelöst werden können? Eine Antwort läßt sich nur auf dem Weg der Algebra, nicht der reinen Geometrie finden. In Bezug auf die Winkeldreiteilung wird sich Folgendes ergeben: - das geometrische Problem führt in der Algebra zu einer Gleichung 3-ten Grades - an der Existenz der Wurzeln (=Lösungen) dieser Gleichung besteht kein Zweifel; entscheidend ist jedoch folgende Frage (nach RUFFINI (1765-1822) und N.H. ABEL (1802-1829)): Läßt sich die Lösung allein durch rationale Operationen und Quadratwurzelziehen bewerkstelligen? 2. Rationale Operationen und Quadratwurzeln: Jedes geometrische Konstruktionsproblem hat folgenden Typus: Strecken a,b,c,... sind gegeben; eine Strecke x ist gesucht (vereinfacht!). Die geometrische Konstruktion läuft nun darauf hinaus, ein algebraisches Problem zu lösen. Dazu geht man folgendermaßen vor: 1. Stelle eine Beziehung zwischen x und a,b,c,... her. 2. Bestimme x durch Gleichungslösen. 3. Untersuche, ob sich die Lösung durch rationale Operationen und Quadratwurzelziehen gewinnen läßt. - Algebraische Operationen: Multiplikation/Division/Addition/Subtraktion bekannter Größen. - Quadratwurzelziehen: Ziehe das Quadrat aus einer bekannten Größe. Algebraische Operationen zusammen mit dem Quadratwurzelziehen entsprechen geometrisch allen Konstruktionen, welche allein mit Zirkel und Lineal durchgeführt werden können. 3. Der Körperbegriff: Alle rationalen Zahlen können - aus einer Einheitsgröße - mit Zirkel und Lineal konstruiert werden. Zusammen mit den rationalen Operationen bilden sie den Körper der rationalen Zahlen (Körperaxiome!). Mit dem Ziehen der Quadratwurzel aus einer rationalen Zahl, welche selbst kein Quadrat ist, kommt man aus dem Körper Q=:K0 heraus. Man erhält einen Erweiterungskörper K1,dessen Zahlen alle folgende Gestalt haben: a+bd mit a,b,dQ, dQ. Auch dieser Körper K1 ist bezüglich der rationalen Operationen abgeschlossen. Man kann nun auch aus Elemente dieses Körpers die Quadratwurzel ziehen; sukzessives Anwenden dieser Methode führt zu einer Folge von Erweiterungskörpern, deren Elemente folgende Gestalt haben: p+qk mit p,q,kKn-1, kKn-1. 1 Universität Bayreuth Seminar: Klassische Probleme der Antike; SS1997 Michael Süß 12.05.1997 Wichtig: Offenbar liegt jede Zahl, die aus der Zahl 1 mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, in einem Körper Kn, und es gibt zu einer festen konstruierbaren Zahl ein minimales n. 4. Beweis nach D. LAUGWITZ: Als Voraussetzungen werden benötigt: 1. Satz, daß bei vorgegebenen Streckenlängen oder Punktkoordinaten genau diejenigen Punkte (Strecken) mit Zirkel und Lineal konstruierbar sind, deren Koordinaten (Maßgrößen) aus den gegebenen Größen durch endliche Anwendung der rationalen Operationen und der Operation des Quadratwurzelziehens hervorgehen. 2. Der Begriff des Körpers. 3. Tatsache, daß jede Zahl, die aus 1 mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, in einem Körper Kn liegt, und es zu jeder festen konstruierbaren Zahl ein minimales n gibt. 4.1 Allgemeines über kubische Gleichungen: Problemstellung: Für x gelte folgende Gleichung: a3x³+a2x²+a1x+a0=0 (1) Entscheide, ob x mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist! Um eine Entscheidung treffen zu können, benötigt man folgenden Satz: Es gibt ein Verfahren, daß die Entscheidung in endlich vielen Schritten ermöglicht. Um diesen Satz beweisen zu können, benötigt man zwei Hilfssätze: Hilfssatz 1: Die Gleichung (1) hat eine konstruierbare Wurzel die Gleichung (1) hat eine rationale Wurzel. Gleichung (1) läßt sich über folgende Schritte in Gleichung (3) umformen: - multipliziere (1) mit dem Hauptnenner der Koeffizienten. Somit erhält man Gleichung (2): g3x³+g2x²+g1x+g0=0 - multipliziere (2) mit g3² : g3³x³+g3²g2x²+g3²g1x+g3²g0=0 - substituiere y:=g3x und erhalte somit das normierte Polynom (3): y³+h2y²+h1y+h0=0 (3) Hier gilt, weil der Koeffizient der höchsten Potenz 1 ist, der Satz von GAUß: Hilfssatz 2: Alle rationalen Wurzeln der Gleichung (3) sind ganze Zahlen und Teiler von h0. Hat man die Hilfssätze bewiesen, so hat man gezeigt, daß es ein endliches Verfahren gibt, um die geforderte Entscheidung treffen zu können. Somit hat man den Satz bewiesen. Insgesamt: Man braucht nur zu prüfen, ob einer der endlich vielen Teiler von h0 (negative Teiler nicht vergessen!) eine Wurzel von (3) ist, um entscheiden zu können, ob (1) eine konstruierbare Wurzel hat. 2 Universität Bayreuth Seminar: Klassische Probleme der Antike; SS1997 Michael Süß 12.05.1997 4.2 Anwendung auf das Problem der Winkeldreiteilung Betrachte den zu teilenden Winkel gegeben durch seinen Cosinus: cos=g Gesucht ist nun die Größe x=cos(/3) ! Für die Beziehung zwischen dem Cosinus von /3 und dem Cosinus von besteht folgende trigonometrische Gleichung: g=cos=4cos³(/3)-3cos(/3) Substituiere z:=cos(/3): 4z³-3z-g=0 (4) Somit ergibt sich: Das Problem, den Winkel in drei Teile zu teilen, bedeutet die Konstruktion einer Wurzel der kubischen Gleichung (4). Wäre dies allgemein möglich, so wäre die Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal auch allgemein möglich. Um dies zu widerlegen, genügt es, ein Beispiel anzugeben, bei dem keine konstruierbare Wurzel der Gleichung (4) gefunden werden kann: Sei also =60° g=cos=cos 60°=1/2 Einsetzen in (4) liefert: 8z³-6z-1=0 (5) Wegen des Satzes von oben, braucht man nur zu zeigen, daß die Gleichung (5) keine rationale Wurzel hat! Substituiere: v=2z v³-3v-1=0 (6) Da der Koeffizient der höchsten Potenz 1 ist, gilt der Hilfssatz 2 nach GAUß, womit als Lösung nur 1 und -1 in Frage kommen (einzige Teiler von h0=-1!). Einsetzen von 1 und -1 in (6) zeigt jedoch, daß dies keine Wurzeln der Gleichung sein können. Gleichung (4) besitzt für =60° keine konstruierbare Wurzel Der Winkel /3 kann nicht mit Zirkel und Lineal konstruiert werden. Die allgemeine Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal ist nicht möglich! 5. Beweis nach R.C.YATES: 3 Universität Bayreuth Seminar: Klassische Probleme der Antike; SS1997 Michael Süß 12.05.1997 Hinweis: Genaueres zur Konstruktion der angegebenen Figur enthält der Vortrag “Winkeldreiteilung - Konstruktion mit zusätzlichen Hilfsmitteln. (Teil A)” von Regina Bruischütz (26.Mai 1997). Man betrachtet ähnliche Dreiecke: CMD; CNA; CLO stelle Streckenverhältnisse auf: x/2 = (x+a)/(1+2y) = (1+y)/x (1.) (2.) Aus (1.) und (3.) ergibt sich: x²=2+2y I Aus (1.) und (2.) ergibt sich: 1+2y=2(x+a)/x II löse I nach y auf und setze in II ein:: x³-3x-2a=0 (3.) (kubische Winkeldreiteilingsgleichung) Die Größe a wird bestimmt durch den Winkel 3. Somit stellt sich folgende Frage: Kann für jedes beliebig gegeben a die Strecke x konstruiert werden? Wäre dies der Fall, dann wäre allgemein die Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal möglich. Somit genügt es, ein Gegenbeispiel anzugeben: Sei Winkel AOB=60° a=cos 60° (denn: Strecke OA=1) Einsetzen in die kubische Gleichung liefert: x³-3x-1=0 Schon oben wurde gezeigt, daß diese Gleichung keine rationale Wurzel besitzt, und somit auch keine konstruierbare Wurzel. Somit kann der 20°-Winkel nicht konstruiert werden, und die allgemein gültige Dreiteilung eines Winkels mit Zirkel und Lineal ist nicht möglich! Literatur: Courant, R./Robbins, H: Laugwitz, D.: dieUnmöglichkeitsbeweise Was ist Mathematik? Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1973 Eine elementare Methode für bei Konstruktionen mit Zirkel und Lineal. In: Elemente der Mathematik, 17/1962, S.54-58 Yates, R.C.: The Trisection Problem in: Classics in mathematic education; Vol.3 4