11 KB RTF

Werbung
SCHRECKENSORT
1938 BESCHLAGNAHMEN DIE NATIONALSOZIALISTEN DAS „HÔTEL MÉTROPOLE“ UND FUNKTIONIEREN ES
ZUR GESTAPO-ZENTRALE UM. BIS HEUTE PRÄGT DIE NS-ZEIT DAS AREAL.
Die Wiener Gestapo-Zentrale war mit 900 Mitarbeitern die größte Leitstelle des Reiches. Einerseits, weil man sich
zunächst der Akzeptanz des Regimes nicht sicher war, andererseits, weil die Wiener Gestapo auch Agenden der
Beschlagnahme und Verwertung von jüdischem Eigentum übernommen hatte. Zwei Gründe waren ausschlaggebend
für die Wahl dieses Standortes: Das Hotel war in jüdischem Besitz und konnte daher leicht enteignet werden.
Außerdem befand sich in der Nähe die Polizeikaserne an der Roßauer Lände, wo die Gefangenen der Gestapo
inhaftiert waren, ehe sie zu Verhören geführt wurden. Etwa 50.000 Menschen wurden in den Jahren 1938–1945 von
der Wiener Gestapo verhaftet.
ZUM BEISPIEL
Durch den in der Salztorgasse 6 befindlichen ehemaligen Lieferanteneingang des Hotels wurden die von der Gestapo
Verhafteten zu den Verhören geführt, die oftmals mit Folterungen sowie Einweisungen in Konzentrationslager
verbunden waren. Vor einigen Jahren wurden im Stadt- und Landesarchiv 12.000 Fotokarteikarten von Häftlingen der
Gestapo gefunden. Exemplarisch sind einige Opfer herausgegriffen. Sie dokumentieren auch den zwar zahlenmäßig
schwachen, aber ideologisch breit gefächerten österreichischen Widerstand.
EIN TAGESRAPPORT
Der Rapport zeigt den „ganz normalen“ Alltag der NS-Bürokratie. Wie gewöhnliche Polizeiberichte ist er in Themen
gegliedert. Die Gestapo war juristisch und administrativ mit einem Bündel von Sonderrechten ausgestattet. Sie
entschied, ob Anzeigen ignoriert oder registriert wurden, ob es bei einer Verwarnung blieb oder zu einer Vernehmung
bzw. Verhaftung kam. Vorladungen, Hausdurchsuchungen und Folter – beschönigend „verschärfte Vernehmungen“
genannt – zählten zu den alltäglichen Gestapopraktiken.
Rupert Grissinger, Chauffeur, wurde am 8.4.1943 wegen Unterstützung von sowjetischen Fallschirmagenten
festgenommen und gefoltert.
Julius Kornweitz, Architekt und Funktionär der KPÖ, kehrte im Herbst 1941 aus Kroatien nach Wien zurück, um die
mehrmals zerschlagene illegale KPÖ-Leitung zu reorganisieren. Kornweitz wurde im April 1942 von der Gestapo
verhaftet. Da er Jude war, wurde er nicht vor Gericht gestellt, sondern in das KZ Mauthausen überstellt, wo er 1944
ermordet wurde.
Johann Otto Haas, Hauptschullehrer, initiierte eine Widerstandsgruppe der Revolutionären Sozialisten, die
Verbindungen nach Salzburg und Süddeutschland hatte. Im Juli 1942 wurde die Gruppe von der Gestapo aufgedeckt.
Haas und sein engster Mitkämpfer Eduard Göth wurden am 15.12.1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und
1944 hingerichtet.
Ella Lingens, Ärztin, half zusammen mit ihrem Mann Kurt Lingens untergetauchten Jüdinnen und Juden. Beide
wurden am 13. Oktober 1942 festgenommen und im Februar 1943 nach Auschwitz überstellt, wo Ella Lingens als
Häftlingsärztin arbeitete. Anfang Dezember 1944 bis Mai 1945 war sie im KZ Dachau inhaftiert. Sie überlebte.
Anton Birkmeyer, Solotänzer der Wiener Staatsoper, und seine Ehefrau Jolanthe Birkmeyer wurden „wegen Abhörens
von Feindsendern“ festgenommen und am 19.4.1940 von der Gestapo erkennungsdienstlich erfasst. Während
Birkmeyer am 3.9.1940 wegen „Verbrechens nach der Rundfunkverordnung“ zu eineinhalb Jahren Zuchthaus
verurteilt und nach Strafverbüßung entlassen wurde, kam seine Frau im Jänner 1943 in Auschwitz um.
Angela Jahn, Bedienerin, wurde am 31.3.1942 von der Gestapo Wien festgenommen, weil sie einem russischen
Kriegsgefangenen Esswaren zugeworfen hatte. Sie wurde am 28.5.1942 wegen „verbotenen Umgangs mit
Kriegsgefangenen“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Rudolf R., Sparkassenbeamter, wurde wegen Verdachts der homosexuellen Betätigung verhaftet. Er verübte nach
dem Verhör Selbstmord. Homosexualität wurde bis 1939 von der Gestapo geahndet, danach von der Kriminalpolizei.
Helene Kafka (Schwester Maria Restituta), Angehörige des Ordens der Franziskanerinnen, arbeitete als
Operationsschwester im Landeskrankenhaus Mödling. Als sie 1941 im Spital ein pazifistisches Gedicht verbreitete,
wurde sie vom Arzt und SS-Mitglied Lambert Stumfohl denunziert und von der Gestapo im Februar 1942 verhaftet. Im
Oktober 1942 wurde sie wegen „Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt und im
März 1943 hingerichtet.
Herunterladen