2 MB PDF - Stadt Wien

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SCHRECKENSORT
1938 BESCHLAGNAHMEN DIE NATIONALSOZIA­
LISTEN DAS „HÔTEL MÉTROPOLE“ UND FUNK­
TIONIEREN ES ZUR GESTAPO-ZENTRALE UM.
BIS HEUTE PRÄGT DIE NS-ZEIT DAS AREAL.
Die Wiener Gestapo-Zentrale war mit 900 Mit­arbeitern die
größte Leitstelle des Reiches. Einerseits, weil man sich
zunächst der Akzeptanz des Regimes nicht sicher war,
andererseits, weil die Wiener Gestapo auch Agenden der
Beschlagnahme und Verwertung von jüdischem Eigentum übernommen hatte. Zwei Gründe waren ausschlaggebend für die Wahl dieses Standortes: Das Hotel war
in ­jüdischem Besitz und konnte daher leicht enteignet
werden. Außerdem befand sich in der Nähe die Polizei­
kaserne an der Roßauer Lände, wo die Gefangenen der
Gestapo inhaftiert waren, ehe sie zu Verhören geführt
wurden. Etwa 50.000 Menschen wurden in den Jahren
1938 –1945 von der Wiener Gestapo verhaftet.
AUSSENANSICHT DER GESTAPO-LEITSTELLE WIEN, 1939. © ONB BILDARCHIV
ZUM BEISPIEL
Durch den in der Salztorgasse 6 befindlichen ehemaligen Liefe­ranten­­­
eingang des Hotels wurden die von der Gestapo Verhafteten zu den
Verhören geführt, die oftmals mit Folterungen sowie Einweisungen in
Konzentrationslager verbunden waren. Vor einigen Jahren wurden im
Stadt- und Landesarchiv 12.000 Fotokarteikarten von Häftlingen
der Gestapo gefunden. Exemplarisch sind einige ­Opfer herausgegriffen. Sie dokumentieren auch den zwar zahlen­mäßig schwachen,
aber ideologisch breit gefächerten österreichischen ­Widerstand.
Rupert Grissinger, Chauffeur, wurde am 8.4.1943 wegen Unterstützung von sowjetischen Fallschirmagenten festgenommen und
gefoltert.
Julius Kornweitz, Architekt und Funktionär der KPÖ, kehrte im
Herbst 1941 aus Kroatien nach Wien zurück, um die mehrmals zerschlagene illegale KPÖ-Leitung zu reorganisieren. Kornweitz wurde
im April 1942 von der Gestapo verhaftet. Da er Jude war, wurde er
nicht vor Gericht gestellt, sondern in das KZ Mauthausen überstellt,
wo er 1944 ermordet wurde.
AUSZUG AUS DEM TAGESRAPPORT NR. 5 VOM 10. UND 12. DEZEMBER 1938.
© WIENER STADT- UND LANDESARCHIV
Johann Otto Haas, Hauptschullehrer, initiierte eine Widerstandsgruppe der Revolutionären Sozialisten, die Verbindungen nach Salzburg und Süddeutschland hatte. Im Juli 1942 wurde die Gruppe von
der Gestapo aufgedeckt. Haas und sein engster Mitkämpfer Eduard
Göth wurden am 15.12.1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und 1944 hingerichtet.
Anton Birkmeyer, Solotänzer der Wiener Staatsoper, und seine
Ehefrau Jolanthe Birkmeyer wurden „wegen Abhörens von Feindsendern“ festgenommen und am 19.4.1940 von der Gestapo erkennungsdienstlich erfasst. Während Birkmeyer am 3.9.1940 wegen
„Verbrechens nach der Rundfunkverordnung“ zu eineinhalb Jahren
Zuchthaus verurteilt und nach Strafverbüßung entlassen wurde, kam
seine Frau im Jänner 1943 in Auschwitz um.
Angela Jahn, Bedienerin, wurde am
31.3.1942 von der Gestapo Wien festgenommen, weil sie einem russischen
Kriegsgefangenen Esswaren zugeworfen hatte. Sie wurde am 28.5.1942
wegen „verbotenen Umgangs mit
Kriegsgefangenen“ zu drei Monaten
Gefängnis verurteilt.
Rudolf R., Sparkassenbeamter, wurde
wegen Verdachts der homosexuellen
Betätigung verhaftet. Er verübte nach
dem Verhör Selbstmord. Homosexualität wurde bis 1939 von der Gestapo geahndet, danach von der Kriminalpolizei.
EIN TAGESRAPPORT
Der Rapport zeigt den „ganz normalen“ Alltag der NS-Bürokratie. Wie
gewöhnliche Polizeiberichte ist er in Themen gegliedert. Die G
­ estapo
war juristisch und administrativ mit einem Bündel von Sonderrechten ausgestattet. Sie entschied, ob Anzeigen i­gnoriert oder registriert
wurden, ob es bei einer Verwarnung blieb oder zu e
­ iner Vernehmung
bzw. Verhaftung kam. Vorladungen, Hausdurchsuchungen und
Folter – beschönigend „verschärfte Ver­nehmungen“ genannt – zählten zu den alltäglichen Gestapopraktiken.
Ella Lingens, Ärztin, half zusammen mit ihrem Mann Kurt Lingens
untergetauchten Jüdinnen und Juden. Beide wurden am 13. Oktober
1942 festgenommen und im Februar 1943 nach Auschwitz überstellt,
wo Ella Lingens als Häftlingsärztin arbeitete. Anfang Dezember 1944
bis Mai 1945 war sie im KZ Dachau inhaftiert. Sie überlebte.
FOTOS AUS DER ERKENNUNGSDIENSTLICHEN KARTEI DER GESTAPO WIEN
1938 –1945. © WIENER STADT- UND LANDESARCHIV
PLATZ FÜR DIE STADT SCHRECKENSORT
Helene Kafka (Schwester Maria Restituta), Angehörige des
­Ordens der Franziskanerinnen, arbeitete als Operationsschwester im
Landeskrankenhaus Mödling. Als sie 1941 im Spital ein pazifistisches
Gedicht verbreitete, wurde sie vom Arzt und SS-Mitglied Lambert
Stumfohl denunziert und von der Gestapo im Februar 1942 verhaftet.
Im Oktober 1942 wurde sie wegen „Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt und im März 1943 hingerichtet.
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