Grundkurs praktische Philosophie 17. Januar 2005 Naturrecht oder positives Recht? Text: Norbert Hoerster, Zum begrifflichen Verhältnis von Recht und Moral, Neue Hefte für Philosophie 17, 1979, S. 77 - 88 Rechtsphilosophie Der Sache nach ist Rechtsphilosophie ein Teil der politischen Philosophie. Denn Recht zu setzen ist Aufgabe politischer Amtsträger, eine Aufgabe unter anderen (so Hobbes) oder die zentrale Aufgabe (so Kant). Wirklich bildet Rechtsphilosophie ein eigenes Teilgebiet der praktischen Philosophie. Diese Trennung ist vermutlich eine Folge der alten Trennung zwischen Rechtsgelehrten und Staatskundigen: jedem sein philosophischer Hinterhof. Gegenstand der Rechtsphilosophie Rechtsphilosophie soll erklären, • was Recht ist, • wozu Recht dient, • wodurch etwas Recht wird, • in welchem Sinne Recht gilt. Es versteht sich, daß die Antworten auf diese Fragen zusammenhängen. Was Recht ist Die erste Vorstellung von Recht ist: jemand handelt recht (oder gerecht, rechtschaffen). In dieser Vorstellung sind die Dinge, die wir heute als Recht und Moral trennen, noch nicht getrennt. Ebenso ist das, was einer recht tut, recht sowohl in der Stadt wie vor den Göttern. Ebenso entspricht das, was einer recht tut, der Ordnung der Natur. Die griechische Aufklärung des 5. Jhdts. v. Chr. hat diese Verbindungen (oder was wir heute als Verbindungen ansehen) gelöst: Die Sophistik setzt Natur und Gesetz einander entgegen. In der Tragödie trennen sich göttliches und menschliches Recht. (Antigone) In dieser Lage entwickelt die Philosophie den Gedanken, daß jemand, der recht handelt, damit einem Gesetz gehorcht, das nicht bloß das Gesetz dieser oder jener Stadt ist, sondern an sich, also von Natur aus gilt; also den Gedanken eines Rechten von Natur. Aristoteles, Nik. Ethik 1094 b 14 - 16 „Das Edle und das Rechte, wovon die Politik handelt, fällt sehr verschieden aus und ist nicht stetig, so daß es scheint, es besteht allein durchs Gesetz, nicht von Natur.“ Rechtes Handeln, das recht ist nicht bloß durchs Gesetz, wird ethisches Handeln (wörtlich: sittliches Handeln) genannt, oder in der lateinischen Fassung, moralisches Handeln. Für die gesetzlichen Regelungen des Handelns bleibt der Name: Recht. So entsteht der Gegensatz zwischen Recht und Moral.