Modul 1.1 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Le Corbusier Die Villa Savoye 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 1 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Le Corbusier Le Corbusier (1887-1965) Charles Edouard Jeanneret, der spätere Le Corbusier, wird am 6. Oktober 1887 in La Chaux-de-Fonds in der Schweiz geboren. Er ist Schriftsteller, Maler, Stadtplaner, Möbeldesigner und ein hoch begabter Architekt. Seine Vorstellungen als Architekt gipfeln im Ideal einer funktionalen „Wohnmaschine”, die ästhetische Strenge und höchste Nutzbarkeit für ihre Bewohner verbinden soll. Le Corbusier 9/15/2007 Die Villa Savoye stellt die reinste und konsequenteste Realisation seiner Vorstellungen der rationalistischen Architektur dar. - marcelle medernach - ebac - 2 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Le Corbusier Das Wohnhaus - die Wohnmaschine 1921 führt Le Corbusier in einem Artikel der Zeitschrift "L'Esprit Nouveau" den Begriff "Wohnmaschine" ein. "Wir sind auf den Geschmack reiner Luft und vollen Lichts gekommen ... Das Haus ist eine Maschine zum Wohnen, Bäder, Sonne, heißes und kaltes Wasser, Temperatur, die man nach Belieben einstellen kann, Aufbewahrung der Speisen, Hygiene, Schönheit durch gute Proportionen. Ein Sessel ist eine Maschine zum Sitzen ... Die Waschbecken sind Maschinen zum Waschen... Unser modernes Leben hat sich seine Dinge geschaffen: die Kleidung, den Füller, die Rasierklinge, die Schreibmaschine, das Telefon... den Ozeandampfer und das Flugzeug." Die Villa Savoye in Poissy, 1921-1931 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 3 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Le Corbusier Terrassengarten 9/15/2007 Die Villa Savoye (1929-1931) Die Villa Savoye steht etwa 30 km von Paris entfernt, in einer Waldlichtung. Im Erdgeschoss liegen Vorhalle, Dienstbotenräume und Garagen Le Corbusier integriert das Automobil in die Architektur der Villa. Die Erschließung der Etagen wird über Rampen und Wendeltreppen geführt. Hinter den Fensterbändern im ersten Stock befinden sich die Wohnräume, die sich über Glas-Schiebewände zum Terrassengarten öffnen. Das Dach dient als Sonnenterrasse. - marcelle medernach - ebac - 4 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Le Corbusier Erdgeschoss Wohnbereich Fünf Punkte einer neuen Architektur Die einzig denkbare Grundlage einer Baukunst, die der präzisen Maschinenwelt entspricht, ist für Le Corbusier die Geometrie: Prisma, Würfel, Zylinder, Pyramide, Kugel als "reine Volumen". 1927 formuliert Le Corbusier fünf Punkte als zentrale Merkmale seiner Vorstellung der neuen, rationalistisch orientierten Architektur und setzt sie in der Villa Savoye konsequent um: - Das Haus auf Säulen (Pilotis) - Der Dachgarten - Der freie Grundriss - Die freie Fassade - Das lange Fenster (Fensterband) Dachterrasse 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 5 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Die Villa Savoye Die Villa Savoye und das Fünf-PunkteProgramm 1. die Pilotis (Stützpfeiler) Das auf quadratischem Grundriss angelegte Haus steht auf Pfeilern (pilotis) aus Stahlbeton, die das erste, vom Boden befreite Wohngeschoss tragen. "Die Pilotis ordnen sich in bestimmten gleichen Abständen, ohne dabei auf die innere Organisation Rüksicht zu nehmen. Sie heben das Erdgeschoss empor". Die Stützpfeiler ermöglichen die freie Grundrissgestaltung der Villa, denn das Pfostensystem trägt die Zwischendecken. Stützpfeiler und Erdgeschoss 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 6 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Die Villa Savoye 2. Der Dachgarten (toit-terrasse) Anstatt eines konventionellen Steildaches verwendet Le Corbusier nahezu ausschließlich Flachdächer. Sie dienen entweder als zusätzliches Geschoss oder als begrünte Dachfläche. Auf der Terrasse der Villa Savoye verlässt er den rechten Winkel und bildet kreisförmig geführte Betonscheiben. Die skulptural geformte Konstellation der freistehenden Wände (Vorboten der Formensprache der Chapelle de Ronchamp) steht deutlich im Kontrast zur restlichen kubischen Form der Villa Savoye. Die traditionelle Gegenüberstellung des "Vorne" einer Fassade, die dem Verkehr ausgesetzt ist, und des "Hinten", eines Hofes, wird überwunden durch die Teilung in ein "Oben" und "Unten". Le Corbusier: "Man kehrt den Grundriss einfach um, man flieht die Straße, man strebt zum Licht". Der Dachgarten der Villa Savoye 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 7 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Die Villa Savoye 3. Der freie Grundriss Stahlbeton ermöglicht den freien Grundriss. Durch den Einsatz der Stützpfeiler sind kaum Grenzen in der Gestaltung des Grundrisses gesetzt, da keine Wände tragend sind. Die Stockwerke sind nicht mehr voneinander abhängig. Le Corbusier löst folglich die Zwischendecken auf. Die Treppen ersetzt er durch Rampen. So entstehen die "Architektur-Promenaden". Die Bewohner spazieren durch den Wohnbereich. Das Durchschreiten der Innen- und Außenräume wird zum Raumerlebnis. Nicht nur Räume und Raumvolumen werden durch das Rampenmotiv verbunden, sondern auch Innen- und Außenraum miteinander verschränkt. Die Rampe führt zur Dachterrasse 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 8 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Die Villa Savoye Die Rampe - nicht nur ein Funktionselement Sie ist ein gestalteter Wegraum durch das Gebäude, der beim Durchschreiten die Struktur des Gebäudes offenlegt und ständig wechselnde, unerwartete und manchmal erstaunliche Durchblicke erlaubt. So erlebt der Betrachter in der Eingangshalle die Gegensätzlichkeit von linearem Weg und plastischer Form. 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 9 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Die Villa Savoye 4. Das Langfenster (fenêtre en longueur) Die Verwendung von Stahlbeton und der Stützpfeiler befreien die Außenwand von allen tragenden Bauteilen und erlauben breite Öffnungen in der Fassade. Die Fenster können entsprechend der freien Grundrisseinteilung beliebig ausgedehnt werden. Le Corbusier integriert regelrechte Fensterbänder, langrechteckige Öffnungen die gerahmte Blicke in die Landschaft erlauben. Die breiten Fenster ermöglichen eine deutlich bessere und gleichmäßigere Belichtung im Innern. 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 10 Die Architektur des 20. Jahrhunderts Die Villa Savoye 5. Die freie Fassadengestaltung (façade libre) Das freistehende Haus hat keine Hauptfront. Mitten auf dem Grundstück liegend öffnet es sich nach allen vier Himmelsrichtungen. Ein einziges Schiebefenster umzieht wie ein Band die vier Fassaden. Es gibt keine Hauptoder Nebenfassaden. Alle sind gleich wichtig. Um das Haus in seiner Ganzheit zu erfassen, muss der Betrachter das Haus umschreiten. Nur so kann er die Volumen in ihrer Ganzheit erfassen. 9/15/2007 - marcelle medernach - ebac - 11