Education artistique 2 Ingenieurbauten Der Kristallpalast von J. Paxton, 1851 Feb-07 - marcelle medernach - eBac - 1 Die Glas-Eisen-Architektur Einführung Um 1780 begann eine neue Ära des Bauens, da neue Materialien, wie Gusseisen und Glas, industriell produziert wurden. Gewächshaus Eisen und Glas ergänzten sich in idealer Weise zu leichten, lichtdurchlässigen Konstruktionen. Hatte man die Fenster bis dahin in eine Mauer eingesetzt, so wurden diese jetzt selbst zur Wand und bildeten die vollständige Außenhaut* des Gebäudes. Die “Außenwand” hatte somit keine stützende Funktion mehr, sondern diente nur als Raumabschluss und Wetterschutz, als “Vorhang”, sprich curtain wall* ( siehe Buch S.268). . Feb-07 - marcelle medernach - eBac - 2 Das Große Gewächshaus von Joseph Paxton, 1836-40 Die Glas-Eisen-Architektur äußerte sich zuerst in puren Zweckbauten. Die frühesten Konstruktionen, bei denen Glas für große Flächen verwendet wurde, waren die Gewächshäuser des viktorianischen England. Joseph Paxton (1801-1865) war hauptberuflich Gärtner. Zwischen 1836 und 1840 baute er aus Holz, Gusseisen und Glas in Chatsworth The Great Conservatory. The Great Conservatory in Chatsworth, 1836-40, Joseph Paxton Feb-07 Wo Holz die statischen Funktionen nicht erfüllen konnte, setzte Paxton Eisen ein: gusseiserne, hohle Stützen, Schrauben, Balken sowie Gitterträger bei größeren Spannweiten. - marcelle medernach - eBac - 3 Die erste Weltausstellung in London, 1851 Der Kristallpalast von Joseph Paxton im Hyde Park Für die Weltausstellung in London 1851 entwarf J. Paxton eine monumentale Glas-Eisen-Halle, den Kristallpalast. Zum Zeitpunkt seiner Eröffnung war es das größte Gebäude, das je errichtet worden war und eine der größten architektonischen Leistungen des 19. Jhs. Der Name Crystal Palace wurde vom Satiremagazin PUNCH geprägt. Der Kristallpalast von Joseph Paxton, 1851 Feb-07 Alle herkömmlichen Vorstellungen von Architektur waren von Paxton bei der Bauplanung ignoriert worden. Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wies nicht die geringste Verbindung zu den historisierenden Architekturformen seiner Epoche auf. - marcelle medernach - eBac - 4 Der Kristallpalast, ein Wendepunkt in der Architektur Funktionelle Kriterien bestimmen das klare Gesamtkonzept Die Konstruktion des Kristallpalastes ging vom traditionell leichten Gewächshaus aus. Das Dach der Ausstellungshalle ließ Paxton mit genormten Glasplatten im Format 124 x 25 Zentimeter decken. Die tragenden Teile waren aus Gusseisen. Das Format der Glasplatte diente ihm als Modul*, ein Proportionsschema nach dem er die Gesamtanlage des Kristallpalastes berechnete. Das Modul definierte Grundriss und Aufrisse. Der Kristallpalast von Joseph Paxton, 1851 Feb-07 Paxton wandte das Prinzip des offenen Systems an. Die Halle war theoretisch nach allen Seiten unbegrenzt. Allein der reale Raumbedarf für 1.500 Ausstellungseinheiten definierte die äußeren Grenzen, d.h. die definitive Gestalt der Halle. - marcelle medernach - eBac - 5 Der Kristallpalast, ein Eisen-Skelettbau* Die technischen Neuerungen der Industriellen Revolution (ab 1780) und die Fortschritte in der Eisenproduktion machten den Bau des Kristallpalasts möglich. Die Konstruktion aus Eisenträgern erlaubte zudem den vollständigen Verzicht auf tragendes Mauerwerk, sodass an dessen Stelle großflächige Glasfenster verwendet werden konnten. Paxton wandte die Skelettbauweise an, wobei das schlanke, tragende Gerüst die dünnen Wände aus Glas betonte. Es gelang ihm ein neues Raumbewusstsein zu schaffen. Innenraum und Außenraum verschmolzen miteinander. Der Kristallpalast, Innenansicht des Querschiffs Feb-07 - marcelle medernach - eBac - 6 Der Kristallpalast Standardisierung und industrielle Serienproduktion Standardisierung der Bauteile sowie industrielle Serienproduktion erwiesen sich von großem Nutzen bei der EisenSkelettbauweise. Die Bauausführung war vor allem Montagearbeit, bei der die vorgefertigten, standardisierten Teile lediglich zusammengesetzt wurden. So erklären sich die erstaunlich kurze Bauzeit, wie auch die niedrigen Kosten, die das Projekt überhaupt erst durchführbar werden ließen. Feb-07 - marcelle medernach - eBac - 7 Der Kristallpalast in Sydenham Nach der Ausstellung wurde das Gebäude abgebaut, mit einigen Veränderungen in Sydenham inmitten eines großen Parks wieder aufgebaut und als Museum und Ausstellungsgebäude verwendet. Im Park entwickelten sich vielerlei Sportaktivitäten, woraus sich auch der Name des bekannten Fußballvereins Crystal Palace erklärt. Der Kristallpalast brannte am 30. November 1936 vollständig nieder. Der Kristallpalast in Sydenham. Wiederaufbau Feb-07 - marcelle medernach - eBac - 8 Paxtons große Leistung Die technischen Neuerungen der Industrie und die Fortschritte in der Eisenproduktion hatten erste Glas-Eisen-Bauten möglich gemacht, auch wenn es vorwiegend Zweckbauten waren. Joseph Paxton wusste seine Erfahrungen als Gartenarchitekt im Kristallpalast einzusetzen. Mutig, klug und kompromisslos, bewusst ohne Rückgriff auf historisierende Stilformen, schuf er ein innovatives Gesamtkonzept. Der Kristallpalast, Innenansicht Feb-07 Klare und einfache Gestaltungsmittel (Modul und Skelettbau) ermöglichten eine rationale Bauplanung sowie eine optimale Nutzung der monumentalen Anlage und dies zu einem erschwinglichen Preis. - marcelle medernach - eBac - 9 Paxtons große Leistung Die Stützen und Träger des schlanken Gerüsts, in regelmäßigen Abständen eingesetzt, sowie die gereihten, gleichen Fensterformen, in Serien produziert und montiert, erlaubten ein nie dagewesenes Raumkontinuum. Paxton schuf einen Raum der zu allen Seiten offen war, ohne starre Abgrenzungen durch Tragwände. Es gelang ihm ein neues Raumbewusstsein und Raumgefühl zu schaffen. Das menschliche Auge erfasste gleichzeitig Innen- und Außenraum. Der Kristallpalast, Fontäne Feb-07 Paxton verwirklichte die völlige Einheit von Funktion, Konstruktion und Form und löste bereits 1851 die typischen Probleme des modernen Großserienbaus. - marcelle medernach - eBac - 10 Lexikon Curtain wall (Vorhangfassade), Fassade, die keine Tragfunktion besitzt. Im modernen Skelettbau besteht die Vorhangfassade zumeist aus Stahlpfeilern und Glas. Dadurch wird sie leicht, fast wie ein Vorhang. Haut eines Gebäudes dünne Außenwand, ohne Tragfunktion Modul Maßeinheit. Die Vervielfachung des Moduls ermöglicht eine klare, dreidimensionale Gliederung der Raumplanung von Bauwerken. Bsp.: einfacher Grundriss einer Kirche. Hier dient die Vierung als Modul. Skelettbau: Die Skelettbauweise besteht aus einem tragenden Gerüst und dünnen, füllenden oder abschließenden Wänden. Ihr wichtigstes Element ist die Stütze. Der Auf- und Zusammenbau geschieht mit senkrechten und horizontalen Stabelementen aus Holz, Stahl oder Stahlbeton, wozu vielleicht auch diagonale Verbindungen kommen. Die Zwischenflächen des Skeletts werden mit nichttragendem Baustoff – Geflecht, Lehm, Holz, Glas, Kunststoff ausgefüllt. Feb-07 - marcelle medernach - eBac - 11