Grundpraktikum Physikalische Chemie V 13 Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions Kurzbeschreibung: Anhand der Bewegungsgeschwindigkeit einer optisch gut sichtbaren Schichtgrenze zwischen einer Kaliumpermanganat- und einer Kaliumnitratlösung in einem elektrischen Feld wird die Wanderungsgeschwindigkeit von Permanganationen in wässrigem Medium gemessen. Die Ionen werden in dem angelegten Feld beschleunigt bis die Reibungskraft den Wert der elektrischen Kraft erreicht. Aus dem Verhältnis von Geschwindigkeit und elektrischem Feld berechnet sich direkt die Ionenbeweglichkeit und, unter einer einfachen Annahme für das Zustandekommen der Reibungskraft, auch der Ionenradius. Über die Einsteingleichung kann außerdem aus der Ionenbeweglichkeit der Selbstdiffusionskoeffizient von Permanganationen in Wasser bestimmt werden. Überarbeitetes Versuchsskript, H.E. Hoster, 24.10.2007 Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 13: Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions 2 1. Aufgabe: Bestimmen Sie die Wanderungsgeschwindigkeit des Permanganat-Ions auf direktem Wege und berechnen Sie daraus die Beweglichkeit und den Ionenradius. 2. Vorkenntnisse - Allgemeines: Elektrolyse, Zellspannung, EMK, Nernst’sche Gleichung - Einteilung in starke und schwache Elektrolyte - Gesetze nach Friedrich Kohlrausch, Ostwaldsches Verdünnungsgesetz - Leitfähigkeit, spezifische Leitfähigkeit, Äquivalentleitfähigkeit - Hittorf’sche Überführungszahl - Wodurch werden Ionen angetrieben? ! (i) äußeres elektrisches Feld, (ii) Konzentrationsgradienten; beides beschreibbar über elektrochemisches Potential (vgl. Atkins, Kapitel 21) - Wodurch werden sie gebremst? ! Stokes’sche Reibung, andere Effekte - Wie hängen Selbstdiffusion und Wanderung im elektrischen Feld zusammen? ! Einstein-Gleichung 3. Grundlagen Aus Leitfähigkeitsmessungen kann man die Summe der Beweglichkeiten der Katund Anionen (u±) des betrachteten Elektrolyten erhalten, die Einzelionenbeweglichkeiten erhält man durch Bestimmung der Überführungszahlen. In diesem Versuch wird die Wanderungsgeschwindigkeit v± eines Ions direkt gemessen und die Beweglichkeit u nach u± = v± / E (1), wobei E die elektrische Feldstärke ist, berechnet. Zur Messung von u eignen sich Elektrolyte, bei denen eines der Ionen visuell leicht identifiziert werden kann, z.B. das Permanganation. Allerdings liefert dieses Verfahren weniger genaue Werte für die Beweglichkeiten als das klassische Experiment zur Bestimmung der „Hittorfschen Überführungszahl“. Die unmittelbare Bestimmung der Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions geschieht durch Beobachtung der Verschiebung der Trennungsschicht zwischen einer gefärbten und einer ungefärbten Elektrolytlösung unter Einwirkung eines elektrischen Feldes. Dabei ist die Wanderungsgeschwindigkeit der angelegten Feldstärke proportional. Die Beweglichkeit ist dann die auf eine Feldstärke von 1 V/m bezogene Wanderungsgeschwindigkeit. Nimmt man für die Ionenwanderung die Gültigkeit des Stokesschen Gesetzes für die Reibungskraft an: Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 13: Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions 3 Die lokale elektrische Feldstärke E = dφ/dx (x = Weg, φ = elektrisches Potential) berechnet sich in unserem Versuch nach E = U/ℓ (2) ℓ = Elektrodenabstand U = angelegte Spannung Frage: Warum muss man, anders als beim Plattenkondensator, als Elektdrodenabstand nicht die kürzeste geometrische Distanz zwischen Anode und Kathode nehmen, sondern ihren Abstand entlang der Wanderungsstrecke? FR = 6 π η r v± (3) η = Viskosität des Lösungsmittels und setzt dieses mit der Kraft Fel, die im elektrischen Feld auf das Ion mit der Ladung z⋅eo (eo = elektrische Elementarladung) wirkt, gleich: Fel = z eo E = z e 0 dφ = z eo U / ℓ dx (4) erhält man durch Umformung die Wanderungsgeschwindigkeit: v± = ze o E 6πηr (5) bzw. als feldunabhängige Größe die Beweglichkeit: u± = ze o 6πηr (6) Eine Messung der Wanderungsgeschwindigkeit gestattet somit unter Heranziehung des Stokesschen Gesetzes die Berechnung des Ionenradius r. Da Ionenwanderung und Selbstdiffusion eines Ions von den gleichen Reibungskräften beeinflußt werden, hängen Selbstdiffusionskoeffizient D und Ionenbeweglichkeit u über die sog. Einstein-Gleichung unmittelbar zusammen: D = uk T z e0 (7) Diese Gleichung beruht auf dem Ansatz, dass Gradienten in der Konzentration, die nach dem 1. Fick’schen Gesetz die Triebkraft der Diffusion darstellen, wiederum in Gradienten des chemischen Potentials umzurechnen sind. Diese lassen sich direkt in eine thermodynamische Kraft umrechnen, die analog der oben gezeigten Herleitung mit der Stokes’schen Reibung im Gleichgewicht steht (vgl. Atkins, Kapitel 21; beachten Sie, dass k / e0 = R / F). Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 13: Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions 4 4. Zubehör 1. Elektrolysiergefäß 2. stabilisiertes Netzgerät mit Spannungsmesser und Anschlußkabel 3. Permanganat-Lösung (0,5 g KMnO4 + 50 g Harnstoff / 1 l Wasser) 4. Kaliumnitrat-Lösung (0,3g KNO3 /1l Wasser) 5. Stoppuhr 5. Durchführung Man füllt das trichterförmige Gefäß zunächst mit KMnO4-Lösung. Auftretende Lufteinschlüssen müssen, evtl. durch kurzzeitiges vorsichtiges Öffnen des Glashahnes, beseitigt werden. Dann wird das U-Rohr bis knapp zur Hälfte mit KNO3-Lösung gefüllt. (Könnte man auch Ca(NO3)2 verwenden?) Die Platin-Elektroden einsetzen und mit dem Netzgerät verbinden. (Spannung noch nicht einschalten!) Nun läßt man durch vorsichtiges Öffnen des Hahnes die im Trichter befindliche KMnO4-Lösung ganz langsam (ca. 10 Min.!) einfließen. Die Schichtgrenzen müssen sich scharf ausbilden! Die Schichtgrenze markieren. Nach Einschalten der Spannung fließt ein Strom, wobei sich die Grenzschicht an der Anode hebt, die an der Kathode sinkt. Nach 20 Minuten die verschobenen Schichtgrenzen markieren und die Wanderungsstrecke ausmessen. Führen Sie die Messung bei 30 V, 40 V und 50 V jeweils 2 x durch. Messen Sie die Temperatur und bestimmen Sie, unter Zuhilfenahme eines am Versuchstisch verfügbaren flexiblen Lineals, den Elektrodenabstand. Hinweis: Dieser Versuch ist auch zur Projektion geeignet. Weitere Angaben s. Lit. [3] 6. Auswertung Berechnen Sie die Ionenbeweglichkeit sowie unter Ausnutzung des Stokesschen Gesetzes den Ionenradius von MnO4. Bestimmen Sie ferner mit Hilfe der Einstein-Gleichung den Selbstdiffusionskoeffizienten von MnO4 in H2O. Verwenden Sie für die Viskosität von Wasser den Wert bei 20°C: -2 -3 η = 10 Poise = 10 Pa·s. Die Auswirkungen leichter Schwankungen der Raumtemperatur fallen bei diesem Versuch angesichts anderer Messfehler nicht ins -19 Gewicht. Die Elementarladung hat den Wert e0 = 1.602 · 10 C. Beachten Sie in Ihren Rechnungen, dass 1 V = 1 J/C. Sie sollten die gesamte Rechnung in SIEinheiten durchführen (kg, m, s, Pa, J, C, V). Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 13: Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions 5 Vergleichen Sie den ermittelten Ionenradius mit dem Literaturwert von r=0.345 nm (Gmelin Handbuch der Anorganischen Chemie, Bd.Mn-C2, S.50 Berlin; Springer Verlag) und diskutieren Sie im Detail, ob eventuelle Abweichung im Bereich der über Fehlerfortpflanzung berechneten Ungenauigkeit des Endergebnisses liegen, oder ob ggf. systematische Messfehler oder zu einfache Modellannahmen vorliegen. Diskutieren Sie vor allem, welche Rolle (quantitativ) die Selbstdiffusion der Permanganationen in ihrem Experiment gespielt haben könnte. 7. Literatur [1] Eucken, A.; Suhrmann, R.: „Physikalisch-Chemische Praktikumsaufgaben“ Leipzig: Akad. Verlagsges., Geest & Portig, 1960 (5. Aufl.) [2] Försterling, H.-D.; Kuhn, H.: „Praxis der Physikalischen Chemie“ Weinheim: VCH, 1991 (3. Aufl.) [3] Brendel, Claus; Schäfer, Harald: »Elektrochemische Demonstrationsversuche in Projektion« in: „Experimente aus der Chemie“, hrsg. B.Schröder & J. Rudolph Weinheim: Verlag Chemie, 1978 - S. 103-108 [4] Atkins, Peter W., Höpfner, Arno: „Physikalische Chemie“ Lehrbücher der Physikalischen Chemie und Elektrochemie 6 Grundpraktikum Physikalische Chemie, Versuch 13: Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions Grundpraktikum Physikalische Chemie Versuch 13 Wanderungsgeschwindigkeit eines Ions Messprotokoll & Ergebnisse Teamname: Gruppennummer: Namen: Datum: Durchlauf: 1. 2. 3. 4. 5. 6. links rechts links rechts links rechts Gemessen: Apparatur: U/V Elektr.abst. ℓ / cm ∆ ℓ / ± cm Zeit / min xKathode / cm ∆ xKathode / ± cm xAnode / cm ∆ xAnode / ± cm Berechnet: -1 -1 u / m²s V r/m Mittelwert von r / m: Fehler von r /m: