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Coburger Tageblatt
13.06.2013
Junge Kritiker bei „Dorian Gray“
Intensive
Oper
NACH DER PREMIERE
Schönheits- und
Jugendlichkeitswahn
sind das Thema von
Roland Fisters
Musikdrama „Dorian
Gray“. Mit der
Uraufführung setzten
sich Schüler intensiv
auseinander.
VON PHILIPP HEISTER
VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED
CAROLIN HERRMANN
Coburg — „Das ist der wahre Dorian Gray.“ Der zynische Verführer Lord Henry lacht. Er hat
den engelsgleichen Schönling
verlockt, sich bis zur Aufgabe
seiner ursprünglichen Identität
dem Schönheits- und Jugendlichkeitswahn zu ergeben. Am
Ende steht der Tod, die Menschlichkeit der fühlenden Seele war
lange schon dahin.
Wenn das kein Thema ist in
unserer gelackten schönen neuen Welt, in der alle jungen Mädchen Modelqualitäten aufweisen
und die Jungs durch in Markenkleidung gehüllte Bodys beeindrucken müssen. Die Uraufführung des Landestheaters Coburg
von Roland Fisters Musikdrama
„Dorian Gray“ wurde denn auch
im „Jungen Theater“ aufmerksam begleitet.
Unter Leitung von Theaterpädagogin Yvonne Schwartz beschäftigte man sich seit Wochen
mit dem Stoff. Auch Bühnenbildner Michael Heinrich, Professor an der Fakultät Design
und Vizepräsident der Hochschule Coburg, bezog seine Studenten in den kreativen Prozess
ein.
Im Rahmen der bevorstehenden Schultheatertage (8. bis 11.
Juli in der Reithalle) hatte das
Kulturamt der Stadt zudem zu
einem vom Tageblatt durchgeführten Rezensions-Workshop
eingeladen, bei dem interessierte
Jugendliche nach dem Besuch
der Generalprobe von „Dorian
Gray“ erfahren sollten, wie ein
Theaterstück kritisch unter die
Lupe genommen wird. Sie soll-
Dorian Gray (Joel Annmo) im Jugendlichkeitswahn. Sein Bildnis wird allerdings zur Fratze.
ten einen analytischen Prozess
kennenlernen, der im übrigen
bei jedem Kunstgenuss, bei jeder
Art von intellektueller Verarbeitung hilfreich sein kann. Am Ende sollte die Fülle der Eindrücke
und Erkenntnisse in einem
knappen Zeitungsartikel zusammengefasst werden.
Ein Besuch der anderen Art
Dem anstrengenden Unternehmen setzten sich sieben Schülerinnen und Schüler der Berufsoberschule am Plattenäcker aus.
Deren 11.Klasse hatte sich unter
Leitung von Deutschlehrerin
Franziska
Friedrich-Schernstein schon Wochen vorher mit
intensiver Zeitungslektüre auf
einen Theaterbesuch der anderen Art vorbereitet.
Denn wie die engagierten
Schüler am entscheidenden
Abend erfuhren, ist der Theaterkritiker beim Besuch einer
Premiere gänzlich anders gefordert als der normale Besucher,
der einen unterhaltsamen, intellektuell und emotional bewegenden Abend erleben will. Der
Kritiker hat vor allem die verschiedenen Ebenen des Bühnengeschehens zu analysieren, er
hat seine eigenen emotionalen
Reaktionen kritisch zu hinterfragen. Er hat konsequent Eindrücke und Erkenntnisse zu
sammeln und zu speichern.
Nach einem solchen Arbeitspro-
Wie verwandelt sich das Bild?
VON PATRICK DELTO
Das Bühnenbild von Michael
Heinrich ist beeindruckend. Imposante Spiegel an den Seiten
der Bühne stellen die die Eitelkeit aller Charaktere heraus. Die
vier spitz zulaufenden Ansichten
auf der Drehbühne haben ein
edles, aber auch starres und bizarres Flair, wobei das Gemälde
von Dorian Grey bei jeder Ansicht im Mittelpunkt steht. Auch
der Wandel des Bildes vom schönen engelsgleichen Dorian zum
hässlich teuflischen war sehr beeindruckend und der Effekt sehr
mysteriös.
Das Orchester unter Leitung
von Roland Fister, das mit modernen und südamerikanischen
Rhythmen aber auch mit vielen
klassischen Elementen arbeitete, war konsequent mitreißend.
Gesanglich konnten alle Darsteller überzeugen, wobei Joel Ann-
zess kommt der Kritiker mitunter zu einem anderen Urteil als
der zu gepflegter Unterhaltung
entschlossene Theaterbesucher.
Noch ohne große Vergleichsmöglichkeiten und durchaus
überwältigt von der ungewohnten, komplexen und quer durch
die Genres ziehenden Komposition Roland Fisters kamen vier
Workshop-Teilnehmer dann zu
interessanten Ergebnissen. Hier
einige Auszüge in nebenstehenden Artikeln.
Foto: Andrea Kremper
Am Samstag feierte die MusicalOper „Dorian Gray“ von Roland
Fister Weltpremiere am Coburger Landestheater. Die gesanglichen Qualitäten aller Darsteller
sind beachtlich. Gerade der junge schwedische Gastsänger Joel
Annmo sticht heraus, schauspielerische Mängel werden durch
sicheren Gesang mehr als wett
gemacht.
Gerade im Gesang verdeutlicht sich aber, dass es sich bei
dem Stück eher um eine Oper
und nicht wie angekündigt um
ein Musical handelt, was durch
die mitreißende, durchkomponierte Musik unterstrichen
wird.
Michael Heinrichs Bühnenbild ist dezent gehalten, spiegelt
aber die Dekadenz der Londoner Oberschicht gut wider durch
verrottet wirkende, überzogen
und schräg gezeichnete Kulissen
genauso wie durch die grauschwarze, glitzernde Kleidung
der Akteure. Die Parallelen zu
unserer heutigen Zeit sind offensichtlich.
Roland Fister ist eine überaus
überzeugende Komposition gelungen, die das Potenzial besitzt,
auch an anderen Schauspielhäusern Premiere zu feiern.
Leblos und erstarrt
VON LISA PATZAK
Die mitreißende Komposition
von Roland Fister zeigt die
Hochnäsigkeit der Londoner
Gesellschaft. Sie überzeugt
durch ihre Komplexität, anders
als erwartet stehen südamerikanische Rhythmen im Vordergrund. Das Inszenierungskonzept von Bodo Busse ist dezent
und nimmt die Theaterbesucher
mit in die dekadente Londoner
Gesellschaft. In dem eindrucksvollen, grau gehaltenen Bühnenbild und den prachtvollen
Kostümen von Michael Heinrich
wirkt alles sehr edel, aber zugleich auch leblos und erstarrt.
Das Porträt von Dorian Gray
ist der Mittelpunkt des Bühnenbilds und in jeder Szene präsent.
Der Wandel von dem makellosen Bildnis zu einer gruseligen
Fratze, die den Charakter von
Dorian widerspiegelt, ist faszinierend.
Die gesangliche Leistung der
Schauspieler und des Chores des
Landestheater überzeugen auf
ganzer Linie. Eine schöne und
gelungene Umsetzung des von
Oscar Wilde geschriebenen Romans.
Neue Maßstäbe gesetzt
mo als Dorian schauspielerisch
etwas hölzern wirkte. Die Darstellungen des Lord Henry (Falko Hönisch) und der Mutter Sibyls (Ulrike Barz) waren sehr
überzeugend. Bodo Busse ist es
gelungen, kritische Fragen an
die heutige Gesellschaft zu stellen. Allerdings sollte das Stück
eher als Oper eingeordnet werden. Am Ende bleibt die Frage:
„Wie entsteht der Effekt des sich
verwandelnden Bildes ?“
VON JAKOB FIALA
Die Musical-Oper des Coburger
Landestheaters setzt neue Maßstäbe in der Darstellung der Geschichte des selbstverliebten
Dorian Gray. Die Dekadenz der
Gesellschaft um Dorian Gray
wird brillant durch die überzogenen Kostüme und das schräg
gezeichnete Bühnenbild Michael Heinrichs herausgestellt.
Das Gemälde des Dorian Gray
bleibt stets im Mittelpunkt der
Drehbühne und sorgt durch seine optische Wandlung während
des Stücks für Faszination.
Dorian Gray wird von Joel
Annmo dargestellt, der genauso
wie Ulrike Barz als Mutter durch
Gesang auf höchstem Niveau
glänzt. Auch der Chor des Landestheaters, der das Partyvolk
neben Lord Henry (Falko Hönisch) verkörpert, zeichnet sich
durch gesanglichen Stärke aus.
Die Komposition von Roland
Fister ist sowohl durch klassische Elemente als auch durch
mitreißende moderne Rhythmen geprägt. Durchkomponiert
und anspruchsvoll, sollte sie allerdings als moderne Oper interpretiert werden. „Dorian Gray“
ist eine äußerst gelungene Kritik
an Narzissmus und Jugendlichkeitsstreben. Reine Musicalfans
könnten aber leicht enttäuscht
sein.
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