Geschichtsprüfung vom 24.09.2013 Die Industrialisierung (S. 252 – 255) Begriffe „Industrialisierung“ zu schwach Wissenschaftler bevorzugten „Industrielle Revolution“, weil er den revolutionären Charakter des industriellen Wachstums- und Strukturwandels besser zur Geltung bringe. 3 verschiedene industrielle Revolutionen: o 1.: Webstühle, Dampfschiffe, Kohle- und Eisentechnologie o 2.: Chemie- und Elektroindustrie, Erfindung des Verbrennungsmotors o 3.:Raumfahrt und Computertechnologie Mögliche Definition: o Durch erhebliches, dauerhaftes, wenngleich schwankendes und kurzfristig oftmals unterbrochenes Wachstum des Sozialprodukts, und zwar trotz gleichzeitig rasch wachsender Bevölkerung auch pro Kopf. Vom Agrarland zum Industriestaat Für das Verständnis der Industrialisierung reicht die Analyse des andauernden Wachstums oder der Durchsetzung zentralisierter maschineller Produktion in der Fabrik nicht aus. Es müssen auch die Eigentums-und Verkehrsverhältnisse sowie das Verhältnis von Staat und Markt in einem Land berücksichtigt werden Regionale Ungleichheiten Die Herausbildung des Industriekapitalismus vollzog sich in Europa weder flächendeckend noch zeitgleich. In England begann die Industrialisierung früher als in anderen Länder; dafür holte Deutschland in der 2. Hälfte des 19.Jhd. seinen Entwicklungsrückstand sehr rasch auf. Auch innerhalb der der Staaten gab es grosse Unterschiede und Ungleichzeitigkeiten bei der Durchsetzung industrieller Wirtschaftsformen Phasen Die Industrialisierung war und ist kein kontinuierlicher Wachstumsprozess, sondern wird bis heute durch Konjunkturschwankungen und Krisen geprägt. Um Entstehung, Verlauf und Folgen der Industrialisierung genauer analysieren und die Entwicklungen in verschiedenen Ländern besser miteinander vergleichen zu können, gliedern die Historiker das industriewirtschaftliche Wachstum in verschiedenen Phasen: o 1.: Baumwollindustrie 1850 – 1940 (leichtindustrielle Phase) o 2.: Eisenbahnbau 1920 – 1980 (schwerindustrielle Phase) o 3.: Elektrotechnische Industrie 1970 – 1. Weltkrieg (Phase der „neuen“ Industrien) Periodisierungen, die andere wirtschaftliche, soziale oder rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigen: o 1.: vor-bzw. frühindustrielle Anfangsphase o 2.: Wachstumsintensive Durchbruchs- und Expansionsphase (eigentliche industrielle Revolution) o 3.: Hochindustrialisierung Jürgen Kocka über Verlauf der Industrialisierung in Deutschland Frühindustrialisierung = „Vorbereitungsphase“ für nachfolgende Industrialisierung o Die Wirtschaft blieb vorindustriell, das Gewerbe handwerklich und heimgewerblich, nur langsam wachsend o Doch die durch Französische Revolution angestossenen Modernisierungsreformen in grossen Teilen Deutschlands, haben die rechtlich-politischen Grundlagen für die spätere Industrialisierung gelegt Beendigung der Feudal- und der Zunftordnung, der Herstellung von Gewerbe-, Niederlassung- und Wanderfreiheit, der Überwindung staatlicher Zersplitterung zugunsten grösserer Zollgebiete und damit der Herausbildung von überregionalen Märkten. o Verbesserte Rechtssicherheit o Erweiterte Spielräume der Privatleute für wirtschaftliche Entfaltung. o Agrarreformen stiessen eine lange Phase des Landesausbaus und der Verbesserung landwirtschaftlicher Anbaumethoden an. o Erste Fabriken 1780 o Erste Dampfmaschinen 1815 Durchbruchsphase 1840 – 1873 o Einheitliches Zollgebiet o Landwirtschaftliche Produktion nahm zu o Bau der Eisenbahn o Neue Strassen und Kanäle o Telegrafie o Schrumpfendes Heimgewerbe o Zahl der arbeitende Personen in Fabriken, Bergwerken und andere zentrale Betrieb nahmen sprunghaft zu o Textilbranche beschäftigte die meisten Menschen; Hüttenindustrie, Bergbau und Metallverarbeitung nahmen zu neben Eisenbahnbau, die Führungssektoren o Endete mit einem Gründer- Boom (1866/67) Hochindustrialisierung 1873 – 1914 o stürmische Aufstiegsphase mit leicht inflationärer Tendenz o wachsende Grossunternehmen o neue Formen der Organisation o die Rolle der Wirtschaft wurde immer wichtiger o staatliche Eingriffe in die Marktwirtschaft nahmen wieder zu o seit den 80-er Jahren begann der Aufstieg des Sozialstaats o Von Agrarexportland zu Agrarimportland o Bis 1914 wurde Deutschland eindeutig zum Industriestaat Die Anfänge der Industrialisierung (S. 257 – 261) Pionierland England Die Industrialisierung begann in England Ende 18. Jhd und erfasste im Beginn des 19. Jhd des westlichen Teil des europäischen Kontinents sowie Nordamerika. Während der 2. Hälfte des 19. Jhd strahlte sie auf der gesamten Welt Mehrere Umstände und Vorgänge, die die Industrialisierung in England beschleunigt haben: o Schnelle Fortschritte in der Landwirtschaft, die die stark wachsende Bevölkerung ernähren konnte o Die Bevölkerungszunahme sorgte sowohl für ein grosses Angebot an Arbeitskräften als auch für eine steigende Güternachfrage. o England besass grosse und leicht abzubauende Kohlevorkommen, kurze und kostengünstige Verkehrswege und ausreichend Kapital zum Investieren o Der Staat verschaffte den Unternehmern für ihre Betätigung notwendigen Freiräume durch innere Reformen o Die offene Gesellschaftskultur des Königreichs erlaubte flexible Reaktionen auf die unterschiedlichsten wirtschaftlichen Herausforderungen o Erfindungen wie Dampfmaschinen und Spinnmaschinen beschleunigten das englische Wirtschaftswachstum o Mit der Mechanisierung der Baumwollspinnerei, die zum ersten Führungssektor in der Industriegeschichte aufstieg, begann das Zeitalter der Massenproduktion im Textilgewerbe o Vordringen des Energieträgers Kohle Ausbau der Eisenindustrie o Verbilligung und Verbesserung des Eisens sowie die Modernisierung der Produktionsverfahren schufen die Voraussetzungen für die Entstehung einer leistungsfähigen Maschinenindustrie und später für den Eisenbahnbau veränderte vom Verkehrswesen bis zum individuellen Reisen „Nachzügler“ Deutschland Deutschland war noch im Stadium der Frühindustrialisierung als in England seit den 1770er Jahren die industrielle Revolution einsetzte Gründe dafür: o Im Jahre 1806 war Deutschland in 300 kleine Territorialstaaten zersplittert viele Zollschranken, abweichende Mass-, Münz- und Gewichtssysteme, Handelsmonopole sowie schlecht erschlossene Verkehrsverbindungen hemmten die wirtschaftliche Expansion o Es überwogen ertragsschwache Kleinbetriebe, deren Betreiber oft einem Nebenerwerb nachgehen mussten, um ihre Existenz zu sichern o Die Abhängigkeiten der bäuerlichen Bevölkerung von ihren Gutsherren waren häufig noch so stark, dass dadurch die zur Bildung freier Arbeitsmärkte notwendige individuelle Mobilität eingeschränkt war o Feudale Abgaben, staatliche Steuern und grosse Unterschiede bei der Verteilung des Wohlstandes behinderten die Entstehung von Massekaufkraft o Starre Standesschranken und konservative Grundeinstellungen engten den Spielraum für innovatorisches Denken und Handeln ein o Im Handwerk bildete das Festhalten an der überkommenen Zunftverfassung ein zentrales Hindernis für individuelle Erfolgsstreben. o Die absolutistischen deutschen Fürsten gängelten mit ihren merkantilistischen Konzepten die wirtschaftliche Entwicklung durch massive Eingriffe und Beschränkungen Staatliche Reformen Im Verlauf des 19.Jhd wurden die Hemmnisse für eine dynamische Industriegesellschaft beseitigt Durch die Liberalisierung der Agrar- und Gewerbeverfassung, den Abbau von Zollschranken oder die Vereinheitlichung des Rechts- und Finanzwesens schuf er die Voraussetzungen zur Entfesselung einer modernen Wirtschaftsund für den Übergang zur modernen Marktgesellschaft Die entscheidenden Grundlagen wurden in den preussischen Reformen gelegt Englisches Vorbild Kannten nicht nur die englische Entwicklung sondern auch die Bibel des Kapitalismus: “Wohlstand der Nation“ von Adam Smith hatte bei den Reformkräften in Deutschland begeisterte Aufnahme gefunden Leitbegriffe: Besitzindividualismus, Leistungsprinzip, Arbeitsteilung, freie Märkte, Konkurrenz Preussisches Oktoberedikt: Mischung aus politischem Manifest und nationalökonomischem Programm Ablösung sozialer Abhängigkeitsverhältnisse auf dem Land und der Erlass der Gewerbefreiheit im Jahre 1810 Die Reformbürokratie wollte vor allem durch die Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit die Wirtschaftskraft des Landes stärken und damit zugleich die Steuereinnahme erhöhen Am Ideal der Gesellschaft freier Wirtschaftssubjekte waren Bemühungen ausgerichtet, die die Macht der Zünfte brechen und die traditionelle Begrenzungen gewerblicher Produktion aufheben sollte kreative Energien des Landes mobilisieren und eine dynamische Konkurrenzwirtschaft begründen Der Staat beseitigte die rechtlichen Hindernisse, die den Wirtschaftsaufschwung behinderten Bedingungen für die Entstehung freier Arbeits-, Kapital- und Bodenmärkte Infrastrukturelle Voraussetzungen schaffen Verkehrsnetz wurde erweitert und leistungsfähiger, durch die Abschaffung der Zollschranken wurde der Binnenmarkt ausgebaut ein Prozess der mit dem 1834 gegründeten Zollverein seinen Höhepunkt erreichte. Staatliche Gewerbeschulen undakademien wurden errichtet, mit denen Preussen seinen technologischen Rückstand zu England aufholen konnte. Nationalismus, Imperialismus und deutsche Weltpolitik Imperialismus Spanien, Portugal, Holland, England und Frankreich sicherten sich vom 16 – 18. Jhd Kolonien, besonders in Amerika, Indien, Australien und Ozeanien Territoriale Expansion sowie die Ausdehnung der nationalen Einflusssphären wurden nun zur alles beherrschenden Richtschnur aussenpolitischen Handelns. Wettlauf um die Aufteilung der Welt Es genügte nicht mehr, europäische Grossmacht zu sein. Als Weltmacht musste man Kolonien besitzen. Motive Unterschied zur bisherigen kolonialen Ausbreitung: o Expansionsformen o Dynamik o Aggressivität o Politisch-ökonomische Programmatik Wirtschaftliche Überlegung zentral Nicht wie bei Kolonialismus: Öffnung der Erde bzw. Liberalisierung der Weltmärkte und Durchsetzung einer Freihandelspolitik Sondern: Protektionismus = wirtschaftliche Abschottung, zunehmend die Wirtschaftspolitik der europäischen Staaten Zölle sollten dabei den Aufbau eigener Wirtschaftszweige schützen und ausländische Konkurrenz bekämpfen Gewinnung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten sowie von Räumen für die Ansiedlung eines angeblichen Bevölkerungsüberschusses waren neben dem nationalen Prestige die Hauptargumente, die von nationalistischen und imperialistischen Verbänden propagiert wurden Ablenkung von innenpolitischen Spannungen Auswich von sozialen und politischen Konflikten Sozialimperialismus Der immer grössere technologische, ökonomische, politisch-organisatorische und damit auch militärische Abstand zwischen den europäischen Staaten, dienten als Anlass für Intervention Wissenschaftlicher Forschungsdrang, zivilisatorisches Sendungsbewusstsein oder religiöse Missionsaufgaben nahmen ebenso grossen Stellenwert ein wie nationalistisches Machtstreben und ökonomisches Interesse Folgen Rivalität der europäischen Mächte führte zu einer Verschärfung des imperialen Zugriffs Der notwendig werdende Aufbau von Kolonialverwaltungen bewirkte, vor allem in Afrika und Südasien, eine stärkere Unterwerfung der einheimischen Bevölkerung Direkter Unterstand; Andere Gebiete z.B China: indirekt Die Kolonialmächten brachten den Menschen in den Kolonien oft erniedrigende Bestimmungen, verschärfte Ausbeutung und gewaltsame Unterdrückung Vernichtung der Volksgruppen Kolonialmächten machten auch Vereinbarungen über die Abgrenzung von Interessensphären und taten auch gemeinsame Aktionen Boxer Aufstand China 1900/1901 Zu Kriegen wegen kolonialer Konflikte kam es nur zwischen europäischen und aussereuropäischen Staaten Die europäischen Mächte schreckten offensichtlich davor zurück, in den Kolonien untereinander in kriegerische Auseinandersetzungen zu geraten Folgen in Europa nicht kalkulierbar „Saturierter“ Nationalstaat Seit der Reichsgründung besass Deutschland eine halbhegemoniale Stellung in Europa zu schwach um europäische Vorherrschaft zu übernehmen und zu stark, als dass die europäischen Machtverhältnisse gegen seinen Willen hätten verändert werden können. Bismarck war bestrebt, den Albtraum feindlicher Bündnisse gegen das Deutsche Reich zu verhindern Frankreich fühlte sich nach der Niederlage gegen Deutschland 1870 gedemütigt Für Bismarck war die Sicherung von Ruhe und Frieden in Europa die Lebensund Überlebensbedingung des Deutschen Reiches Er versuchte die durch die Reichsgründung geschaffene machtpolitische Situation zur Grundlage für ein neues Gleichgewicht der Mächte zu machen Um dies zu erreichen erklärte er immer wieder Deutschland zum „saturierten“ Staat, der keine expansiven Wünsche mehr hege. 2. Schloss er konsequent defensive Bündnisse mit möglichen Gegnern, um einen Kriegsfall auszuschliessen 3. Betrieb er erfolgreich Frankreichs Isolierung, damit er keine Angriffsbündnisse gegen Deutschland schliessen konnte Deutsche Weltmachtpolitik Am 15.6.1888 bestieg Willhelm II den deutschen Kaiserthron Hochimperialismus Konflikte zwischen Monarchen und Reichskanzler waren absehbar Willhelm II wollte selbst regierenwar nicht mehr länger bereit Bismarck die Regierungsgeschäfte zu überlassen In der Aussenpolitik sollten neue Akzente gesetzt werden: Deutschlands Macht sollte besser in Geltung gebracht werden Bismarck versuchte stets die Empfindlichkeit der europäischen Staaten mit machtpolitische Zurückhaltung zu besänftigen Willhelm II vollmundige Sprüche, säbelrasselnde Reden und lautstarke Machtansprüche Willhelm II trat für eine deutsche Weltmachtpolitik ein Ziele: o Mit der Forderung nach Weltgeltung verband Willhelm II den Anspruch des erst spät in den Kreis der Grossmächte eingetretenen Reiches, nicht nur in Europa zu den entscheidenden Mächten zu gehören sondern auch in der Welt eine ebenbürtige Stellung einzunehmen o Für seinen neuen Kurs, die er mit der Forderung nach einem Platz an der Sonne für Deutschland verband, fand der Kaiser Unterstützung des Bürgertums sowie nationalistischer und imperialistischer Vereine (Deutsche Kolonialgesellschaft, Flottenverein, Alldeutschen Verband) o Verhinderte ein Gelingen in der Aussenpolitik, die ein Bündnis mit England gegen Frankreich und Russland anstrebte, und mündete in die Selbstisolierung des Reiches o Mit dem Bau einer riesigen Flotte wollte das deutsche Reich den Durchbruch zur Weltmacht erreichen und mögliche Feinde abschrecken o Mit der Flotte sollte auch entweder Grossbritannien zu deutschen Bedingungen in ein Bündnis gezwungen werden oder zusammen mit Russland das britische Weltreich aus den Angeln gehoben werden, sodass das Deutsche Reich dessen koloniales Erbe antreten könnte o Der Staatssekretär legte den Plan einer Risikoflotte, die zwei Drittel der englischen Stärke erreichen sollte vor. o Kaiser, Grossindustrie, imperialistische Vereine und Reichstagsmehrheit unterstützten den Plan o England erblickte im energischen deutschen Flottenbau einen Angriff auf seine Seeherrschaft und näherte sich daraufhin Frankreich und Russland an Radikalisierung des Nationalismus Die willhelmnische Weltpolitik beruhte auf einer grundlegenden Neubewertung der Reichsgründung und ihrer Bedeutung für die deutsche Nation Dabei wurde der durch Bismarck geschaffene Nationalstaat nicht mehr als Abschluss, sondern lediglich als Ausgangspunkt der nationalen Entwicklung angesehen Die Einschwörung der Bevölkerung auf die Erringung und Behauptung einer Weltmachtstellung des deutschen Volkes befriedigte Sehnsüchte nach nationaler Grösse Die Identifikation mit der Nation sollte dabei Verunsicherungen und Belastungen ausgleichen, die die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft für viele Menschen mit sich brachte Mit der Ausbreitung und Intensivierung nationaler Gefühle ging die Radikalisierung des Nationalismus bzw. integraler Nationalismus einher Das nationale Denken und Handeln verlor zunehmend seine liberale und emanzipatorische Ausrichtung, dagegen gewannen aggressivexpansionistische und imperialistische Elemente mehr und mehr an Gewicht Der neue Radikalnationalismus dachte völkisch und rassenbiologisch Definierte die Nation als ethnische Abstammungsgemeinschaft Nach innen stemmte sich dieser Nationalismus allen politisch-sozialen Demokratisierungs- und Liberalisierungsbestrebungen entgegen Nach aussen forderte er die aggressive und militärische Vertretung deutscher Interesse 1890 = extreme Nationalismus Der Kern bildete dabei der Alldeutsche Verband