Autonomie und Demenz

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Autonomie und Demenz
Dr. Andreas Linsa, M.mel.
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Interdisziplinäres Zentrum
Medizin-Ethik-Recht
Herausgegeben von
Prof. Dr. Hans Lilie
Prof. Dr. Hans Lilie (Hrsg.), Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Band 20, 2010
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:
ISSN 1862-1619
ISBN 978-3-86829-241-1
Schutzgebühr Euro 5
Interdisziplinäres Zentrum Medizin-Ethik-Recht (MER)
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Universitätsplatz 5
D- 06108 Halle (Saale)
[email protected]
www.mer.jura.uni-halle.de
Tel. ++ 49(0)345-55 23 142
1
Gliederung
1. Einleitung und Problemstellung .............................................................................. 2
1.1 Autonomie als Grundbegriff der medizinischen Ethik........................................ 2
1.2. Die Arzt-Patient-Beziehung.............................................................................. 6
2. Medizinische und neuropsychologische Aspekte der Demenz ............................ 11
3. Ethische Entwürfe................................................................................................. 14
3.1. Das dialogische Prinzip.................................................................................. 14
3.2. Care-Ethik ...................................................................................................... 18
3.3. Eudaimonistische Ethik .................................................................................. 21
3.4. Verantwortungsethik ...................................................................................... 25
4. Ethik der Demenz ................................................................................................. 29
5. Zusammenfassung ............................................................................................... 40
2
1. Einleitung und Problemstellung
1.1 Autonomie als Grundbegriff der medizinischen Ethik
Der Begriff der Autonomie ist ein Zentralbegriff der Moderne geworden. Er steht in
der Ethik für das sittliche Freiheitsbewusstsein, in dem die normgebende
Verantwortung des Menschen zur unabdingbaren Voraussetzung normativer
Verbindlichkeit wird. Er wird außer in ethischen Diskursen auf zahlreiche andere
Gegenstandsbereiche angewendet (etwa in Politik, Recht, Psychologie, Pädagogik
oder Soziologie) und drückt dabei mitunter auch durchaus unterschiedliche
Bewertungen aus.
Von herausragender Bedeutung für die Ausbildung des genuin ethischen
Autonomieverständnisses ist die praktische Philosophie Immanuel Kants (17241804). Nach Höffe (1983) hat „der Autonomiebegriff in der kantischen Philosophie erstmals und bis heute unübertroffen - eine präzise Ausarbeitung als ethische
Leitidee“ erfahren.
Zum Dreh- und Angelpunkt seiner kritischen Ethik erhebt Kant den „guten Willen“:
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außerhalb derselben zu denken
möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein
guter Wille“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten). Dabei gibt es nach Kant keine
dem Willen von außen verbindlich vorgegebenen Werte, diese werden vielmehr
durch den sittlichen Willen des Menschen von ihm selbst – autonom – als moralisch
verbindlich konstituiert. Sie sind dem Willen nicht vorgegeben, sondern seiner
Autonomie aufgegeben. Diese Aufgabe hat den Charakter einer unbedingten
Verpflichtung, des Kategorischen Imperativs. Dieser ist für Kant mehr als ein
moralphilosophisches Testverfahren, er manifestiert sich als Sollensanspruch, der
den Menschen zum Handeln antreibt. Autonomie besitzt in diesem Sinne eine
motivationale Seite, die Kant mit der „Achtung vor dem Gesetz“ umschreibt. Der
Achtung gebietende Imperativ ist dabei jedoch immer Anspruch der eigenen
praktischen Vernunft, mit der der Mensch sich sein eigenes Gesetz geben und
dieses konsequent lebenspraktisch vollziehen soll. Die sittliche Selbstgesetzgebung
vollzieht sich konkret über die Ausbildung von Maximen, d. h. von subjektiven
Grundsätzen, die darauf zu überprüfen seien, ob sie als universal geltend gewollt
werden können: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als
Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“ (Kritik der praktischen
3
Vernunft). Die kognitiven Fähigkeiten des Menschen werden so in den Dienst der
sittlichen Selbstgesetzgebung gestellt: kognitive Seite der Autonomie.
Moralität und Sittlichkeit haben ihren Ursprung in der Freiheit des menschlichen
Willens, die zum einen Freiheit von materialen Bestimmungen, zum anderen Freiheit
zur Selbstgesetzgebung bedeutet. Zur Freiheit, sich über alle Erscheinungen und die
Kausalitäten der Natur zu erheben, ist nur der Mensch als vernünftiges Wesen
befähigt. Genau diese Willensfreiheit als Fähigkeit zur Selbstbestimmung verleiht
dem Menschen seine Würde und seinen absoluten Wert. Die Einsicht in die
Autonomie des Sittlichen fällt mit der Achtung der Würde eines jeden Menschen
zusammen.
Die Freiheit wird von Kant als „Postulat der reinen praktischen Vernunft“ angesehen,
als ein Vermögen aller Glieder der Menschheit zur Selbstgesetzlichkeit, die keine
empirische Größe, vielmehr eine „transzendentale Idee“ sei. Freiheit und Würde sind
somit in der sinnlichen Welt der Erscheinungen nicht beweisbar. Würde kommt für
Kant in erster Linie der Menschheit als ganzer zu, an deren Würde der Einzelne
teilhat, weil er mit ihr durch seine Natur verbunden ist. Daraus folgt für Kant, dass
„die Würde der Menschheit an jedem Menschen praktisch anzuerkennen ist“
(Grundlegung zur Metaphysik der Sitten). Jedem Menschen wird damit Personsein
zugesprochen, wozu es nicht der tatsächlichen Realisierung der Freiheit in
spezifischen freiheitlichen Akten bedarf. Eine menschliche Person hat „Würde vom
Anfang des Lebens an und unter allen denkbaren Gestalten ihres Lebens“ (Ritschl
1989).
Die Anerkennung der so verstandenen sittlichen Autonomie eines jeden Einzelnen
kann nicht auf bestimmte Bereiche des Lebens und der Gesellschaft beschränkt
bleiben, sondern muss alle Lebensbereiche durchwirken und prägen: Partnerschaft,
Ehe, Familie, Erziehung, Bildung, Recht, Politik, Wirtschaft, aber auch den Umgang
mit Krankheit, Alter und Tod.
Die in der modernen Medizinethik etablierte Vorstellung von Autonomie ist die einer
individuellen Entscheidungshoheit in Fragen persönlicher Belange und steht damit,
wie Schöne-Seifert (2007) feststellt, „weit mehr in der liberalen Tradition eines John
Stuart Mill als in der Tradition des kantischen Autonomieverständnisses“. Während
Kants Autonomiekonzept, wie dargestellt, überindividuell zu denken ist, geht es in
der Medizinethik vorwiegend um individuelle Überzeugungen und subjektive Werte
bezüglich
des
eigenen
Lebens.
Die
übliche
Gleichsetzung
der
Begriffe
4
Selbstbestimmung und Autonomie wird daher von einigen Autoren (Knoepffler 2008,
Wunder 2008) als durchaus problematisch angesprochen.
Mit ihrem 1979 erstmals erschienenen, bahnbrechenden Buch „Principles of
Biomedical Ethics“ haben Tom Beauchamp und James E. Childress das Prinzip des
Respekts vor der Patientenautonomie weltweit bekannt gemacht. Sie bestimmen
darin die Achtung der Autonomie als Anerkenntnis, dass Menschen das Recht
haben, bestimmte Positionen zu vertreten, Entscheidungen zu treffen und ihren
persönlichen Werten gemäß zu handeln. Im Bereich der Medizin bedeutet das:
Patienten haben ein Anrecht darauf, nach fachgerechter Aufklärung, Behandlungen
zuzustimmen (informed consent) oder diese abzulehnen. Ohne Einwilligung des
aufgeklärten Patienten sind ärztliche Maßnahmen somit – außer in Notfällen –
ethisch und auch juristisch abzulehnen.
Nach überwiegend geteilter Auffassung (Faden und Beauchamp 1986) muss die
Zustimmung oder Ablehnung eines Patienten mehrere Bedingungen erfüllen, um
hinreichend autonom zu sein und daher Respekt zu verdienen. Zunächst muss ein
Patient entscheidungskompetent sein, er muss weiterhin so informiert sein, dass er
versteht, worum es geht und seine Entscheidung ohne steuernde Einflussnahme
durch andere Personen fällen und geltend machen können. Schließlich müssen
Zustimmung oder Ablehnung eine bewusste, intentionale Handlung sein, d. h. vom
Patienten als Legitimierung oder Abweisung einer medizinischen Maßnahme
verstanden werden. Dabei besitzt die erwähnte Entscheidungskompetenz eine
Nadelöhr-Funktion, die zunächst erfüllt sein muss, bevor die Prozedur der
Entscheidung nach Aufklärung in Gang gesetzt werden kann. Angesichts ihrer
Zusammensetzung aus verschiedenen kognitiven und emotionalen Komponenten ist
sie
tatsächlich
Hochschätzung
jedoch
von
eine
graduell
Autonomie
zeigt
verwirklichte
sich
im
Eigenschaft.
Bemühen
des
Wirkliche
Arztes,
die
Entscheidungsfähigkeit des Patienten, wann immer möglich, zu stärken. Die
Kompetenzannahme wirft jedoch unweigerlich die Frage nach einer unteren Grenze
auf, unterhalb derer es keine Möglichkeit der Selbstbestimmung gibt. Gibt es also
Menschen, die vom Selbstbestimmungskonzept nicht erfasst werden, weil sie
Informationen nicht verstehen, eigene Werte nicht reflektieren, die Folge einer
Entscheidung nicht vorausdenken oder eine eigene Entscheidung einem Dritten
gegenüber
nicht
äußern
können?
Oder:
Kann
eine
eingeschränkte
Entscheidungsfähigkeit die Möglichkeit zu partieller Selbstbestimmung offen lassen?
Welche moralischen Prinzipien aber sind tauglich, im Falle einer krankheitsbedingt
5
eingeschränkten Autonomiefähigkeit, die davon unantastbare Würde des kranken
Menschen zu sichern? Diesen Fragen wird in dieser Arbeit nachzugehen sein.
Neben dem Recht auf Zustimmung oder Ablehnung medizinischer Maßnahmen und
dem auf Information – beide konstituieren gemeinsam das Recht auf den informed
consent – kann der Begriff der Patientenautonomie weitere Ausgestaltungen
erfahren. Bobbert (2002) nennt hier unter Bezugnahme auf den amerikanischen
Philosophen
Alan
Gewirth
(1912-2004),
der
die
Voraussetzungen
der
Handlungsfähigkeit eines Menschen (Freiheit und Wohlergehen) als Menschenrechte
definierte, das Recht auf Festlegung des Eigenwohls, das es dem Menschen
ermöglicht selbst zu entscheiden, was er für gut erachtet und was er möchte. Dieses
Eigenwohl müsse der Mensch durch Selbstreflexion ermitteln, weshalb es die
Aufgabe der Helfer sei, ihm die Möglichkeit dazu einzuräumen und ihn dabei zu
unterstützen. Weil jeder aber das Recht habe, sein eigenes Wohl selbst festzulegen,
bestehe zusätzlich zum bloßen Recht auf informierte Zustimmung zu einem
unterbreiteten Handlungsvorschlag das Recht auf Wahl zwischen unterschiedlichen
Alternativen, wo es diese auch immer gebe, zumal so die Wahrscheinlichkeit der
Verwirklichung individueller Präferenzen erhöht werden könne. Schließlich aber
bedeute
Respekt
vor
der
Patientenautonomie
auch,
die
Einengung
des
Handlungsspielraums eines Patienten durch institutionelle Sachzwänge, welche aus
den
Arbeitsabläufen
des
Krankenhauses
oder
der
Praxis,
aus
versicherungsrechtlichen, ökonomischen oder gesellschaftspolitischen Vorgaben
erwachsen können, so gering wie irgend möglich zu halten. Der professionelle Helfer
trage an dieser Stelle die Beweislast; die Einschränkung des Handlungsspielraums
sei begründungspflichtig.
Die von Bobbert vorgeschlagene Auffächerung des Autonomiebegriffs macht zum
einen deutlich, dass Autonomie nicht nur ein Abwehrrecht darstellt, sondern auch
Ansprüche begründen kann und verweist zum anderen auf die Relationalität des
autonomen Selbst. An dieser Stelle sind Bezüge zu den im nachfolgenden Kapitel
dargestellten Modellen des Arzt-Patient-Verhältnisses aufzuzeigen. Während sowohl
eine paternalistische, als auch – mit umgekehrtem Vorzeichen – eine informative
Arzt-Patient-Beziehung mit sehr engen Autonomieverständnissen verknüpft sind,
erfährt die Autonomie des Patienten im interpretativen und deliberativen Modell eine
Förderung durch das gemeinsame Bemühen von Arzt und Patient, welches auf
dessen Befähigung abzielt, am Ende eines von Vertrauen gekennzeichneten
6
interaktiven Prozesses die für ihn beste Entscheidung treffen zu können. Geisler
(2004) spricht in diesem Zusammenhang von „gestützter Autonomie“ und nennt als
deren Aufgaben das Bewusstmachen des Anspruchs auf Autonomie, den Abbau
institutioneller Hemmnisse, die Beseitigung entwürdigender Umstände und: die
Befähigung zur Autonomie durch Behandlung körperlicher oder psychischer, die
Fähigkeit zur Selbstbestimmung einschränkender Störungen. Geisler betont die
Bedeutung einer so verstandenen Autonomieförderung insbesondere in Situationen
schwerster oder terminaler Krankheiten.
1.2. Die Arzt-Patient-Beziehung
Die Arzt-Patient-Beziehung stand in der Geschichte der Medizinethik seit der Antike
lange Zeit im Mittelpunkt ärztlicher Deontologien. Die neuere Medizinethik dagegen,
die sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zunächst in Amerika, mit einiger
Verzögerung auch in Deutschland entwickelte, nahm zunächst vor allem ethische
Konflikte am Beginn und am Ende des Lebens sowie neueste naturwissenschaftlichmedizinische Verfahren in den Blick. Die Grundlagen der Arzt-Patient-Beziehung
erfuhren in dieser Zeit geringere Beachtung. Auch nach einer vorübergehenden
Phase verstärkter Aufmerksamkeit in den 1970er Jahren in Deutschland gingen
ethische Reflexionen und medizinsoziologische Untersuchungen zu diesem Thema
erneut zurück. In den letzten Jahren jedoch wurden vor allem in den
angloamerikanischen Ländern verschiedene Modelle der Arzt-Patient-Beziehung
weiterentwickelt und in ihrer Wirkung erforscht.
Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient wurde, wie auch die Medizin selbst, im
Wandel der Zeiten von den jeweils geltenden Leitideen und Denkmodellen
beeinflusst. Dabei haben sich einige zentrale Normen und Prinzipien als
überdauernd erwiesen oder gerieten nach einer Phase der Vergessenheit in
verändertem Gewand jeweils erneut in den Blickpunkt des Interesses. In der
jüngeren Medizinethik spielt die Reflexion über die Patientenautonomie und deren
Stärkung gegenüber dem ärztlichen Paternalismus eine herausgehobene Rolle. So
konnte sich in den 1970er Jahren die informierte Zustimmung - informed consent des Patienten in die vom Arzt vorgeschlagenen Behandlungsmaßnahmen als
7
ethisch-legales Minimum der Patientenautonomie durchsetzen. In den 1980er Jahren
richtete die Careethik den Fokus von der Autonomiediskussion auf den
Beziehungsaspekt der Arzt-Patient-Beziehung und damit auf Momente der Fürsorge,
der Verantwortung und des Vertrauens. Die angesprochenen Werte charakterisieren
in ihrer jeweils unterschiedlichen Wichtung die konkrete Gestalt einer Arzt-PatientBeziehung. Die Diskussion um die Systematik ihrer verschiedenen Modelle hat sich
in den letzten Jahren neu belebt.
Emanuel und Emanuel (1992) unterscheiden vier Muster:
1. Paternalistisches Modell: Der Arzt als Beschützer und Vormund (Eltern-,
Priestermodell), der aufgrund seiner fachlichen Qualifikation am besten weiß,
was
gut
für
den
Patienten
ist.
Die
Bestimmung
des
besten
Patienteninteresses ist anhand objektiver Kriterien möglich und kann daher
unter
nur
eingeschränkter
Beteiligung
des
Patienten
erfolgen.
Patientenautonomie bedeutet lediglich Zustimmung zu dem, was der Arzt für
richtig hält. Im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Wohlergehen legt der
paternalistische Arzt sein Hauptgewicht auf letzteres.
2. Informatives Modell: Es setzt eine scharfe Trennung zwischen Fakten und
Werten voraus. Der Arzt versteht sich als technischer Experte, der seine
Aufgabe
darin
sieht,
dem
Patienten
fachliche
Informationen
als
Entscheidungsgrundlage zu liefern. Von den Wertvorstellungen des Patienten
hängt die Wahl der Behandlung ab. Hier entsteht eine erhebliche Asymmetrie
dadurch, dass die Last der Entscheidungsverantwortung weitestgehend auf
die Schultern des autonomen Patienten verlagert wird.
3. Interpretatives Modell: Die Wertvorstellungen eines Patienten sind nicht
gänzlich festgelegt und ihm nur teilweise bewusst, sie können in konkreten
Situationen miteinander in Konflikt geraten. Aufgabe des Arztes ist es daher
zum einen, dem Patienten relevante fachliche Informationen zu liefern und
zum anderen, gemeinsam mit ihm an der Verdeutlichung seiner persönlichen
Zielvorstellungen und Ideale zu arbeiten, um danach Vorschläge zu
unterbreiten, welche medizinischen Maßnahmen die herausgearbeiteten
Werte realisieren können.
4. Deliberatives (abwägendes) Modell: Der Arzt als Lehrer und Freund, der sich
mit dem Patienten über die besten Handlungsmöglichkeiten bespricht.
Anliegen der Interaktion zwischen beiden ist es, dem Patienten bei der
8
Bestimmung und Auswahl der Behandlungsziele zu helfen, die in der
klinischen Situation verwirklicht werden können. Sie überlegen gemeinsam,
welche gesundheitlichen Ziele angestrebt werden könnten und sollten. Der
Patient wird dabei unterstützt, nicht einfach unreflektierten Präferenzen oder
reflektierten Wertvorstellungen zu folgen, sondern erhält das Angebot, im
Gespräch alternative gesundheitliche Zielsetzungen und deren Wert sowie
Konsequenzen für die Behandlung zu erwägen.
Eine neuere Systematik (Krones und Richter 2006) nimmt die soeben vorgestellte
Klassifikation auf, erweitert, differenziert und modifiziert sie.
1. Paternalistisches Modell: Dieses wird hier in gleicher Weise, wie von Emanuel
und Emanuel, als stark asymmetrisches Verhältnis zwischen dem über
Expertenwissen verfügenden, fürsorgenden Arzt und seinem überwiegend
passiven Patienten verstanden. Es setzt ein rein naturwissenschaftliches
Krankheitsmodell voraus und geht von der Möglichkeit der objektiven
Bestimmung des Patientenwohls anhand allgemeingültiger Kriterien aus.
2. Vertragsmodell: Dieses umfasst zwei Konzepte, das
a. Informationsmodell („informed [evidence based] choice“) sowie das
b. Kundenmodell („consumerism“).
Beiden ist gemeinsam, dass sie dem Patienten die größtmögliche obligatorische - Autonomie zubilligen.
Im Informationsmodell wird dieser als rationaler Akteur gesehen, der aufgrund
der ihm zur Verfügung gestellten oder von ihm selbst eingeholten
Informationen gemäß seiner eigenen Präferenzen in alleiniger Verantwortung
die Entscheidung über medizinische Maßnahmen trifft. Im Idealfall spiegeln
diese Informationen den jeweils aktuellen Stand evidenzbasierter Medizin
wider und beinhalten Angaben über Prognose mit und ohne Therapie,
absolute und relative Risikoreduktion durch eine Behandlung sowie über das
absolute und relative Risiko für das Auftreten von Komplikationen oder
unerwünschter Wirkungen. Den geforderten Ansprüchen an die Aktualität und
wissenschaftliche Zuverlässigkeit der Informationen sollen in jüngster Zeit
entwickelte Internetportale gerecht werden. Patienten können in Deutschland
über
Seiten
des
Instituts
für
Qualität
und
Wirtschaftlichkeit
im
Gesundheitswesen – IQWiG (gesundheitsinformation.de) oder etwa des
9
Ottawa Health Decision Centre – OHDeC (decisionaid.ohri.ca) in Kanada
konkrete Entscheidungshilfen in Bezug auf zahlreiche Krankheiten abrufen.
Das Kundenmodell ist seit den 1990er Jahren verstärkt in die Diskussion
gekommen. Der völlig autonome Patient wird als Konsument, der Arzt als
Dienstleister auf dem freien Markt von Gesundheitsdienstleistungen konzipiert.
Auch das Ausmaß der Information wird vom Patienten eigenverantwortlich
bestimmt, so dass er gemäß seinem Recht auf Nichtwissen auf sie auch
gänzlich verzichten kann, wobei der Arzt – in diesem Modell – einer
Mitverantwortung weitestgehend enthoben ist, was freilich nicht unerhebliche
haftungsrechtliche
Probleme
aufwirft,
zumal
Ärzte
aufgrund
ihres
Expertenstatus rechtlich sehr wohl zur Aufklärung verpflichtet sind. Kritiker
erkennen in diesem Modell zudem eine Haltung der Gleichgültigkeit und
sprechen von „Autonomismus“.
3. Deliberatives Modell: Auch dieses umfasst zwei Komponenten, zum einen die
a. Patientenzentrierte Arzt-Patient-Beziehung, zum anderen die
b. Partizipative Entscheidungsfindung („shared decision making“, SDM).
Im
Zentrum
der
älteren
patientenzentrierten
Methode
stehen
die
Informationssammlung, ein biopsychosoziales Krankheitsmodell und das
Verstehen der Patientenperspektive. SDM fokussiert dagegen stärker auf den
Vorgang
der
Entscheidungsfindung.
Informationsaustausch
verständigen
Nach
sich
Arzt
einem
und
gegenseitigen
Patient
über
ein
gemeinsames Ziel, welches sowohl die medizinischen Fakten, als auch die
Präferenzen des Patienten berücksichtigt. Die dabei erzielte Übereinkunft wird
als Konkordanz bezeichnet, welche die Grundlage der daraus resultierenden
Adhärenz darstellt, des Umfangs also, in dem der Patient sich an die
getroffenen Vereinbarungen gebunden fühlt und sich an diese hält.
Bestehende Abhängigkeiten und Asymmetrien des Arzt-Patient-Verhältnisses
werden anerkannt, jedoch in einem interaktiven Prozess auf ein solches Maß
reduziert,
welches
ermöglicht.
Im
das
Aushandeln
Konzept
einer
der
gemeinsamen
relationalen
Autonomie
Entscheidung
wird
davon
ausgegangen, dass Menschen, zumal als Patienten, immer in Beziehungen
und Abhängigkeiten eingebunden sind, die ihre Möglichkeit zu genuin
autonomen Entscheidungen einschränken oder gar unmöglich machen
können.
Es
vernachlässigt
dabei
jedoch
nicht
die
Bedeutung
der
Eigenverantwortung eines Patienten für den Umgang mit seiner Krankheit und
10
deren Therapie. So ist der Patient, juristisch betrachtet, Träger der
Entscheidung, der Arzt wird dabei jedoch nicht aus seiner professionellen
Mitverantwortung für umfassende und adäquate Aufklärung und Behandlung
entlassen. Die beiderseitige Verantwortungsübernahme orientiert sich an dem
vom Patienten gewünschten Maß. Das Konzept der optionalen Autonomie
misst somit auch Fürsorge- und Verantwortungspflichten des Arztes eine
bedeutsame Rolle zu, die darin ihren Ausdruck finden, dem Patienten genau
so viel Autonomie zuzumuten, wie er selbst beanspruchen möchte. Dabei
gerät jedoch auch die Pflicht des Arztes nicht aus dem Blick, der
Selbstbestimmtheit des Patienten höchstmögliche Geltung zu verschaffen.
Fürsorge dient hier der Herstellung größtmöglicher Autonomie und steht ihr
nicht wie im klassischen Paternalismus gegensätzlich gegenüber.
Es liegt auf der Hand, dass es dem Arzt nicht möglich sein wird, die Beziehung zu all
seinen Patienten jederzeit nach dem von ihm favorisierten Modell uniform zu
gestalten. Insbesondere die patientenseitigen Bedingungen werden von Fall zu Fall
variieren. Ein komatöses Unfallopfer wird in der Nothilfesituation ein anderes
Vorgehen verlangen als der wache, aber schmerzgeplagte Tumorpatient. Dessen
Situation wiederum wird sich von der eines ebenfalls wachen, jedoch schwer
dementen Menschen, der jegliche Fähigkeit, Sprache zu bilden und zu verstehen,
eingebüßt hat, unterscheiden. Freilich wird ein Arzt eine grundsätzliche Präferenz
des einen oder anderen Modells entwickeln. Die Notwendigkeit, inter- als auch
intraindividuell die jeweils vorgefundene Situation maßgeblichen Einfluss auf die
konkrete Ausgestaltung der Beziehung zu seinem Patienten nehmen zu lassen,
bleibt davon unberührt.
Die vorliegende Arbeit soll unter dem eingangs erwähnten Gesichtspunkt der
Autonomie als einem Leitgedanken heutiger medizinischer Ethik der Frage
nachgehen, welche Konsequenzen das Vorliegen einer Demenz für die Gestaltung
des Arzt-Patient-Verhältnisses besitzt. Wie weit trägt der Autonomiegedanke, wenn
die Fähigkeit zur Selbstbestimmung mehr und mehr schwindet und schließlich ganz
erlischt? Was bedeutet dieser Augenblick für die Würde des Betroffenen? Welche
moralischen Prinzipien können hilfreich sein im Bemühen des Arztes um einen
würdigen Umgang mit dem Kranken, den die Vernunft längst verlassen hat?
Dazu sollen nach einer kurzen medizinischen Hinführung zum Demenzproblem
einige in diesem Zusammenhang hilfreiche ethische Konzepte vorgestellt werden. Es
11
wird im Rahmen dieser Arbeit keine umfängliche Darstellung komplexer ethischer
Theorien möglich sein. Daher werden jeweils ihre Bezüge zur klinischen
Fragestellung ganz im Vordergrund stehen, andere Aspekte nur insofern erwähnt
werden, wie es ein grundlegendes Verständnis des Entwurfes verlangt. Schließlich
soll die Brücke wieder zurück zur Klinik geschlagen werden und die konkrete
Anwendbarkeit der vorgestellten Theorien in der medizinischen Praxis hinterfragt
werden. Welche Orientierungshilfe kann Ethik Ärzten und Pflegenden bei der Suche
nach
Wegen
eines
moralischen
Ansprüchen
genügenden
Umgangs
mit
Demenzkranken bieten? Wie also kann eine „Klinische Ethik der Demenz“
aussehen?
2. Medizinische und neuropsychologische Aspekte der Demenz
Demenzen gelten als die psychischen Alterskrankheiten schlechthin und sind die
häufigste
Ursache
für
Pflegebedürftigkeit.
Mit
steigendem
Alter
wird
eine
exponentielle Zunahme beobachtet. Die Prävalenz liegt zwischen in der Altersgruppe
der 65- und 69-Jährigen unter 2%, verdoppelt sich dann aber alle fünf Jahre. Von
den über 90-Jährigen leiden bereits über 30% an einer mittelschweren oder
schweren Demenz. Derzeit wird in Deutschland von etwas mehr als einer Million
Demenzkranker ausgegangen. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung werden
wir mit diesem Problem in der Zukunft jedoch noch stärker rechnen müssen. Wenn in
allen anderen Bereichen der Medizin weiter so erfreuliche Fortschritte erzielt werden,
gleichzeitig aber in der Prävention und Therapie von Demenzen kein Durchbruch
gelingt, wird sich die Zahl der Krankheitsfälle in Deutschland bis zum Jahr 2040
verdoppelt haben und dann bei über zwei Millionen liegen.
Zur Häufigkeitsverteilung der einzelnen primären Demenzformen, die also nicht wie
sekundäre Demenzen Folge anderer, etwa internistischer Erkrankungen oder
unerwünschter Arzneimittelwirkungen sind, sondern auf einen pathologischen
Hirnabbau (z. B. im Rahmen einer Progressiven supranukleären Blickparese - PSP,
der Parkinson-Krankheit, einer Multisystematrophie - MSA, einer Lewy-KörperchenKrankheit - LBD, der Kortikobasalen Degeneration - CBD) zurückgehen, gibt es in
der Literatur divergierende Angaben, wobei über die häufigste Demenzform
weitestgehende Einigkeit besteht: Die Demenz vom Alzheimer-Typ (AD) macht
demnach etwa 60-70% aller Demenzen aus und stellt damit die häufigste
12
neurodegenerative Erkrankung überhaupt dar. Das medizinische Demenz-Konzept
ist folgerichtig am Modell der Alzheimer-Demenz ausgerichtet, auf die sich die
folgenden Ausführungen konzentrieren werden.
Die Diagnose einer Demenz setzt nach den gebräuchlichen Diagnosesystemen (ICD10, DSM-IV) voraus, dass eine Gedächtnisstörung sowie mindestens eine weitere
kognitive Störung zu einer Beeinträchtigung der Alltagskompetenz führen. In der ICD10 wird darüber hinaus Bewusstseinsklarheit, d. h. die Abgrenzung von einem
Verwirrtheitszustand verlangt, welche in fortgeschrittenen Stadien allerdings nicht
mehr möglich ist. Die diagnostische Sicherheit erhöht sich bei Fortbestehen der
Symptome über mehr als sechs Monate.
Die Symptome einer Demenz werden klinisch unterschieden nach kognitiven
Störungen, nicht-kognitiven Störungen und Störungen der Alltagskompetenz.
Störungen der Kognition betreffen vor allem Gedächtnis, Lernfähigkeit, Orientierung,
Sprache, Rechnen, Urteilsvermögen, logisches Denken und Auffassung. Zu den
nicht-kognitiven
Störungen
gehören
Wahn,
Halluzinationen,
Erregtheit
und
Aggressivität, Depression oder Dysphorie, Apathie, Enthemmung, Reizbarkeit und
Stimmungslabilität, abnormes motorisches Verhalten sowie Störungen des Schlafes
und des nächtlichen Verhaltens. Eine Beeinträchtigung der Alltagskompetenz
schließlich kann sich in einer Vernachlässigung der Hygiene, der Kleidung, des
Haushalts, beruflicher Pflichten oder von Hobbys äußern.
Die Entwicklung der Symptome beginnt schleichend und verläuft chronischprogredient. Der Schweregrad einer Demenz kann sich somit von einer kaum
auffälligen kognitiven Beeinträchtigung bis hin zu völliger Pflegebedürftigkeit
erstrecken. Zur Einteilung der Erkrankung in Schweregradstadien sind verschiedene
Instrumente entwickelt worden, die dazu am häufigsten benutzte Skala dürfte die
Global Deterioration Scale (GDS) von Reisberg et al. sein. Dabei handelt es sich um
eine eindimensionale, siebenstufige Fremdbeurteilungsskala, die im Anschluss an
ein klinisches Interview ausgefüllt wird und von „keine Leistungseinschränkungen“ bis
zu „sehr schwere kognitive Leistungseinbußen“ reicht. Der Auswertebogen
ermöglicht darüber hinaus eine Überführung des GDS-Befundes in eine vereinfachte,
für klinische Belange jedoch häufig praktikablere dreistufige Klassifikation, welche
eine Graduierung in eine leichte, mittelschwere oder schwere Demenz erlaubt.
Eine solche Einteilung verwendet auch Wunder (2008) in seiner Darstellung des
Zusammenhangs zwischen Krankheitsstadium und Fähigkeit zur Willensbildung:
13
In Phase 1 der Demenzentwicklung (leichte Demenz) seien danach Einsichts-,
Urteils- und Entscheidungsfähigkeit prinzipiell vorhanden, jedoch schwankend und u.
U. durch Angst und Depressivität beeinflusst. In Phase 2 (mittelschwere Demenz) sei
die Fähigkeit zur Willensbildung im Wesentlichen auf anschauungsgebundene
Handlungen und Entscheidungen im Erlebnisnahraum und solche zur unmittelbaren
Bedürfnisbefriedigung beschränkt. Dinge müssten nun entweder unmittelbar sichtbar
oder leicht vorstellbar sein, alten Wahrnehmungsmustern entsprechen und mit den
noch vorhandenen Wertorientierungen beurteilbar sein, welche dichotomisch im
konkret erfahrbaren und unmittelbaren Bereich angewandt werden können. In Phase
3 (schwere Demenz) könne der Kranke auf der Basis von Wohlsein und
Zufriedenheit bzw. der Abwehr negativer Gefühle, also affektgeleitet Ja-NeinEntscheidungen im Bereich des unmittelbar Erlebbaren treffen.
Die Diagnostik erfordert eine umfassende Anamnese und klinische Untersuchung,
darüber
hinaus
neuropsychologische,
elektrophysiologische,
labor-
einschl.
liquordiagnostischer Verfahren sowie bildgebende Untersuchungen. Nur in seltenen
Einzelfällen sind genetische oder histologische Untersuchungen des Hirngewebes
sinnvoll.
Die Pathophysiologie der Alzheimer-Demenz ist im Wesentlichen durch drei
Mechanismen gekennzeichnet, die an dieser Stelle nur knapp umrissen, nicht näher
erörtert werden sollen: Mit einer nach einem charakteristischen Muster erfolgenden
räumlichen
Ausbreitung
einer
generalisierten
Neurodegeneration
geht
die
Entwicklung von an die betroffenen Hirnregionen gekoppelten klinischen Symptomen
einher. Folge der bestimmte Kerngebiete betreffenden fokalen Degeneration ist ein
Mangel an Neurotransmittern, wie Azetylcholin, Serotonin oder Dopamin. Neben dem
beschriebenen Neuronenverlust ist die Alzheimer-Demenz auch durch typische
Ablagerungen im Hirnparenchym gekennzeichnet. Dabei handelt es sich um die
extrazellulär
abgelagerten
sog.
neuritischen
(Amyloid-)
Plaques
sowie
die
intrazellulär gelegenen neurofibrillären Bündel. Eine Konsequenz aus den genannten
Pathomechanismen ist der Azetylcholinmangel, aus dem sich der bis heute einzige
verfügbare
kausal
angreifende
pharmakologische
Therapieansatz
ergibt.
Azetylcholinesterase-Hemmstoffe haben ihre Wirksamkeit vor allem bei leichten und
mittelschweren Demenzen zeigen können und vermögen das Fortschreiten kognitiver
und Verhaltensstörungen zu verzögern.
Wie auch bei anderen chronisch
verlaufenden degenerativen Erkrankungen ist auch bei der Alzheimer-Demenz das
Bremsen der Progression bereits als Therapieerfolg zu werten. Möglichkeiten der
14
symptomatischen Therapie zielen auf Krankheitsphänomene wie Depression,
Halluzinationen, Wahn, psychomotorische Unruhe oder Schlafstörungen ab.
Pharmakologische Maßnahmen sind jedoch stets nur als Teil eines umfassenden
Behandlungskonzepts anzusehen, welches darüber hinaus andere Methoden, wie
Bewegungstherapie, geistige Aktivierung oder Soziotherapie (Umfeldstrukturierung)
berücksichtigen sollte. Zahlreiche neue Behandlungsmethoden befinden sich in
unterschiedlichen Entwicklungsphasen, ein Durchbruch ist gleichwohl bislang nicht
absehbar.
Die bislang nicht heilbare Alzheimer-Demenz ist eine die Lebenszeit verkürzende
Erkrankung, sie führt im Mittel nach neun (fünf bis fünfzehn) Jahren zum Tode.
3. Ethische Entwürfe
3.1. Das dialogische Prinzip
Die
abendländische
Tradition
charakterisiert
die
menschliche
Existenz
als
Geistexistenz, die durch ihr vernünftiges Sein bestimmt werde. Es waren im
Wesentlichen Impulse des jüdischen Religions- und Sozialphilosophen Martin Buber
(1878-1965), die im vergangenen Jahrhundert zu einer Erweiterung dieses Bildes um
einen grundlegenden Aspekt führten: Buber sah in der Verwirklichung der
menschlichen Existenz durch die Beziehung zwischen Ich und Du die Grundlage
menschlichen Personseins und nahm so neben der geistigen Existenz die
kommunikative Dimension des Menschseins in den Blick. Die Voraussetzung einer
zwischenmenschlichen Kommunikation aber ist die geistig-leibliche Einheit der
einzelnen Personen, zumal sich jeder Dialog auf der Grundlage des sowohl
geistigen, wie auch leiblichen Seins der einander begegnenden Personen vollzieht.
Bubers Ontologie charakterisiert den Menschen mittels zweier von diesem zu
sprechenden „Grundworte“, nämlich des „Ich-Du“ als Ausdruck der „Welt der
Beziehung“ und des für die „Welt der Erfahrung“ stehenden „Ich-Es“. Während das
Es mit den Mitteln der Beobachtung oder Betrachtung erfasst wird, begegnet das Ich
dem Du in der Hinwendung, im Innewerden, in der Umfassung. Das Es wird
vergegenständlicht, das Du vergegenwärtigt. Die „Es-Welt“ ist zur Erhaltung des
Lebens nötig, wirkliches Sein als Mensch wird nach Buber jedoch ausschließlich in
15
der Begegnung erreicht, in der sich das Ich einem jeweils einzelnen, bestimmten Du
rückhaltlos und ausschließlich zuwendet, seiner inne wird und antwortet. Erst in
dieser Begegnung, dem echten Dialog, wird der Mensch Person. Bubers
Personbegriff ist dabei ein ausdrücklich ganzheitlicher, der den leibseelischen
Menschen als Sozialwesen, in seiner historisch-kulturellen und biographischen
Geschichtlichkeit umfasst. Auf der Grundlage eines Personbegriffs, der somit sowohl
die dialogische Komponente als auch die geistig-leibliche Einheit des Menschen
betont, entwickelte Buber seine dialogische Verantwortungsethik. Ethik im Sinne
Bubers ist dabei „Antwort auf das Du“, die den Respekt vor dem Anderen und
Toleranz einfordert.
Buber stellte Kriterien der Dialogik auf, die auch im Hinblick auf die Begegnung
zwischen Arzt und Patient wertvoll erscheinen und von zahlreichen Autoren unter
diesem Gesichtspunkt aufgenommen und ausgearbeitet wurden. Genannt seien hier
vor allem der Mediziner Viktor von Weizsäcker und dessen medizinische
Anthropologie, der Psychotherapeut Hans Trüb („Heilung aus der Begegnung“ 1951)
sowie der Philosoph Peter Kampits („Das dialogische Prinzip in der Arzt-PatientenBeziehung“ 1996). Bubers Kriterien des Dialogs, die deskriptiv sein Gelingen
beschreiben, aber auch normativ als Sollensnormen zu verstehen sind, umfassen:
die „Unmittelbarkeit“ zwischen den einander begegnenden Menschen, also die
Forderung nach einer unverstellten Zuwendung zum Anderen, das Gebot, dem
Anderen in seiner individuellen Wirklichkeit gerecht zu werden („Ausschließlichkeit“),
die „Wahrhaftigkeit“ dem Anderen gegenüber, wechselseitige „Rückhaltlosigkeit“ als
Grundlage von Vertrauen, „Vergegenwärtigung“ des Gegenübers in dessen Denkund Wertewelt einschließlich der eigenen Wirkung auf ihn in seiner Sicht
(„Realphantasie“), „Akzeptation“ des Anderen, die nicht prinzipielle inhaltliche
Zustimmung, jedoch Annahme als Partner echten Gesprächs meint, schließlich
„Gegenseitigkeit“ zwischen den einander begegnenden Personen.
„Gegenseitigkeit“ schließt die Berücksichtigung von Asymmetrien ein. Buber bezog
sie auf die zwischenmenschliche Begegnung im pädagogischen Kontext, die in der
Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ein Gefälle aufweise. Aus der Überlegenheit
des Lehrers leitet Buber eine besondere Verantwortung für den Schüler ab. Analog
ist auch das Verhältnis zwischen Arzt und Patient von Asymmetrien geprägt. Wie
groß die Aufmerksamkeit für die Beachtung der Patientenautonomie auch immer sein
mag, sie wird den Wissensvorsprung des Arztes oder die mitunter existenzielle
16
Verunsicherung des Patienten durch von Krankheit ausgehende Bedrohungen der
Gesundheit oder des Lebens nicht unwirksam machen können. Wie viel stärker aber
werden derartige Asymmetrien ein Arzt-Patient-Verhältnis prägen, wenn Krankheit
vermeintliche Sicherheiten nicht nur ins Wanken bringt, sondern die geistige Seite
der geistig-leiblichen Einheit des Menschen selbst in Angriff nimmt und unaufhaltsam
auszulöschen beginnt?
Eine dialogische Betrachtungsweise lässt für Kampits (1996) den Reduktionismus
erkennen, welchem das Arzt-Patient-Verhältnis sowohl im Falle des paternalistischen
als auch des Modells einer absolut gesetzten Patientenautonomie unterworfen ist.
Wird der Patient in ersterem als Objekt verstanden, das einer wissenschaftlichen
Betrachtungsweise und aus ihr abgeleiteten Handlungszielen unterworfen ist,
während der Arzt das durch Wissen und Kompetenz ausgezeichnete autonome
Subjekt darstellt, wird der Patient im letzteren dagegen als das Subjekt angesetzt,
das frei und souverän entscheidet und den Arzt als Mittel zur Wiederherstellung der
Gesundheit einsetzt. Dialogisches Denken aber sieht die zwischenmenschliche
Beziehung als eigentliche Dimension des Menschseins. Indem sie diese Beziehung
als eine zwischen Ich und Du ansetzt, geht sie sowohl über eine solche zwischen
Subjekt und Objekt, als auch über eine zwischen einander gegenüberstehenden
autonomen Subjekten weit hinaus. Die dialogische Grundhaltung steht dem Du
anders gegenüber als einem fremden Subjekt oder gar einem Objekt. Kampits
verweist auf Emmanuel Lévinas (1905-1995), von dem in der Begegnung zwischen
Ich und Du konsequent eine Vorrangigkeit des Du vertreten wird. Der Andere
widersetze sich dabei einem Verstandenwerden in Kategorien. Denkendes und
erkennendes Erfassen des Anderen ist für Lévinas immer bereits ein Akt der Gewalt,
mit dem das Anderssein des Anderen auszulöschen versucht werde. Die
ursprüngliche Begegnung mit dem Anderen aber geschehe über dessen Antlitz,
welches Verantwortung für ihn als ethische Urbeziehung wachrufe. Verantwortung
ergebe sich aus der Schutzlosigkeit des Anderen, die einen Widerstand bedeutet
gegenüber meinen eigenen Versuchen, ihn zu unterwerfen, ihn in die Gewalt des
Könnens und Verstehens zu bringen. Im Antlitz des Anderen zeige sich „der Elende,
für den ich alles tun kann und dem ich alles verdanke. Und ich, wer immer ich auch
bin, aber ich, als jemand „in der ersten Person“, ich bin der derjenige, der über die
Mittel verfügt, um auf diesen Ruf zu antworten“ (Lévinas 1992). Dialogisches Denken
in der Arzt-Patient-Beziehung erkennt im an mich ergehenden Appell „Ich bin und ich
leide“ Verantwortung und eine extreme ethische Anforderung, die vom Anderen
17
ausgehend an mich gerichtet wird. Es überbietet dabei jedwede Subjekt-ObjektBeziehung und zielt so auf eine Struktur jenseits von Paternalismus und Autonomie
(Kampits 1996). Kampits sieht in den Prinzipien dialogischen Denkens eine Chance
der Medizin, ihren ethischen Ursprung wieder zu entdecken.
Spitzy (2002) verweist auf den semantischen Bezug des Begriffs der Ver-Antwortung
zum Dialogischen. Sie sei die Antwort des Arztes auf den Hilferuf des Patienten, der
sich zur Verzweiflung steigern könne. Im Zweifel wiederum sei die Notwendigkeit
zum Vertrauen gegeben, welche eine gegenseitige sei: Der Patient schenke dem
Arzt sein Vertrauen, der Arzt müsse seinerseits dem Patienten vertrauen. Aus
Vertrauen und Verantwortung ergebe sich eine Haltung der beiden Subjekte
zueinander, die immer wieder neu erworben werden müsse.
Das dialogische Prinzip ist von Viktor von Weizsäcker (1886-1957) aufgegriffen
worden. Als „Urphänomen“ seiner medizinischen Anthropologie benennt dieser den
kranken Menschen, „der eine Not hat, der Hilfe bedarf“. Dieser kranke Mensch aber
komme in der klassischen Pathologie nicht vor, da diese zwar die Krankheit, nicht
aber das Kranksein eines Menschen thematisiere: „Krank ist hier etwas, was man
erkennen kann, nicht das, was man auch selbst sein kann“. Anders verhalte es sich
in der Begegnung von Arzt und Krankem. Indem der kranke Mensch, der dem Arzt
als Objekt gegenüberstehe, um Hilfe bitte, mache sich im Objekt ein Subjekt
vernehmbar. Da aber die Krankheit sich nicht von der Person des Kranken trennen
lasse, habe der Arzt sie im Kontext des Lebensganzen dieser Person zu verstehen.
Den Kranken zu verstehen bedeute für den Arzt, „dass jener Andere meint oder
denkt oder fühlt oder weiß, er sei krank. Verstehen heißt also hier gar nicht das
wissen, was ich weiß, sondern wissen, dass und was ein anderer weiß“. Petersen
(1992) fordert vom Arzt die Fähigkeit, den Schmerz seines Patienten im Spiegel
seines eigenen Inneren aufzufangen und auszuhalten und erkennt diesen Aspekt
ärztlicher Dialogik im Text der Lyrikerin Marie-Luise Kaschnitz wieder: „Der Arzt –
dem Inferno zugewandt: Halte nicht ein bei der Schmerzgrenze / Halte nicht ein /
Geh ein Wort weiter / Einen Atemzug / Noch über Dich hinaus“. Für von Weizsäcker
erschließt sich die Not des Kranken nur dem transjektiven Verstehen des Arztes, das
sich dann einstelle, wenn sich im Arzt der Drang zur Überwindung der Krankheit
auspräge. Dialogische Verantwortung wird so zum Leitgedanken der Medizinethik
von Weizsäckers.
Der Psychotherapeut Hans Trüb wiederum setzt in seinem o. g. Hauptwerk der
psychologischen Anthropologie seines Freundes und Lehrers C. G. Jung eine
18
dialogische Auffassung des Menschen gegenüber und macht sie zum Leitgedanken
seiner therapeutischen Arbeit. Der „Schlüssel zum zentralen und ganzheitlichen
Verständnis des Menschen“ sei „in seinem partnerischen Verhältnis zum Gegenüber
zu finden“: „[…] nämlich dass der Mensch nur zu sich selbst kommt und er selbst
wird, insofern als er von einer transzendenten Stelle her angerufen ist und darauf
antwortet. In Anruf und Antwort wird seine Personmitte […] aktualisiert und erst in
dieser Aktualität das Selbst verwirklicht“. Für Trüb ist das menschliche Selbst auf
„Begegnung und Begegnungserschließung angelegt und so personal bestimmt“. Die
von einer dialogischen Haltung geweckte und auf gegenseitigem „personalen
Vertrauen“ basierende „personale Verantwortung“ fordert vom Therapeuten einen
„personalen
Einsatz“,
der
zugleich
immer
darum
weiß,
dass
die
„entscheidungsetzende Instanz“ die „dem Selbst zugeschriebene personale Qualität
im Patienten“ ist.
3.2. Care-Ethik
Insbesondere in den angloamerikanischen Ländern hat sich in den letzten Jahren in
der medizinethischen Diskussion eine Care-Ethik entwickelt, die – ausgehend von
einer Betonung der relationalen und emotionalen Dimensionen menschlicher
Existenz – Fürsorge und Verantwortung gegenüber Rechten und Pflichten in den
Vordergrund rückt. Auslöser der aktuellen Debatte um die Care-Ethik war die
Publikation empirischer Untersuchungen der amerikanischen Moralpsychologin Carol
Gilligan („In a Different Voice“ 1982), in denen das von Jean Piaget und Lawrence
Kohlberg erarbeitete Stufenschema der moralischen Entwicklung hinterfragt und
diesem ein alternatives Modell gegenübergestellt wurde. Während die moralische
Entwicklung nach Kohlberg auf das Ziel einer moralischen Orientierung an
universellen ethischen Prinzipien wie Gerechtigkeit, Gegenseitigkeit, Gleichheit,
Respekt vor der Autonomie und Würde des Menschen zustrebt, wies Gilligan im
Ergebnis ihrer beide Geschlechter einbeziehenden Studien - Kohlbergs Probanden
dagegen waren nur Männer - auf moralische Argumentationsformen hin, die sie
besonders häufig bei Mädchen und Frauen gefunden hatte. Diese „andere“, nicht
aber inferiore, „Stimme“ weist die Möglichkeit eines unparteilichen, moralischen
Standpunktes zurück und geht stattdessen von der Abhängigkeit moralischer Urteile
19
von situativen und relationalen Kontexten aus. In der Folge wurde die Idee einer
fürsorgeorientierten, weiblich dominierten Ausprägung von Moralität im Unterschied
zu ihrem gerechtigkeitsorientierten, männlich dominierten Pendant sowohl im Kontext
verschiedener
angewandter
Fragestellungen
rezipiert
als
auch
in
allgemeinphilosophischen Zusammenhängen diskutiert (Übersicht in Biller-Andorno
2001).
Nach Biller-Andorno (2001) setzt Care-Ethik ein relationales, leibsensibles, mit
asymmetrischen und konkreten Beziehungen rechnendes Menschenbild voraus. Der
Care-Ethik geht es inhaltlich im Unterschied zur Gerechtigkeitsorientierung, für die
das Befolgen rationaler Regeln bezüglich individueller Rechte im Vordergrund steht,
um Verantwortung, fürsorgliche Beziehungen und das Verhindern von Verletzungen
Anderer. Dazu unternimmt sie den Versuch, eine konkrete Situation emotional und
rational möglichst präzise nachzuvollziehen. Das Bemühen um ein Verständnis des
Standpunktes des „konkreten Anderen“ spielt für das moralische Urteil eine große
Rolle.
Die allgemeine Moraltheorie fokussiert auf das moralisch Rechte, die politische
Philosophie auf die Gerechtigkeit. Dagegen wurde Fürsorge bislang als sittlich
verdienstvoll, nicht aber als allgemein gefordert und als Wert des Guten den Normen
des Rechten nachgeordnet eingeschätzt. Wurde die Care-Ethik, wie oben gezeigt,
zunächst in bewusster Abgrenzung zu Prinzipien- (Gerechtigkeits-) Ethiken
konzipiert, unternimmt Biller-Andorno den Versuch einer Synthese, in dem sie zeigt,
dass auch eine Care-Ethik nicht ohne moralische Prinzipien auskommt. Care-Ethik
erinnere ontologisch an eine „beziehungsorientierte Konzeption vom Selbst“. Hieraus
könne abgeleitet werden, dass sich moralische Konflikte nicht nur zwischen
konkurrierenden
Rechten,
sondern
auch
zwischen
situativ
konkurrierenden
Verantwortlichkeiten auftun können. Bei einer „Integration zum wechselseitigen
Vorteil“ bestehe jedoch ein geltungstheoretischer Vorrang der deontologischen
Moraltheorie,
weil
allein
sie
die
Achtung
des
Individuums
gewährleiste.
Berücksichtige aber eine Care-Ethik den deontologischen Rahmen, dann könne sie
sich auch erfolgreich gegen die ihr immanenten Gefahren der Heteronomie, des
Paternalismus, der Beliebigkeit, der inhaltlichen Unausgewogenheit durch eine
ontologische Übersteigerung des Caring als auch der Begründungsschwäche
wehren.
Nach
Pauer-Studer
(2006)
bleibe
eine
Care-Ethik
auf
Beziehungen
des
Nahbereiches, „des besonderen Anderen“ beschränkt, da eine auf die Haltung voller
20
Anteilnahme und Zuwendung verpflichtende Fürsorglichkeitsmoral im Falle der
Übertragung auf Personen des Fernbereichs eine Überforderung darstellte. Eine
„Sphärentrennung“ von Gerechtigkeit und Fürsorglichkeit hält dagegen auch sie nicht
für angebracht, zumal diese die Konsequenz hätte, dass der für eine Care-Ethik
vorrangig relevante Bereich der Nahbeziehungen von Gerechtigkeitskriterien
ausgenommen wäre. Auch müsse eine Haltung sorgender Anteilnahme allen
Moralsubjekten unabhängig von ihrem Geschlecht gleichermaßen abverlangt
werden, Caring sei somit als ein nach dem jeweiligen situativen Kontext zu
spezifizierendes Prinzip zu verstehen. Damit aber erweise sich die strikte
Gegenüberstellung einer Ethik der Prinzipien und einer Care-Ethik als unhaltbar.
Eine „Frontstellung“ der Fürsorge gegen den Respekt vor Autonomie ist - so BillerAndorno - durch eine Fürsorgekonzeption zu vermeiden, welche diese in Anlehnung
an Beckmann (1998) nicht als „Kompensation für eingeschränkte oder fehlende
Patientenautonomie“ sondern als „ärztliche Antwort auf das Hilfsbegehren des
autonomen Patienten“ versteht. Die Forderung, dass Respekt vor der Autonomie des
Anderen die Basis des fürsorglichen Verhaltens sein müsse, habe unmittelbare
Plausibilität. Fürsorge und Autonomie seien insofern nicht einander ausschließende,
sondern einander bedingende Konzepte. Ein grundsätzlicher Konflikt bleibe nur
bestehen, wenn Autonomie als Eigenschaft oder gar als Leistung missverstanden
werde. Sobald Autonomie im Sinne von Unabhängigkeit, Selbstständigkeit oder gar
Beziehungslosigkeit in der Lebensführung anstatt von Unverfügbarkeit und
Subjekthaftigkeit gedeutet werde, ergebe sich ein Scheinkontrast zu einer
Auffassung vom Menschen als einem in Beziehung stehenden, bedürftigen
Menschen. Biller-Andorno sieht als Verdienst der Care-Ethik an, erneut auf die
unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten eines autonomen Selbst aufmerksam
gemacht zu haben, bei denen Individualität und Relationalität jeweils unterschiedlich
stark betont werden.
Sprechen sich Biller-Andorno und Pauer-Studer für integrative, die Kantische Ethik
und den Gerechtigkeitsdiskurs um Care-Aspekte erweiternde Konzepte aus, so
positioniert Conradi (2001) ihren Ansatz explizit außerhalb traditioneller ethischer
Theorien. Care sei Rechten und Pflichten nicht nachzuordnen, sondern besitze eine
eigene, genuin ethische Qualität, indem sie der grundsätzlichen Angewiesenheit des
Menschen Rechnung trage. Care sei insofern nicht geschlechtsgebunden, es
handele sich nicht um eine feminine Ethik. Da Care traditionell allzu oft für eine
affektive oder gar instinktive Angelegenheit gehalten werde, liege es Conradi
21
besonders daran, es als eine sozio-historisch bedingte Form gesellschaftlicher Praxis
und damit als veränderbar und veränderungsbedürftig zu verstehen. Care umfasse
sowohl das Zuwenden als auch das Annehmen von Zuwendung. Die Asymmetrie
von Care-Interaktionen besäße dabei eine besondere Bedeutung, denn es gehe um
eine Dynamik der Macht. Eine wichtige Frage sei es, wie es gelingen könne,
Machtdifferenzen wahrzunehmen und zu begrenzen, um sie nicht auf andere
Bereiche der Beziehung oder der Person auszudehnen oder gar zu verabsolutieren.
An Care-Interaktionen beteiligte Menschen unterschieden sich in ihren Fähigkeiten,
Kompetenzen und in ihrer Autonomie. Achtung in Care-Interaktionen setze aber eine
Unterstellung von Autonomie auch keineswegs voraus, sondern müsse entwickelt
werden „unabhängig davon, ob eine Person ihr Gegenüber als ähnlich oder als
verschieden, als mehr oder weniger autonom empfindet“. Conradi fasst eine solche
Haltung mit dem Begriff der Achtsamkeit, der sowohl die Achtung aufnimmt, als auch
das Anliegen ausdrückt, „dass Menschen sich anderen Menschen zuwenden, sie
ernst nehmen, auf sie eingehen, für sie sorgen, sowie dass Menschen Zuwendung
zulassen“. Sollte eine Begründung der Achtsamkeit einer universalisierbaren
Kategorie bedürfen, so biete sich dafür die grundlegende Angewiesenheit von
Menschen eher an, als ihre Fähigkeit zur Autonomie. „Auf den Punkt gebracht“ ließe
sich sagen, „die Care-Ethik präferiert Bezogenheit und Differenz vor Autonomie und
Konsens“. Das Erweisen von Achtsamkeit sei nicht durch die Aussicht auf eine
Gegengabe motiviert, sondern bleibe letztlich immer ein Geschenk. CareInteraktionen könnten auch nonverbal sein und hätten im weitesten Sinne mit
Berührung zu tun, d. h. es gehe um „Berührtsein“ von der Situation oder einer daran
beteiligten Person, durchaus aber auch im Sinne körperlicher Berührungen. So seien
in Care-Interaktionen „Fühlen, Denken und Handeln verwoben“. Die Integration von
Gefühl und Verstand sei dabei ein zentraler Aspekt der Care-Praxis, in deren
reflektiertem Handeln affektiv-emotionale und kognitive Anteile zu verbinden seien.
3.3. Eudaimonistische Ethik
Die Ausgangsfrage eudaimonistischer Ethikentwürfe lautet mit Platon: Wie soll man
leben? Oder: Was ist ein gutes Leben? Mit dem griechischen Wort eudaimonia
verbindet sich die Vorstellung von einem Menschen, der im Besitz eines guten
22
Dämons ist, der also ein gutes, gedeihliches, lobenswertes Leben führt. Das so
umrissene eudaimonische Grundproblem kann nun jedoch auf verschiedene Weise
interpretiert werden. So ist in einer prudentiellen Ausrichtung das subjektiv erlebte
Wohlbefinden der fragenden Person gemeint: Was ist für mich ein gutes Leben? Eine
perfektionistische Auslegung des Grundproblems versucht dagegen eine objektive
Qualifikation menschlichen Lebens. Während sich ein weiter Perfektionismus dabei
auf das menschliche Leben im Sinne des allgemeinen Menschseins bezieht und von
dessen individueller Erscheinungsform absieht, macht ein enger Perfektionismus
seine Beurteilung von den besonderen Eigenschaften des Individuums abhängig und
fragt daher: Was ist für diesen besonderen Menschen ein objektiv gutes Leben?
Von Kant wird Eudaimonismus als Inbegriff der Erfüllung persönlicher Neigungen, als
Bezeichnung der Theorien, die Moralität als Mittel zur Glückseligkeit auf einen bloß
hypothetischen Imperativ reduzieren, als Widerspruch zur Sittlichkeit abgelehnt. Wo
aber, wie etwa bei Platon und Aristoteles, Glück selbst sittlich bestimmt wird, ist
Moralität Bestandteil des Ziels, so dass Kants Kritik hier nicht zutrifft.
Alle antiken Positionen des Eudaimonismus gehen von einem prudentiellen Ansatz
aus, fragen also nach dem Wohlergehen des Einzelnen, gelangen dabei jedoch zu
durchaus
unterschiedlichen
Akzentsetzungen
und
zur
Entdeckung
auch
perfektionistischer und moralischer Momente. Die Lehre Epikurs ist bestimmt vom
Ziel des Glücks durch ein Leben der Lust, die alleiniger Inhalt des guten Lebens sei.
Perfektionistische Momente finden sich in seiner Ethik dort, wo es um die
Vervollkommnung jener habituellen Voraussetzungen geht, die den dauerhaften
Besitz von Lust ermöglichen. Auch Aristoteles geht zunächst von einem prudentiellen
Verständnis des guten Lebens aus, subjektiv empfundenes Wohlbefinden kann für
ihn jedoch nur über die Vervollkommnung spezifisch menschlicher Vermögen, wie
etwa der Verstandes- oder Sozialfähigkeit, erreicht werden. Er spricht in diesem
Zusammenhang von Tugenden und führt so ein perfektionistisches Moment in seine
Theorie ein. Freundesliebe sei zwar auch Verlängerung der Selbstliebe, für einen
angemessenen Umgang mit dem Freund muss sich das Selbst jedoch von seinen
eigenen Belangen so weit distanzieren können, dass es sie gegen die Bedürfnisse
des
Freundes
unparteiisch
abzuwägen
vermag.
Indem
Aristoteles
den
Zusammenhang zwischen Wohlergehen und gelingenden, nicht nutzenorientierten
Sozialbeziehungen aufweist, erreicht seine Ethik eine moralische Dimension. Ebenso
steht nach stoischer Lehre die prudentielle Selbstliebe am Anfang jedes natürlichen
Entwicklungsprozesses. Mit der Vernunft verfüge der Mensch jedoch über eine
23
spezifische Naturanlage, naturgemäßes Leben bedeute daher ein Leben gemäß der
Vernunft. Ein zentraler stoischer Gedanke ist die Lehre von der Oikeíosis, der
Aneignung und Perfektionierung der vornehmsten menschlichen Eigenschaften. Die
lebenspraktischen Resultate dieser Haltung verdichten sich im Streben nach der
berühmten stoischen Lebensruhe, der Ataraxia. Wichtiger sind jedoch die
moralischen Konsequenzen der Oikeíosis-Lehre. Aus der Tatsache, dass das wahre
menschliche Selbst an einer allgemeinen Weltvernunft partizipiert, folgt die innere
Verbundenheit der Menschen untereinander. Im dem Stoizismus gewidmeten Buch
III des „De finibus bonorum et malorum“ schreibt Cicero: „Daher rührt auch ein
natürliches Gefühl der Zusammengehörigkeit, das die Menschen miteinander
verbindet, so dass ein Mensch dem anderen schon deshalb, weil er ein Mensch ist,
nicht fremd erscheinen darf“. Die Stoa lässt somit einen von basaler Selbstliebe
ausgehenden Entwicklungsprozess erkennen, der schließlich zu einer Einstellung
führt, die im starken Sinne moralisch genannt werden kann. Nach Hübenthal (2006)
und Annas (1993) fordert der weite stoische Perfektionismus eine Lebensführung,
welche die eigenen Interessen nicht anders bewertet, als die der anderen. Der
moralische Adressatenkreis werde auf alle Menschen ausgeweitet.
Seit der Neuzeit sind eudaimonistische Ethiken mit einer veränderten Situation
konfrontiert, die vor allem durch eine sich immer stärker vollziehende Trennung von
gutem Leben und Moral gekennzeichnet ist. Der unüberwindbare Pluralismus der
Lebensentwürfe
ließ
keine
gemeinsame
Moral
mehr
zu.
Moralische
Begründungsversuche müssen daher nun strikte Unabhängigkeit von jeglicher
partikularer
Sicht
zeitgenössische
vom
guten
Leben
eudaimonistische
wahren.
Entwürfe
Im
Folgenden
vorgestellt
sollen
werden,
die
zwei
im
Zusammenhang mit der in dieser Arbeit diskutierten Frage hilfreich erscheinen.
Ein bemerkenswerter Versuch der Neubestimmung des Verhältnisses zwischen
gutem Leben und Moral aus eudaimonistischer Perspektive stammt von dem
französischen Philosophen Paul Ricœur (1913-2005): „Das Selbst als ein Anderer“
(1996). Terminologisch verwendet Ricœur den Begriff der Ethik ausschließlich für
das Streben nach einem erfüllten Leben, während die Moral dieses Streben normiert.
Dabei kommt es Ricœur auf einen „Primat der Ethik gegenüber der Moral“ an, also
darauf, „der moralischen Norm den richtigen Platz zuzuweisen, ohne ihr das letzte
Wort zu lassen“. Bei Ricœur findet sich das Selbst in eine ursprüngliche
Sozialstruktur eingebunden, die zunächst durch reziproke und symmetrische
Verhältnisse gekennzeichnet ist. Sofern Praxiszusammenhänge jedoch weiter
24
reichen als die dyadischen Freundschaftsrelationen, sind auch asymmetrische
Beziehungen in Betracht zu ziehen, in denen der Andere dem Selbst entweder als
moralisch Fordernder überlegen oder ihm als Leidender unterlegen ist. In beiden
Fällen muss es auf der personalen Ebene zwischen Selbst und Anderem zu einem
fürsorgenden Austausch kommen, der das Ziel verfolgt, die ursprüngliche Symmetrie
wieder herzustellen. Auf der Ebene von Institutionen findet die Fürsorge ihre
Entsprechung in einer verteilenden Gerechtigkeit. Da menschliches Handeln immer
auch der Gefahr eines „Hangs zum Bösen“ ausgesetzt ist, soziale Asymmetrien gar
als Formen von Macht, Folter oder Tötung auftreten können, bedarf es einer
universalistischen Moral, die auf der personalen Ebene der Fürsorge über die
goldene Regel zur Personzweckformel des kategorischen Imperativs formalisiert
sowie
auf
der
Ebene
der
Institutionen
in
eine
an
Rawls
angelehnte
Gerechtigkeitstheorie übersetzt werden muss.
Wenn bei Ricœur moralische Forderungen nur aus der Perspektive des guten
Lebens verständlich werden, so bieten die Überlegungen Alan Gewirths (1912-2004)
dazu eine Alternative, mit denen er noch einmal alle Dimensionen der
eudaimonistischen Ausgangsfrage zur Sprache bringt und schließlich unter den oben
genannten spätmodernen Bedingungen in einem einheitlichen Konzept zu vermitteln
sucht. Als eudaimonistischen Leitbegriff verwendet Gewirth den der Selbsterfüllung.
Deren Subjekt sei zum einen Träger von Wünschen und verfüge andererseits über
eine Reihe realisierbarer Fähigkeiten. Selbsterfüllung sei nun ein verschränktes
Ineinander
von
Wunscherfüllung
(prudentielle
Dimension)
und
Fähigkeitsverwirklichung (perfektionistische Dimension). Auch die Entwicklung
moralischer
Prinzipien
wird
von
Gewirth
als
Folge
des
Strebens
nach
Fähigkeitsverwirklichung angesehen. Es sei dabei die den Menschen als
Gattungswesen charakterisierende Vernunft, die jeder Mensch zu entfalten habe.
Eine entscheidende Folge dieser Entfaltung sei die - über eine Sequenz dialektisch
notwendiger Urteile zu erlangende - Einsicht in ein also rational begründetes
Moralprinzip,
das
schließlich
als
limitierendes
Kriterium
sowohl
für
die
Wunscherfüllung als auch für die Fähigkeitsverwirklichung wirksam werden müsse.
Im Resultat der Perfektionierung des Vernunftvermögens steht bei Gewirth das
vollumfängliche Recht eines jeden Menschen auf seine Handlungsfähigkeit und
deren Voraussetzungen, entsprechende Rechtsverletzungen sind kategorisch
verboten. Als Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit betrachtet Gewirth sog.
„notwendige Güter“, nämlich Freiheit und „Wohlergehen“. Bei den notwendigen
25
Gütern des „Wohlergehens“ unterscheidet Gewirth zum einen Elementargüter, wie
etwa Leben, Nahrung oder Kleidung als Voraussetzung dafür, überhaupt handeln zu
können, weiterhin Nichtverminderungsgüter, wie nicht bestohlen oder belogen zu
werden, als Voraussetzung dafür, den Stand der eigenen Zielerreichung sichern zu
können und schließlich Zuwachsgüter als notwendige Voraussetzung für eine
Erweiterung des Stands der Zielerreichung, etwa durch Bildung. Weil die notwenigen
Güter Freiheit und "Wohlergehen" für einen Handlungsfähigen kein sicherer Besitz,
vielmehr von dem Verhalten der anderen Handlungsfähigen abhängig sind, sei der
Handelnde logisch genötigt, gegenüber jedem anderen Handlungsfähigen einen
normativen Anspruch auf diese notwendigen Güter zu erheben. Da er aber die
konstitutiven Rechte für sich aus dem zureichenden Grund beansprucht, dass er ein
Handelnder ist, der Ziele hat, ist er auch logisch genötigt anzuerkennen, dass jedem
anderen Handlungsfähigen die konstitutiven Rechte in der gleichen Weise wie ihm
selbst zukommen und dass er die aus diesen Rechten folgenden Verpflichtungen hat
(Steigleder 1997). Für die Belange dieser Arbeit ist es entscheidend, darauf
hinzuweisen, dass Gewirth (1978) betont: „[…] und alle Menschen sind aktuale,
zukünftige oder potenzielle Handelnde“ (Bobbert 2002).
Da die Moral bei Gewirth also nicht über das Streben nach Wunscherfüllung, sondern
über die Perfektionierung der Vernunft ins Blickfeld tritt, sind die erlangten
moralischen Forderungen in geltungslogischer Hinsicht völlig unabhängig von jeder
Vorstellung vom guten Leben und können so von jedermann verstanden und
eingesehen werden.
3.4. Verantwortungsethik
Von Verantwortung war in den vorangegangenen Kapiteln bereits mehrfach die
Rede: Sowohl die Care-Ethik als auch auf eine dialogische Anthropologie
aufbauende Entwürfe betonten ihren moralischen Wert. Der Begriff einer
„Verantwortungsethik“ geht auf den Sozialwissenschaftler Max Weber zurück, der ihn
in seinem berühmt gewordenen, im Jahre 1919 in München gehaltenen Vortrag mit
dem
Titel
„Politik
und
Beruf“
verwendete,
und
diente
ursprünglich
zur
Charakterisierung der besonderen ethischen Herausforderungen des Politikers und
der Abgrenzung gegen eine sich den Sachzwängen der Realität verweigernden
26
„Gesinnungsethik“. Wenige Jahre später rückte Albert Schweitzer (1875-1965)
Verantwortung in den Mittelpunkt seiner Ethik. Es ging ihm um eine „Steigerung des
Verantwortungsgefühls der Menschen“ in dem Sinne, dass er die Verantwortung
eines jeden Einzelnen für seine persönliche Gesinnung, sein persönliches Verhalten
und für die Kultivierung und Schärfung des eigenen Gewissens betonte (Kreß 2007).
Schweitzer (1923) unterschied drei Ebenen der Ethik, welche Verantwortung aus
Erfurcht
vor
dem
eigenen
Leben,
dem
Leben
des
Anderen
und
dem
gesellschaftlichen Leben bedeuteten: „Zur Ethik gehört Ethik der leidenden
Selbstvervollkommnung in dem innerlichen Freiwerden von der Welt […], Ethik der
tätigen Selbstvervollkommnung in dem ethischen Verhalten von Mensch zu Mensch
und Ethik der ethischen Gesellschaft“.
Keller et al. (2009) weisen auf die Situation der modernen Medizin hin, die uns mit
immer älter und immer kränker werdenden Menschen konfrontiert. Alter und
Krankheit aber bedeuteten für die betroffenen Menschen nicht selten Einschränkung
oder gar Verlust ihrer Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Der selbstbestimmte Patient
sei vor diesem Hintergrund nicht selten eine von Juristen und Bioethikern unterstellte
Fiktion. Doch selbst für einen kompetenten, gut informierten Patienten könne
Selbstbestimmung
Überforderung
bedeuten,
wenn
ihr
Kranksein
zweifelnd,
schwankend und unsicher werden lasse. Kann Verantwortungsethik in diesen
Situationen Alternativen zum klassischen Paternalismus bieten? Die Autoren
verweisen in diesem Zusammenhang auf die von Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)
vertretene praktisch orientierte Verantwortungsethik des notwendigen Tuns. Dabei
handele es sich um „ein Handeln in stellvertretender Verantwortung, in Liebe zum
wirklichen Menschen“. Patient und Arzt seien im Sinne des Bonhoeffer’schen
Gemeinsamen Dritten auf eine Stufe gestellt, weil der gemeinsame Grund für beide
in der Christologie schon vorgegeben sei, aus welchem ein strikt christologisch
gefasster Begriff der Verantwortung resultiere. Bonhoeffer begründe Ethik als
Fürsorge für den Anderen theologisch mit der Gottesebenbildlichkeit des Menschen „Wer hinter dem Nächsten nicht den Fernsten weiß und diesen Fernsten zugleich als
diesen Nächsten, der dient nicht dem Nächsten, sondern sich selbst, der flüchtet sich
aus der freien Luft der Verantwortung in die Enge bequemer Pflichterfüllung“ - und
zugleich christologisch, weil Christus im Nächsten präsent werde. Wenn es bei
Bonhoeffer heiße: „Das ‚Für-andere-Dasein’ Jesu ist die Transzendenzerfahrung“ so
bedeute dies: im Anderen Christus erkennen und – bei nichtreligiöser Interpretation
dieser christologischen Begrifflichkeit als Diskursregel der Reziprozität – dem
27
Anderen
ein
Christus
werden.
Unter
den
gewandelten
Bedingungen
des
Verhältnisses zwischen Arzt und Patient wird Verantwortung stets zweiseitig sein.
Dem wird Bonhoeffer gerecht, wenn er verantwortliches Handeln so versteht, „dass
es mit der Verantwortlichkeit der anderen ihm begegnenden Menschen rechnet.
Eben darin unterscheidet sich Verantwortung von Vergewaltigung, dass sie im
anderen Menschen Verantwortlichkeit erkennt, ja dass sie ihn seiner eigenen
Verantwortlichkeit bewusst werden lässt“. Der handlungsbereite Arzt und der
entscheidungsfähige Patient tragen die Verantwortung für das Patientenwohl
gemeinsam. Zweiseitigkeit von Verantwortung aber begründet nach Keller et al. die
Notwendigkeit des Diskurses, in dem Symmetrie ausgehandelt werden müsse.
Dieser könne im Sinne einer relationalen Verantwortungsethik durchaus auch mit
nonverbalen
Mitteln
geführt
werden.
Verantwortungsethische Positionen als
Grundlage eines nonverbalen Diskurses seien in zahlreichen Grenzsituationen
unerlässlich, so etwa am Lebensanfang und Lebensende, am Unfallort, auf der
Intensivstation oder eben auch im Falle der Demenz.
Verantwortung als medizinethisches Prinzip ist jedoch nicht ausschließlich im Kontext
einer theologisch fundierten Ethik begründbar. So macht Homeyer (2008) in seiner
Arbeit über die „Verantwortung für den kranken Menschen“ deutlich, dass eine
freiheitliche, pluralistische Gesellschaft gehaltvolle moralische Kategorien benötige,
die sowohl von religiösen als auch nicht-religiösen Menschen gleichermaßen
anerkannt werden könnten und sieht als eine solche ethische Basiskategorie die
Menschenwürde
an,
zumal
sie
nicht
zufällig
die
Grundlage
unserer
Verfassungsordnung bilde. Das Prinzip der Menschenwürde, dem die Stoa und die
Aufklärung zum Durchbruch verhalfen, hebe auf die Anfangsbedingungen des
Menschseins ab, so dass es mit der Anerkennung eines gesellschaftlichen
Wertepluralismus verträglich sei. Im Würdebegriff enthalten sei aber auch der
Gedanke eines notwendigen Schutzes der Mindestvoraussetzungen menschlicher
Handlungsfähigkeit, dieser wiederum sei offen für eine zur Bewältigung konkreter
Konfliktsituationen im klinischen Alltag unverzichtbare differenzierte Güterlehre.
Schwerdt (1998) schließlich untersucht die Prinzipien der „Philosophie des Lebens“
und der Verantwortungsethik des Philosophen Hans Jonas (1903-1993) auf ihre
Verwertbarkeit in der professionellen Altenpflege, die nahe liege, zumal Jonas die
Anwendbarkeit seines ethischen Prinzips auf asymmetrische Verhältnisse vertrete
und Verantwortung als eine Grundverfassung des Menschen darstelle. Notwendige
ethische Aufgabe der Gegenwart ist für Jonas die Einsicht in die Neuartigkeit und die
28
Dimension menschlicher Handlungsfolgen, eine Erziehung zur Selbstbescheidung
des instrumentalen Weltbezugs zugunsten des Eigenwerts von Leben. Sein „neuer
Imperativ“ geht von einem dezidiert physiozentrischen Standpunkt aus, eine
Sonderstellung kommt dem Menschen nur als Verursacher zu, von dessen
Handlungsfolgen die gesamte Natur betroffen ist.
Das „Prinzip Verantwortung“
entwickelte Jonas im Wesentlichen als ökologische Ethik, in der Systematisierung
seiner Verantwortungsethik beschränkte er sich jedoch nicht auf die Folgen des
technischen Machtzuwachses des Menschen.
Der erste Schritt auf dem Ausweg aus der Krise muss nach Jonas im
Bewusstmachen ihrer Beschaffenheit und Größe bestehen. Sein Plädoyer für eine
„Heuristik der Furcht“ soll jedoch nicht in Resignation münden, vielmehr resultiert aus
der Offenheit des Ausgangs Solidarität und Sorge statt Gleichgültigkeit und Trägheit.
Furcht soll zum Handeln auffordern, zumal ihr Gegenstand die Erhaltung dessen, um
das gefürchtet werde, sei. So fordert Jonas (1984), die Furcht solle angeeignet und
in die „Pflicht des Handelns“ transformiert werden. Über das Gefühl müsse das
Objekt der Verantwortung dem sittlichen Interesse vermittelt werden: Sie soll über
eine „Vorstellung des Übels“ das „davor zu rettende Gute“ erkennen lassen, durch
das „Zurückschaudern“ vor dem Bild dessen, was der Mensch „werden könnte“, das
sichtbar machen, was als „Heiliges“ unbedingt zu schützen sei. Der „eigentliche
Zweck – das Gedeihen des Menschen in unverkümmerter Menschlichkeit“ – sei dann
in „Ehrfurcht“ und „Demut“ erkennbar. Jonas sieht emotionale und rationale Elemente
der Ethik als komplementär an. Der ethische Appell erfolgt durch die Einsicht des
möglichen „An-sich-Guten“, welches objektiv die Gültigkeit der Pflicht begründet, das
Gefühl vermittelt diese rationale Einsicht dem sittlichen Willen. Affizierbarkeit sei
daher notwendige Bedingung zur Motivation. Erst wenn die Bereitschaft allgemein
vorhanden sei, sich vom „Heil und Unheil“ anderer „affizieren zu lassen“ könne das
Prinzip Verantwortung universale Anerkennung finden. Verantwortung im Sinne
Jonas’ richtet sich dabei auf Lebewesen, die eine „Andersheit“ aufweisen, welche
nicht durch Aufhebung oder Aneignung ihrer Andersheit überbrückbar ist. Allein ihr
Sein „in der erkannten selbsteigenen Güte“, unabhängig von einem Interesse an ihm,
nehme mich in die Verantwortung. Die Achtung vor dem Sein jedoch reiche allein
nicht aus, um sich für es zu engagieren. Erst „das hinzutretende Gefühl der
Verantwortung“ motiviere zu tätiger Moralität: „Tritt Liebe hinzu, so wird die
Verantwortung beflügelt von der Hingebung der Person, die um das Los des
Seinswürdigen und Geliebten zu zittern beginnt.“ Schwerdt sieht vor diesem
29
Hintergrund in Jonas’ Prinzip Verantwortung ein vervollständigtes Zusammenspiel
von Gefühlen wie Furcht, Schaudern, Erschrecken, antizipierendem Mitleid, Schuld,
vorauseilender Reue, Scham, Verantwortungsgefühl mit der von Schweitzer
geforderten Ehrfurcht und den von Kant genannten Pflichten der Liebe und Achtung.
Auch Jonas stellt seine Ethik als Pflichtethik vor. Die Pflicht resultiere aus dem
Machtverhältnis, das seine Moralität als Verantwortungsverhältnis zu erweisen habe.
Machtverhältnisse als übernommene Verantwortungsverhältnisse verantworten die
Freiheit
derer,
die
jeweils
unter
meiner
Macht
stehen.
So
verstandene
Machtausübung zum Guten ist für Jonas insofern nicht einengend, sondern befreiend
und kompetenzstärkend. Die Fähigkeit, Verantwortung zu tragen, ist nach Jonas wie
die Sprachfähigkeit ein anthropologisches Konstituens. Aus dem Können aber folge
das Müssen. Durch seine „Freiheit, sich Zwecke zu setzen, und die Macht, sie
auszuführen“ qualifiziere sich der Mensch als Verantwortlicher für sein eigenes Sein
und Wohlergehen und als „Treuhänder aller anderen Selbstzwecke, die irgend unter
das Gesetz seiner Macht kommen“. Die menschliche Freiheit als Subjektivität,
welche Welt und sich selbst objektivieren kann, sei nur das Ende eines
Entwicklungskontinuums, dem es nach wie vor untrennbar angehöre. Daher sei dem
Menschen Verpflichtung für die ihm „ausgelieferte Lebensfülle der Erde um ihrer
selbst willen“ auferlegt. Jonas geht von der Selbstzweckhaftigkeit allen Lebens und
der Würde alles Lebendigen aus. „Zum Grundwert aller Werte“, „zum ersten Ja“
mache das Sein „seine Differenz vom Nichtsein“ und Sein sei „nicht indifferent gegen
sich selbst“.
4. Ethik der Demenz
Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten einige ethische Entwürfe skizziert
wurden, die im Hinblick auf die eingangs formulierte Fragestellung hilfreich
erschienen, sollen diese nun auf ihre konkrete Anwendbarkeit auf klinische
Zusammenhänge
Verständnisses
hin
vom
befragt
werden.
Die
Arzt-Patient-Verhältnis,
Tatsache
für
eines
welches
gewandelten
heute
der
Autonomiegedanke prägend geworden ist, ließ die Frage aufkommen, welche
Konsequenzen der Leitbildcharakter von Autonomie für diejenigen Situationen
besitzt, in denen es gerade die Kompetenz zur Selbstbestimmung ist, die von der
Krankheit mehr und mehr in Frage gestellt und schließlich zerstört wird. Die
30
Diskussion soll sich dabei zwei Schwerpunkten widmen. Zum einen: Wie wird man
dem hohen Stellenwert der Autonomie im Falle einer Demenz am ehesten gerecht?
Und weiter: Gibt es andere moralische Prinzipien, die in dem Maße, wie die
Selbstbestimmungsfähigkeit
krankheitsbedingte
Einschränkungen
erfährt,
an
Bedeutung gewinnen? Zusammengefasst: Wie kann ein würdiger Umgang mit
Menschen aussehen, die von ihrer Krankheit spezifisch menschlicher Konstituenzien,
wie Vernunft und Sprache, beraubt werden?
In der modernen medizinethischen Debatte ist es weitestgehender Konsens, dass
die Bestimmung des Wohls eines Patienten von ärztlicher Seite ausschließlich durch
Einbeziehung der Erwartungen, Befürchtungen und Wünsche des Patienten selbst
bestimmt werden kann. Übereinstimmung kann darüber hinaus in der Frage
festgestellt werden, dass dieses Recht seine Wirksamkeit mit der Diagnose einer
demenziellen Erkrankung keineswegs verliert. Eine in der klinischen Praxis äußerst
relevante Frage, die dagegen immer wieder auch Anlass für Unsicherheiten und
Kontroversen gibt, ist die nach der Nachwirkung eines zu einem früheren Zeitpunkt
geäußerten Willens für eine spätere Situation bei vorangeschrittener Demenz.
Dabrock (2007) stellt unter Bezug auf Quante (2002) zwei die Diskussion
bestimmende Grundtypen philosophischer Argumentationsmuster vor: Die These
einer verlängerten Autonomie geht von einer Differenzierung menschlicher
Eigenschaften aus, welche diese jeweils höheren und niederen Sphären zuordnet.
Als Eigenschaften höherer Dignität werden Selbstbewusstsein, Persönlichkeit oder
critical interests genannt, wohingegen nicht-selbstbewusstes Streben, menschliche
Persistenz
oder
experiental
interests
Begriffe
zur
Beschreibung
der
anthropologischen Elementarebene darstellten. In der Sicht dieser Position genießen
Eigenschaften der ersten Gruppe einen anthropologischen und damit auch
normativen Vorrang vor denen der zweiten. Frühere Willensäußerungen wären
danach
moralisch
und
juristisch
höher
zu
bewerten
als
aktuelle
Ausdrucksäußerungen. Die Position einer dagegen nicht verlängerbaren Autonomie
geht davon aus, dass ein Mensch zu keinem definierten Zeitpunkt abschätzen kann,
wie er sich zu einem späteren Zeitpunkt fühlen wird. Es gebe keine personale
Identität, weshalb auch Patientenverfügungen keine Gültigkeit besitzen könnten.
Wenn auch die Debatte allein innerhalb der deutschen Medizinethik zu diesem
Thema bislang nicht abgeschlossen zu sein scheint, wie etwa die Beiträge von
Dabrock (2007), Wunder (2008) oder Bauer (2009) zeigen, so ist jedenfalls nach der
seit September 2009 geltenden Rechtslage (§ 1901a BGB) eine Patientenverfügung
31
„unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung“ gültig. Wenn auch Dabrock
bereits 2007 für eine Argumentation gemäß der These einer verlängerten Autonomie
votierte, so wies er jedoch zugleich auf den hohen moralischen Preis der nunmehr
tatsächlich
erreichten
Vorausverfügungen
in
Rechtssicherheit
die
aktuelle
hin:
Situation
Um
hinein
die
Autonomie
verlängern
und
der
über
Ausdrucksäußerungen der aktuellen dementen Person stellen zu können, müssten
aktuelle Äußerungen aufgrund ihrer geringeren kognitiven Komplexität moralisch und
rechtlich geringer bewertet werden als Vorausverfügungen, weil diese von
selbstreflexiven
Individuen
verfasst,
komplexerer
Art
und
biographisch
anspruchsvoller seien und längere Zeitdimensionen im Blick hätten. Dabrock
bezweifelt aber, dass der kognitive Gehalt einer Äußerung das alleinige und alles
entscheidende Kriterium sein dürfe, das es erlaube, aktuelle Äußerungen eines
Menschen mit geringerer kognitiver Kompetenz aufzuheben, erst recht, wenn es
dabei um Entscheidungen über Leben und Tod gehe. Auch Wunder (2008) vertritt
vor dem Hintergrund psychotherapeutischer Erfahrungen die Ansicht, dass noch in
jedem Stadium einer demenziellen Entwicklung Kompetenzen des Verstehens,
Bewertens und Selbstäußerns vorhanden seien, die von den Helfern sensibel
wahrgenommen werden müssten. Es handele sich um Äußerungen in Gestalt von
Mimik,
Gestik,
Ganzkörpersprache,
Ritualen
und
Verhaltensweisen,
welche
Wünsche, Interessen, Präferenzen und Bedürfnisse repräsentierten, die in der
pflegerischen und ärztlichen Tätigkeit Beachtung zu finden hätten. Der Verfasser
dieser Arbeit schließt sich diesen Einschätzungen unter dem Eindruck jahrelanger
Erfahrungen in der klinischen Neurologie ausdrücklich an. Diese Erfahrungen zeigen,
dass eine demenzielle Erkrankung das Erleben von Lebensfreude und Glück
keineswegs unmöglich macht und werden darin durch empirische Befunde anderer
Autoren gestützt. Hilfreich haben sich in diesem Zusammenhang Instrumente
erwiesen, welche die Lebensqualität Demenzkranker zu erfassen versuchen. Das
von Kruse (2005) verwendete Heidelberger Instrument zur Erfassung der
Lebensqualität Demenzkranker (HILDE) baut auf der von Lawton (1999) entwickelten
Definition der Lebensqualität bei Demenz auf. Kruse nutzt für seine Erhebungen
sowohl das Interview mit dem Betroffenen als auch mit dessen Bezugspersonen, vor
allem jedoch – zumal es sich bei den vom ihm untersuchten Menschen um solche
handelte, die nur noch eingeschränkt oder gar nicht zu sprachlicher Kommunikation
in der Lage waren – die Beobachtung des Demenzkranken mit Hilfe einer
methodisch anspruchsvollen mimischen Ausdrucksanalyse. Kruse konnte zeigen,
32
dass emotional bedeutsame Situationen bei demenzkranken Heimbewohnern nicht
seltener von positivem (Wohlbefinden, Freude) als von negativem Befinden (Ärger,
Traurigkeit) gekennzeichnet waren. Sie unterscheiden sich darin nicht grundsätzlich
vom emotionalen Erleben Gesunder. Die von Wunder (2008) vorgenommene
Klassifikation der Willensbildungsformen in Abhängigkeit vom Demenzstadium
erlangt vor diesem Hintergrund einen weiteren Bedeutungszuwachs. Wenn die
emotionale Welt Dementer nicht anders als die Gesunder Lust- und Unlustgefühle
enthält, zu deren Erfassung und Differenzierung Ärzte und Pflegende in der Lage
sind und wir zugleich davon ausgehen, dass selbst noch Kranke in der Phase einer
schweren Demenz ihren Willen in Form affektgeleiteter Ja-Nein-Entscheidungen zum
Ausdruck bringen können, so ist hiermit ein starkes Argument dafür gegeben, dass
aktuelle Willensbekundungen – wie in allen anderen Fällen medizinischer
Maßnahmen auch – Vorausverfügungen aufheben, sofern sie von ihnen abweichen.
Zeigt also ein schwer demenzkranker Mensch erheblichen Lebenswillen, so ist sein
Recht auf Selbstbestimmung nur zu wahren, indem diese Willensäußerung in der
aktuell gegebenen Möglichkeit ihrer Bekundung formell respektiert und inhaltlich als
Widerruf der Patientenverfügung im Sinne von § 1901a BGB Absatz 1 Satz 3
verstanden wird. Im Zweifelsfalle, wenn also die Interpretation mimischen oder
gestischen Ausdrucks uneindeutig ausfällt, muss ein Grundsatz der Vorsichtsethik „in
dubio pro vita“ zur Anwendung kommen. Dies darf selbstverständlich nicht von vorn
herein im Sinne einer paternalistischen Aushebelung eines jeglichen Patientenwillens
geschehen, aber auch nicht zu spät, „weil dann das Leben als konditionales Gut
jeden Selbstbestimmungsaktes beendet“ wäre (Dabrock 2007).
Wie bereits oben gezeigt, umfasst ein weiteres Verständnis des medizinethischen
Autonomiebegriffs
mehr
als
ein
Abwehrrecht
gegen
Bevormundung
und
Fremdbestimmung. Das Recht auf Achtung der Autonomie des Patienten kann in
diesem Sinne auch Ansprüche des Betroffenen begründen. Graumann (2007)
begründet die Ableitung von Anspruchsrechten aus einer so verstandenen
Autonomie mit der Unverletzlichkeit der Autonomie als moralisches Recht, die sich
darin von einer begrifflich und inhaltlich abzugrenzenden situationsbezogenen
Handlungsautonomie
unterscheide.
Umgebungsbedingungen
Während
eingeschränkt
sein
letztere
durch
Krankheit
und
könne,
gehe
Autonomie
als
moralisches Recht niemals verloren. Vielmehr leite sich aus ihr ein Recht auf
Bewahrung, Förderung und Wiederherstellung auch der situationsbezogenen
33
Handlungsautonomie ab. Autonomie als unverletzliches moralisches Recht habe
insofern als orientierender Maßstab ärztlichen und pflegerischen Handelns zu
dienen. Der Verzicht auf eine verkürzende Auffassung von Autonomie als negatives
Abwehrrecht könne den Antagonismus von Autonomie und paternalistischer
Fremdbestimmung auflösen. Ein emanzipatorisches Verständnis von Autonomie
werde Sorge für den besonders verletzlichen Menschen nicht als seine Rechte
beschneidende Bevormundung begreifen, sondern mit ihr vielmehr die größtmögliche
Förderung, Wiederherstellung oder Erhaltung ihrer Selbstbestimmungskompetenz
anstreben.
Erschöpft sich Ethik nun aber in der normativen Vorgabe, ärztliches und
pflegerisches
Tun
müsse
am
unantastbaren
moralischen
Autonomierecht
ausgerichtet werden? Hält Ethik auch konkrete Hilfen für Behandelnde und
Pflegende bereit? Geht sie über die Vorgabe des Ziels hinaus, kann sie auch die
Suche
nach
Wegen
eines
achtungsvollen
Umgangs
mit
Demenzkranken
unterstützen? Der folgende Abschnitt soll diese Fragen anhand der oben
dargestellten ethischen Entwürfe zu beantworten versuchen.
Beim Versuch, durch eine Zusammenschau der vorgestellten Konzepte moralische
Prinzipien ausfindig zu machen, welche als gemeinsame Quintessenz und alle
Theorien untereinander verknüpfende Merkmale gelten könnten, wird man auf die
Begriffe
der
Verantwortung
und
der
Fürsorge
stoßen.
Im
Lichte
eines
emanzipatorischen Autonomiebegriffs werden diese Prinzipien nicht als Ausdruck
einer paternalistischen Heteronomie sondern als die Handlungsautonomie soweit
und solange irgend möglich stützend, darüber hinaus und später als Antwort der
Behandler und Pflegenden auf den aus dem Leiden des Kranken ergehenden
Hilferufs verstanden werden können.
Schematisch ließen sich die situationsbezogene Handlungsautonomie sowie
Verantwortung und Fürsorge als jeweils komplementäre Faktoren auf den Ordinaten
entlang einer Zeitachse als Abszisse darstellen. Die im Verlaufe einer Erkrankung
zunehmenden Einschränkungen der Handlungsautonomie lassen Verantwortung und
Fürsorge eine graduell immer stärkere Bedeutung zukommen. Eine Umkehrung
dieser Beziehung stößt freilich an Grenzen, so dass die Diagonale die Ordinaten
etwas ober- und unterhalb der Ecken dieses Schemas schneidet. Kein Arzt-PatientVerhältnis,
und
habe
es
der
Arzt
auch
mit
einem
hinsichtlich
seiner
Handlungsautonomie nicht im Mindesten eingeschränkten Patienten zu tun, kann ihn
gänzlich aus jeglicher Verantwortungs- und Fürsorgepflicht, etwa im Sinne einer
34
adäquaten Aufklärung, entlassen. Am anderen Ende der Zeitachse dagegen wird
man im Falle eines Demenzkranken in der Regel eine der Fürsorge Grenzen
setzende situationsbezogene Selbstbestimmung des Patienten in Form von
Willensäußerungen, und seien sie nur mehr nonverbal und affektgeleitet,
anzuerkennen haben. Zu jedem Zeitpunkt aber könnte durch ein der vorgefundenen
Handlungsautonomie
angemessenes
Maß
an
Fürsorge
und
Verantwortungsübernahme das moralische Recht auf Autonomie, das in diesem
Schema den Rahmen bildete, „vollumfänglich“ gewahrt sein.
Autonomie als moralisches Recht
Situationsbezogene
Handlungsautonomie
Situationsbezogene Handlungsautonomie
Verantwortung,
Fürsorge
Wie aber lässt sich der Stellenwert der aufgezeigten Prinzipien in einer „Ethik der
Demenz“ im Einzelnen aus den verschiedenen Theorien ableiten? Welche weiteren
Konsequenzen ergeben sich ggf. aus ihnen?
Die Ontologie Bubers beschreibt den Menschen konsequent als im Dialog
Stehenden. Die Maxime des „Hörens und Antwortens“ (Schwerdt 1998) gewährleistet
größtmögliche Subjekthaftigkeit des Anderen als Anderen. Tätige Ver-Antwortung
ergibt sich im dialogischen Lebensvollzug als unmittelbarer Ausfluss des Dialogs als
„Antwort auf das Du“, als „Antwort auf den Anruf der gelebten Konkretheit“.
Verantwortung ist nach Buber nicht im Rückgriff aus Vorschriften und Prinzipien zu
gewinnen, die dem Ich-Es-Bereich zuzuordnen sind, die ethische Haltung und
moralische Entscheidung zur Verantwortung ergibt sich nur aus dem Ich-DuVerhältnis, in der der einzelne Mensch persönlich angefragt ist. Auch wenn Buber
seine Philosophie nicht explizit für Menschen in Grenzsituationen ausgearbeitet hat,
35
so hat er doch im Hinblick auf das pädagogische und psychotherapeutische
Verhältnis formal asymmetrische Beziehungen thematisiert. Der Anwendungsbereich
ärztlicher Dialogik, wie er in der Folge von zahlreichen Autoren, wie etwa von
Weizsäcker, Kampits, Spitzy, Petersen u. a. dargestellt wurde, geht dabei freilich weit
über die Behandlung Demenzkranker hinaus. Dennoch legt dialogisches Denken
immer wieder schwerpunktmäßig Augenmerk auf Themen, die im Umgang mit
dementen Menschen von besonderer Bedeutung sind. Der Verweis auf die Einheit
von Leib, Geist und Seele und die Betonung der zwischenmenschlichen Begegnung
als
Grundlage
des
dialogisch-relationalen
Personbegriffs
vermögen
dazu
beizutragen, den Blick des Arztes verstärkt auf den Kranken und sein Kranksein
(illness) zu richten, anstatt dessen Krankheit in den Mittelpunkt seines Interesses zu
stellen. Im gegenwärtigen medizinischen Alltag dominieren stattdessen ein klinischobjektivierender Krankheitsbegriff (disease), Bürokratisierungen, Rationierungen
sowie Zeitknappheit auf Seiten der Ärzte und Pflegenden (Kreß 2009). Die
Dimension einer Person- oder Patientenzentrierung der Medizin ist stark zurück
getreten. Geisler (1997) erklärt seinen Befund einer „sprachlosen Medizin“ nicht
zuletzt mit dem „Verschwinden des Dialogischen“ und erinnert an die Verstärkung
der „Ich-Einsamkeit des Subjekts“ durch die Isolation, die beinahe jede Krankheit mit
sich bringe. Wie viel stärker mag diese Isolation aber dort ausfallen, wo die Ursachen
der Sprachlosigkeit nicht nur auf der Seite der Ärzte und Pflegenden liegen, sondern
die
Krankheit
selbst
Voraussetzungen
der
den
Menschen
Kommunikation
seiner
kognitiven
beraubt.
Eine
und
sprachlichen
Überwindung
der
Sprachlosigkeit gelinge nach Geisler nur durch Sprache, wobei Sprache bei ihm für
jede Form der zwischenmenschlichen Kommunikation steht, auch für eine solche, die
ein der Sprache nicht mehr mächtiger dementer Mensch verstehen kann. Bubers
Dialogbegriff umfasst alle Sphären der Beziehung, der Mensch wird als leibseelischer und kontextueller verstanden (biologisch, soziokulturell, spirituell). Da, wo
Interessen nicht mehr gleichberechtigt vertreten werden können, weil eingebüßte
Fähigkeiten zu reflexiver Überlegung und sprachlicher Kommunikation den Diskurs
erschweren und andererseits für die Behandler und Pflegenden Bedürfnisse und
Wünsche auf diesem Wege von außen nicht mehr erfassbar sind, beweist die
Unmittelbarkeit des dialogischen Zugangs zum Du ihre Stärken. Die dialogische
Hinwendung zum Anderen lässt fremde Hilfsbedürftigkeit erkennen (und eigene
zulassen) sowie die „Irrtümlichkeit eines bloß negativen Begriffs von Freiheit“
(Schwerdt 1998) und Autonomie erkennen. Bubers Freiheitsverständnis ist ein
36
entschieden positives im Sinne von Wohlwollen, Sorge und Verantwortung. Es geht
von einer Haltung aus, welche, die Befindlichkeit des Anderen ertastend,
wohlmeinend die Beziehung mit ihm sucht, in dem sie ihr Wesen anrühren will. Sein
Verantwortungsbegriff ist kein aktivistischer, sondern ein zulassender, nach dem
Motto: „Diktieren […] nicht, aber antworten“ (Buber 1947). Dialogisches Denken
findet seine treffendste Abbildung im deliberativen Modell einer Arzt-PatientBeziehung. Die für dieses charakteristischen Konzepte der relationalen und
optionalen Autonomie sind offen für Verantwortungsübernahme und Fürsorge
jenseits einer antagonistischen Gegenüberstellung.
Die Nähe des Menschenbildes der Care-Ethik zur dialogischen Ontologie Bubers ist
unübersehbar. Relationalität und Leiblichkeit des Menschen sowie die Asymmetrie
konkreter Beziehungen stellen für beide Konzepte konstituierende Momente dar.
Während dialogische Verantwortung jedoch als Tugend verstanden werden möchte,
öffnet sich die Fürsorgeperspektive der Care-Ethik der Möglichkeit einer Integration
in eine deontologische Moraltheorie. Fürsorge, Verantwortung und Achtsamkeit
erfahren ihre Grundlegung in der grundsätzlichen Angewiesenheit des Menschen –
die in der Situation einer demenziellen Erkrankung eine geradezu extreme
Zuspitzung erfährt. Wenn Care-Ethik bei der Beschreibung des praktischen Vollzugs
der geforderten Achtsamkeit den Wert nonverbaler Care-Interaktionen herausstellt,
so betont sie hiermit einen Aspekt, der gerade für die Betreuung Dementer von
herausragender Bedeutung ist. Care bedeute sowohl „face-to-face interaction“ als
auch „body-to-body interaction“. Wenn Care-Interaktionen als solche beschrieben
werden, in denen Denken, Fühlen und Handeln miteinander verwoben sind, so wird
damit die Situation der Betreuung eines Dementen, in der die Kommunikation immer
mehr nach Kompensationsmöglichkeiten für immer gravierender werdende kognitive
Defizite suchen muss, zutreffend abgebildet. Vor diesem Hintergrund wird die
pflegerische Methode der Basalen Stimulation als körperorientierte Intervention
(body-to-body interaction) mit „Türöffner-Funktion“ für Sinneswahrnehmungen auch
bei Demenzkranken, vor allem im fortgeschrittenen Stadium, eingesetzt.
Eine hohe Bedeutung kommt der Care-Perspektive im medizinethischen Kontext
aber auch deshalb zu, weil sie dem hier typischerweise anzutreffenden
vielschichtigen relationalen und situativen Kontext des einzelnen Kranken durch
ihren empathischen Nachvollzug der konkreten Situation, ihrer Beachtung von
Sinnlichkeit,
Neigungen
und
Gefühlen
sowie
von
symmetrischen
und
37
asymmetrischen Beziehungen Beachtung schenkt und die Betrachtung der
Autonomie um einen wesentlichen Gesichtspunkt, nämlich den der verschiedenen
Autonomien aller Beteiligten, erweitert. Biller-Andorno (2001) illustriert diesen Aspekt
am Beispiel eines Demenzkranken, dessen Familie vor der Aufgabe steht, seine
Pflege und Betreuung zu organisieren. Soll der Kranke in einem Heim untergebracht
oder zu Hause gepflegt werden? Unter deontologischem Aspekt sei hier sowohl nach
den Optionen bestmöglichen Respekts vor der Autonomie des Betroffenen als auch
nach den Pflichten des gesunden Angehörigen zu fragen, die sich aus dessen
eigenem Beziehungsgeflecht ergeben. Wem gegenüber ist er sonst noch verpflichtet
(Kinder, andere Angehörige)? Die Fürsorgeperspektive kann nur klären helfen, was
Autonomie des Kranken und sonstige Pflichten konkret bedeuten. Ein integrativer
Zugang führe dabei nicht zu einem Anspruch maximaler Fürsorge als Reaktion auf
wahrgenommene Bedürftigkeit, vielmehr solle nach einer Balance zwischen eigenen
Interessen und denen anderer gesucht werden. Dabei stellten sich etwa Fragen wie:
In welchem Maße bedarf der Kranke gerade meiner Hilfe? Wie verhält sich dies zu
meinen eigenen Bedürfnissen und den Pflichten, die ich aus anderen Beziehungen
heraus habe? Eine Bestimmung der Pflichten, die für den moralischen Akteur aus
einer konkreten Konfliktsituation resultieren, wird also von zahlreichen situativen und
relationalen Details bestimmt, für deren Beurteilung sowohl Fürsorge-, als auch
Gerechtigkeitsaspekte bedeutsam sind. Wenn dialogische Verantwortung, besonders
deutlich im Konzept Lévinas’, in der Begegnung zwischen Ich und Du dezidiert die
Vorrangigkeit des Du betont, so bemüht sich eine Care-Ethik, zumal in der
Ausformung Biller-Andornos, in ihrem Bestreben nach „empathischer Rekonstruktion
der Situation“ immer auch um den schonenden Ausgleich zwischen den
Bedürfnissen aller an der Beziehung Beteiligten. Wenn Keller et al. (2009) zugespitzt
formulieren: „Der Ethik des Du bei Lévinas fehlen das Ich und das Wir“ und die
daraus resultierende Gefahr erkennen: „Das gesellschaftliche Wir gerät an den Rand
des Handlungshorizonts, und das Ich verfällt dem Burn-out“, dann thematisieren sie
damit einen für die Pflege von Dementen erhebliche Tragweite besitzenden
Problemkreis, wie Angaben aus der Leitlinie „Pflegende Angehörige“ der deutschen
Gesellschaft und Familienmedizin erkennen lassen: „Pflegende Angehörige,
besonders von Dementen, zeigen in hohem Maß Depressionen mit Traurigkeit,
Pessimismus, Reizbarkeit und Entschlussunfähigkeit. Spannungen in der Pflege
verlaufen unterschwellig, entladen sich in unkontrollierbaren Wutausbrüchen mit
anschließenden
Schuldgefühlen.
Gegenseitige
Gewaltanwendungen
von
38
Pflegebedürftigen und Pflegenden werden zunehmend beobachtet und sind
Ausdruck großer psychischer Erschöpfung und Verzweiflung. Eine emotionale
Belastung durch die Pflege geben bis zu 37% an. Mit steigender Pflegedauer nimmt
die emotionale Erschöpfung zu, ebenso die Ohnmacht, nicht mehr helfen zu können,
Schuld und Versagensgefühle sowie Enttäuschung über eigene Grenzen und
Undankbarkeit
des
Kranken.“
Die
care-ethische
Perspektive
strebt
eine
Harmonisierung zwischen Ich, Du und Wir an und stimmt darin mit dem Leitsatz der
zitierten Leitlinie überein: „Pflege kann nur gut gehen, wenn es den Angehörigen gut
geht.“
Auch
die
tugendethischen
Ansätze
eudaimonistischer
Entwürfe
lassen
Schnittmengen mit dialogischen und care-ethischen Konzepten erkennen. Wenn
etwa der Stoizismus aus seiner Oikeíosis-Lehre die moralische Konsequenz der
inneren Verbundenheit aller Menschen zieht, so dass nach Cicero „ein Mensch dem
anderen schon deshalb, weil er ein Mensch ist, nicht fremd erscheinen darf“, so
scheint hier die Idee der aus der Begegnung mit dem Anderen erwachsenden
dialogischen
Verantwortung
ebenso
auf,
wie
die
mit
Bezogenheit
und
Angewiesenheit begründete Achtsamkeit der Care-Ethik. Ricœurs Bezug auf
asymmetrische Verhältnisse, die den Anderen als Leidenden erkennen und dem
Subjekt die Notwendigkeit des fürsorgenden Ausgleichs deutlich werden lassen,
erinnert gleichermaßen an die Berücksichtigung nichtreziproker Beziehungen durch
Dialogik und Care-Ethik. Der moralische Wert von Verantwortung und Fürsorge lässt
sich folglich mit eudaimonistischer Argumentation ein weiteres Mal belegen. Auch
eudaimonistische Ethik kann dem nach Orientierung suchenden Helfer des
Demenzkranken ein Angebot unterbreiten.
Eudaimonistische Ethik aber kann mit ihrer Frage nach dem „guten Leben“ auf der
Suche nach Prinzipien einer „Ethik der Demenz“ einen ausgesprochen wertvollen,
ganz eigenen Beitrag leisten. Sie ermuntert die Helfer zu Perspektivwechsel und
Empathie.
Nach
Brandenburg
(2009)
besitzt
die
Grundfrage
des
engen
eudaimonistischen Perfektionismus in der Betreuungssituation eines Demenzkranken
eine herausgehobene Bedeutung: Was bedeutet für diesen Kranken ein gutes
Leben? Wie oben gezeigt, wissen wir heute, dass auch schwer und dauerhaft Kranke
in der Lage sind, sich wohl zu fühlen und Glück zu empfinden. Kruse (2005) konnte
mittels mimischer Ausdrucksanalyse Situationen identifizieren, in denen Demente
Freude und Wohlbefinden signalisierten. Dabei waren zwei Befunde von besonderer
39
Bedeutung: Zum einen zeigte sich, dass Freude vor allem durch Zuwendung und
persönliche Ansprache hervorgerufen wurde – ein Befund, der erneut den
besonderen Wert der Aufrechterhaltung von Kommunikation für die Lebensqualität
des
Demenzkranken
hervorhebt.
Zum anderen
wurde
deutlich,
dass
das
Wohlbefinden dementer Menschen erhöht werden kann, wenn ihnen die Möglichkeit
gegeben wird, den von ihnen gewünschten oder bevorzugten Tätigkeiten
nachzugehen. Der Wert einer Patientenzentrierung ärztlichen und pflegerischen
Handelns wird hier ein weiteres Mal unterstrichen.
Brandenburg leitet aus eudaimonistischen Konzepten darüber hinaus unabhängig
von diagnosespezifischen Behandlungs- und Betreuungssituationen die sittliche
Verpflichtung der in der Heilkunde Tätigen ab, nicht nur für Heilung von Krankheiten
und Linderung von Beschwerden zu sorgen, sondern das „gute Leben“ der ihnen
Anvertrauten in umfassenderer Weise zu fördern, etwa indem sie diese auch bei der
Bewältigung von Kranksein, Behinderung und Gebrechlichkeit unterstützen.
Der Beitrag der Ethik Alan Gewirths – dessen eudaimonistische Theorie der
Begründung
von
Freiheit
und
Wohlergehen
als
Menschenrechte
und
Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit des Menschen, Grundlage für die von
Bobbert (2002) vorgenommene (und im einleitenden Autonomie-Kapitel vorgestellte)
Entfaltung des Begriffs der Autonomie im Kontext von Medizin und Pflege war – ist
bereits dargestellt worden. Die besondere Situation von Menschen, die ihre Rechte
nicht aktiv einklagen können, sondern schon in ihrem Ausdruck auf aktive
Unterstützung angewiesen sind, erfordert jedoch Prinzipien, wie etwa das der Sorge,
die aus seinem Entwurf nicht ohne Weiteres abgeleitet werden können (Schwerdt
2004).
Während die Grundlegung mitmenschlicher Fürsorge und Verantwortung bei Dietrich
Bonhoeffer eine offensichtlich theologische und christologische ist, stellt Hans Jonas
Verantwortung als Pflicht dar, welche sich aus der Asymmetrie der Macht ergebe:
Das mit spezifisch menschlichen Fähigkeiten ausgestattete Subjekt habe sich als
Treuhänder aller anderen Selbstzwecke seiner Einflusssphäre zu erweisen. Was
bedeutet Jonas’ Konzeption für eine „Ethik der Demenz“?
Aus der bereits angesprochenen Selbstbejahung jeglichen Seins bei Jonas leitet er
eine für eine „Ethik der Demenz“ nicht zu überschätzende Konsequenz ab: Leben
wird bei ihm als Dynamik von Freiheit und Notwendigkeit, Glück und Leiden
verstanden. Die darin zum Ausdruck kommende „Ja-Nein-Polarität alles Lebendigen“
(Jonas 1994) ist nicht überwindbar, die Veräußerung eines der Pole unmöglich.
40
Damit sind wir als Einzelner und als Gesellschaft vor die Aufgabe der
Auseinandersetzung mit Lebensgrenzen und –bedingungen gestellt. Menschen
müssen ihre Geschichte unter Maßgabe dieser conditio humana zu Ende bringen
können, ohne dass daran weitere Bedingungen geknüpft werden dürften. Leben
erschöpft sich nicht im autonomen, sondern ebenso im passiven und sozialen
Vollzug. Die ethischen Konsequenzen der anthropologischen Vollständigkeit Jonas’
resultieren aus den Unterschieden im Freiheitsgrad. Verantwortung als „Korrelat der
Macht“ obliegt moralisch freien Menschen gegenüber Menschen, deren Handeln
weniger frei ist. Die Intuition zum Schutz von Schwachen und zur Sorge für sie wird
untermauert dadurch das Wissen um die Macht und das Gefühl der Macht. Die
Gestaltung einer solchen verantwortlichen Macht erfolge nach Jonas in einem
„Treueverhältnis“ zum Schwachen. Verantwortung als richtiger Machtgebrauch
obliegt Personen kraft ihrer Moralität, die sie gerade in nichtreziproken Beziehungen
tätig bezeugen. „Verantwortung ist die als Pflicht anerkannte Sorge um ein anderes
Sein, die bei Bedrohung seiner Verletzlichkeit zur Besorgnis wird“ (Jonas 1984). Das
„Prinzip Verantwortung“ wird der Tatsache gerecht, dass die Mehrzahl aller
Verhältnisse des Menschen nichtreziprok sind und leitet die Freiheit des Handelns
als Pflichtausübung zur Wahrung der Würde. Aus Handlungsfreiheit aber ergibt sich
für Jonas die Unausweichlichkeit und Nichtdelegierbarkeit von Verantwortung.
Die Relationalität seiner Anthropologie und die Abkehr Jonas’ von einem
reduktionistischen Menschenbild lassen wiederum Bezüge zu anderen hier
vorgestellten Konzeptionen erkennbar werden. Sein Autonomieverständnis zielt
weniger
auf
das
einzelne
mündige
Subjekt,
als
auf
die
Gemeinschaft
selbstbestimmter, zugleich in sozialen Kontexten stehender Subjekte (Schwerdt
1998).
5. Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund eines gewandelten Arzt-Patient-Verhältnisses, für das die
Selbstbestimmung des Patienten prägend geworden ist, stellte sich die Frage, wie
der Autonomie des Menschen im Falle einer demenziellen Erkrankung Rechnung zu
tragen sei.
Dazu konnte gezeigt werden, dass ein differenzierender Autonomiebegriff in der
Lage ist, den aus einem verkürzenden Verständnis von Autonomie resultierenden
41
antagonistischen Gegensatz zu paternalistischer Fremdbestimmung aufzulösen. Die
Konzepte
von
Autonomie
Handlungsautonomie,
als
Autonomie
moralischem
als
Recht
negativem
vs.
situationsbezogener
Abwehrrecht
vs.
positivem
Anspruchrecht oder die der optionalen und relationalen Autonomie im Rahmen eines
deliberativen
Modells
der
Arzt-Patient-Beziehung
haben
sich
in
diesem
Zusammenhang als bedeutsam erwiesen.
Eine Demenz beraubt den Menschen mit Vernunft und Sprache spezifisch
menschlicher Fähigkeiten. Seine davon unberührbare Würde ist gemeinsames
Kennzeichen so unterschiedlicher Menschenbilder, wie des christlichen oder
derjenigen der Philosophie der Stoa, Kants oder der Ethik des Lebens Jonas’.
Die im Zuge einer demenziellen Entwicklung fortschreitenden Defizite verweisen
jedoch auf ein das Menschsein nicht weniger konstituierendes Moment, als es seine
Selbstbestimmungsfähigkeit
darstellt:
Menschliches
Sein
bedeutet
auch
Angewiesenheit, Bezogenheit, Verletzlichkeit. Das ausdrückliche Anerkenntnis der
Ja-Nein-Polarität
menschlichen
Daseins
schützt
vor
einem
idealisierten
Autonomiekonzept, welches sich etwa im medizinischen Alltag nur allzu oft als
Fiktion zu erweisen droht. Es ist das Verdienst einiger in dieser Arbeit vorgestellter
ethischer Konzeptionen, diese Dimensionen menschlicher Existenz und ihre
Bedeutung für Grenzsituationen des Lebens in den Fokus genommen zu haben.
Indem sie den moralischen Wert von Verantwortung und Fürsorge herausstellten und
diese Prinzipien gerade nicht in eine Frontstellung zur Autonomie brachten, sondern
als ethische Konsequenz anthropologischer Vollständigkeit verständlich machten,
erwiesen sie sich insbesondere auch für Behandler und Pflegende demenzkranker
Menschen als Quellen hilfreicher Orientierung.
42
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Der Autor:
Dr. med. Andreas Linsa ist Facharzt für Neurologie und derzeit als Leitender
Oberarzt der Klinik für Neurologie am Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus tätig.
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In dieser Reihe sind bisher folgende Bände erschienen:
Band 1
Prof. Dr. Gerfried Fischer „Medizinische Versuche am Menschen“, 2006
Band 2
Verena Ritz „Harmonisierung der rechtlichen Regelungen über den
Umgang mit humanen embryonalen Stammzellen in der EG: Bioethik
im Spannungsfeld von Konstitutionalisierung, Menschenwürde und
Kompetenzen“, 2006
Band 3
Dunja Lautenschläger „Die Gesetzesvorlagen des Arbeitskreises
Alternativentwurf zur Sterbehilfe aus den Jahren 1986 und 2005“, 2006
Band 4
Dr. Jens Soukup, Dr. Karsten Jentzsch, Prof. Dr. Joachim Radke
„Schließen sich Ethik und Ökonomie aus“, 2007
Band 5
Prof. Dr. Hans Lilie (Hrsg.) „Patientenrechte contra Ökonomisierung in
der Medizin“, 2007
Band 6
Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und
Geweben (Transplantationsgesetz – TPG)
Auszug aus dem Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln
(Arzneimittelgesetz - AMG)
Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz TFG), 2007
Band 7
Dr. Erich Steffen „Mit uns Juristen auf Leben und Tod“, 2007
Band 8
Dr. Jorge Guerra Gonzalez, Dr. Christoph Mandla „Das spanische
Transplantationsgesetz und das Königliche Dekret zur Regelung der
Transplantation“, 2008
Band 9
Dr. Eva Barber „Neue Fortschritte im Rahmen der Biomedizin in
Spanien:
Künstliche
Befruchtung,
Präembryonen
und
Transplantationsmedizin“ und „Embryonale Stammzellen - Deutschland
und Spanien in rechtsvergleichender Perspektive“, 2008
47
Band 10
Prof. Dr. Dr. Eckhard Nagel „Was ist der Mensch? Gedanken zur
aktuellen Debatte in der Transplantationsmedizin aus ethischer Sicht“
Prof. Dr. Hans Lilie „10 Jahre Transplantationsgesetz - Verbesserung
der Patientenversorgung oder Kommerzialisierung?“, 2008
Band 11
Prof. Dr. Hans Lilie, Prof. Dr. Christoph Fuchs „Gesetzestexte zum
Medizinrecht“, 2009
Band 12
PD Dr. Matthias Krüger „Das Verbot der post-mortem-Befruchtung
§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz –Tatbestandliche Fragen,
Rechtsgut und verfassungsrechtliche Rechtfertigung“, 2010
Band 13
Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Dr. Marlis Hübner „Ärztlich assistierter
Suizid - Tötung auf Verlagen. Ethisch verantwortetes ärztliches Handeln
und der Wille des Patienten“, 2010
Band 14
Philipp Skarupinski „Medizinische, ethische und rechtliche Aspekte der
Notwendigkeit einer Kinderarzneimittelforschung vor dem Hintergrund
der EG-Verordnung 1901/2006“, 2010
Band 15
Stefan Bauer „Indikationserfordernis und ärztliche Therapiefreiheit:
Berufsrechtlich festgelegte Indikation als Einschränkung ärztlicher
Berufsfreiheit? Dargestellt am Beispiel der Richtlinie zur assistierten
Reproduktion“, 2010
Band 16
Heidi Ankermann „Das Phänomen Transsexualität – Eine kritische
Reflexion
des
zeitgenössischen
medizinischen
und
juristischen
Umgangs mit dem Geschlechtswechsel als Krankheitskategorie“, 2010
Band 17
Sven Wedlich „Konflikt oder Synthese zwischen dem medizinisch
ethischen Selbstverständnis des Arztes und den rechtlich ethischen
Aspekten der Patientenverfügung“, 2010
48
Band 18
Dr. Andreas Walker „Platons Patient – Ein Beitrag zur Archäologie des
Arzt-Patienten-Verhältnisses“, 2010
Band 19
Romy Petzold „Zu Therapieentscheidungen am Lebensende von
Intensivpatienten – eine retrospektive Analyse“, 2010
Herunterladen