Auch die Anbieter reagieren auf die Preise: Hohe Preise versprechen höhere Gewinne, und so versuchen sie, mehr Getränke anzubieten. Angelockt durch hohe Preise gibt es auch vermehrt fliegende Händler mit Bier und Mineralwasser. Wäre hingegen der Getränkepreis am Fest niedrig, wäre das Geschäft weniger lohnend, vielleicht würde man sogar Verluste machen. Die Händler würden nach lohnenderen Alternativen suchen. Da aber die meisten, die produzieren und verkaufen, lieber Gewinne machen als Verluste, können wir ein Gesetz formulieren, das für praktisch alle Märkte gültig ist: Je höher der Preis, desto grösser die angebotene Menge – und umgekehrt. Die Angebotskurve im Preis-Mengen-Diagramm zeigt das Verhältnis der angebotenen Menge zum Preis. Abb. [2 - 3] Je höher der Preis, desto grösser die angebotene Menge XWR020DABAde.eps Preis Angebotskurve Menge Angebot und Nachfrage eines Markts zeichnen wir nun in das gleiche Diagramm ein: Abb. [2 - 4] Angebotsüberschuss bei zu hohem Preis, Nachfrageüberschuss bei zu tiefem Preis XWR020DEBAde.eps Preis Angebotsüberschuss Angebotskurve zu hoher Preis zu tiefer Preis Nachfragekurve Nachfrageüberschuss Menge Das Diagramm macht deutlich, dass bei zu hohen Preisen zu wenig gekauft und zu viel angeboten würde. Wir beobachten einen Angebotsüberschuss. Die Anbieter bleiben auf unverkäuflichen Lagern sitzen. Um diesen Überschuss zu verkaufen, werden die Preise herabgesetzt. Je mehr nun der Preis sinkt, desto weniger wird produziert und desto mehr wird konsumiert – bis der Überschuss verschwindet und der Preiszerfall aufhört. Teil B | Märkte 2 Märkte 25 Läge hingegen der Preis zu tief, könnten wir einen Nachfrageüberschuss beobachten. Zu viel würde nachgefragt, aber zu wenig produziert. Vor den Geschäften könnten sich lange Schlangen bilden. Die Verkäufer würden die Preise heraufsetzen. Höhere Preise gäben einen Anreiz für höhere Produktion und würden gleichzeitig den Konsum drosseln. Je höher der Preis klettert, desto kleiner wird der Nachfrageüberschuss. Der Anpassungsprozess hört auf, wenn angebotene und nachgefragte Mengen gleich gross sind. In der nächsten Grafik ist der Punkt markiert, in dem sich Anbieter und Nachfrager über Preis und Menge einigen können. Dort, wo sich Angebots- und Nachfragekurven schneiden, wird gleich viel angeboten wie nachgefragt. Hier liegt das Marktgleichgewicht. Der Preis, zu dem Kauf- und Verkaufsziele übereinstimmen, heisst Gleichgewichtspreis. Und die Menge, auf die sich Käufer und Verkäufer einigen, heisst Gleichgewichtsmenge. Abb. [2 - 5] Wo einigen sich Anbieter und Nachfrager? – Marktgleichgewicht XWR020DIBAde.eps Preis Angebotskurve Gleichgewichtspreis Nachfragekurve Menge Gleichgewichtsmenge 2.3 Wie stark reagieren Nachfrage und Angebot auf den Preis? Die Preiselastizität der Nachfrage Ein zentraler Gedanke in der Ökonomie ist, dass die Erfüllung unserer lieb gewordenen Konsumwünsche auch vom Preis abhängt. Natürlich reagieren die Nachfrager nicht bei allen Gütern gleich empfindlich auf Preisänderungen. Bei einigen Gütern lösen schon kleine Preisausschläge grosse Veränderungen aus, bei anderen Gütern bleibt die nachgefragte Menge fast unberührt. In der Fachsprache heisst dieses Phänomen Preiselastizität der Nachfrage. Bei einer preiselastischen Nachfrage reagiert die Menge stark auf den Preis, bei einer preisunelastischen Nachfrage dagegen nur schwach. 26 Volkswirtschaftslehre für technische Kaufleute Abb. [2 - 6] Preiselastische Nachfrage XWR020DOBAde.eps Preis Preisanstieg um 10% P2 Nachfragekurve für Butter P1 Mengenabnahme um 15% M2 M1 Menge Bei einer preiselastischen Nachfrage ruft eine Preisänderung eine noch grössere Mengenänderung hervor. Die Nachfragekurve ist flach. Allgemein lässt sich sagen, dass die Preiselastizität dort gross ist, wo die Nachfragerinnen und Nachfrager eine einfache Alternative haben: Sehr preiselastisch reagiert die Nachfrage nach Butter. Steigt der Butterpreis um 10%, sinkt die Butternachfrage um 15% – wenn der Margarinepreis unten bleibt. Die Margarine, eine einfache Alternative zu Butter, ist dann relativ zur Butter billiger. Zu etwa 15% steigen die Leute jetzt auf Margarine um. Abb. [2 - 7] Preisunelastische Nachfrage XWR020DUBAde.eps Preis P2 Preisanstieg um 10% P1 Nachfragekurve für Brot geringe Mengenabnahme M2 M1 Menge Bei einer preisunelastischen Nachfrage ruft eine Preisänderung nur eine kleine Mengenänderung hervor: Die Nachfragekurve ist steil. Steigen aber die Preise für beide Brotaufstriche, geht die Nachfrage bei Preisaufschlägen viel weniger zurück. Die Nachfrage nach beiden Brotaufstrichen zusammen ist preisunelastisch, denn eine Alternative zu Butter und Margarine ist schwer zu finden. Sehr preisunempfindlich ist auch die Nachfrage nach Mehl und Brot. Wird hier der Preis angehoben, geht die Nachfrage praktisch nicht zurück. Doch wir können oder wollen in der Regel nicht einfach mehr Geld ausgeben. Es wird darum immer Leute geben, die früher oder später weniger Brotaufstrich oder Brot kaufen. So ist es schwierig, Güter zu finden, die unabhängig vom Preis einfach in einem bestimmten Ausmass gekauft werden müssen – so etwa eine obligatorische Versicherung oder ein lebensnotwendiges Medikament. Teil B | Märkte 2 Märkte 27 Viel diskutiert wird die Preiselastizität der Benzinnachfrage. So wird häufig gesagt, teureres Benzin halte die Autofahrer nicht davon ab, genauso viel Benzin zu verbrauchen wie bisher. Untersuchungen zeigen, dass die Benzinnachfrage zwar preisunelastisch ist, dass aber bei einer 10%igen Erhöhung des Benzinpreises der Benzinverbrauch kurzfristig immerhin um 3 bis 4% zurückgeht, längerfristig um rund 10%. Ähnlich preiselastisch ist die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsleistungen. Steigen dort die Preise um 10%, werden allein deswegen Bahn, Bus und Tram um etwa 6 bis 9% weniger benutzt. Interessant ist, dass die Nachfrage nach Benzin längerfristig viel stärker auf Preisänderungen reagiert als kurzfristig. Benzinkonsumenten brauchen Zeit, um auf Preise zu reagieren. Nicht nur bei Benzin, sondern überall dort, wo für Umstellungen grössere Investitionen nötig sind, kann es Jahre dauern, bis die volle Wirkung der Preisänderung eintritt. Dann ist die langfristige Preiselastizität grösser als die kurzfristige. Die Preiselastizität des Angebots Je nach Art des Guts reagiert auch das Angebot verschieden empfindlich auf Preisänderungen. Das heisst, auch die Preiselastizität des Angebots (die Reaktion der angebotenen Menge auf eine Preisänderung) ist nicht für alle Güter gleich. • • Abb. [2 - 8] So kann beispielsweise das Angebot an Turnschuhen, Plastikblumen oder Compact Discs problemlos ausgedehnt werden, wenn die Preise steigen – ihr Angebot ist preiselastisch. Hier ist die Angebotskurve flach. Das Angebot an Arztdienstleistungen oder Werkzeugmaschinen hingegen lässt sich nur mit Mühe ausdehnen, wenn die Preise steigen – ihr Angebot ist eher preisunelastisch. Hier ist die Angebotskurve steil. Je preiselastischer das Angebot, desto flacher die Angebotskurve XWR020FABAde.eps Preis preisunelastisches Angebot Preisanstieg um 10% preiselastisches Angebot P2 P1 grosse Mengenzunahme geringe Mengenzunahme Menge M1 M2 M1 M2 Das Angebot ist preiselastisch, wenn das Produkt gut haltbar und lagerfähig ist, sodass die Lager einfach auf- und abgebaut werden können, wenn ein Unternehmen billig und einfach Ressourcen mobilisieren kann und wenn die Planungs- und Produktionszeiten kurz sind. Die Zeit spielt in den meisten Fällen die wichtigste Rolle für die Anpassung des Angebots an Preisänderungen. Kurzfristig kann das Angebot oft nur schwer oder gar nicht verändert werden. Langfristig hingegen kann nicht nur die Produktionskapazität angepasst werden, sondern es können auch neue Anbieter auf- und alte abtreten. Je länger die Zeit, die wir überblicken, desto preiselastischer wird das Angebot. Allerdings gibt es Güter, deren Angebot auch langfristig sehr preisunelastisch ist und praktisch nicht ausgedehnt werden kann. Beispiele sind der Boden oder herausragende Kunstwerke. Was in solchen Fällen geschieht, untersuchen wir in Kapitel 3.3, S. 45. 28 Volkswirtschaftslehre für technische Kaufleute