MODALPARTIKELN UND VALENZTHEORIE KAWASHIMAAtsuo O. Vorbemerkung Zum Begriff der syntaktischen oder semantischen Valenz geh6ren als wesentliche Gr6Ben die Valenztrager und die Leerstellenbesetzungen. Aber die ’Valenztrager werden nach Autoren verschiedenen grammatischen Kategorien zugeordnet. Bei Tesniere ist nur das ’Ve.rbuM finitum der Valeriztrager, und Pei anderen Autoren kommen Verben, Substantiven, Adjektiven und Adverbien die Valenz zu, wie z.B. bei Bonzio, Sommetfeldt, Helbig, um nur einige zu nennen. Als Leerstellenbesetzungen kpmmen auch verschiedene Kategorien vor. Sie treten bei der syntaktischen Valenztheorie als Erganzungen Und Angaben auf. Dort spielen die Erganzungen im Hinblick auf die Valenz des Verbs eine groBe Rolle und die Angaben gehen in den Hintergrund. Aber die Ortsangabe, die Ze’ 奄狽≠獅№≠b? oder die Modalangabe ist vom kommunikativen Gesichtspunkt her’ gesehen von groBer Bedeutung. Auf die W−Fragen kann man einfach mit einer Angabe antworten. (1). Wohin fahren Sie denn? a. Nach Berlin. b. “lch fahre. c. lch fahre nach Berlin. Nachdem man die Valenzstruktur. festgestellt hat, sollte man die Funktion der Angaben im Satz ins Auge fassen. Die kategoriale Bestandsaufnahme der Angaben ist aber noch nicht im einzelnen vorgenommen; d.h. die Abgrenzung der Modalpartikeln. von .den anderen Adverbien ist noch nicht definitiv. Ungeachtet dessen soll im folgenden eine Teilbeschreibung der Modalpartikeln in.bezug auf ihre Lokalisierung im Satz vo’ 窒№?nommen werden. 1. Syntaktisches Verhalten etlicher Partikein. Im Gegetisatz zu den meisten Wortarteri kommen einige Partikeln mit syntakti− schen Beschrankungen im deutschen Satz vor. Die Besetzung der.ersten Position d.h. des Vorfeldes mit einigen Partikeln wie z.B..aoch, ]:a usw. ist nicht zulassig. Bei der Nominalisierung werden solche Partikelp ausgeschlossen. Sie’stehen im Satzfeld in der dem finiten Verb nahen Position. Sie k6nnen weder topikalisiert, noch fokussiert werden.・ Das Vorhandensein oder das Nicht−Vorhandensein solcher Partikeln beeinfluBt die Darstellung eines ’Sachverhaltes im wesentlichen . nicht. Sie k6nnen ni’Cht’mit Fragew6rtern hervorgerufen werden. (2) Hier h6rt uns fa keiner. 76・ Artes Liberales No. 26, 1980 .a. .Wo h6rt uns jemahd? Hief .... b. Wepa h6tt j emand hier? .... uns .... c. ’ ver hdtt uns hier? Keiner .... d.Wie h6rt. 浮獅刀@je血and ?.....*ja.... Mein Mann schreibt aoch keine Karten. (3) a. Wer schreibt keine Karten? Mein Mann ...L b. Was schreibt mein Mann? .... keine Karten. c. Wie schreibt mein Mann keine Karten? .”. *doch.... d. Warum schreibt mein Mann keine Karten? .... *doch .... Dagegen k6nnen.die Satzglieder, die als Leerstellenbesetzungen eines Ptadikatsverbs definiert werden, mit Fragew6rtern erfragt werden. Der Zug fahrt pUhktlich nach Mtinchen ab. (4) a. Was fahrt pimktlich nach MUnchen ab? Der Zug .... b. Wie fahrt der Zug nach Mttnchen ab. .... pttnkltich .... c.’ @Wohin fahrt der Zug pUnktlich ab? .... nach Mttnchen Die Nominalphrasen, die Adverbien, die Adjektive und die Prapositionalphraseri k6nnen’ @mit W−W6rterp gefragt werden. Aber unter Adverbien gibt es eine Klasse von unflektierten W6rtern, die nur mit obengenannten Kategorien (NP, Adv, Adj und PP) gebunden oder hinzugefttgt (adjungiert, mit Engel zu sprechen) vorkom− men. (5) Ich habe nur.zweiノ’ahre dort gelebt. (6) Selbst e7 muBte das einsehen. (7) Ausgerechnet heute muB es regnen 1 (8) Auch aer Kleinste kann dir schaden. Diese Partikeln auch, selbst, ausgerechnet, nur gehdren nicht zu Modalpartikeln. bie Modalpartikeln mttssen auch von den konjunktional gebrauchten Partikeln unterschieden werden. (9) .... Auch hat er es nicht gewuBt. (10) ....’Doch habe ich nichts gesagt. Zu Modalpartikeln gerechnet・ werden k6nnen solche Partikeln wie aber , nur, aoch, グ卿・・乃,ろ1・β,伽%,W・hl, h・lt, m・1;ruhig, wi・ll・ichち・・hn・ll, U・W. (11) Wie, hieB sie aoch gleich/schnell/noch ? (12) Das ist ju eine ganz neue Uberraschung. Diese Partikeln zeigen d’ie oben erwahnten syntaktischen Besonderheiten. Gemein− sam haben sie nicht nur syntaktisch, sondern auch semantisch ein abt6nendes Charakteristikum. Sie drttcken namligh die Einstellung des Sprechers eines Satzes aus. Es handelt sich dabei um die UberraSchung, die Begrttndung, das Erstaunen, die Vermutung, die. Einschatzung, die Erinnerung, die. Feststel正ung usw。 Darum ’ KowAsHiMA : Modalpartikeln und Valenztheorie 77 k6皿en sie illokutive Indikatoren genannt werden. Sie haben mit der pragmatischen Prasupposition viel zu tun. Der Grund des haufigen Gebrauchs der Moddlpartikeln in der taglichen Gesprachs’ 唐奄狽浮≠狽奄盾氏@ist in solchen Verhaltnissen zu suchen. 2. Die Lokalisierung der Modalpartikelri im Satz Wie kann man die Modalpartikeln bei der Beschreibung der Satzstruktur lokalisi− eren?’ Nach dem syntakitschen Verhalten sind die Modalpartikeln in einer anderen Beziehung血it dem Pradikatsverb als die Adverbien。 Die Adverbien sind unmittelbar vom finiten Verb abhangig, obwohl es einen unterschiedlichen Grad der Verbindungsm6glichkeit in bezug auf das Verb gibt. Es gibt Satzadverbien (z.B. mb’№撃奄モ?erweise), Adverbien der Art und Weise, Orts一 oder Zeitadverbien usw. Sie besetzen als Angaben die Leerstellen des Verbs. Sie treten als Satzglieder auf. Sie k6nnen beliebig an die erste Position umgeStellt werden. Sie k6nnen durch andere Adverbi’en ersetzt werden. ’ Aber die Modalparti.keln geh6ren nicht zu dieser Art der Adverbien und machen eine andere Selektionsklasse aus. Graphisch kann ein Satz folgendermaBen dargestellt werden. ’ v kommt Proptt Prt Adv PP er ) ・(ja ) f jetzt .} f nach Hause doch sie morgen zu mlr Ubermorgen es DaS ist aber eine oberfiachliche Betrachtung der Satzstruktur. Damit wird man der Funktion der Modalpartikel nicht gerecht. Es besteht eine enge Beziehung zwischen ptzt’und hommt bzw. nach.Hause und kommt, aber・nicht zwiSchen y’a und kommt. Die Beziehung zwischen ju und X muB・ es sicher geben. Dieses X ist mit dem Satz “er kommt jetzt nach Hause” gleichzusetzen. Die Partikel ju wird nach meiner Auffassung zum performativen Verb im’ postulierten SlV Hypersatz zugeordnet. versichere Pron Prt ich dir ja SiV Pron kommt Pron Adv PP e’ 秩@jetZt nach Hause 78 Artes Liberales Diese Auffassung wird dadurch untersttttzt, No. 26, 1980 daB die NTominalisierung ・nur auf den Untersatz angewandt werden kann. (13) Er kommt jetzt nach Hause..sein jetztiges Kommen nach’Hause. (14) Er kommt ja jetzt. nach Hause. . *sein jetztiges ja Kommen nach Hause. Das Modale witd in einem einfachen Deklarativsatz.realisiert als Intonation タ Modalpartikel, Modalverb, ModalW6rter bzw. Satzadverbien und Konjunktiv.}⊃s k・nn・1・vi・t・・11er Hypersat・皿it・i・・m perfg・m・ti・・n Verb p・・tUliert werd・n. Der Hypersatz kann je nach der lntention des Sprechers vers’chiedenartig auf− gestellt werden. (15) Der Bundeskanzler hat die Zusage bestatigt. Dieser Satz (15) kann durch die HinzqfUgung von doch, yXa usw. unterschiedlich interpretiert werden. Und dabei kommt der Prasupposition die Bedeutung zu. (16) Der Bundeskanzler hat aoch die Zusage bestatigt. Bei der Wiedergabe diseses ’Satzes in einer nominalisierten From wUrde dieses aoch von der.Nominalphrase ausgeschlossen und mit irgendeinem Satz (vielleicht Nebensatz) ausgedrUckt. (17) Die Bestatigung der Zusage durch den Bundeskanzler, wie ich .. . . . (wie ich sie erwartet habe.) Die lnterpretation der Part’ikel aoch wird kontextbedingt und in dem Sinne ist die Partikel mehrdeutig. Diese Mehrdeutigkeit ftthrt zur Postulierung der verschiedenen Hypersatze. Der Satz (15) kann also ohne weiteres ins Japanische ttbersetzt werden, aber fur Satz (16) gibt es verschiedene Vbersetzungsm6glichkeiten je nach・ dem Kontext (Satzzusammenhang oder Situationszusammenhang). In diesem Zusammenhang m6chte .ich nun kurz die graphische Darstellung der SatZstruktur mit einer Partikel besprechen. Man kann sich die Oberflachen一 und Tiefenstruktur fUr einen Satz vorstellen. Der Satz ist ein Komplex, dessen Nukleus ein Verb ist. Der Satz ist eine Verbal− phrase, in der ein Verb als .Regens steht. Als Dependentien kommen Nominal− phrasen, Adverbialphrasen, Adjektivalphrasen und Prapositionalphrasen. Als Nukleus hat die Verbalphrase ein Verb, die Nominalphrase ein Nomen, die Adverbialphrase ein Adverb, die Adjektivalphrase ein Ajektiv und die Praposition− alphrase die Praposition. Bei der graphischen Darstellung soll die ,,Nukelus−von“一 Relation und die Abhangigkeitsrelation gezeigt werden, da der Nukelus stets niedrigere Einheiten regiert. Die Nukleus−von−Relation wird皿it einer senkrechten Linie und die Abh益ngigkeitsrelation’ @mit einer schragen Lini6 geke皿zeichent.. Die Anordnung der Satzglieder’ richten sich nach der Nebensatzwor’tstellung, d.h. der Endstellung des Verbs. Die Erganzungen sind unmarkiert. Gekennzeichnet werden dagegen die KAwASHIMA : Modalpartikeln und Valenztheorie 79 fakultativen Erganzungen mit spitzigen Klammern,.die freien Angaben. mit runden Klammern, und die Modalpartikeln als freie Angaben, die von einem performativen Verb regiert werden, werden mit eckigen Klammern markiert. Der oberste Satz wird durch S und die niedrigeren Satze werden durch VP wieder− gegeben. Nach dieset Konve.ntion wird Satz (14) folgendermaBen dargestellt. s 寺 Pr6n Pron [Prt] V’P i 1 ’ 1 j ’ i i .1 i V Pr6h (Adv) (PP) ’ i i i’ i ]n“ i … l P「へP … ii . 1 li Ni t li ・I ii i 1 ‘i’ i li i .i L ii .1 .i’i er jetzt nach Hause komm sag Das Verb im Obersatz und im Untersatz hat jeweils Valenz. Diese Stufen werden nunmehr als Valenzskala bezeichnet. Die unterste Skala heiBt die Grundvalenzskala. Die Modalpartikeln geh6ren also nicht ’zur Grundvalenzskala, sondern zur obersten Valenzskalai Did Partikeln wie duch, nur, selbst deri in Satzen (5) bis (8) geh6ren zur Grundvalenz3kala und die Moda!partikeln wie aoch, o’a in den Satzen (2), (3), (11) und (12) geh6ren Zur obersten Valenzskala. Die Modalw6rter wie mb’ №撃奄モ?erweise, sicher usw. und die. Adverbieh’ der’ Art und Weise wie langsam, leise, schon usw. geh6ren auch zur Grundskala. lm Grunde’ №?nC撃獅高?n geh6ren die Kategorien auBer Modalpartikeln zur Grundskal.a. . Der Valenzbegriff in der traditiopellen Dependenzgrammatik betrifft nach ’unserer Auffassung die Valenzstruktur in bezqg auf qie Gtundvalenzskala.. Die Kategorien als. Erganzungen und/oder Angaben k6nnen auf der Grundvalenzskala im Deutschen beliebig an die ’ rpitzenstellung der oberflachlichen Satzstruktur unigestellt werden. Aber die Modalpartikeln, die nicht zur Grundvalenzskala geh6ren, k6nnen nicht die Spitzenstellung besetzen. Der Aus. druck der Sprechereinstellung wird nicht in der Grundvalenzskala, sondern in der obserst.en .Valenzskala lokalisiert. Die Parti− keln noch, gleich, schnell, rasch geh6ren offensichtlich nicht zur Grundskala. (Vgl.. Bublitz 1978.: 109) (18) Wie. heiBt sie noch/gleich/schnell/rasch ? Diese Partiklen k6nnen nur im Fragesatz vorkommen und miteinander umgetauscht 80 Artes Liberales No.26, 1980 werden. (19). “Sie heiBt gleich/schnell ’Kate. (20) Sie heiBt aoch Kate. 3. illokutionskonstitutive Partikeln Eine andere Phase der Modalpartikeln sieht man auch in ihrer pragmatischen und sprechakttheoretischen Seite. Ein konstativer Satz kann unter Verwendung einer Modalpartikel in einen performativen Satz verwandelt Werderi. Analog dem Brinkerschen Vorschlag (Vgl. Brinker 1977: 115) kann man von einem illo− kutionskonstitutiven Satzglied sprechen. Bei ihm werden die Satzglieder, die zusammen mit dem Verb ein Semantem bilden, ,,semantemkonstitutiv“ geT nannt. Man betrachte die folgenden Beispiele. ’ (21) Hans hat in Werner seinen Freund gesehen. (22) Hans hat seinen Freund gesehen. Ein Satzglied in M7erner ist semantemk. onstitutiv, da die Eliminierung des Satz− gliedes in Werner zu einer deutlichen Bedeutungsanderung fuhrt. ,,Semantemkon− stitutiv“ genannt wird ein .Satzgleid, ,,wenn seine EliminierUng zu einer anderung des semantischen Wertes der Gesamtstruktur des Satzes fUhrt.“ Ebenso ftthrt die Eliminierung einer Modalpartikel zu einer Anderurig des pragmatischen Wertes des Satzes. Bei folgenden Satzpaaren liegen illokutionare Anderungen vor, obwohl die logisch−semantischen Verhaltnisse unverandert bleiben. abab (23) Ich bin kein Kind mehr. Bin ich aoch kein Kind mehr. (24) Das war eine Uberraschung... Das war 7’a eine Uberraschung. Mit diesen Partiklen wird die Sprechereinstellung zum propoSitionalen Gehalt (also propositional attituqe) zum Ausdrpck gebracht. Die (b)一Satze siAd keine kon− stativen AuBerungen, sondern Ausdrttcke der Begrttndung oder der Unerwartetheit. Diese Partikeln sind nach Wunderlich als illokutionare lndikatoren aufzufassen oder nach Briqker illokutionskonstitutiv zu nennen. Merkwttrdigerweise werden solche Partikein auch im Japanischen meistenfalls mit inodalen Finalpartikeln wiedergegebep. (23)’ b. Moo’kodomo nanka dya nai hara ne. (24)’ b. Sore ’wa odoroki datta yo. Diese Partiklen sind sowohl im Deutschen als auch im Jap’anischen valenzirrelevante Kategorien iri der Satzstruktur. Die lrrelevanz der modalen Partiklen in bezug auf die Valenz. fUhrt zur suprasegmentalen (intonatorischen) Realisierung der Sprechereinstellung im Englischen. AbschlieBend m6chte ich darauf hinweis♀n, daB die Modalpartikeln iエn Deut一 KAwAsHiMA : Modalpartikeln und Valenztheorie 81 schen in allen linguistischen Bereichen, phonologiSch, syntaktisch, semantisch, ・und pragmatisch/sprechakttheoretisch untersucht werden皿廿sseh..Eine intra−und der Modalpartikeln wird die gramma一 interlinguistische kontrastive Forschung tischen Theorien integrieren. 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