Institut für Informatik II der Universität Bonn Ch. Strelen / W. Sandmann Römerstraße 164 53117 Bonn 20. April 2000 Übungen zur Wahrscheinlichkeitsrechnung Blatt 2, Besprechung: Donnerstag, 27. April 2000, 13.30 Uhr, HS C Beachtenswert ist, daß in einer solchen einwandfrei durchschaubaren Situation durchaus rationale Personen an der Unabhängigkeit zweifeln: Wer beobachtet hat, daß eine Münze fünfmal hintereinander Kopf“ geliefert hat, wird vermuten, daß beim nächsten Wurf eher Wappen“ ” ” als Kopf“ eintrifft, d.h., daß die Wahrscheinlichkeit für Kopf“ plötzlich kleiner als 21 gewor” ” den ist (obwohl doch das fünfmalige Auftreten von Kopf“ — wenn Zweifel an der Richtigkeit ” der Münze überhaupt möglich sein sollten — eher dafür spräche, daß die Wahrscheinlichkeit für Kopf“ größer als 21 ist). Den besten Mathematikern seiner Zeit (darunter D. Bernoulli, ” Euler und Laplace) ist es nicht gelungen, einen d’Alembert von diesem Irrglauben abzubringen.1 Aufgabe 7 Ein Student S sitzt mit seiner Freundin F und 248 weiteren Kommilitonen in der Stochastik–Vorlesung. Für diese Vorlesung gibt es zehn Übungsgruppen. a) Wieviele Möglichkeiten gibt es, die Hörer der Vorlesung auf die Übungen zu verteilen, wenn jede Übung genau 25 Teilnehmer haben soll? (Es reicht aus, wenn Sie die richtige Formel für das Ergebnis finden.) b) Von den zehn angebotenen Übungsterminen paßt nur einer in den Stundenplan von S. Nehmen Sie an, daß der zuständige Assistent als Hommage für P. S. de Laplace jede der Verteilungen aus a) mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auswählt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß S in der passenden Übung landet? c) Nun ist S der Termin egal, aber er möchte mit seiner Freundin in einer Übung sein. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Assistent S und F in die gleiche Übung einteilt? d) Wieviele Möglichkeiten gibt es, die Hörer der Vorlesung auf die Übungen zu verteilen, wenn jede Übung beliebig viele Teilnehmer haben kann? e) Wieviele verschiedene Zehn–Tupel von Teilnehmerzahlen der Übungen kommen in d) vor? (Die Anzahl beträgt 12 557 355 990 278 176, aber gesucht ist natürlich die Formel dafür.) Aufgabe 8 a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß beim Werfen von n Münzen genau k mal Zahl“ fällt? Für ” welches (welche?) k ist diese Wahrscheinlichkeit am größten? b)∗ Schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit, daß beim Werfen von zwei Millionen Münzen genau eine Million mal Zahl“ fällt. ” 1 Zitiert nach J. Pfanzagl: Elementare Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dort wird auch hingewiesen auf G. Cantor: Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik, Bd. 3 (1901), S. 639ff., und Bd. 4 (1908), S. 225ff. Aufgabe 9 Betrachten Sie ein Kommunikationssystem mit zwei Eingabesymbolen, zwei Ausgabesymbolen und bedingten Wahrscheinlichkeiten π(i|j), daß i“ empfangen wird, falls j“ gesendet wurde (i, j ∈ {1, 2}). ” ” Die Nachrichtenquelle sendet 1“ mit Wahrscheinlichkeit p und 2“ mit Wahrscheinlichkeit 1 − p. Sei ” ” π(1|1) = 0.8, π(1|2) = 0.3. a) Berechnen Sie für jede der vier möglichen Dekodierungen j → ϕ(j), j ∈ {1, 2} die Wahrscheinlichkeit, daß kein Fehler auftritt, und tragen Sie diese als Funktion von p in ein Koordinatensystem ein. Welches ist die optimale Dekodierung? Hinweis: mit Bi = Symbol i gesendet“, Cj = Symbol j empfangen“ gilt ” ” (Bϕ(1) ∩ C1 ) ∪ (Bϕ(2) ∩ C2 ) = kein Fehler“. ” b) Zu jeder Dekodierung gibt es ein ungünstigstes“ p, für das die Wahrscheinlichkeit einer falschen ” Entschlüsselung maximal wird. Bestimmen Sie die Dekodierung, für die diese maximale Fehlerwahrscheinlichkeit minimal wird (Minimax–Dekodierung). Aufgabe 10 In der Vorlesung haben Sie an einem Beispiel das Rencontre–Problem kennengelernt: Steckt man n Briefe zufällig in n mit den Anschriften versehene Umschläge, so gerät mit der Wahrscheinlichkeit p1 (n) = 1 − n X (−1)i i=0 i! mindestens ein Brief in den richtigen Umschlag. a) Es sei D(n) für n ∈ IN die Anzahl der Möglichkeiten, n Briefe so in n Umschläge zu stecken, daß kein Brief im richtigen Umschlag ist, also D(1) = 0, D(2) = 1, D(3) = 2, D(4) = 9 usw. Ergänzend setzt man D(0) = 1. Finden Sie eine geschlossene Formel für D(n), und zeigen Sie für n ≥ 1 die Rekursionen D(n) = nD(n − 1) + (−1)n , D(n) = (n − 1)[D(n − 1) + D(n − 2)]. b) Als Verallgemeinerung sei D(n, r) für n ∈ IN und 0 ≤ r ≤ n die Anzahl der Möglichkeiten, bei denen genau r Briefe im richtigen und die übrigen n − r Briefe im falschen Umschlag stecken. Es n ist also D(n) = D(n, 0). Zeigen Sie D(n, r) = r D(n − r). c) Der Absender der Briefe sei nun ein Briefmarkensammler, der an n Sammlerfreunde schreibt und jedem eine ganz bestimmte (für alle Empfänger verschiedene) Sondermarke versprochen hat. Nachdem er schon die Briefe zufällig in die Umschläge gesteckt hat, klebt er auch noch die Marken zufällig auf die Umschläge. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit p2 (n), daß mindestens einer der Freunde sowohl den richtigen Brief als auch die für ihn bestimmte Sondermarke erhält, und den Grenzwert lim p2 (n). n→∞ Aufgabe 11 a) Gegeben seien ein Schachbrett mit 64 Feldern der Kantenlänge a und genügend breitem Rand sowie eine Schachfigur, deren Fuß kreisförmig mit dem Radius r ≤ a2 sei. Die Figur werde nun zufällig so auf das Brett gestellt, daß sich der Mittelpunkt des Fußes noch über einem Feld befindet. Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit p(r), daß der Fuß der Figur vollständig in einem Feld steht. Für welchen Radius r ist p(r) = 12 ? b)∗ Nun sei der Fuß ein Quadrat mit der Kantenlänge b ≤ a, und die Figur werde noch um einen zufällig gewählten Winkel γ um ihre vertikale Achse gedreht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit p(b), mit der die Figur unter diesen Bedingungen√vollständig in einem Feld steht? Vergleichen Sie für einen Radius r ≤ a2 und die Kantenlänge b = πr2 die Wahrscheinlichkeiten aus a) und b).