Frauen und HIV Marianne Rademacher Referentin für Prävention für Weibliche Sexarbeit/Frauen im Kontext von HIV, STI und Hepatitis der DAH e.V. BAH, Positvenplenum 29.10.2015 Effektivität und Verträglichkeit der cART Frauen haben bei hoher CD4-Zellzahl eine niedrigere Viruslast im Vergleich zu Männern Ist das ein Vorteil für Frauen? Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 2 Der natürlich Verlauf der HIV-Infektion wird dadurch nicht begünstigt, denn… Progesteron steigert die Interferon-apha-Produktion in den dendritischen Zellen Das führt in der frühen Phase der Infektion bei Frauen zu einer stärkeren Immunaktivierung Stärkere Immunaktivierung führt zu schnellerer Krankheitsprogression bei prämenopausalen Frauen als dies bei Männern und postmenopausalen Frauen der Fall ist Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 3 Eine cART ist bei Frauen ebenso effektiv wie bei Männern! Kein signifikanter Unterschied zwischen Frauen und Männern im Therapieansprechen nach 48 Wochen Höhere Rate an Therapieabbrüchen aufgrund virologisches Versagens bei Männern (8.15% vs. 4.25%) 22,411 HIV+ Studien TN;43 Studien mit insgesamt 16 Substanzen, 20% Frauen FDA Review klinischer Studien 2000-2008: 22,411 HIV+ Studien TN;43 Studien mit insgesamt 16 Substanzen, 20% Frauen Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 4 ABER: Wenn man nicht die Metaanalyse, sondern einzelne Studien betrachtet, kann man auch andere Ergebnisse sehen: Virologisches Ansprechen (TLOVR, <50 Kopien/ml zu Woche 96) bei Männern und Frauen Viruslast niedriger bei Viruslast niedriger bei Männern 0,57 GS 9031 Frauen 0,83 0,71 0,39 GS 9342 1,19 0,42 0,88 ECHO3/THRIVE4 1,18 0,66 0,99 ARTEMIS HEAT6 CASTLE7 0,56 0,64 1,73 0,43 0,95 0,65 0,88 0,48 0,72 Gesamt p < 0,0001 0,62 0,1 0,84 1,0 10,0 Odds Ratio (95% KI) Frauen erreichten seltener ein virologisches Ansprechen als Männer OR 0,72 (95% CI, 0,62 – 0,84); p < 0,0001 Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 5 Frauenanteil in klinischen Studien Studie % eingeschlossener Frauen ECHO 21 THRIVE 27 STUDY 102 11 STUDY 103 10 ! SPRING 1 14 SPRING 2 14 VIKING 23 SAILING 32 GRACE (2009) 66,9 WAVES (2015) 100 *Nicht repräsentative Auswahl an Studien in der Tabelle, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 6 Frauen haben nicht häufiger Verträglichkeitsprobleme unter ART als Männer, aber… Unterschiede im Nebenwirkungsprofil Bei gleicher Nebenwirkungsrate zeigen Frauen andere Nebenwirkungen als Männer, z.B. gastro-intestinale Beschwerden bei Frauen eher Übelkeit und Erbrechen, bei Männern in der Mehrzahl Diarrhoen Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 7 Beispiel CASTLE Studie: Profil unerwünschter Wirkungen (Woche 96) ATV/r Frauen (n=138) Grade 2–4 therapiebedingte AEs Woche 96 (%) LPV/r Frauen (n=139) 35 30 33 33 29 25 a. Werte < 1% b. Werte = 0 20 14 15 14 11 10 9 10 7 5 5 3 2 Diarrhoen 4 3 1 0 Alle pts • ATV/r Männer (n=303) LPV/r Männer (n=298) 32 Übelkeit 2 1 a Erbrechen 5 5 2 a a HBR b b Sklerenikterus Rash Abbruchraten bei Frauen höher (21% ATV/r bzw. 29% LPV/r) als bei Männern (14% ATV/r und 18% LPV/r) 3 2 Pharmakokinetik Bioverfügbarkeit Distribution • GI-Motilität wird von Sexualhormonen beeinflusst • Körpergewicht/ BMI • mögliche Unterschiede in der Ernährung • Organdurchblutung • Fettanteil • Plasmavolumen • Plasmaproteinbindung Marianne Rademacher ©DAH Metabolismus • Aktivität metabolischer Enzyme (Cytochrom P450) • Anzahl hepatischer Effluxtransporter (p-gp) Elimination • Organgröße • Ausscheidung über die Nieren (GFR proportional zum Körpergewicht) 03.11.2015 9 Unterschiedliche Konzentration antiretroviraler Medikamente in der HIVTherapie bei Männern und Frauen ARV Pharmakokinetik in ♀ und ♂ NVP ♀ AUC 19% EFV Kein Unterschied RTV ♀ AUC 20% LPV Kein Unterschied DRV ♀ AUC 16,8% ATV Kein Unterschied In der Regel keine Dosisanpassung erforderlich Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 10 Komplikationen in Verbindung mit cART Hepatische Steatosis und Laktat-Azidose Pankreatitis Abnahme der Knochendichte1,5,6 Häufigere Nebenwirkungen bei Frauen Hautausschlag Zyklusstörungen Lipidwerte • Geringeres Risiko eines TG-Anstiegs • Geringere HDL- Werte Marianne Rademacher Neuropathie Anämie ©DAH Lipodystrophie 03.11.2015 11 Therapieunterbrechungen sind bei Frauen immer noch häufiger als bei Männern UK-CHIC: Therapieabbrüche ohne virologisches Versagen häufiger bei Frauen Barber et al., HIV Med 2009 :10:Supp2;152 Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 12 Psychosoziale Aspekte Stress, Depressionen und Ängste Sozialer Rückhalt HIV-Therapie Beginn der ART und Aufklärung Unterstützung durch Partner und Familie Lebensumstände Psychischer Druck schlechte medizinische Versorgung und Krankenversicherung Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 13 Klinische Studien ■ Frauen sind meist unterrepräsentiert ■ Studien sind meist nicht ausgelegt, um frauenspezifische Fragestellungen zu klären ■ Schwangere werden meist aus den Studien ausgeschlossen Unterschiede zwischen Frauen und Männern ■ Im klinischen Ansprechen ■ In Nebenwirkungen/Toxizität ■ Sozioökonomische und psychosoziale Faktoren Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 14 Unterschiede zwischen Frauen und Männern Bei Auswahl der cART für Frauen zu berücksichtigen Kontrazeption Möglichkeit einer Schwangerschaft bzw. Schwangerschaftswunsch ■ Unterschiede aufgrund hormoneller Effekte Natürliche Steroidhormone Orale Kontrazeptiva Schwangerschaft Hormonersatztherapie ■ Verzögerung des Therapiebeginns ■ Adhärenz/Therapietreue ■ Unterschiedliche Einstellung und Zugang zu antiretroviralen Medikamenten Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 15 Frauenspezifische Aspekte der HIV- Infektion HIV+ Frauen und cART: Zusammenfassung ■ Insgesamt effektive Therapiemöglichkeiten, aber bei Frauen im Vergleich zu Männern relativ hohe Abbruchraten aufgrund unerwünschter Ereignisse ■ Mangel an frauenspezifischen Daten aus klinischen Studien und Kohorten (immer noch!) ■ Kontrazeption: Eingeschränkte Optionen für Frauen mit HIV ■ Menopause und HIV: Früher und mehr klinische Symptome Marianne Rademacher ©DAH 03.11.2015 16