Maligne epitheliale Tumoren - Derma-Net

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1.2 Maligne Tumoren 1
1.2.2 Maligne epitheliale Tumoren
von <T.J. Brill und R. Kaufmann>
Inhalt
Basalzellkarzinom (BCC)
Plattenepithelkarzinome der Haut (SCC)
Das Basalzellkarzinom (BCC) und das Plattenepithelkarzinom der Haut (SCC) sind
als Hauptvertreter des „hellen Hautkrebses“ die weitaus häufigsten Hauttumore. Sie
gehören zudem zu den häufigsten malignen Erkrankungen des Menschen überhaupt.
BCC und SCC zeigen in den letzten Jahrzehnten eine deutlich steigende Inzidenz,
wobei das Sonnenlicht als wichtigster Risikofaktor für beide Erkrankungen gilt.
Während Plattenepithelkarzinome vor allem auf dem Boden von Präkanzerosen und
präinvasiven malignen Vorstufen wie den aktinischen Keratosen entstehen, entwickeln sich die Basalzellkarzinome weitgehend ohne Vorstufen. Unter den nichtmelanozytären Tumoren der Haut machen die Basalzellkarzinome etwa 80% aller
Fälle aus (Rubin 2005).
Histogenetisch ist die Herkunft der Tumorzellen beider Erkrankungen unterschiedlich. Während das Plattenepithelkarzinom seinen Ursprung von Keratinozyten der
Epidermis nimmt, stammen die Basalzellkarzinome nach heutigem Wissenstand
eher von Zellen der äußeren Haarwurzelscheide ab als von Zellen der epidermalen
Basalzellschicht (Breuninger 2005). Tumorbiologisch verhalten sich Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom gänzlich anders: Während das Basalzellkarzinom
fast immer nur lokal destruierend wächst, kommt es beim fortgeschrittenen Plattenepithelkarziom zur Metastasierung. Daher weisen Basalzellkarzinome im Vergleich
zu Plattenepithelkarzinomen der Haut eine geringere Mortalität auf. Dennoch bedürfen auch Basalzellkarzinome einer sorgsamen und fachgerechten Behandlung, um
Folgeschäden des lokal destruierenden Wachstums frühzeitig zu verhindern.
Basalzellkarzinom (BCC)
Synonyme: Basaliom, Epithelioma basocellulare; engl.: basal cell carcinoma
Das BCC macht ca. 80% aller nichtmelanozytären Hauttumore aus (Rubin 2005).
Seine Inzidenz unterliegt großen geographischen Schwankungen. Während in den
westeuropäischen Ländern (z.B. England) von etwa 100 Neuerkrankungen pro
100.000 Einwohner und Jahr berichtet wird, beträgt die geschätzte Inzidenz in den
USA in der weißen Bevölkerung etwa 200 bis 400 Neuerkrankungen pro 100.000
Einwohner und Jahr (Miller 1994). In Australien geht man sogar von regionalen
Inzidenzen bis zu 2 Prozent pro Jahr aus. Männer und Frauen sind dabei in etwa
gleich häufig betroffen. Das Durchschnittsalter der Erkrankung liegt bei ca. 60 Jahren, wobei eine Tendenz zu einer früheren Manifestation besteht.
Ultraviolettes Licht wird als wichtigster Risikofaktor für die Entwicklung eines BCC
gesehen. Während beim SCC das Auftreten stark mit der kumulativen Lichtdosis
korreliert, ist der Zusammenhang beim BCC komplexer. Das Krankheitsrisiko ist bei
intensiver, intermittierender UV-Exposition höher, als bei kontinuierlicher UVExposition (Zanetti 2006). Menschen der Hauttypen I bis II sind besonders gefähr-
2
1.2.2 Maligne epitheliale Tumoren
det, ein BCC zu entwickeln. Daneben existieren verschiedene weitere exogene und
genetische Faktoren (Tab. 1) wie z.B. das Basalzellnävussyndrom, die als Risikofaktoren für die Entstehung eines BCC gelten (Rubin 2005). Bei Manifestation eines
BCC ist das Risiko für die Entwicklung weiterer BCC etwa um den Faktor 10 gegenüber der Normalbevölkerung gesteigert (Marcil 2000). Vor allem bei superfiziellen BCC am Rumpf ist das Risiko für die Entwicklung weiterer Tumore dieser Art
erhöht.
Tabelle 1: Risikofaktoren für die Entstehung von Basalzellkarzinomen
Genetische Faktoren
Physikalische Faktoren
Hauttyp I/II
UV-Licht
Ionisierende Strahlung
Sonstige Umweltfaktoren
Arsen
Teer
Zigarettenrauch
Zustand nach Organtransplantation
Gorlin-Goltz-Syndrom (Basalzellnävussyndrom),
Basex-Dupré-Christol-Syndrom
Rombo-Syndrom
Multiple infundibulozystische Basalzellkarzinome (Requena)
Albinismus, Xeroderma pigmentosum
Immunsuppression
Genodermatosen mit Basalzellkarzinomen
Genodermatosen mit allgemeiner UVEmpfindlichkeit
Klinik
Etwa 80% aller BCC entstehen im Kopf-Hals-Bereich, gefolgt vom Rumpf (15%)
und den Extremitäten (Rubin 2005). Das klinische Erscheinungsbild ist sehr vielfältig. Folgende Formen werden unterschieden:
•
Noduläre BCC: Häufigste Form. Beginnen mit einer glasigen Papel,
z.T. mit perlschnurartigem Randsaum und Teleangiektasien (Abb. 1).
•
Ulzerierende BCC: Entwickeln sich meist aus nodulären BCC durch
zunächst zentrale Ulzeration (Ulcus rodens), später Ausdehnung der
Ulzeration auf tieferliegende Strukturen (Ulcus terebrans). (Abb. 2).
•
Pigmentierte BCC: In einigen Fällen findet man Melaninablagerungen bei nodulären Basalzellkarzinomen (Abb. 3).
•
Superfizielle BCC: Vorzugsweise am Rumpf („Rumpfhautbasaliome“), schuppende, erythematöse Flecken und Plaques (Abb. 4).
•
Sklerodermiforme BCC: Weißliche, narbige Plaques, meist sehr unauffällig (Abb. 5).
Die in der WHO-Klassifikation beschriebenen histologischen Subtypen (Tab. 2), die
am häufigsten als Mischformen zu finden sind, können über das klinische Verhalten
Auskunft geben. Während die nodulären und superfiziellen Varianten wenig aggressiv sind, zeigen mikronoduläre und infiltrative Basalzellkarzinom ein deutlich aggressiveres Verhalten, wobei das destruierende Wachstum auf die Tumorlokalisation
begrenzt bleibt. Die Metastasierung eines Basalzellkarzinoms stellt eine Rarität dar
(<1:1000) (Breuninger 2005).
1.2 Maligne Tumoren 3
© H. Schöfer, FFM
Abb. 1 Noduläres (solides) BCC, glasige Papel mit Teleangiektasien
© H. Schöfer, FFM
Abb. 2 Ulzerierendes BCC
4
1.2.2 Maligne epitheliale Tumoren
© H. Schöfer, FFM
Abb. 3 Pigmentiertes BCC, am Oberarm
© H. Schöfer, FFM
Abb. 4 Rumpfhaut-BCC
1.2 Maligne Tumoren 5
© H. Schöfer, FFM
Abb. 5 Sklerodermiformes, teils noduläres BCC
© H. Schöfer, FFM
Abb. 6 Exophytisch wachsendes, metatypisches BCC
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1.2.2 Maligne epitheliale Tumoren
Histologie
BCC sind histologisch gekennzeichnet durch basaloid differenzierte Zellverbände
mit chromatindichten Kernen, die von dermalem Stroma umgeben sind (Abb. 7).
Häufig zeigt sich eine Spaltbildung zwischen Tumorepithel und umgebenden Stroma. Im Randbereich findet man, vor allem beim nodulären BCC, regelhaft eine palisadenartige Anordnung der Tumorzellen. Das nodulär-solide BCC zeigte sich als
asymmetrisch knotiger Tumorzellverband, die klinisch superfizielle Variante ist
durch breitbasig mit der Epidermis in Verbindung stehende multifokale Tumorzellverbände charakterisiert. Das sklerodermiforme BCC zeigt sich histologisch als Proliferation von schmalen Tumorzellsträngen, die von einem dichten fibroblastenreichen Stroma umgeben sind. Durch Melanineinlagerungen in die Tumorzellen und
das Stroma kann sich klinisch ein pigmentiertes BCC zeigen. Weitere seltenere histologische Varianten sind Tabelle 2 zu entnehmen (Tab. 2).
© R. Kaufmann, FFM
Abb. 7 Basalzellkarzinom
Differenzialdiagnosen
Besonders im Gesicht können solide BCC Talgdrüsenhyperplasien oder dermalen
melanozytären Nävi ähneln. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen sind das
Fibroma nasi, das Trichoblastom und das Trichoepitheliom. Daneben können zystische Tumore wie das Hidrozystom ein BCC imitieren. Pigmentierte BCC sind differenzialdiagnostisch vom malignen Melanom, aber auch von pigmentierten seborrhoischen Keratosen abzugrenzen. Bei ulzerierten oder stark exophytischen
BCC (Abb. 5) kann eine klinische Abgrenzung zum Plattenepithelkarzinom oder
malignen Adnextumoren schwierig sein. Die schuppende, erythematöse Plaque als
typische Manifestation eines superfiziellen BCC ähnelt in vielen Fällen klinisch einem Morbus Bowen, einem nummulären Ekzem oder einer Psoriasis-Plaque. Sklerodermiforme BCC bereiten die größten diagnostischen Schwierigkeiten und werden daher häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt. Sie sind abzugrenzen von vielen anderen narbigen Läsionen und der zirkumskripten Sklerodemie.
1.2 Maligne Tumoren 7
Diagnostik
Die Diagnose eines Basalzellkarzinoms wird in den meisten Fällen klinisch gestellt.
Der Verdacht sollte durch eine Probebiopsie mit histologischer Untersuchung bestätigt werden. Bei kleineren Tumoren kann dies im Rahmen einer Exzisionsbiopsie
erfolgen. Beim multifokalen superfiziellen BCC kann auf die histologische Diagnosesicherung oftmals verzichtet werden. Vor allem bei pigmentierten BCC erlaubt die
Auflichtmikroskopie eine Abgrenzung melanozytärer Tumore. Bei tiefen, ulzerierenden Tumoren wie auch beim seltenen Verdacht auf Metastasierung können bildgebende Verfahren zur Untersuchung der lokalen Tumorausbreitung nötig werden.
Tabelle 2: WHO-Klassifikation der Basalzellkarzinome (Heenan 1996)
•
Multifokales superfizielles BCC
•
Noduläres BCC (solide, adenoid, zystisch)
•
Infiltratives BCC (nicht-sklerosierend, sklerosierend, desmoplastisch,
morphea-artig)
•
Fibroepitheliales BCC
•
BCC mit adnexoider Differenzierung (follikulär, ekkrin)
•
Basosquamöses BCC
•
Keratotisches BCC
•
Pigmentiertes BCC
•
BCC beim Basalzellnävussyndrom
•
Mikronoduläres BCC
Therapie
Bei nahezu fehlendem Metastasierungspotenzial besteht die Therapie des BCC in
der lokalen Tumorkontrolle. Es existieren verschiedene chirurgische und nichtchirurgische Therapieansätze. Für die Wahl des geeigneten Verfahrens sind Tumorgröße, Lokalisation, histologischer Subtyp sowie der Allgemeinzustand und die Begleiterkrankungen des Patienten ausschlaggebend.
Der Standard der operativen Therapie des Basalzellkarzinoms ist die Schnittrandkontrollierte Chirurgie (mikrographische Chirurgie). Durch vollständige operative Entfernung kann dabei eine anhaltende Heilung in etwa 95% der Fälle erreicht
werden (Breuninger 2005). Die Aufarbeitung der topographisch markierten Exzidate
kann dabei sowohl mittels Paraffinschnittverfahren erfolgen wie auch durch das
Kryostatschnittverfahren. Letzteres ermöglicht zwar oftmals einen schnelleren Abschluss der Behandlung, ist aber in seiner Aussagekraft der konventionellen Methode unterlegen. Prinzipiell kann das operative Vorgehen einzeitig oder mehrzeitig
erfolgen. Erfolgt die Exzision des BCC ohne Randschnittkontrolle mit Sicherheitsabstand und konventioneller Histologie, ist mit einem erhöhten Rezidivrisiko zu
rechnen. Weiterhin besteht die Möglichkeit der Horizontalexzision, bei der der Tumor tangential mit dem Skalpell abgetragen wird.
Aufgrund besonderer Lokalisation oder Tiefenausdehnung des Tumors kann ein
interdisziplinäres Vorgehen nötig sein.
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1.2.2 Maligne epitheliale Tumoren
Bei inoperablen Tumoren oder Tumorresten bzw. Kontraindikationen für ein operatives Vorgehen kann eine Strahlentherapie mit Röntgenstrahlen oder schnellen
Elektronen durchgeführt werden. Die Heilungsraten dieser Therapien sind weitgehend mit der konventionellen Chirurgie vergleichbar, wobei das kosmetische Ergebnis zum Teil als ungünstiger angesehen wird (Avril 1997). Die Gesamtdosis beträgt
dabei 50 bis 70 Gy bei Einzeldosen von 2-5 Gy (Details siehe Kap. 17.3.2).
Bei der photodynamischen Therapie wird nach Applikation eines Photosensitizers
(z.B. δ-Aminolävulinsäure) eine Bestrahlung mit Rotlicht durchgeführt (Details siehe Kap. 17.3.4). Indikationen sind hier vor allem histologisch gesicherte, oberflächliche BCC bzw. für eine Operation ungeeignete BCC (Vinciullo 2005). Die Ergebnisse sind mit den lokal destruierenden Verfahren wie Kryotherapie vergleichbar
Bei der Kryotherapie wird flüssiger Stickstoff durch Kontakt oder Aufsprayen appliziert. Das Verfahren wird vor allem bei Kontraindikationen für eine Operation
angewandt, kann aber bei wiederholter Anwendung hohe Heilungsraten erzielen
(Mallon 1996). Andere destruierende Verfahren sind die Kürettage mit Elektrodesikkation oder die CO2-Laser-Evaporisation (Breuninger 2005).
Als weitere Therapiealtnativen kommen die lokale Immuntherapie mit Imiquimod und die topische Chemotherapie mit 5-Fluorouracil in Betracht. Insbesondere Imiquimod konnte bei superfiziellen BCC seine Wirksamkeit mehrfach in klinischen Studien unter Beweis stellen (Schulze 2005).
Bei den seltenen metastasierten BCC führten systemische Chemotherapien, u.a. mit
Cisplatin und 5-Fluorouracil, nur zu temporären Remissionen (Moeholt 1996).
Prognose
Die Prognose von Basalzellkarzinomen ist im Allgemeinen gut aufgrund der fehlenden Metastasierungsfähigkeit. Die Heilungsraten liegen für primäre Tumore bei
Anwendung von mikrographischer Chirurgie deutlich über 90%. Engmaschige
Nachsorgeuntersuchungen sind vor allem in den ersten 3 Jahren anzuraten, da hier
das Risiko für Rezidive und Zweittumore am höchsten ist (Reifenberger 2005).
Literatur
Avril MF, Auperin A, Margulis A, et al. Basal cell carcinoma of the face: surgery or radiotherapy?
Results of a randomized study. Br J Cancer 1997; 76:100-6
Breuninger H, Sebastian G, Kortmann RD, Schwipper V, Werner J, Garbe C. Deutsche Leitlinie:
Basalzellkarzinom; in: Garbe C. Interdisziplinäre Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von
Hauttumoren. Georg Thieme Verlag Stuttgart 2005; Seiten 1-11
Heenan PJ, Elder DJ, Sobin LH. Histological typing of skin tumours. 26. WHO International
Histological Classification of Tumours. Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo: Springer, 1996.
Mallon E, Dawber R. Cryosurgery in the treatment of basal cell carcinoma. Assessment of one
and two freeze-thaw cycle schedules. Dermatol Surg 1996; 22:854-8
Marcil I, Stern RS. Risk of developing a subsequent nonmelanoma skin cancer in patients with a
history of nonmelanoma skin cancer: a critical review of the literature and meta-analysis. Arch
Dermatol 2000; 136:1524-30
Miller DL, Weinstock MA. Nonmelanoma skin cancer in the United States: incidence. J Am Acad
Dermatol 1994; 30:774-8
Moeholt K, Aagaard H, Pfeiffer P, Hansen O. Platinum-based cytotoxic therapy in basal cell
carcinoma - a review of the literature. Acta Oncol 1996; 35:677-82
Reifenberger J, Ruzicka T. Basalzellkarzinom. In: Braun-Falco O, Plewig G, Wolff HH, Burgdorf
HC, Landthaler M. Dermatologie und Venerologie. Springer Heidelberg 2005; S1250-9
Rubin AI, Chen EH, Ratner D. Basal-cell carcinoma. N Engl J Med 2005; 353:2262-9
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Schulze HJ, Cribier B, Requena L, et al. Imiquimod 5% cream for the treatment of superficial
basal cell carcinoma: results from a randomized vehicle-controlled phase III study in Europe. Br
J Dermatol 2005; 152:939-47
Vinciullo C, Elliott T, Francis D, et al. Photodynamic therapy with topical methyl aminolaevulinate for ´difficult-to-treat´ basal cell carcinoma. Br J Dermatol 2005; 152:765-72
Zanetti R, Rosso S, Martinez C, et al. Comparison of risk patterns in carcinoma and melanoma
of the skin in men: a multi-centre case-control study. Br J Cancer 2006; 94:743-51
Plattenepithelkarzinome der Haut (SCC)
Synonyme: Spinozelluläres Karzinom, Spinaliom, Epithelioma spinocellulare; engl.:
squamous cell carcinoma
Das Plattenepithelkarzinom der Haut ist nach dem Basalzellkarzinom der zweithäufigste kutane Tumor. In den USA wird eine Inzidenz von etwa 100 bis 150 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr, mit deutlicher Zunahme in den letzten
Jahrzehnten, beschrieben (Gray 1997). Die Tumore treten überwiegend in lichtexponierten Arealen auf. Ca. 90% aller SCC sind im Gesichtsbereich lokalisiert (Breuninger 2005). Prinzipiell kann das Plattenepithelkarzinom jedoch überall auf der
Haut und den Schleimhäuten vorkommen. Das Durchschnittsalter der Patienten beträgt ca. 70 Jahre; Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die SCC der Haut
wachsen lokal infiltrierend und destruierend mit typabhängig sehr unterschiedlicher
Geschwindigkeit. Im Gegensatz zum BCC können SCC metastasieren. Bei ca. 5%
der Patienten mit einem SCC der Haut finden sich Metastasen, meist zu Beginn in
den regionalen Lymphknoten (Breuninger 2005).
Der weitaus wichtigste ätiopathogenetische Faktor für die Entwicklung eines kutanen SCC ist das UV-Licht, wobei die Tumore meist auf dem Boden von Präkanzerosen (präinvasiven Frühformen wie den aktinischen Keratosen) entstehen. In etwa 5%
gehen aktinsche Keratosen in ein manifestes Plattenepithelkarzinom über (Marks
1988). Neben der UV-Strahlung kann auch ionisierende Strahlung, in der Regel
nach jahrzehntelanger Latenz, zur Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms auf
dem Boden einer chronischen Radiodermatits führen. Daneben können sich die Tumore auch aus chronisch-entzündlichen Hautveränderungen wie Lichen ruber mucosae oder Lichen sclerosus et atrophicus entwickeln, selten auch auf dem Boden
chronischer Wunden wie einem Ulcus cruris. Der Morbus Bowen (Carcinoma in
situ) geht über in das so genannte Bowen Karzinom. Die entsprechende Präkanzerose im Schleimhautbereich wird als Erythroplasie Queyrat bezeichnet (Details siehe
Kap. 1.2.1).
Orale Karzinome scheinen auch mit Alkohol- und Tabakkonsum assoziiert zu sein.
Plattenepithelkarzinome entwickeln sich zudem auf älteren straffen Narben, vor allem nach Verbrennungen. Als chemische Risikofaktoren gelten Arsen und Teer.
Über thermische Faktoren wie lange Hitzeeinwirkung wurde berichtet. Verschiedene
humane Papillomviren – insbesondere die Typen 16 und 18, sind mit der Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen assoziiert. Bei immunsupprimierten Patienten,
z.B. nach Organtransplantation, ist das Risiko für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms der Haut stark erhöht (siehe Kapitel 10.5.2). Zudem sind verschiedene Genodermatosen (z.B. Xeroderma pigmentosum) mit einem erhöhten Risiko
für Plattenepithelkarzinome behaftet (Tab. 3).
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Tabelle 3: Risikofaktoren für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms
der Haut (modifiziert nach Alam 2001)
•
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Nicht-ionisierende Strahlung
UVA, UVB, Psoralen plus UVA
Ionisierende Strahlung
Hyperthermie
Genodermatosen
Albinismus
Xeroderma pigmentosum
Humane Papillomaviren (HPV), Typen 16 und 18 u.a.
Chemische Faktoren (Arsen, Teer, polyzkl. aromatische Kohlenwasserstoffe)
Morbus Bowen, Erythroplasie Queyrat
Radioderm
Präkanzeröse Keratosen
Aktinische Keratosen
Arsenkeratosen
Röntgenkeratosen
Narben
Chronisch-entzündliche Dermatosen (Lichen ruber mucosae, Lichen
sclerosus et atrophicus, Epidermolysis bullosa dystrophica, Lupus vulgaris)
Chronische Wunden, Ulzera
Immunsuppression, immunsuppressive Medikamente (Organtransplantation)
Hämatologische Grunderkrankungen (Lymphome, Leukamien)
Ernährung (Alkohol, Tabak)
Klinik
Das klinische Bild hängt von der zuvor bestehenden Präkanzerose ab und wird durch
verschiedene Faktoren wie Wachstumsform oder Entdifferenzierungsgrad bestimmt.
Zu Beginn erscheinen SCC meist als erythematöse Plaques oder Knoten, häufig unscharf begrenzt. Die Oberfläche präsentiert sich oft verrukös oder papillomatös, z.T
mit Ulzerationen und hämorrhagischen Krusten (Abb. 8). Die Ausbreitung erfolgt
invasiv sowohl zur Tiefe als auch im Durchmesser und gelegentlich entlang von
Nervenbahnen (Leibovitch 2005). Bei fortgeschrittenen Tumoren beeinträchtigen
Verwachsungen die Verschieblichkeit.
Entstehen SCC auf dem Boden von präkanzerösen Keratosen, so zeigt sich charakteristischerweise eine anhaftende Schuppung, bei Entwicklung aus vorbestehenden
Narbenarealen sind Erosionen und Ulzerationen typisch. Thermisch induzierte
Karzinome präsentieren sich als retikuläre, braun-rötliche Flecken mit Teleangiektasien. Karzinome der Unterlippe (Abb.7) beginnen meist als hyperkeratotische
Plaques bzw. als Leukoplakie. Mundschleimhautkarzinome können sich als Leukoplakie bzw. noch häufiger als begleitende oder alleinige Erythroplakie präsentieren (Mashberg 1995). Für Vulvakarzinome sind erosive erythematöse Plaques,
meist solitär an den großen Labien typisch. Skrotale SCCs manifestieren sich gerne
1.2 Maligne Tumoren 11
als verruziforme Knötchen und am Penis treten sie am ehesten als erythematöse Plaques in Erscheinung.
© H. Schöfer, FFM
Abb. 8 Kutanes Plattenepithelkarzinom (SCC) am Oberhaupt
Das verruköse Plattenepithelkarzinom als niedrig-maligner Subtyp mit geringer Metastasierungstendenz kommt am häufigsten plantar vor (Epithelioma cuniculatum).
Die floride orale Papillomatose, die Papillomatosis cutis carcinoides und die Condylomata gigantea werden ebenso zu den verrukösen Karzinomen gezählt. Die floride
orale Papillomatose präsentiert sich meist als Leukoplakie mit verruziformen Vegetationen. Bei der Papillomatosis cutis carcinoides zeigen sich großflächige Vegetationen vor allem an den Unterschenkeln im Bereich chronischer Ulzera oder
Entzündungen. Condylomata gigantea (Buschke-Löwenstein-Tumore) entwickeln sich aus Verrucae im Genitalbereich und sind mit den humanen Papillomviren
Typ 6 und 11 assoziert (s. Kap. 2.1.2).
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1.2.2 Maligne epitheliale Tumoren
© H. Schöfer, FFM
Abb. 9 Plattenepithelkarzinom der Unterlippe (SCC)
Histologie
Plattenepithelkarzinome der Haut zeigen sich histologisch als Stränge squamös differenzierter atypischer Keratinozyten, die von der Epidermis bzw. dem Schleimhautepithel ausgehen (Abb. 10). Durch das destruierende Wachstum wird die Basalmembranzone zerstört und zunächst die Dermis infiltriert. Man findet eine ausgeprägte Zellpleomorphie, Hyperchromasie und Mitosen der Tumorzellen. Gut differenzierte Formen neigen zur Ausbildung eines verhornenden Plattenepithels. Man
findet ein lymphozytäres und plasmazellreiches Infiltrat in der Umgebung des Tumors. Gemäß der WHO-Klassifikation werden folgende histologische Typen unterschieden (Heenan 1996):
•
Spindelzelliges Plattenepithelkarzinom
•
Akantholytisches (pseudoglanduläres) Plattenepithelkarzinom
•
Verruköses Plattenepithelkarzinom
•
Plattenepithelkarzinom mit Hornbildung
•
Lymphoepitheliomartiges Plattenepithelkarzinom.
Das desmoplastische Plattenepithelkarzinom mit ausgeprägt infiltrativem Wachstum
ist in diese Einteilung noch nicht aufgenommen.
1.2 Maligne Tumoren 13
© R. Kaufmann, FFM
Abb. 10 Plattenepithelkarzinom der Haut (SCC)
Differenzialdiagnosen
Initiale Plattenepithelkarzinome der Haut sind differenzialdiagnostisch in erster Linie von aktinschen Keratosen (histologisch analog in-situ Karzinom) abzugrenzen,
aus denen sie sich am häufigsten entwickeln. Das Keratoakanthom (Abb. 11) ist
klinisch und histologisch zum Teil von einem hochdifferenzierten Plattenepithelkarzinom schwer zu unterscheiden, wegweisend ist aber das rasche Wachstum. Andere
Differenzialdiagnosen sind Morbus Bowen, Verrucae vulgares und Verrucae seborrhoicae. Zudem kommen klinisch auch andere benigne und maligne Hauttumoren
wie das Basalzellkarzinom, das amelanotische Melanom oder verschiedene Adnextumore in Betracht.
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1.2.2 Maligne epitheliale Tumoren
Abb. 11 Keratoakanthom
Tabelle 4: TNM Klassifikation von Plattenepithelkarzinomen der Haut
TNM-Klassifikation
Merkmale
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor ≤2cm in größter Ausdehnung
T2
Tumor >2cm und ≤ 5cm in größter Ausdehnung
T3
Tumor > 5cm in größter Ausdehnung
T4
Tumor infiltriert extradermale Strukturen
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Regionäre Lymphknotenmetastasen
MX
Fernmetastasen können nicht beurteilt werden
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
1.2 Maligne Tumoren 15
Tabelle 5: Stadieneinteilung von Plattenepithelkarzinomen der Haut (UICC 2002)
Stadium
Primärtumor
Lymphknoten
Fernmetastasen
0
Tis
N0
M0
I
T1
N0
M0
II
T2
N0
M0
T3
N0
M0
T4
N0
M0
Jedes T
N1
M0
Jedes T
Jedes N
M1
III
IV
Diagnostik
Nach dem klinischen Verdacht auf ein Plattenepithelkarzinom erfolgt zur Diagnosesicherung die Probebiopsie, ggf. auch eine Exzisionsbiopsie, bei differenzialdiagnostischem Verdacht auf ein Keratoakanthom auch eine Querschnittsbiopsie. Die
Einteilung der kutanen Plattenepithelkarzinome erfolgt gemäß der TNMKlassifikation bzw. der UICC-Stadieneinteilung (Tabelle 4,5) (Wittekind 2002).
Die klinische Untersuchung sollte die Palpation der regionalen Lymphknoten umfassen. Bei fortgeschrittenen Tumoren (ab T2) sollte eine bildgebende Diagnostik
zum Ausschluss von Lymphknotenmetastasen (Sonographie) erfolgen. Bei Verdacht
auf Fernmetastasen ist eine weiterführende bildgebende Diagnostik erforderlich.
Therapie
Als Standard in der Behandlung des Plattenepithelkarzinoms der Haut gilt die mikrographische Chirurgie mit Schnittrandkontrolle. Dieses Verfahren, bei dem eine
dauerhafte Heilung in etwa 90% der Fälle erreicht werden kann, ist der Exzision mit
konventioneller Histologie überlegen, da hierbei größere Sicherheitsabstände eingehalten werden müssen (Rowe 1992).
Bei flächenhaftem Befall im Sinne der „Feldkanzerisierung“ mit multiplen in-situ
Karzinomen unter dem klinischen Bild aktinischer Keratosen und initialen Tumorfrühformen (z.B. bei immunssupprimierten Patienten) kann der Einsatz von destruierenden Verfahren wie Kürettage, Kryotherapie, photodynamische Therapie und Lasertherapie ohne histologische Kontrolle sinnvoll sein. Ebenso kann bei diesem Patientenkollektiv eine lokale Immuntherapie oder Chemotherapie mit Imiquimod bzw.
5-Fluorouracil erfolgen (Breuninger 2005).
Die Strahlentherapie stellt eine weitere Option zur Behandlung von Plattenepithelkarzinomen der Haut dar (Details siehe Kap. 17.3.2). Sie ist vom Ergebnis mit der
Exzision mit konventioneller Histologie vergleichbar. Bei erwarteter vollständiger
Resektion ist die mikrographische Chirurgie jedoch vorzuziehen (Locke 2001).
Bei Verdacht auf Lymphknotenmetastasen sollte eine Lymphadenektomie durchgeführt werden. Eine Wächterlymphknotenbiopsie kann im Rahmen der Ausbreitungs-
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diagnostik erfolgen. Bei inoperablen Lymphknotenmetastasen bietet die Strahlentherapie eine Alternative.
Bei inoperablen oder metastasierten Plattenepithelkarzinomen kann eine systemische Chemotherapie erwogen werden. Trotz guter Ansprechraten stellen diese Therapieoptionen in der Regel keinen kurativen Ansatz dar. Neben einer MethotrexatMonotherapie sind Kombinationen, bestehend unter anderem aus Cisplatin und 5Fluorouracil oder Cisplatin und Doxorubicin, eingesetzt worden (Breuninger 2005).
Über eine erfolgreiche Anwendung von Interferon-α und Retinoiden wurde in Einzelfällen berichtet (Lippmann 1997).
Prognose
Klinische Faktoren für die Prognose von Plattenepithelkarzinomen der Haut sind
Lokalisation, Tumorgröße, der Lymphknotenstatus, das Ausbreitungsstadium, das
Vorkommen von Rezidiven und eine mögliche Immunsuppression des Patienten.
Was die Lokalisation betrifft, haben Plattenepithelkarzinome der Helix und der Unterlippe mit 10% bzw. 8% Metastasenhäufigkeit eine etwas schlechtere Prognose
gegenüber sonstigen Lokalisationen mit etwa ca. 6% Häufigkeit (Breuninger 2005).
Die Prognose ist im Falle einer Metastasierung generell ungünstig. Bei lymphogener
Metastasierung beträgt die 10-Jahresüberlebensrate weniger als 20%, bei Fernmetastasierung weniger als 10% (Alam 2001).
Histopathologisch relevant sind die Tumordicke, der Tumortyp, der Differenzierungsgrad und die Resektionsränder (Breuninger 2005).
Nachsorge
Die Nachsorge mit klinischer Untersuchung und Lymphknoten-Sonographie sollte
beim kutanen Plattenepithelkarzinom in der Regel über 5 Jahre erfolgen. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko, z.B. nach Organtransplantation, werden dreimonatige
Nachsorgeintervalle in den ersten 2 Jahren empfohlen, danach halbjährliche im 3.
Jahr und ab dem 4. Jahr lediglich klinische Kontrolluntersuchungen. Bei niedrigem
Risiko werden halbjährliche Kontrollen angeraten, ab dem 3. Jahr kann auf die
Lymphknotensonographie verzichtet werden (Breuninger 2005).
Literatur
Alam M, Ratner D. Cutaneous squamous-cell carcinoma. N Engl J Med 2001; 344:975-83
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