Einleitung ãUnd liegÕ ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitare, und gebt sie mir mit in mein GrabÉÒ Donald Duck Mit diesem herzzerreißenden Lied schafft es der gefiederte Antiheld aus Entenhausen, dass sich in den nahen Bergen Lawinen lösen und die Bevölkerung des zugehörigen Tales nicht gerade in tiefer Sympathie zu dem ansonsten populärsten Enterich aller Zeiten entbrennt. Aber – Hand aufs Herz – der Text dieser rührselig gequakten Ballade könnte von uns sein. Lieben wir nicht alle diese unsere „Guitare“ so sehr, dass wir nicht einmal im Tod ohne sie sein möchten? Doch die schönste Gitarre (wir bedienen uns nun wieder der undonaldischen Schreibweise) ist nur die Hälfte wert, wenn sie nicht gespielt wird! Und das möglichst so, dass sich keine Lawinen lösen. Der etwaige Zuhörer sollte sich durch unser Spiel auch nicht mehr als den Umständen nach unvermeidbar, behindert oder belästigt fühlen. Mehr noch: Wir versuchen sogar, in dem wir in die Saiten greifen, bei uns und beim Zuhörer ein Gefühl des Behagens zu erzeugen, wollen ihn oder gar sie mit unserer Kunst fesseln, in unseren Bann zwingen. Im richtigen Leben da draußen sieht es allerdings so aus, dass zwar sehr viele auf ihrem Instrument wacker dahin dilettieren, jedoch häufig ohne dabei einen wohligen Schauder zu erzeugen, sondern oftmals gar einen recht garstigen Eindruck erwecken. Wer sich die Gründe, die für solches Fehlverhalten verantwortlich sind, einmal vor Augen führen will, der lese nur frisch die munter eingestreuten Anekdoten in just dem vorliegenden Büchlein. Er kann sich dann selbst kritisch hinterfragen, ob denn die vorhandenen Fähigkeiten noch ausbaufähig seien. Wer in der Tat willens und bereit ist, aus obiger Erkenntnis nicht nur den Schluss zu ziehen, dass genau dies der Fall sei, sondern auch noch bereit ist, dafür etwas zu tun, dem wird dies Buch ein williges Helferlein (schon wieder Disney!) sein. Es sollte daher nicht beim bloßen Bestreben, die eigenen Fertigkeiten zu verbessern, bleiben. Nein, jetzt und hier ist die Gelegenheit, eine musikalische Nabelschau vorzunehmen und systematisch an der Verbesserung zu arbeiten. "Da muss man sich mal ein Buch nehmen und lernen das!" (Walter Kempowski) Nun, Gitarrenschulen und Harmonielehren gibt es viele – aber keine wie diese hier! Wir richten uns mit diesem Buch an das Heer von Gitarristen, die, obwohl sie nie eine Musikhochschule oder Konservatorium von innen gesehen haben, trotzdem mit Freude und Leidenschaft ihrem Hobby frönen, das da heißt Gitarrespielen bis die Finger bluten. Oft spielt man manchmal jahrelang so vor sich hin, weiß im Großen und Ganzen, wo bestimmte Töne sitzen, kennt auch ein paar 2 Einleitung mehr als drei Akkorde und kann sich leidlich zum eigenen Gesang begleiten, vielleicht auch mal ein Solo spielen, ohne gleich mit fauligen Abfällen beworfen zu werden, aber reicht das? Wenn Ihr, liebe Leser, diese Frage mit ja beantworten könnt, braucht Ihr eigentlich gar nicht weiter zu lesen, dann habt Ihr das Geld für dieses Buch umsonst investiert. Seid Ihr aber bereit, an den eigenen Defiziten zu arbeiten (und ohne Arbeit wird’s wohl nicht gehen) und Euch und auch euren Durchblick zu verbessern, so können wir Euch nur fröhlich zurufen: Wohlan, ans Werk! oder für die tüchtigen Lateiner (schon wieder Kempowski) unter Euch: Hic Rhodos, hic salta! Und dass Ihr trotz aller Übungsbereitwilligkeit vor allem Spaß an der Sache haben sollt, dafür haben wir dieses Buch geschrieben – in der Hoffnung, dass es eben nicht nur die pure Paukerei sein soll, sondern in erster Linie Vergnügen! Von Vorteil wird es sein, beim Lesen immer die Klampfe in Reichweite zu haben, um gleich die klangliche Wirklichkeit des Geschriebenen zu erkunden, aber es geht auch ohne. Manche Passagen und Kapitel sind so geschrieben, dass sie auch ohne direkte Umsetzung auf dem Instrument funktionieren. Manches kann man erst mal in den Kopf bekommen und später dann auf die Saiten übertragen. Und wenn wir nun auf die eine oder andere Weise mit diesem Buch dazu beigetragen haben, wenigstens die gitarristische Welt ein klein wenig besser zu machen, dann haben sich die vielen Stunden, die wir mit dem Schreiben und Ausprobieren verbracht haben, allemal gelohnt. Freude hat’s uns jedenfalls gemacht. Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle bei Bernhard Pichl für unvergessliche Lektionen in Harmonielehre und hilfreiche Tipps für dieses Buch, bei Kathrin Brunner und Katja Heinrich für geduldiges Korrekturlesen, Martin Eisenmeyer für unzählige Korrekturen, unbeugsame Verteidigung der Alterierten Skala und viele Anregungen, unserem Lektor Torsten Brandt sowie bei Martina Streble von der PPVMEDIEN GmbH, ohne deren Engagement Ihr dieses Werk nicht in Händen halten könntet. Euch viel Spaß beim Lesen und natürlich Spielen. Zeigt’s uns! Die Hörer werden es Euch danken … Die Autoren im November 2014 zu Nürnberg 3 Akkorde & Harmonik Ein unbezahlbarer Vorteil unseres heißgeliebten Instruments ist die Möglichkeit, harmonische Zusammenhänge visuell oder haptisch abzuspeichern. Wenn wir zum Beispiel den Wechsel von der II. Stufe in C-Dur (Dmi7) zur III. (Emi7) spielen, dann verschieben wir ja nur einen Moll-Akkord um zwei Bünde auf dem Griffbrett nach rechts. Das erscheint sehr unspektakulär. Ein Blick in die obige Übersicht der Stufen einer Durtonleiter verrät allerdings, dass die Möglichkeit, zwei aufeinanderfolgende (im Abstand von zwei Halbtönen) Moll7-Akkorde anzutreffen, ausschließlich besteht, wenn es sich eben um die Tonarten finden in der Praxis II. und III. Stufe einer Durtonart handelt. Lasst Euch von einem Freund Gmi7 und Ami7 ganztaktig Und diese Durtonart findet man dann zwei Halbtöne unter dem ersten der beiden Mollakkorde, also auf der Gitarre zwei Bünde weiter links. immer wieder vorspielen (hier darf im Zeitalter der Einzelkämpfer auch ein Looper eingesetzt werden). Kurz nachgedacht: Es muss sich um die II. und III. Stufe einer Tonart Praxis handeln, es gibt keine andere Möglichkeit! Die gesuchte Tonart ist – von Gmi7 zwei Bünde nach links – F-Dur. Spielt nun ausschließlich Tonmaterial aus F-Dur über diese Verbindung. Im Vorgriff seien die Töne der F-Dur-Tonleiter hier schon mal verraten: F - G - A - Bb - C - D - E Hoppla, passt ja... Echt jetzt? F-Dur? 12 Aber hallo! Praxis Akkorde & Harmonik Zwei einfache Übungen zum Einstieg Spielt die drei Akkorde C-Dur, F-Dur und G-Dur im langsamen Tempo mit wiederkehrendem rhythmischen Zusammenhang, also z. B.: | C-Dur | F-Dur | G-Dur | C-Dur | Gerne an dieser Stelle als pure Dreiklänge (Lagerfeuer-Akkorde), am besten als Barreeakkorde in verschiedenen Voicings (C-Dur in Lage III. und VIII. und XII.). Und nun die einzige Forderung: Sprecht bei jedem C-Dur das Wort „Tonika“, bei jedem F-Dur das Wort „Subdominante“ und bei jedem G-Dur das Wort „Dominante“ laut aus. Drei Minuten Spielen und Sprechen pro Voicing sollte genügen! Nehmt dann als ersten Akkord einen anderen, beliebigen Dur-Akkord (dessen Bezeichnung Ihr natürlich kennen müsst!) und sprecht bei seinem Erklingen wieder das Wort „Tonika“. Eure Finger werden Euch ohne geringsten Aufwand sofort die zugehörige Subdominante und Dominante zeigen, welche Ihr dann nur noch identifizieren müsst. Sobald dieser Automatismus funktioniert, solltet Ihr Vierklänge verwenden, d. h. zum Warmsprechen Cmaj7 (Tonika), Fmaj7 (Subdominante) und G7 (Dominante). Ihr dürft gerne alle möglichen Verbindungen in C-Dur sprechspielen, wie z. B.: Dmi7 („Zwei“) - G7 („Dominante“ oder „Fünf“) - Cmaj7 („Tonika“ oder „Eins“) oder I - VI - II - V usw. Lehrreich wird es dann, wenn Ihr solcherlei Verbindungen in andere Tonarten übertragt, indem Ihr eine beliebige Stufe (es muss nicht immer die Tonika sein!) um ein paar Bünde verschiebt. Das Lernziel ist erreicht, wenn Ihr zu einem als II. Stufe vorgegebenen Mollakkord in kürzester Zeit die zugehörige V und I bestimmen könnt. Also z. B. Gmi7 als II. Stufe, zugehörige V (Dominante) ist C7, zugehörige I (Tonika) ist Fmaj7. Wobei uns die Tonika dann auch die Tonart jener Verbindung liefert, nämlich F-Dur. Für die nachfolgende Übung empfiehlt sich eine Gitarre mit Cutaway, da wir bis zur Lage XV. vordringen werden. Lasst uns die Umsetzung der Stufen für C-Dur nochmal gemeinsam Schritt für Schritt durchgehen. Wir verwenden jetzt nur transponierte Ableger des A-Akkords aus der Lage 0 (bis auf den mi7/b5), was bedeutet, dass auch unser jeweiliger Grundton in jedem folgenden Akkord auf der A-Saite zu finden ist. 13