Ökologie und Wohlstand – Versuch aus einer globalen Perspektive Heinrich Böll Stiftung 21. März 2015 Prof. Dr. Ottmar Edenhofer Dr. Michael Jakob / Linus Mattauch Übersicht 1. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum möglich? 2. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum erstrebenswert? 3. Investieren wir richtig? 4. Zusammenfassung 2 Übersicht 1. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum möglich? 2. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum erstrebenswert? 3. Investieren wir richtig? 4. Zusammenfassung 3 7 7000 Emissions Population 5 5000 Per Capita GDP 2000 0 1800 0 1600 1000 1400 1 1200 2000 1000 2 800 3000 600 3 400 4000 200 4 0 Emissions (GtC/yr) Population (Billions) 6000 Per Capita GDP (1990$) 6 Year Edenhofer et al. 2012 4 Umweltprobleme durch Übernutzung (Rockström et al., 2009) In verschiedenen Dimensionen besteht die Gefahr, natürliche Grenzen zu überschreiten 5 Wir sind nicht auf dem richtigen Weg IPCC WG3 Figure SPM.3 (2014) Zerlegung der Änderung der globalen CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoff pro Jahrzehnt 6 Green Growth als Rettung? Können wir das Wirtschaftswachstum aufrecht erhalten und trotzdem die Umwelt schützen? 7 Green Growth ist kein exakt definiertes Konzept und ohne empirischen Nachweis… … also verspricht „Degrowth“ vielleicht eine einfachere Lösung zur Emissionsreduktion? 8 „Degrowth“ ist immerhin als ein neuer postmaterialistischer Lebensstil in industrialisierten Ländern vorstellbar… … aber wie könnte Degrowth in armen Ländern praktisch umgesetzt werden? 9 Was bedeutet „Degrowth“ im Hinblick auf die Einkommensverteilung? … und die USA müßten um ca. 80% schrumpfen… Wenn das globale Einkommen gleich verteilt wäre… US: 10‘000 49‘000 SSA: 1‘400 10‘000 LAM: 10‘000 … könnte SSA das BIP pro Kopf um das siebenfache steigern… … LAM würde auf dem derzeitigen Niveau bleiben… BIP pro Kopf in US$ (Quelle: WDI 2012) 10 450ppm-e mit hohem und geringem Wachstum Hohes Wachstum Geringes Wachstum Eigene Berechnungen basierend auf den Ergebnissen von Kriegler et al. (2012) Größeres Wirtschaftswachstum muss durch höhere Verbesserungen in der Energie- & Kohlenstoffintensität kompensiert werden 11 Technologische Unterschiede aufgrund des Wirtschaftswachstums Hohes Wachstum Geringes Wachstum Kriegler et al. (2012a), RoSE project Luderer et al. (2012) Höheres Wirtschaftswachstum bedingt größere Zuwächse der Energieeffizienz und bei den Erneuerbaren 12 Begrenzung der globalen Erwärmung auf <2°C erfordert eine Reduktion der Kohlenstoffintensität des BIP (CO2/US$) um ~4-7% p. a. „Degrowth“ könnte vielleicht 2% der benötigten jährlichen Reduktionen erzielen... … aber woher sollen dann die anderen ca. 2-5% kommen? 13 Eine “Degrowth” -Strategie würde diese Risiken bestenfalls indirekt reduzieren… …diese Option wäre sehr teuer, daher müssen wir unterscheiden zwischen den Zielen, die erreicht werden sollen und den Mitteln, die eingesetzt werden können. 14 Wie sähe eine sinnvolle Klimapolitik aus? • Bepreisung von Kohlenstoff (z. B. Karbonsteuer, Emissionshandel) • Technologiepolitische Instrumente (z. B. F&E Investitionen) • Versicherungen gegen technische Risiken • Landnutzungsmanagement (z. B. Besteuerung der Bodenrenten) Wenn alle Umweltschutzziele erreicht werden können und allen technologischen Risiken mit geeigneten Politikinstrumenten begegnet werden kann, warum dann 15 das Wirtschaftswachstum absichtlich verlangsamen? Übersicht 1. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum möglich? 2. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum erstrebenswert? 3. Investieren wir richtig? 4. Zusammenfassung 16 Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum erstrebenswert? Welche Rolle spielt die Kritik am „Materialismus“? • Statuskonsum • Beeinflussung von Konsumenten durch Werbung • Stress, Depressionsrisiko • Bedeutungsverlust • … Quelle: Wilkinson and Pickett (2009) Wachstum also kein Selbstzweck… …. aber dennoch vielleicht ein Mittel die Wohlfahrt, zu erhöhen. Aber was ist „Wohlfahrt“? 17 Wohlfahrtskonzepte • VWL: Wohlfahrt ist Präferenzerfüllung. – Liberalismus: Menschen sollen bekommen, was sie haben wollen. • Dagegen Sozialpsychologie: – Lebenszufriedenheit („Glück“): Subjektive Selbsteinschätzung des eigenen Wohlergehens. – Bedeutung: Subjektive Selbsteinschätzung , welche Bedeutung, welchen Sinn das eigene Leben hat. • „Glück“ und „Bedeutung“ sind nicht dasselbe: Menschen wählen oft nicht das, was sie glücklich macht. Denn: – Sie haben andere Ziele im Leben, als glücklich sein zu wollen. – Weil sie glücklich sein wollen, aber ihre Entscheidung darüber nicht zielführend ist. 18 BIP und Lebenszufriedenheit USA Prozent „sehr glücklich” Reales pro-KopfEinkommen Prozent „sehr glücklich” Quelle: Layard (2005) Easterlin-Paradoxon: Für die USA belegt, für andere Länder umstritten (Easterlin u.a. 2010, Stevenson und Wolfers 2008) 19 Schwacher Zusammenhang von Glück und Einkommen? Zwei relevante psychologische Effekte: Statuswettbewerb • Einkommensvergleich mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft • Glücksmaximierung würde eine Besteuerung erfordern, die zu einer Abschwächung des Wachstums führen würde. Warum? Es liegt eine Externalität vor. • Liberalismus nicht unbedingt Gewöhnungseffekt (Anpassung) • Falsche Vorhersage der eigenen Gewöhnung an Neuheit, z. B. von Konsumgütern • Für eine Politik Glücksmaximierung wäre dies ein Grund zur Besteuerung, die zu einer Abschwächung des Wachstums führt. Warum? Weil die Menschen durch den Gewöhnungseffekt nicht glücklicher werden, Wachstum also dysfunktional ist. • Für Liberalismus kein Grund zur Besteuerung! Layard (2005). Clark, Frijters and Shields (2008), Frey (2008). 20 Bedeutung im Leben BIP und der „Sinn“ des Lebens Bedeutungsverlust aber nicht durch Einkommen, sondern durch Säkularisierung! Quelle: Oishi und Diener (2014) Pro-Kopf BIP (2007) logarithmisch 21 Somit ist Wachstum nicht per se erstrebenswert, aber es gibt keinen Grund, Wachstum direkt zu begrenzen… … und wir müssen stattdessen darüber nachdenken, wie wir „Gemeinwohl“ überhaupt definieren – oder technischer: Wie wird die Soziale Wohlfahrtsfunktion definiert? 22 Übersicht 1. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum möglich? 2. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum erstrebenswert? 3. Investieren wir richtig? 4. Zusammenfassung 23 Das Klimaproblem auf einen Blick Resourcen und Reserven, die im Untergrund bleiben müssen: • 80% Coal • 40% Gas • 40% Oil Source: Bauer et al. (2014); Jakob, Hilaire (2015) 24 Das Globalisierungs-Paradox: Ein Trilemma Goldener Käfig Nationale Souveränität Hyper-Globalisierung Globaler Föderalismus Kompromiss von Bretton-Woods Demokratie 25 25 Soziale Unter-Investitionen in die Infrastruktur? Wohlstand im weiteren Sinne Privates Kapital Gesundheits -system Bildungs -system Transport Infrastruktur Investitionen in öffentliche Infrastruktur 26 Natürliches Kapital Kapitalarten, die für Wohlstand relevant sind Erneuerbare Ressourcen: Endliche Ressourcen: Festlegen der Nutzung Festlegen der Förderungsrate Regulierung der Nutzung schafft Renten Knappheitsrente à la Ricardo (Partielle) Aneignung von Ressourcen-Renten (Besteuerung, Staatsbesitz, etc.) Jakob and Edenhofer (2014) Einnahmen eines CO2-Preises 450ppm Szenario mit nationalen Karbonpreisen (keine Umverteilung) 27 Übersicht 1. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum möglich? 2. Ist anhaltendes Wirtschaftswachstum erstrebenswert? 3. Investieren wir richtig? 4. Zusammenfassung 28 Zusammenfassung • Anhaltendes Wirtschaftswachstum erscheint möglich, zumindest aus der Perspektive der Vermeidung des Klimawandels, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen sind angemessen. • Wirtschaftswachstum kann kein Selbstzweck sein. Aber es könnte dazu beitragen, erstrebenswerte Ziele zu erreichen (z. B. Zufriedenheit, Wohlstand,…). • Politik sollte sich nicht primär mit Wachstum befassen, sondern mit Wohlfahrt. • Wir übernutzen die globalen Gemeinschaftsgüter (z. B. die Atmosphäre) und nutzen lokale und globale Gemeinschaftsgüter zu wenig (z. B. Wissen, Infrastruktur). Dies kann ein sinnvoller Ausgangspunkt für ein Wohlstandsmodell des 21. Jahrhunderts sein. 29 Die zentrale Frage für Wirtschaftspolitik ist nicht Wachstum, Green Growth oder Degrowth, sondern ob Über- oder Unterinvestition bei wichtigen Common-Pool Ressourcen vorliegt! 30