Mechanik 2. Dynamik: die Lehre von den Kräften Physik für Mediziner 1 Ursache von Bewegungen: Kraft • Bislang haben wir uns auf die Beschreibung von Bewegungsvorgängen beschränkt, ohne nach der Ursache von Bewegung zu fragen. • Hierzu neue physikalische Größe notwendig: Kraft (Vektorgröße) • Alle Phänomene der klassischen Mechanik können durch drei einfache Gesetze, die Newtonschen Axiome beschrieben und quantitativ vorhergesagt werden. • Newtonsche Axiome stellen Zusammenhang zwischen der Bewegung eines Körpers, seiner Masse und der auf ihn wirkenden Kraft her Physik für Mediziner 2 Newtonsche Axiome I. Erstes Newtonsches Axiom: Trägheitsprinzip Ein Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit, wenn keine resultierende Kraft auf ihn einwirkt. Die resultierende Kraft ist die Summe aller wirkenden Kraftvektoren II. Zweites Newtonsches Axiom: Aktionsprinzip Die Beschleuinigung eines Körpers ist proportional zur resultierenden Kraft und umgekehrt proportional zur Masse des Körpers r r F a= m oder r r F = m⋅a III. Drittes Newtonsches Axiom: Reaktionsprinzip Übt Körper A eine Kraft auf Körper B aus, so wirkt eine gleich große aber entgegengesetzte Kraft von Körper B auf Körper A Physik für Mediziner 3 Sir Isaac Newton (1642-1727) Einer der größten Denker, den die Menschheit bislang hervorgebracht hat 1689 Physik für Mediziner 1702 4 Trägheit und Masse • Die Eigenschaft eines Körpers, seinen Bewegungszustand beizubehalten, nennt man Trägheit Trägheit • Die Masse eines Körpers ist ein Maß für den Widerstand, den ein Körper der Änderung seiner Geschwindigkeit, d.h. einer Beschleunigung entgegensetzt • Das Verhältnis zweier Massen kann man dadurch messen, dass man eine gleich große Kraft auf beide Körper einwirken lässt und die resultierenden Beschleunigungen misst r r r F = m1 ⋅ a1 = m2 ⋅ a 2; Physik für Mediziner r m1 a 2 = r m 2 a1 Wagen auf Luftkissenbahn 5 Einheit der Kraft Die Einheit der Kraft ist das Newton (N) 1 Newton ist die Kraft, die notwendig ist, um einen Körper der Masse 1kg auf 1 m/s2 zu beschleunigen: 1 N = 1 kg m/s2. Als Symbol für die Kraft wird üblicherweise F (force) verwendet Beispiel: Eine gegebene Kraft beschleunigt einen Körper der Masse 1 kg mit 5 m/s2. Dieselbe Kraft beschleunigt einen zweiten Körper mit 20 m/s2. Welche Masse hat der zweite Körper? Die beschleunigende Kraft ist F= 1kg · 5m/s2 = 5 N r F F m2 = r = ; a a m2 = 5N 20 m / s 2 = 5 kg m / s2 20 m / s 2 = 0,25 kg • Die Beschleunigung des zweiten Körpers ist 4-mal größer, d.h. seine Masse ist 4-mal kleiner, also 0,25 kg Physik für Mediziner 6 Das zweite Newtonsche Axiom • Das zweite Newtonsche Axiom verbindet die dynamischen Größen Masse und Kraft mit den kinematischen Größen Beschleunigung, Geschwindigkeit und Ortsverschiebung r 2r r r dv d r F = m⋅a = m⋅ = m⋅ 2 dt dt • Wenn die auf einen Körper wirkende Kraft bekannt ist, kann bei bekannten Anfangsbedingungen seine Bewegung hieraus vollständig berechnet werden: ⇒ Bewegungsgleichung der klassischen Mechanik • Umgekehrt gilt: kennen wir die Beschleunigung eines Teilchens, so können wir die darauf einwirkende Kraft berechnen Physik für Mediziner 7 Die Gewichtskraft • Die Ursache der Erdbeschleunigung ist die Gewichtskraft G=mg • Die Gewichtskraft G für alle Körper proportional zu ihrer Masse • Die eigentliche Ursache für die Gewichtskraft ist die Massenanziehung, beschrieben durch das Gravitationsgesetz: r M ⋅M F = γ⋅ 1 2 r2 r γ = 6.67· 10-11 m3 kg-1 s-2 ist die universelle Gravitationskonstante • Die Beträge der Kräfte auf M1 (durch M2) und auf M2 (durch M1) sind gleich. Die Wirkungsrichtungen sind entgegengesetzt, aber beide entlang der Verbindungslinie der beiden Massen: actio = reactio Physik für Mediziner 8 Die Gewichtskraft Der Betrag der Erdanziehungskraft auf m durch ME in der Nähe der Erdoberfläche ist näherungsweise konstant: r γ ⋅ ME m ⋅ ME ≈ m⋅ = m⋅g F = γ⋅ 2 RE (RE + h)2 γ ⋅ ME m = 9,81 2 d.h. g = 2 RE s r Gewichtskraft = Masse x Erdbeschleunigung: F = G = m·g Die Gewichtskraft zeigt immer zum Mittelpunkt der Erde Physik für Mediziner 9 Körper im mechanischen Gleichgewicht • Beim gleichzeitigen Auftreten von mehreren Kräften muss die resultierende Kraft durch Vektoraddition ermittelt werden Umlenkung von Kräften und vektorielle Addition: Kräftezerlegung r wenn • Masse M3 ist im Gleichgewicht, r r ihre Gewichtskraft F3 und die beiden umgelenkten Kräfte F1 und F2 (aufgrund von M1 und M2) zusammen vektoriell addiert Null ergeben. r r allgemein: Fges = ∑ Fi = 0 ⇒ Gleichgewicht Physik für Mediziner i 10 Medizin: Knochenbelastung (1) Physik für Mediziner 11 Drehmoment und Hebel Drehmoment M = Hebelarm l x Kraft F M=l·F l Einheit des Drehmoments: 1 m x 1 N = 1 Nm F Für gleiches Drehmoment M entweder: kleiner Hebelarm; große Kraft Physik für Mediziner Hebelarm Großer Hebelarm Kleine Kraft 12 Medizin: Knochenbelastung (2) Physik für Mediziner 13 Zweiarmiger geknickter Hebel F′ sin ϕ = 2 ; ⇒ F2′ = F2 ⋅ sin ϕ F2 Drehmoment: Nur diese Komponente wirksam für Drehung M2 = F2′ ⋅ l2 = F2 ⋅ l2 ⋅ sin ϕ ϕ=Winkel zwischen l2 und F Allgemein: Drehmoment M = r ⋅ F ⋅ sin ϕ r r r Vektorschreibweise: M = r x F Vektorprodukt: Ergebnis ist Vektor 1. Vektor in Richtung des 2. Vektors drehen Drehsinn bestimmt Richtung von M; Rechte-Hand-Regel: r Finger in Drehrichtung, Daumen in Richtung von M Physik für Mediziner 14 Kräfte und Drehmomente an Waage r r r FG = − (Fl + Fr ); r r r → FG + Fl + Fr = 0 • Summe der auf den Balken wirkenden Kräfte ist Null; ⇒ Gleichgewicht ! • Drehmomente Ml= Ll·Fl = Mr=Lr·Fr kompensieren sich; ⇒ Summe der Drehmomente ist Null ⇒ Gleichgewicht ! Fl Lr = Fr Ll Waagebalken aufgrund des Drehmoments dreht sich die Waage in eine neue Gleichgewichtslage: gleich lange Hebelarme, aber Fr> Fl Physik für Mediziner 15 Körper im mechanischen Gleichgewicht • Damit ein Körper im mechanischen Gleichgewicht ist, muss: (i) Die Summe aller auf ihn wirkenden Kräfte Null sein: r r Fges = ∑ Fi = 0 i und (ii) Die Summe aller auf ihn wirkenden Drehmomente Null sein: r Mges = r ∑ Mi = 0 i Physik für Mediziner 16 Federkraft FFeder= - D·Δx Feder mit unterschiedlichen Massen F = m· g • Hängt man eine Masse an eine Feder, so dehnt sich die Feder um Δx, bevor sich eine neue Gleichgewichtslage einstellt • Gleichgewicht: Summe der Kräfte auf Masse m ist Null: Feder muss Kraft auf m ausüben: Federkraft: FFeder= - D·Δx D = Federkonstante Physik für Mediziner 17 Das Dritte Newtonsche Axiom (Reaktionsprinzip) III. Drittes Newtonsches Axiom: Reaktionsprinzip Übt Körper A eine Kraft auf Körper B aus, so wirkt eine gleich große aber entgegengesetzte Kraft von Körper B auf Körper A Zwei Wagen Ergebnis: beide Wagen bewegen sich aufeinander zu, unabhängig davon wer zieht Weiteres Beispiel: • Ich übe eine Kraft auf den Fußboden aus: Gewichtskraft meines Körpers. - Warum versinke ich nicht im Boden ? - Weil der Boden eine gleichgroße aber entgegengesetzte Kraft auf meine Füße ausübt. Physik für Mediziner 18 Kreisbewegung: Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft Die Zentripetalkraft bewirkt eine Radialbeschleunigung v2 ar = − r in Richtung des Zentrums Kreisbahn ergibt sich aus dem Gleichgewicht zwischen Zentripetal- und Zentrifugalkraft m ⋅ v2 Zentripetalkraft: Fzentripeta l = m ⋅ ar = − r m ⋅ v2 Zentifugalkraft: Fzentrifuga l = − m ⋅ ar = r Physik für Mediziner Rotierende Kette Schleifstein 19 Zentrifuge Zentripetalkraft Zentrifugalkraft v2 F = m⋅a = m r v = ω⋅r Beispiel: Zentrifuge mit 3000 Umdrehungen pro Minute (U.p.M.) und r = 1 cm: Wie groß ist die Beschleunigung ? ⎛ 3000 ⎞ a = 4π2r ⋅ f 2 = 4π2 ⋅ 10− 2 m ⎜ ⎟ 60 s ⎠ ⎝ = 986 m s 2 ω2 r 2 F=m = m ω2 r r a = ω2 r = (2π f )2 r 2 ≈ 100 g Zentrifuge d.h. 100 fache Erdbeschleunigung Physik für Mediziner 20 Kreisbewegung: Zentrifugalkraft Physik für Mediziner 21 Zusammenfassung Statik: • Ein Körper befindet sich in Ruhe (oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit), wenn die Summe aller auf ihn wirkenden Kräfte und Drehmomente Null ist (I.Newtonsches Axiom) • Jede Kraft ruft eine gleich große Gegnkraft hervor: actio = reactio (III.Newtonsches Axiom) Dynamik: • Ein Körper wird nur dann beschleunigt, wenn eine resultierende Kraft auf ihn wirkt: F = m·a (II.Newtonsches Axiom) Physik für Mediziner 22 Griechische Buchstaben in der Physik Δ: Delta; charakterisiert ein kleines Intervall, z.B. Δt Zeitintervall θ: Theta: Winkel ϕ: phi: Winkel ω= dϕ/dt: omega: Winkelgeschwindigkeit, Kreisfrequenz ρ: rho: Dichte Physik für Mediziner 23