I. Mechanik I.4 Fluid-Dynamik: Strömungen in Flüssigkeiten und Gasen Physik für Mediziner 1 Stromdichte • Stromstärke = durch einen Querschnitt (senkrecht zur Flussrichtung) fließende „Menge“ pro Zeit („Menge“ = Energie, Teilchenzahl, Ladung , etc.) hier: Masse I= Δm Δt (eigentlich Vektor) Einheit [i] = kg · s-1 • Stromdichte = Stromstärke pro Fläche i Δm 1 ΔV j= = = ρ⋅ ⋅ ΔA Δt⋅ΔA Δt ΔA Δs 1 Δ A ⋅Δs = ρ⋅ = ρ⋅v = ρ⋅ ⋅ Δt ΔA Δt j = ρ ⋅ v (eigentlich Vektor) Einheit [j] = kg · m-2· s-1 Physik für Mediziner 2 Kontinuitätsgleichung • in fluiden Medien (Flüssigkeiten und Gasen) gilt die Kontinuitätsgleichung (auch Massenerhaltzungssatz): Materie geht nicht verloren. Pro Zeiteinheit fließt durch Fläche 1 die gleiche Masse hinein wir durch Fläche 3 hinaus; d.h. die Stromstärke an den Orten 1,2,3 ist überall gleich groß I1 = I2 = I3 ρ1 ⋅ A1 ⋅ v1 = ρ2 ⋅ A 2 ⋅ v 2 = ρ3 ⋅ A3 ⋅ v 3 Kontinuitätsgleichung: ρ ⋅ A ⋅ v = const Für Flüssigkeiten (inkompressibel: ρ = const) gilt: A ⋅ v = const Physik für Mediziner 3 Fahrbahnverengung auf Autobahn v v Um Massen-(Fahrzeug) durchsatz zu erhalten, müsste man Geschwindigkeit an Baustelle erhöhen !!! A1 ⋅ v1 = A 2 ⋅ v 2 Physik für Mediziner 4 Blutkreislauf • Aufteilung des Blutstroms aus der Aorta (A = 4 cm2) auf sehr viele Kapillaren mit einer großen Gesamtfläche (A = 4800 cm2) • mittlere Strömungsgeschwindigkeit in der Aorta: 21 cm/s; aus A·v =const ⇒ mittlere Strömungsgeschwindigkeit in den Kapillaren: 0.018 cm/s • Volumenstrom durch Aorta: A·v = 4 cm2· 21 cm/s = 84 cm3/s 84 cm3 cm3 = ⋅ 60 = 5040 ≈ 5 l / min 60 s min • in einer Minute wird das gesamte Blutvolumen des Körpers umgewälzt Physik für Mediziner 5 Bernoulli-Gleichung Strömung durch verengtes Rohr • Energieerhaltung: Differenz der kinetischen Energien der Flüssigkeitsmenge m beim Ein- und Austritt aus Rohr: Δ Ekin = 1 1 ⋅ m ⋅ v 22 − ⋅ m ⋅ v12 2 2 Zur Bewegung der Flüssigkeitsmenge m muss Arbeit geleistet werden: Arbeit = Kraft * Weg = Druck * Fläche * Weg = Druck * Volumen Nettoarbeit: Δ W = (p1 − p2 ) ⋅ V = (p1 − p2 ) ⋅ Physik für Mediziner m ρ 6 Bernoulli-Gleichung Energieerhaltung: Δ Ekin = Δ W m 1 2 1 2 Δ Ekin = ⋅ m ⋅ v 2 − ⋅ m ⋅ v1 = Δ W = (p1 − p2 ) ⋅ 2 2 ρ 1 1 2 1 2 v 2 − v1 = (p1 − p2 ) ⋅ *ρ 2 2 ρ Bernoullische Gleichung 1 1 1 ⋅ ρ ⋅ v 22 + p2 = ⋅ ρ ⋅ v12 + p1 ⋅ ρ ⋅ v 2 + p = const = pges ⇒ 2 2 2 Ideale Flüssigkeit Reale Flüssigkeit (mit Reibung) Physik für Mediziner v groß ⇒ p klein Venturi Rohre 7 Bernoulli-Gleichung Bei zusätzlicher Berücksichtigung des Schweredrucks: 1 ⋅ ρ ⋅ v 2 + ρ ⋅ g ⋅ h + p = pges = p0 ⇒ 2 allgemeine Form der Bernoulli Gleichung p0 p0 auf Wasseroberfläche und an Loch wirkt jeweils der Luftdruck p0 Daniel Bernoulli (1700- 1782) im Innern der Flüsigkeit in Höhe h1 unterhalb der Wasseroberfläche: pges = p0 + ρ ⋅ g ⋅ h1 1 außen: pges = p0 + ⋅ ρ ⋅ v 2 2 ⇒ ρ ⋅ g ⋅ h1 = 1 ⋅ ρ ⋅ v2 2 v = 2 ⋅ g ⋅ h1 Je höher Wassersäule, desto größer die Austrittsgeschwindigkeit Physik für Mediziner 8 Wasserstrahlpumpe Anwendung: Wasserstrahlpumpe (Prinzip des Zerstäubers) v groß → p klein p0 p = p0 − 1 ⋅ ρ ⋅ v2 2 (Gravitation vernachlässigt) Luftdruck p0 drückt Wasser aus Gefäß, da Druck p im Rohr klein wegen großer Strömungsgeschwindigkeit v Wasserstrahlpumpe Physik für Mediziner 9 Anwendung der Bernoulli Gleichung bei Gasen 1 p = p0 − ⋅ ρ ⋅ v 2 2 p<p0 Aerodynamisches Paradoxon hohe Stromliniendichte deutet hohe Strömungsgeschwindigkeit an Tennisball in Luftstrom p<p0 zwischen den Platten Physik für Mediziner 10 Anwendung der Bernoulli Gleichung bei Gasen p < p0 Abdecken von Dächern im Sturm: p0 Dynamischer Auftrieb von Flugzeugen: = r v Druck oben: poben = p0 − 1 2 ⋅ ρ ⋅ v oben 2 Druck unten: punten = p0 − 1 2 ⋅ ρ ⋅ vunten 2 • auf Oberseite des Flügels Zusammendrängen der Stromlinien → v oben > vunten ⇒ poben < punten ( ) 1 2 2 FAuftrieb = ⋅ ρ ⋅ A ⋅ v oben − vunten 2 Flaps ausfahren !! Physik für Mediziner Bumerang 11 Reale Flüssigkeiten: Reibung • Eine Platte mit der Fläche A wird mit der Geschwindigkeit v aus einer Flüssigkeit gezogen • Aufgrund der Reibung werden benachbarte Flüssigkeitsschichten mitgerissen; aber es existiert ein Geschwindigkeitsgefälle : d v dx FR = η ⋅ A ⋅ dv dx η: Viskosität Einheit: [η] = kg·m-1·s-1 = 1 Pa·s ηBlut ≈ 4· 10-3 Pa·s Physik für Mediziner mit zunehmendem Abstand x von der Wand nimmt die Geschwindigkeit der Schichten ab. • die Reibungskraft ist parallel zur Plattenverscheibung gerichtet • für ideale Flüssigkeiten (keine Reibung) ist η = 0 und datürlich auch dv/dx = 0 12 Strömung im Rohr mit Reibung Reibung bewirkt ein parabolisches Strömungsprofil in einem Rohr parabolisches Strömungsprofil Reibung bewirkt einen Druckabfall entlang der Strömungsrichtung Strömungswiderstand Rs Druckdifferenz Δp Stromstärke = ; i= Strömungswiders tan d Rs in reibungsfreien idealen Flüssigkeiten ist Rs=0 und Δp=0 Physik für Mediziner 13 Gesetz von Hagen - Poiseuille Strömungswiderstand von Rohren Rs = 8 η⋅L ⋅ π r4 Δp π r4 i= = ⋅ ⋅ Δp Rs 8 η ⋅ L HagenPoiseuille Stromstärke ändert sich mit der 4.Potenz des Radius !!! d.h. bei Verringerung des Radius einer Arterie/ Vene durch Verkalkung um 20% nimmt der Blutdurchfluss ab auf (0,8)4 = 0,41 also um einen Faktor 2,4. Flüssigkeit mit Viskosität η Physik für Mediziner Achtung: entsprechende Erhöhung des Blutdurchflusses bei Ballonerweiterung von Arterien !! 14 Laminare und turbulente Strömung • laminare Strömung: keine Durchmischung der Stromfäden laminare Strömung: Stromfäden • bei Erhöhung des Druckunterschieds tritt Wirbelbildung auf: turbulente Strömung: laminare → turbulente Strömung • Die Reynoldsche Zahl liefert ein Kriterium für das Strömungsverhalten: ρ ⋅ v ⋅ r Geometrie Re < 2000: laminar Re = η Re > 2000: turbulent Materialparameter Physik für Mediziner Blut in Aorta: Re ≈ 500 ⇒ Strömung laminar 15 Raubvogel im Flug: laminare Strömung Physik für Mediziner zur Landung: turbulente Strömung 16 Blutdruckmessung • Blutdruckmessung an Armarterie (nach Riva-Rocci) 1. durch Manschettendruck wird Arterie abgedrückt p > psys 2. Manschettendruck absenken: Blut beginnt turbulent zu strömen p = psys Stoßgeräusche durch Herzschlag Systole: Zusammenziehen der Herzkammern und Ausstoß arteriellen Bluts: Herzschlag Diastole: Erschlaffen der Vorhöfe und Auffüllen mit venösem Blut; Entspannung zwischen den Herzschlägen Physik für Mediziner 3. Manschettendruck weiter absenken: gleichmäßige Fließgeräusche: p = pdia typische Werte psys/pdia = 120 / 80 mm Hg physikalische Einheiten: psys/pdia = 16,0/ 10,7 kPa 1 atm = 101,3 kPa = 760 mm Hg 17 Blutdruckmessung Schweredruck ρ·g·h berücksichtigen ! Druckvariation durch Schwerkraft: Gehirn: 8,8 kPa Fuß: 26,5 kPa ρ ⋅ g⋅h = = 1,03 ⋅ 103 kg 3 m ⋅ 9,81 m s 2 ⋅ 1,75 m = 17,7 kPa wichtig !! Bei Blutdruckmessung Manschette auf Höhe des Herzens, damit keine Fehler durch Schweredruckunterschiede ρ·g·h auftreten Physik für Mediziner 18 Zusammenfassung • Strömungen von Flüssigkeiten und Gasen • ideale Flüssigkeiten (keine Reibung) - Kontinuitätsgleichung: konstanter Massendurchsatz ρ ⋅ A ⋅ v = const - Bernoulli Gleichung: 1 ⋅ ρ ⋅ v 2 + ρ ⋅ g ⋅ h + p = p0 = const 2 Summe aus dynamischem und statischem Druck ist konstant • reale Flüssigkeiten - Reibung bei Flüssigkeitsströmungen: Viskosität η - Strömungsverhalten (laminar oder turbulent ) bestimmt durch Reynoldsche Zahl Physik für Mediziner 19