Soziologiekongress Köln, September 2000, Abendveranstaltung „Marktliberalismus und Wohlfahrtsstaat“ (Karl Ulrich Mayer) [Der Beitrag erscheint im Tagungsband sowie in: Karl Ulrich Mayer (Hrsg.), Die beste aller Welten? Marktliberalismus und Wohlfahrtsstaat als Konstruktionen sozialer Ordnung, Campus: Frankfurt/New York 2001] Wirklich die beste aller Welten? Die soziologische Kritik am Wohlfahrtsstaat Lutz Leisering „Pensions, health, and unemployment insurance must be the first tasks which planning undertakes. This would seem to be quite possible once the late laissezfaire economy has been corrected. For the latter is responsible, in the distorted form in which it exists in the age of trusts and cartels, for the maladjustments in the economic order. … the extensions of the social services is the very essence of planning in an age in which highly developed social techniques replace the older form of neighbourly help. The social services can be called a form of rational adjustment. Their object is to bring about the readjustment of groups and individuals who have lost their way in the wilderness of modern society. This readjustment was, in the first period of the industrial age, purely external, confined to material help, but it is now being extended to cover psychological help as well.” (Karl Mannheim, Man and Society in an Age of Reconstruction, London 1940, S.351f.) Soziologische Kritik am Wohlfahrtsstaat – gibt es sie überhaupt? Bilden Wohlfahrtsstaat und Soziologie nicht seit jeher eine traute Allianz, vereint in dem Bestreben, die Wohlfahrt der Menschen durch Einsicht in bedrückende soziale Zusammenhänge und Möglichkeiten ihrer Veränderung zu fördern, so wie es Karl Mannheim in dem vorangestellten Zitat ausdrückt? Besteht nicht tatsächlich ein Schisma zwischen Wirtschaftswissenschaft und Soziologie in bezug auf die Einschätzung des Wohlfahrtsstaats? So gilt die gesetzliche Rentenversicherung den meisten Ökonomen schon lange ganz selbstverständlich als dysfunktionale Einrichtung, die auf eine Grundsicherung zu reduzieren sei, während sie die meisten Soziologen der Sozialpolitik als eine grundsätzlich erfolgreiche Lösung eines Problems sozialer Integration sehen. Seit Mitte der siebziger Jahre sind Soziologen und Soziologinnen in Deutschland sogar unmittelbar zu tragenden Akteuren im Sozialstaat geworden, als Politikberater, Auftragsforscher und durch Übernahme beruflicher Positionen in der Sozialverwaltung. In diesem Beitrag geht es darum, die Geschichte der Soziologie der Sozialpolitik gegen den Strich zu bürsten und nach Elementen der Kritik zu fahnden. Dazu werde ich zwei Traditionen soziologischer Wohlfahrtsstaatskritik rekonstruieren (Abschnitt 1), das zugrunde liegende Ordnungsmodell analysieren (Abschnitt 2) und schließlich den Ertrag dieser Kritik – aber auch den ‚Ertrag’ der Begrenztheit der 2 Kritik – resümieren und Möglichkeiten einer Vermittlung liberalökonomischer und soziologischer Sichtweisen aufzeigen (Abschnitt 3). Ein erstes Indiz dafür, dass es soziologische Kritik am Wohlfahrtsstaat sehr wohl gibt, ist darin zu sehen, dass gerade die deutschen Soziologiekongresse schon mehrfach Bühnen reflektierter soziologischer Wohlfahrtsstaatskritik waren. Der Kölner Soziologiekongress vom September 2000, der Anlass des vorliegenden Bandes ist, ist keine Ausnahme. Herausragend war insbesondere die frühe Rede von Hans Achinger, „Soziologie und Sozialreform“, auf dem Berliner Soziologentag von 1959 (Achinger 1959). Er rief die Disziplin nachdrücklich auf, die Bedeutung und die Folgen der über das Gesichtsfeld der Praktiker hinausgewachsenen neuen verrechtlichten und bürokratisierten Apparate des Wohlfahrtsstaats kritisch zu untersuchen. Er war ein einsamer Rufer in der Wüste, denn erst anderthalb Jahrzehnte später wurde dieser Impuls auf breiterer Front aufgegriffen.1 Marksteine waren die Gründung der Sektion Sozialpolitik der Deutschen Gesellschaft für Soziologie auf dem Soziologentag 1976, dokumentiert in einem voluminösen Aufsatzband mit mehreren kritischen Grundsatzbeiträgen (von Ferber und Kaufmann 1977), die kritische Infragestellung des Wohlfahrtsstaats durch Peter Flora – „Krisenbewältigung oder Krisenerzeugung? Der Wohlfahrtsstaat in historischer Perspektive“ (Flora 1979) – und Franz-Xaver Kaufmanns Vortrag „Geht es mit der Integrationsfunktion des Sozialstaates zu Ende? (Kaufmann 1997b) 1 Differenzierungstheorie und Machttheorie – die zwei Traditionen soziologischer Wohlfahrtsstaatskritik Die soziologische Theorie funktionaler gesellschaftlicher Differenzierung ist der wichtigste Strang der Theoriegeschichte, der hier von Belang ist. Ursprünglich diente sie als Begründung früher Wohlfahrtsstaatlichkeit und war von daher eine Quelle relativ unkritischer Befürwortung dieser historisch neuen Form von Staatlichkeit. Staatliche Sozialpolitik galt als Reaktion auf Probleme funktionaler Differenzierung: auf die Entfesselung der Kräfte einer sich ausdifferenzierenden, verselbständigenden Marktwirtschaft und die damit einhergehende soziale Entwurzelung der Menschen. Sozialpolitik sollte diesen Tendenzen entgegenwirken oder sie doch mildern, also als gesellschaftliche Integrationskraft wirken. Dieser Gedanke findet sich noch deutlich bei Karl Mannheim im vorangestellten Zitat. Später wurde die Theorie funktionaler Differenzierung jedoch auch Hintergrund einer Kritik am Wohlfahrtsstaat. Im Zuge der Expansion und Verselbständigung sozialer Bürokratien wurde der Wohlfahrtsstaat selbst zu einem Problem gesellschaftlicher Differenzierung – „social control of the welfare state“, so der Titel von Janowitz (1976), wurde zum Thema. Die 1952 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gegründete „Kommission für dringliche sozialpolitische Fragen“ wurde 1956 unter Vorsitz von Achinger neu gebildet und regte 1960 den DFGSchwerpunkt „Soziale Umverteilung“ an (Kommission für dringliche sozialpolitische Fragen 1964). Der Kommission gehörten auch die Soziologen Helmut Schelsky und Gerhard Wurzbacher an. Von den Untersuchungen der Kommission in den sechziger Jahren hat nur die Studie von Franz-Xaver Kaufmann zur Sicherheitsidee (1972, 1.Auflage 1970, als Habilitationsschrift eingereicht 1968) eine bleibende Wirkung erfahren. (Für den Hinweis auf die Kommission danke ich F.-X. Kaufmann). 1 3 Beide Wissenschaften, Soziologie und Ökonomie, haben ihren Ursprung im Prozess gesellschaftlicher Differenzierung. Während die Ökonomie jedoch als Theorie eines sich ausdifferenzierenden Teilsystems, der Wirtschaft, entstand, bezog sich die Soziologie umfassender auf Gesellschaft als Ganzes. Sie sensibilisierte die Zeitgenossen für das Problem gesellschaftlicher Integration in Gesellschaften, die sich zunehmend in funktionale Teilsphären gliedern. Das Konzept des Interventions- und Wohlfahrtsstaat war eine Antwort hierauf. So bot sich die Chance, die politische Dimension von Modernisierung zu sehen, zugleich erwuchs aber auch die Gefahr mangelnder Distanz zu den als nötig angesehenen Formen politischer Integration. Die zweite Theorietradition – hier im weitesten Sinne als „Machttheorien“ bezeichnet – beinhaltet eine allgemeine Macht- und Herrschaftskritik der Moderne, die sich auch auf die Institutionen und Wissensformen des Wohlfahrtsstaats erstreckt. Kerninstitutionen der Moderne werden als Stätten sozialer Disziplinierung und sozialer Kontrolle beschrieben, wobei stärker als in der makrosoziologischen Differenzierungstradition die Mikrologik sozialer Beziehungen ins Blickfeld gerät. Im Zentrum steht die Lage des Individuums in der Moderne, während die Differenzierungstheorie nach dem gesellschaftlichen Ganzen fragt. Gegenläufig zur Entwicklung der differenzierungstheoretischen Tradition begann die machttheoretische als Fundamentalkritik, entwickelte sich in der Folge jedoch vielfach in Richtung einer ambivalenten Stellungnahme zum Wohlfahrtsstaat, die auch seine produktiven Seiten hervorkehrte. 1.1 Differenzierungstheorie Als Gründervater der Theorie des Sozialstaats in Deutschland gilt zurecht Lorenz von Stein (1815-1890), einer der Gründer der deutschen Sozialwissenschaft um die Mitte des 19. Jahrhunderts (Böckenförde 1976, Pankoke 1970). Naturgemäß konnte er noch nicht „Soziologe“ sein, war aber – bezeichnend – Nationalökonom und zugleich Verfassungsrechtler. Als Hegelianer arbeitete er konsequent mit der gesellschaftstheoretischen Vorstellung einer Trennung von ‚Staat und Gesellschaft’. Anstelle der herrschaftlich-korporativen Durchdringung des sozialen Lebens differenzierten sich relativ autonome „gesellschaftliche“ Sphären aus, vor allem die (Markt-) Wirtschaft und die moderne Familie, während politische Herrschaft durch Verfassungen auf einen (rechts-) staatlichen Bereich zurückgedrängt wurde. Der Sozialstaat – oder, wie er es zu seiner Zeit nannte, „das soziale Königtum“ oder „die soziale Demokratie“ – war in von Steins Sicht eine Überlebensfrage der deutschen Gesellschaft. Die Industriegesellschaft sah er ähnlich wie Marx – und schon einige Jahre früher – als durch soziale Spaltungen und Klassenkämpfe bedroht, die durch den Verfassungs- und Rechtsstaat, auf den die nationale Bewegung des 19. Jahrhunderts zielte, allein nicht hätten befriedet werden können. Sozialstaatlichkeit meinte für ihn im Kern „Verwaltung“, den Leistungsstaat, der systematisch „SocialPolitik“ im Sinne der Vermittlung von Staat und Gesellschaft betreibt. Nur so sei soziale Integration und politische Pazifierung der entfesselten „volkswirtschaftlichen“ Gesellschaft erreichbar. Lorenz von Stein entwickelte also ein reaktives Konzept des Sozialstaats, gedacht als Antwort auf Probleme der Integration funktional differenzierter Gesellschaften. Aus 4 dieser Warte lag eine Kritik des Sozialstaats nicht nahe. Gegenstand von Kritik war vielmehr die Industriewirtschaft, zu deren Stabilitätsproblemen der Sozialstaat eine Lösung versprach. Auch in der späteren Entstehung und Entwicklung der Soziologie war die Kritik des Marktes eine starke Triebfeder (s. den Beitrag von Jens Beckert, in diesem Band). Erst der Perspektivwechsel vom Wohlfahrtsstaat als Antwort auf Probleme anderer Systeme zur Auffassung des Wohlfahrtsstaats als eigene soziale Struktur mit eigenen Problemen ermöglichte eine systematische soziologische Kritik. Diesen Wechsel vollzog die Soziologie systematisch erst im 20. Jahrhundert, nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst ab den 1970er Jahren wurde Wohlfahrtsstaatsforschung zu einem Gebiet breiter soziologischer – und, vielfach überlappend, politikwissenschaftlicher – Forschung. Wir springen also um ein ganzes Jahrhundert. Damit ist nicht gesagt, dass sich in der Zwischenzeit nichts ereignete. Im Gegenteil, staatliche Sozialpolitik und ihre problematischen Folgen waren seit den Ursprüngen in der Bismarckschen Sozialversicherungsgesetzgebung – die kommunale Armenfürsorge sogar noch weit früher – Gegenstand intensiver politischer wie wissenschaftlicher Debatten, die den heutigen nicht unähnlich waren. Zum einen waren es Nationalökonomen – von denen die Vertreter der historischen Schule zur Befürwortung staatlicher sozialer Interventionen neigten – und politische Publizisten, die sich an dieser Debatte beteiligten, zum andern vereinzelt auch Soziologen. Zu nennen ist vor allem Max Weber, der sich, wenn auch mehr methodisch-analytisch und mit Bezug auf einen sehr allgemeinen Sozialpolitikbegriff, zentral mit Sozialpolitik als Kennzeichen moderner Staatlichkeit und Gesellschaft auseinander setzte (Rieger 1999, hier bes. 119, 123). Sozialpolitik verstand Weber – differenzierungstheoretisch – als material-rationale Einschränkung der formalen Rationalität des Marktes, als spezifisch wirtschaftsfremd. Insoweit war Weber ein Kritiker staatlicher Sozialpolitik, allerdings nicht in dem Sinne, dass ihm ihre Abschaffung vorschwebte, um die Spannung zwischen Sozialpolitik und Wirtschaft zugunsten letzterer aufzulösen. Die hinter Sozialpolitik stehende ideelle Macht, die sozialistischen Hoffnungen der Arbeiter, ließen eine solche Entwicklung nicht zu. Anders als für spätere soziologische Kritiker wird der Sozialstaat für Weber also nicht erst zum Problem, wenn er eine eigene Struktur und eine bürokratische Eigendynamik ausbildet. Es ist die Macht sozialer Ideen, die eine politische Eigendynamik des Sozialstaats in Gang setzt. Zu einem regulären Zweig fachwissenschaftlicher soziologischer Forschung wurde Wohlfahrtsstaatsforschung jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei einige Autoren gleichsam rückwirkend allgemeine soziologische Erkenntnisse der Klassiker in den Dienst der Erforschung des mittlerweile massiv gewachsenen Wohlfahrtsstaats stellten. Zu nennen ist vor allem Abram de Swaan, der Ideen von Weber und Elias fruchtbar machte (s.u.). 2 Der Perspektivwechsel zur Kritik des Wohlfahrtsstaats wurde gefördert durch zwei Phänomene: die enorme Expansion des Wohlfahrtsstaats nach dem Zweiten Weltkrieg und die politisch-gesellschaftliche und dann auch wirtschaftliche Krise der BRD, die durch die Daten 1968 und 1973/74 umrissen ist. 2 Zur sozialpolitischen Relevanz des Marxschen Werks s. Pinker (1971: 31-40). 5 Zum ersten Sachverhalt, der Expansion des Nachkriegs-Sozialstaats: Wohlfahrtsstaatliche Forschung setzte in Deutschland auf breiterer Front ab Mitte der siebziger Jahre ein. Die frühesten Forschungen – vor allem die modernisierungs- und differenzierungstheoretischen Arbeiten von Peter Flora, Jens Alber und Jürgen Kohl und anderen (Flora, Alber und Kohl 1977; Alber 1982) – galten den Ursachen der Entwicklung, also der Erklärung der Entstehung und Ausdehnung staatlicher Sicherungssysteme. Damit rückten die Folgen dieser Entwicklung, die Anlass zu Kritik geben könnten, zunächst nicht ins Blickfeld. Kritik konnte systematisch erst aufkommen in dem Maße, wie von der Ursachen- auf die Folgenanalyse umgestellt wurde. Im Zuge der Expansion des Sozialstaats wurden die kumulativen Folgen der Entwicklung immer greifbarer. Der Pionier war der bereits erwähnte Hans Achinger (1979/1958, 1959), der systematisch forderte, den Sozialstaat von seinen Folgen her zu denken. Die Praktiker und Politiker des Sozialen, so diagnostizierte er, hätten in ihrer Kurzsichtigkeit nicht bemerkt, dass der Sozialstaat nicht mehr nur eine Antwort auf gegebene soziale Verhältnisse ist, sondern zunehmend Eigengewicht gewonnen und die sozialen Verhältnisse tiefgreifend verändert hat, den Alltag breiter Massen prägt. Verrechtlichung, Ökonomisierung und Bürokratisierung schafften reduzierte und herrschaftliche soziale Beziehungen und Lebenslagen, verbunden mit künstlichen Kategorien –„Fiktionen“ -, die für das Leben der Betroffenen zunehmend bestimmend seien. So seien die Probleme des Alters zu rechtlichen und fiskalischen Problemen der Rentenversicherung geworden. Christian von Ferber (1967), Florian Tennstedt (1976) und Horst Baier (1977) griffen diese Perspektiven auf. Achinger wie auch von Ferber zielten auf eine immanente Kritik des Sozialstaats, jedoch in einem anspruchsvollen Sinne: keine Fundamentalkritik, aber an Reform und Praxis interessierte, dabei über den Problemhorizont der Praktiker hinausgehende Kritik. Erst ab Mitte/Ende der achtziger Jahre wurde das Programm von Hans Achinger auf breiterer Front umgesetzt, insbesondere durch Arbeiten zum demographischen Wandel (Kaufmann 1990 [als Vortrag zuerst 1986], Leisering 1992a), zu geschlechtlicher Ungleichheit und zur Veränderung von Lebenslaufmustern als Folge wohlfahrtsstaatlicher Politik (Mayer und Müller 1986, Mayer und Schöpflin 1989, Mayer 1991, Allmendinger 1994). In den USA war Morris Janowitz (1976) Pionier einer Folgenanalyse des Wohlfahrtsstaats. Der zweite Komplex, der der kritischen Wende der differenzierungstheoretischen Tradition Vorschub leistete, waren die krisenhaften Einschnitte 1968 und 1973/74 und ihre Folgen. Insbesondere im Neomarxismus flossen differenzierungstheoretische Überlegungen ein, die der US-amerikanischen Politikwissenschaft entlehnt waren. Claus Offe sah 1977 in einem Aufsatz mit Gero Lenhardt (Lenhardt und Offe 1977) im Sozialstaat eine fundamentale Spannung zwischen sozioökonomischen Erfordernissen einerseits und politisch angemeldeten Forderungen andererseits. Hier wurde – im Umfeld der Diskussion zur „Krise“ (Habermas 1973) des Sozialstaats – ein Problem der Integration funktional differenzierter Sphären, von Wirtschaft und Politik, benannt. Neu war in dieser Denktradition, dass diese Spannung nicht per se als systemsprengend, sondern als ständiges Dilemma innerhalb des politischen Entscheidungssystems dargestellt wurde. Als die Krise Mitte der neunziger Jahre Wirklichkeit wurde, war paradoxerweise die Krisendebatte der siebziger und frühen achtzi- 6 ger Jahre vergessen. Offes Kritik blieb abstrakt und wirkt gegenüber der heutigen Problemlage merkwürdig uninstruktiv (Kaufmann 1997b). Die linksorthodoxe, politisierte Kritik der „Sozialstaatsillusion“ (Müller und Neusüß 1970) konnte allerdings noch weniger überzeugen. Interessant an ihr war theoriegeschichtlich, dass sie, gegenläufig zur Kritik einer Eigendynamik des Sozialstaats, gerade auf der Annahme einer Nicht-Verselbständigung des Staates beruhte. In enger Auslegung der Marxschen Figur des „ideellen Gesamtkapitalisten“ wurde der Staat und mit ihm Sozialstaatlichkeit gleichsam dem Markt „zugeschlagen“, als dessen verlängerter Arm gesehen, und verfiel mit ihm der Kritik. Im politischen System werden gemäß dieser Sicht – die Lenhardt und Offe als „hyperfunktionalistisch“ brandmarkten (1977: 126 Anm. 9) – genau die ‚Forderungen’ angemeldet und prozessiert, die den funktionalen ‚Erfordernissen’ des Kapitals entsprechen. Dagegen war das Offesche Konzept des „kapitalistischen Staates“, wie angedeutet, differenzierungstheoretisch angereichert und ging gerade von einer Spannung zwischen politischem und ökonomischem System aus (Offe 1972).3 Jenseits dieser sehr allgemein gehaltenen neomarxistischen Perspektive hat die deutsche Soziologie das Verhältnis von Wohlfahrtsstaat einerseits und Arbeits- und Kapitalmärkten andererseits jedoch lang wenig thematisiert.4 Die heute politisch zentralen Fragen der Lohnnebenkosten oder der Arbeitsanreize waren kaum Thema. In der skandinavischen und der britischen Forschungstradition wurden Fragen wie „Politics against Markets“ (Esping-Andersen 1985) oder „Can the Welfare State Compete?“ (Pfaller, Gough und Therborn 1991) deutlicher gestellt. In Deutschland wurde solchen Fragen zunächst anhand des Zusammenhangs aggregierter Variablen, etwa Sozialausgaben und wirtschaftliches Wachstum, nachgegangen (z.B. Alber 1989), in der quantitativen Lebenslaufforschung präziser mikroanalytisch anhand der Einflüsse von Bildung und sozialen Sicherungssystemen auf Erwerbsbiographien (etwa Mayer und Blossfeld 1990, Allmendinger 1994, Gangl 1998). Während die abstrakten gesellschaftstheoretischen Betrachtungen des Neomarxismus in den Hintergrund rückten, gewann die im Gebiet der Sozialpolitik vor allem von Franz-Xaver Kaufmann formulierte institutionennähere Steuerungstheorie an Bedeutung (Kaufmann 1983, 1986b). Aus „Kritik“ und „Krise“ wurde hier eine Analyse von „Steuerungsproblemen“. Dies war eine stärker immanente Sicht der Dinge, die jedoch, anders als normative Perspektiven, ohne eine unkritische Wertnähe zum Wohlfahrtsstaat auskam. Die soziologische Kritik des Wohlfahrtsstaats wurde hier also einerseits eingeschränkt, andererseits jedoch zu einer differentiellen Kritik fortentwickelt: Es ging nicht mehr um eine Kritik „des“ Wohlfahrtsstaats, sondern um die heterogenen Steuerungsprobleme in unterschiedlichen Bereichen der Sozialpolitik (Kaufmann 1997a). Dazu unterschied Kaufmann (Kaufmann 1982, 1988) verschiedene „Interventionsformen“ und ihre spezifischen Steuerungs- und Wirksamkeitsprobleme. Der letzte große differenzierungstheoretische Zugriff auf das Thema Wohlfahrtsstaat findet sich bei Niklas Luhmann (1981a, 1983, 2000). Er entwickelt vor allem zwei Kritikpunkte. 3 Zur sozialwissenschaftlichen „Staatstheorie“ der siebziger Jahre s. generell Vobruba (1983, Kap. I). 4 Zu einer abweichenden Diagnose s. Jens Alber, in diesem Band. 7 Die erste Kritik besagt: Die dem Wohlfahrtsstaat primär zur Verfügung stehenden Steuerungsmittel Recht, Geld sowie Bürokratie sind steuerungstheoretisch begrenzt. Mehr als andere Politikfelder ist Sozialpolitik auf Motive und Handlungsbereitschaften einer Vielzahl individueller Adressaten angewiesen und muss deren Diversität in Rechnung stellen. Die generalisierten Medien Recht und Geld, deren sich die Leistungsverwaltung bedient, kann diese Motive nicht hinreichend ansprechen und hervorbringen. Als „große Alternative zur Organisation“ (Luhmann o.J./1981b: 3) im Bereich persönlicher sozialer Dienstleistungen – dem people processing – empfiehlt Luhmann die Strategie der Professionalisierung, die jedoch mangels Code – so konnte Luhmann im Erziehungssystem, anders als in Wirtschaft, Wissenschaft und politischem System, kein Kommunikationsmedium identifizieren – nur begrenzt rationalisierbar ist. Der zweite Kritikpunkt von Luhmann ist die potenziell grenzenlose Expansivität des Wohlfahrtsstaats. Entsprechend der Vernachlässigung des Integrationsaspekts sozialer Differenzierung, die typisch für Luhmann ist, argumentiert er auch hier radikal differenzierungstheoretisch. Durch eine operative Schließung puffert sich das politische System gleichsam gegen seine Umwelt ab und kann so systemintern immer neue zu lösende „Probleme“ erzeugen, unabhängig davon, ob die Problemlösung tatsächlich im Möglichkeitsbereich politischen Handeln liegt. Diese Selbstzuschreibung von Aufgaben kennt keine Stoppregeln, wird allerdings faktisch begrenzt durch das Wirksamkeitspotential der konkret operierenden Leistungsverwaltungen (Luhmann 2000: 215f., 425). Das gelegentlich anzutreffende Bild von Luhmann als eines Fundamentalkritikers des Wohlfahrtsstaats im Sinne eines überbordenden Versorgungsstaats ist jedoch trotz dieser Expansivitätsannahme zu relativieren. Denn Luhmanns Wohlfahrtsstaatskritik ist dezidiert immanent. Die Expansivität und die Tendenz zur Totalisierung der eigenen Funktion ist typisch für alle funktional ausdifferenzierten und insoweit autonomen Teilsysteme der modernen Gesellschaft, nicht nur für Politik und Wohlfahrtsstaat. Gesamtgesellschaftlich haben wir es also nicht mit einem Null-Summen Spiel zu tun, vielmehr ist simultanes Wachstum mehrerer funktionaler Teilsysteme gleichzeitig möglich und typisch. Die Gesellschaft wird – auch wenn das für den normalen Zeitbeobachter schwer zu denken ist gleichzeitig zunehmend ökonomisiert, politisiert und verwissenschaftlicht. Die eigendynamische Autonomie der Funktionssysteme führt allerorten zu „wechselseitigen Belastungen“ (Luhmann 1997: 1087) – das Spannungsverhältnis von Wohlfahrtsstaat und Wirtschaft (oder Wohlfahrtsstaat und Familie) ist nur eine Variante dieses generellen Problems funktional differenzierter Gesellschaften. Zugleich begrenzen sich die verschiedenen Systeme dadurch gegenseitig in ihrer Expansivität. Dass eines der Funktionssysteme hierbei gleichsam obsiegt und seine Funktion gesamtgesellschaftlich dominant setzt, ist nach Luhmann in einer Gesellschaft ohne Spitze grundsätzlich nicht möglich - genauer: nur übergangsweise möglich, so in einer Phase im 19. Jahrhundert, als die Wirtschaft zeitweise das Nadelöhr, den „evolutionären Engpass“ gesellschaftlicher Entwicklung darstellte. Die entsprechende Relativierung der Sozialstaatsexpansion leitet sich also aus der Grundannahme funktionaler Differenzierung der Gesellschaft ab. Es folgt, dass eine Fundamentalkritik des Wohlfahrtsstaats im Luhmannschen System nicht möglich ist. Während in der Wirtschaftswissenschaft die Politik methodisch in der Regel als extern, gleichsam als Störvariable in bezug auf die Wirtschaft 8 behandelt wird, sind für Luhmann Politik und Wirtschaft grundsätzlich gleichgeordnete Systeme, so dass von den politischen Expansionskräften des Wohlfahrtsstaats nicht abstrahiert werden kann. Kritik ist daher notwendig immanent.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in der differenzierungstheoretischen Tradition der Soziologie der Wohlfahrtsstaat lange positiv als Problemlösung, als Instrument der Integration differenzierter Gesellschaften galt, jedoch zunehmend – von Max Weber schon früh – als (zumindest teilweiser) Problemfall gesehen wird. Dabei bleibt die Kritik jedoch immanent. Die Auffassung, die moderne Gesellschaft differenziere sich in funktionale Teilsphären, führte ursprünglich zu der Kritik eines verselbstständigten Marktes und der daraus abgeleiteten Annahme der Produktivität sozialstaatlicher Intervention. Später sensibilisierte sich die differenzierungstheoretische Sicht aber auch für die Spannungen zwischen dem Wohlfahrtsstaat und den anderen institutionellen und normativen Sphären, die – lange nach dem Vordenker Max Weber – erst im Zeitalter des ausgebauten massendemokratischen Wohlfahrtsstaats greifbar wurden. 1.2 Machtheorien In einer machttheoretischen Perspektive begründet der Wohlfahrtsstaat neue, spezifisch moderne Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die sich zum einen in neuartigen Wissensformen und Diskursen niederschlagen, zum anderen in Praktiken und Institutionen. Der Wohlfahrtsstaat gilt als eine zentrale Form sozialer Disziplinierung und Kontrolle. Diese zur Totalisierung neigende Kritik steht im allgemeinen in keinem Diskussionszusammenhang mit der differenzierungstheoretischen Tradition. Die Analyse der Sozialdisziplinierung (Sachße und Tennstedt 1986, Breuer 1986) setzt breit an. Vor allem „Anstalten“, im Bereich der Sozialpolitik besonders Krankenhäuser und Schulen, sind die Stätten, in denen Menschen diszipliniert werden. Die Perspektive bezieht sich auch auf personenbezogene soziale Dienstleistungen generell, vor allem auf Psychiatrie, ärztliches Handeln und Sozialarbeit. Schließlich werden auch die Tiefenwirkungen von Disziplinierung im Alltag untersucht, also Folgen jenseits des direkten Kontakts zwischen Klienten und Helfern. Eher selten werden monetäre Transfers in diesem Zusammenhang angesprochen. So haben Lenhardt und Offe (1977: 103f., 109) auch Armenhilfe und Sozialversicherung als Formen herrschaftlicher Kontrolle marktexterner Existenzweisen bezeichnet, insoweit durch ihre Institutionalisierung der Kriminalität und dem Vagabundieren der frühen Proletarier Einhalt geboten werden sollte. Als externer Einfluss auf die Soziologie waren vor allem die Arbeiten des französischen Philosophen Michel Foucault von Bedeutung, insbesondere zur Diskursgeschichte von Psychiatrie, Krankenhäusern und Gefängnissen (Foucault 1969, frz. 1961; 1973, frz. 1963; 1976, frz. 1975). Die Institutionen des Wohlfahrtsstaats sind in seiner Sicht Teil des „Kerkerarchipels“, eines vielfältigen, dezentralen Arrangements disziplinierender Institutionen und Diskurse (Breuer 1986, Kneer 1996, van der Loo und van Reijen 1992). 5 Zur generellen Immanenz von Gesellschaftskritik s. Luhmann (1970/1967: 80). 9 Unmittelbar aus der Soziologie, nämlich aus dem symbolischen Interaktionismus, erwuchs eine Theorierichtung, die vor allem in den siebziger Jahren zu einer maßgeblichen Quelle soziologischer Kritik des Wohlfahrtsstaats wurde, der Etikettierungsansatz (labeling approach). Sozialarbeit, Psychiatrie, Polizei, Gerichte und Experten wurden hier zum Gegenstand einer „Kritik der Instanzen sozialer Kontrolle“. Der Wohlfahrtsstaat, so die radikalkonstruktivistische Version des Etikettierungsansatzes,6 erzeuge selbst die Devianz, die er zu beseitigen trachte. So findet die Untersuchung von Christoph Bonstedt (1972:121) ihre Arbeitshypothese bestätigt: „Die an unserem Fall beteiligten Institutionen sozialer Kontrolle etablieren mittels repressiver Normen und Praktiken und unvermittelt durch wissenschaftliche Bestimmung Tatbestände der ‚Abweichung’ und wenden sie samt den implizierten stigmatisierenden Sanktionen auf bestimmte Klienten-Gruppen an.“ In diesen Zusammenhängen entfaltete sich eine Theorie der gesellschaftlichen Produktion von „Randgruppen“ (Karstedt 1975, Brusten und Hohmeier 1975). Zur soziologischen Vorgeschichte dieser Perspektive gehört Georg Simmels Aufsatz „Der Arme“ (in Simmel 1908), gemäß dem erst die staatliche Hilfeleistung den Armen als sozialen Typus kenntlich mache. Diese Soziologie war nicht mehr nur oder primär Kritik des Marktes und des Marktliberalismus, sondern umfassendere Kritik „der Macht“ (Foucault) und ihrer Diskurse und Praktiken. Damit entfiel auch die Möglichkeit, den Staat gleichsam als Gegenmacht gegen den Markt in Stellung zu bringen. Vielmehr geriet der Staat, auch der Wohlfahrtsstaat, selbst in das Visier der Kritik. Die „Entlarvung und Diskreditierung offizieller Fassaden, herrschender Moralen und dargestellter Selbstüberzeugungen“, der die Soziologie „mit besonderer Liebe“ nachgeht (Luhmann 1970/1967: 69), wurde nun auf die staatlich bestellten und bürokratisch organisierten sozialen Helfer ausgedehnt. Machttheoretische Analysen, auch diejenigen Foucaults, veränderten sich mit der Zeit und betonten zunehmend Ambivalenzen ihres Untersuchungsgegenstands. Dies lag zum einen daran, dass die radikalkonstruktivistische Variante des Etikettierungsansatzes an Boden verlor, zum anderen am Einfließen anderer Traditionen, vor allem der Perspektive Norbert Elias’ sowie Max Webers. Die bedeutendste Studie dieser Art ist In Care of the State von Abram de Swaan (1988, dt. 1993). Auch Anthony Giddens hat in seinem Buch Modernity and Self-Identity (1991, Kap. 5) dezidiert eine ambivalente Auffassung der Wirkungen personenprozessierender Institutionen vertreten. Bei de Swaan schlägt die Ambivalenz erkennbar in Richtung positiv bewertbarer Aspekte von Sozialstaatlichkeit aus. Er grenzt sich – wie Giddens - von Foucault ab, indem er die aktive und kreative Rolle der Klienten in der Interaktion mit Ärzten, Therapeuten und anderen sozialen Dienstleistern betont. Im modernen Sozialstaat seien Autonomiegewinne für die Individuen typisch. Grundsätzlich hatte aber auch Foucault bereits die produktiven Funktionen „der Macht“ betont. Drei kritische bzw. ambivalente Befunde stehen bei de Swaan im Mittelpunkt: Professionalisierung, Protoprofessionalisierung und Zivilisierung. Die Professionalisierung im Bereich des Sozialen führt in de Swaans Sicht – hier ähnlich Baier (1977) - zu Expertenregimes und zu neuer sozialer Ungleichheit in Form 6 Zu den Abstufungen dieses Ansatzes s. Rains (1975). 10 von neuen Mittelschichten, Staatsbeschäftigten und einer neuen Herrschafts- und Verteilerelite. Mit Protoprofessionalisierung meint de Swaan die Medikalisierung, Psychologisierung, Juridifizierung, Fiskalisierung und – so wäre zu ergänzen – Soziologisierung der alltäglichen Denkkategorien und Verhaltensformen. Diese Prozesse beinhalten zum einen eine Schematisierung und Engführung des Handelns. Insoweit steht de Swaan Modernitätskritikern außerhalb der Soziologie nahe, wie Michel Foucault oder Ivan Illich. So kritisiert Illich (1977) die organisierte medizinische Versorgung als Quelle von „Iatrogenese“, in einem umfassenden, auch kulturellen Sinne gedeutet als Entmündigung und Autonomieverlust im Umgang mit dem eigenen Körper. Zum anderen beinhaltet Protoprofessionalisierung jedoch einen Autonomiegewinn in der Kommunikation mit Experten und Betreuern. Die Klienten bzw. Laien sind informierter, kompetenter und anspruchsvoller. Entgegen einem verbreiteten Kulturpessimismus nimmt in de Swaans (wie Giddens’) Sicht die Kluft zwischen Experten und Klienten nicht zu, sondern eher ab. Allerdings entstehen so auch neue Ungleichheiten zwischen Klienten in Folge unterschiedlicher Kommunikationskompetenz. Der dritte Befund, in der Nachfolge von Norbert Elias, ist die Zivilisierung des Verhaltens. Sozialversicherung und Schule fordern den Individuen eine biographische Weitsicht ab und üben Selbstzwänge ein. Interessant ist hier, dass in Form der Sozialversicherung auch monetäre Transfers in ihrer Sparzwangfunktion Eingang in die machttheoretische Analyse finden. 2 Auf der Suche nach einem Ordnungsmodell Die Wirtschaft verfügt über ein elegantes theoretisches Ordnungsmodell, den Markt. Nach Kaufmann (1986b: 222) bezieht dieses seine systemische Eleganz daraus, dass es durch den Geld-/Preismechanismus drei Probleme in einem löst, nämlich Zielprogrammierung, Koordination von Handlungen und Evaluation. Der Wohlfahrtsstaat verfügt nicht über ein entsprechendes einleuchtendes Ordnungs- oder Steuerungsmodell. Warum? Eine erste Erklärung oder doch Plausibilisierung kann in dem bereits angesprochenen primär reaktiven Charakter staatlicher Sozialpolitik als Antwort auf den Markt gesehen werden. Bei Max Weber finden sich Anhaltspunkte für diese Sichtweise. Solange Sozialpolitik nicht soweit gesteigert wird, dass sie als sozialistische Wirtschafts- und Verteilungsordnung den Markt-Preis-Mechanismus außer Kraft setzt, bleibe sie reaktiv und unzusammenhängendes Stückwerk. Die Problematik staatlicher Sozialpolitik erwuchs in Webers Sicht gerade daraus, dass sie eine abgeleitete, keine eigene Ordnung begründende Reaktion auf die formale Rationalität des Marktes darstelle (Rieger 1999: 120f.). Eine konkrete Ordnungsvorstellung und Leitidee sozialstaatlicher Politik, Umverteilung, ist tatsächlich reaktiv auf Fehlsteuerungen des Marktmodells, auf eine „Korrektur“ der „Primärverteilung“, bezogen. Die Konzeptualisierung des Wohlfahrtsstaats wirft bis heute erhebliche Probleme für die Differenzierungstheorie auf. Die Suche nach einem Ordnungsmodell ist zu keinem klaren Ergebnis gekommen. Wohlfahrtsstaatliche Institutionenkomplexe sind typischerweise Zwischen- und Überlappungsstrukturen im Hinblick auf die Systeme Politik, Wirtschaft, Familie usw. Bei Luhmann (1981a) bleibt die genaue begriffliche 11 Verortung vage. Jedenfalls sträubt er sich, diesen Bereich ohne weiteres dem politischen System und dessen Ordnungsfiguren zuzuschlagen: Es sei „extrem unzweckmäßig, einen entsprechend flächendeckenden Begriff zu suchen, der das Vermeiden von Salz in Diätküchen, das Nachprüfen der Massenberechnungen einer Brückenkonstruktion, die Herausnahme eines Blinddarms in einem Krankenhaus, die Festlegung einer Sitzordnung einer Schulklasse und was sonst noch als politisches Handeln zu erfassen suchte.“ (Luhmann 1981a: 90). In den neueren begrifflichen Angeboten wird versucht, die schwierige Greifbarkeit des wohlfahrtsstaatlichen Bereichs geradezu als seine Struktureigenschaft zu formulieren. Lorenz von Stein gebrauchte den Begriff „Verwaltung“, um den neuen Zwischenbereich zwischen Verfassungsstaat und Wirtschaft zu kennzeichnen. Auch Luhmann greift diesen Begriff auf. Der Begriff sagt jedoch noch nichts über Ordnungs- und Steuerungstypiken. Dies hat Kaufmann (1986a: 131-134, 1997a: 22f., 2000: 178f.) versucht mit den Begriffen öffentlicher Sektor und Sozialsektor. Mit „Sozialsektor“ oder „Wohlfahrtssektor“ soll ein komplexes Arrangement vielfältiger Steuerungsmodi bezeichnet werden, das in sich ‚zerklüftet’ und nach außen ausfransend (fuzzy) ist. Charakteristisch für den Sozialsektor sind Steuerungsformen „zwischen Markt und Staat“– wie soziale Professionalität, Korporatismus, Solidarität, freie Trägerschaft (Wohlfahrtsverbände) und öffentlich gerahmte Selbsthilfe. Hierbei werden häufig unterschiedliche Steuerungsformen kombiniert. Kombinationen können im Sozialbereich effektiver sein als „reine“ Modelle. So stellt das deutsche Gesundheitswesen ein hochkomplexes Steuerungsarrangement dar, das im internationalen Vergleich recht gute Ergebnisse erbracht hat (Kaufmann 2000: 179). Gerade die Effektivität sozialer Dienstleistungen hängt in hohem Maße davon ab, angemessen die Vielfalt persönlicher Motive und Handlungsorientierungen der individuellen Adressaten und ihre sozialräumliche Verortung in Rechnung zu stellen. Dies ist weder durch Marktpreise noch durch staatliche Bürokratien angemessen zu leisten. Es gibt in der Sozialpolitik also – meist nicht exklusive, aber doch typische – TeilSteuerungsmodi, aber eben kein einheitliches Modell wie den Markt. Gleichsam als Ersatz wurde in der sozialpolitischen Praxis die Einheit meist im Normativen gesucht. Die politik- und praxisnahe soziologische Forschung spiegelte dies teilweise. Sozialpolitik wurde als Verkörperung spezifischer Werte dargestellt. Auch das Marktmodell bedurfte und bedarf zu seinem historischen Siegeszug starker normativer Begründungen. Georg Vobruba (1996) identifizierte „produktivistische Gerechtigkeit“ als wirkmächtige Legitimation der Marktwirtschaft, also die Vorstellung, dass Marktungleichheiten gerecht seien, insofern sie mittel- und langfristig die Wohlfahrt aller steigern. Aber Gerechtigkeitsanspruch und Wohlfahrtsversprechen des Marktes7 verbanden sich immer sicht- und greifbar mit dem Steuerungsmodell Markt. In der Sozialpolitik blieb eine derartige Verbindung dagegen prekär. Aber selbst im Reich der Werte und Normen konnte der Wohlfahrtsstaat keine eigene Ordnung begründen. In England war es Robert Pinker (1971, 1979), der die dort besonders normativ betriebene Sozialpolitiklehre, wie sie von Richard Titmuss ver- Zur historischen Rolle des Wohlfahrtsversprechens im beginnenden Industriekapitalismus in England s. Pinker (1979: 81). 7 12 körpert wurde, einer viel beachteten Kritik unterzog. Diese Kritik war zugleich eine soziologische Kritik des Wohlfahrtsstaats selbst, eine immanente Kritik, die gegenüber normativen Idealisierungen die strukturellen Nebenfolgen und Ambivalenzen des Wohlfahrtsstaats herausstellte. Hatte Titmuss den Wohlfahrtsstaat mit Altruismus und den Markt mit Egoismus identifiziert, so verwies Pinker unter anderem auf die unhintergehbare Stigmatisierung, die mit dem Empfang staatlicher Leistungen einhergeht. Pinker betonte auch die pluralistische Struktur gesellschaftlicher Wohlfahrtsproduktion. Wohlfahrt werde nicht nur vom Staat produziert, sondern ebenso in Familien und Märkten, ohne dass eine dieser Sphären eine moralische Sonderstellung beanspruchen könne. Auch im Bewußtsein der Menschen von sozialen Rechten und Pflichten sei die sozialstaatliche Verantwortung für Wohlfahrt nur eine von mehreren Komponenten des „subtle interplay of loyalties“ (Pinker 1979: 10), in dem sich die modernen Individuen als gleichzeitige Mitglieder von Familien, lokalen Gemeinschaften, Nationen – letztere als Loyalitätsreferenz sozialstaatlicher Hilfen - und der Weltgesellschaft befinden. Ähnlich, aber weniger beachtet, hatte für Deutschland schon Hans Achinger (1979/1958: 7) betont, dass „die autonome Wertordnung der Sozialpolitik eine Täuschung ist. Gerade hier nämlich ist die Sozialpolitik von Ordnungsvorstellungen abhängig, die aus anderen gesellschaftlichen Bereichen stammen.“ Tatsächlich finden sich fast alle Werte, die für staatliche Sozialpolitik beansprucht werden, auch in Begründungen der marktlichen Ordnung, wenn auch teilweise anders gewendet. Neben rein normativen Begriffen wie Gerechtigkeit und Menschenwürde bemüht die Sozialpolitik kognitiv-normative Leitvorstellungen, die institutionelle Steuerungsarrangements zumindest andeuten. Dies ist schon auf der Ebene von Semantiken erkennbar. Die besonders im deutschen Wohlfahrtsstaat noch vor Gleichheit rangierende Wertidee Sicherheit meint als soziale Sicherheit – noch ausgeprägter in angelsächsischen Ländern (social security) - sowohl die normative Zielvorstellung als auch deren institutionelle Umsetzung. Auch bei Solidarität schwingt eine institutionelle Vorstellung – eines Austauschs zwischen besser und schlechter Gestellten – mit. Dabei wird allerdings übersehen, so die soziologische Kritik von Kaufmann (1984), dass Solidarität als operationaler Steuerungsmodus primär in sozialen Nahbeziehungen ihre Wirkungen entfaltet. Eine spezifische, Solidarität mit Individualität vermittelnde Leitformel ist „Subsidiarität“ (soziologisch Matthes 1964). Sie postuliert einen Vorrang des personennäheren Lebenskreises, der kleineren Versorgungseinheit vor der größeren. Welche Formen und Arrangements sozialer Steuerung aus dieser Leitformel abzuleiten wären, bleibt allerdings in hohem Maße offen. Vielfach wird sie nur herangezogen, um die Existenz der ‚freien’ Wohlfahrtsverbände zu legitimieren oder generell eine Eindämmung staatlicher Eingriffe zu begründen. Auch stärker institutionell formulierte Leitvorstellungen erweisen sich bei näherem Hinsehen als steuerungstheoretisch begrenzt. Dies gilt vor allem für die in der deutschen Sozialpolitiklehre zentrale Ordnungsfigur einer triadischen Struktur sozialer Sicherung als (Sozial-) Versicherung, Versorgung (Beamten- und Kriegsopferversorgung) und Fürsorge (sozialhilfeartige Leistungen) (s. etwa Lampert 1998: 225-228). Jede der drei Grundformen hat eine eigene normative Begründung, die sich in unterschiedlichen Organisationsformen manifestiert. Von den drei Grundformen ist allerdings der Typus „Sozialversicherung“ steuerungstheoretisch gehaltvoll. Hier ist 13 noch am ehesten ein eigenes Ordnungsmodell zu erkennen. Es macht allerdings deutliche Anleihen bei der privatwirtschaftlichen Figur der Versicherung, die sie um „soziale“ Elemente ergänzt. Die Sozialversicherung ist aber nur ein Teilsektor des Sozialstaats, wenn auch im deutschen „Sozialversicherungsstaat“ der dominante. Die wichtigste normative und kognitive Figur speziell in der Gesetzlichen Rentenversicherung ist der Generationenvertrag (soziologisch Kohli 1989, Leisering 1992a: 229-235). Nach Martin Kohli (1989) trägt der Generationenvertrag zur „Moralökonomie“ der Arbeitsgesellschaft bei, indem er den Erwerbstätigen ein gerechtes Abgelten einer Lebensleistung im Alter in Aussicht stellt. Durch Institutionalisierung von Altersgrenzen regelt er zugleich die Verteilung von Arbeit und Nicht-Arbeit (sowie, so wäre zu ergänzen, von entlohnter und nicht entlohnter Arbeit). Kohli identifiziert also eine soziokulturelle Ordnungsfunktion des Generationenvertrags. Hinter der Vertragsmetapher verbirgt sich zudem eine eigene Ordnungsstruktur, die die Erfüllung der Ordnungsfunktion nach außen steuert. In Form des Umlageverfahrens liegt ein genuin sozialpolitisches Steuerungsmodell vor (soziologischdiskurshistorisch Manow 1998). Zwar macht auch dieses Verfahren von den Mitteln des Marktes, dem Geld, Gebrauch, verwendet es jedoch auf nicht-marktliche Weise. Nicht Tausch zu Marktpreisen, sondern Austausch auf der Grundlage von Anrechten und Pflichten steuert den Prozess. Dieses System erreicht sogar eine Form von Selbststeuerung (Leisering 1992b), was sonst den Markt auszeichnet. Gert Wagner (1984) arbeitet die überlegene Steuerungsleistung des Umlageverfahrens aus, insbesondere die Zielgenauigkeit bei der Produktion des Gutes ‚Sicherheit’. Es kann nicht überraschen, dass dieses Verfahren in der weltweiten Debatte zur Reform der Alterssicherung bei Wirtschaftsliberalen auf Unverständnis trifft und abgelehnt wird. 3 Fazit: Die Immanenz des Wohlfahrtsstaats in der Moderne In Teilbereichen gibt es tatsächlich eine Nähe der Soziologie zum Wohlfahrtsstaat: Zum einen sind Soziologen selbst Akteure und Interessenten im Wohlfahrtsstaat geworden, zum anderen gibt es eine Affinität von Sichtweisen und Wertvorstellungen. Soziologie und Wohlfahrtsstaat teilen Annahmen über die „gesellschaftliche Bedingtheit“ sozialer Phänomene, eine stark „sozialisierte“ Konzeption des Menschen und die daraus abgeleitete Sicht einer rationalen Beeinflussbarkeit sozialer Prozesse. Eine unkritische Nähe findet sich allerdings primär in der politiknahen Forschung und in soziologisierten Nachbardisziplinen wie Pädagogik und Sozialarbeitslehre. Manche kritische Analysen kamen spät, besonders in Bezug auf die heute politisch im Vordergrund stehenden wirtschaftlichen Folgen des Wohlfahrtsstaates. Man wird jedenfalls nicht sagen können, dass die Soziologie – auch nicht die Krisentheoretiker der siebziger Jahre – die heutige reale Krise vorhergesehen hätten. Die historische Nähe der Soziologie zur Kritik der kapitalistischen Gesellschaft und die reaktive, oft normative Ableitung des Wohlfahrtsstaats haben offenbar die wirtschaftlichen Nebenfolgen lange nicht oder nur abstrakt-gesellschaftstheoretisch ins Blickfeld rücken lassen. 14 Aber es gab, wie gezeigt, sehr wohl substanzielle kritische Beiträge. Diese Kritik war in der Regel nicht Fundamentalkritik.8 Aber gerade die spezifischen Relativierungen der Kritik liefern, so möchte ich im folgenden argumentieren, wichtige Beiträge zur Analyse des Wohlfahrtsstaates. Charakteristisch für die Soziologie ist eine Verbindung von soziologischer Fundierung und Kritik des Wohlfahrtsstaats. Diese Verbindung ist geeignet, das Schisma zwischen ökonomischer und soziologischer Sicht des Wohlfahrtsstaates wenn nicht zu überwinden, so doch Brückenköpfe zu schlagen. Ich möchte zusammenfassend vier Charakteristika der soziologischen Kritik des Wohlfahrtsstaates formulieren. a. Differentielle Kritik Soziologische Wohlfahrtsstaatskritik, besonders empirische, ist differentielle Kritik. Die breite, international vergleichende Wohlfahrtsstaatsforschung der letzten 20 Jahre führt weg von der Kritik „des“ Wohlfahrtsstaates und hin zu einem Vergleich der spezifischen Leistungen und Probleme unterschiedlicher Wohlfahrtsstaaten und Wohlfahrtsstaattypen. ‘Differentielle Kritik’ meint zudem die Unterscheidung heterogener Steuerungsprobleme in unterschiedlichen institutionellen Sektoren eines einzelnen Wohlfahrtsstaats oder Wohlfahrtsstaatsttyps. Schließlich meint ‚differentielle Kritik’ auch einen potentiellen Wandel der Problemhaftigkeit des Wohlfahrtsstaats im Zeitverlauf. So spricht Kaufmann (1997a, Kap. 5) von einem „Veralten des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements“. Damit ist die Aushöhlung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen gemeint, die es dem Sozialstaat lange ermöglicht haben, produktiv zu operieren. Ein Beispiel ist die „Auflösung der ‚stillen Reserve’ des Sozialstaates“, also die verringerte Möglichkeit, auf unbezahlte weibliche Arbeitskraft in Pflege, Erziehung und Haushalt zu setzen. Auch die Historisierung verbietet eine Kritik „des“ Wohlfahrtsstaats. b. Ambivalenz Kritische Punkte, die die Soziologie am Wohlfahrtsstaat ausmacht, sind oft nur eine Seite der Medaille, sind Teil einer ambivalenten Einschätzung. Wir haben gezeigt, dass sich beide großen Traditionen soziologischer Wohlfahrtsstaatskritik – Differenzierungstheorie und Machttheorie – in Richtung von Ambivalenz entwickelt haben. Die Differenzierungstheorie diente ursprünglich der Begründung von sozialer Intervention, wurde später aber auch dazu herangezogen, Dysfunktionen und Spannungen aufzuzeigen, die im Zuge des Wachstums sozialstaatlicher Einrichtungen auftraten. In der machttheoretischen Tradition verlief die Entwicklung tendenziell gegenläufig. So betont der späte Foucault positiv bewertbare Aspekte disziplinierender Institutionen stärker. Jürgen Habermas, wie Georg Vobruba zuletzt gezeigt hat (Vobruba 1999), entwickelte sich von der Position einer Kolonisierung der Lebenswelt durch den Wohlfahrtsstaat zu einer positiveren Einschätzung des Wohlfahrtsstaates als potentielle Quelle von Autonomiegewinnen und Emanzipation. Für de Swaan gehen Ausnahmen finden sich typischerweise bei wirtschaftsliberal orientierten und methodisch den Wirtschaftswissenschaften nahestehenden Autoren, etwa in den hochaggregierten quantitativmakrosoziologischen Arbeiten von Erich Weede (1990). Hier wird der Wohlfahrtsstaat als Teil einer rent seeking society gesehen, ein ebenfalls der Wirtschaftswissenschaft entlehnter Begriff. 8 15 Kollektivierung, Bürokratisierung und Professionalisierung der Daseinsvorsorge – also Elemente von Fremdherrschaft – einher mit Aktivierung und Autonomisierung des Klienten. Die neuere Debatte über einen „postmodernen Wohlfahrtsstaat“ (Leonard 1997) führt derartige Überlegungen in einem breiteren Diskussionskontext weiter. Auch bei Anthony Giddens und bei Ulrich Beck wird die Ambivalenz von wohlfahrtsstaatlich induzierter Individualisierung als Chance und Zumutung deutlich herausgestellt (s. Leisering 1998). Personenprozessierende soziale Institutionen der Moderne bewirken, daß „existential questions become institutionally repressed at the same time as new fields of opportunity are created for social activity and for personal development’ (Giddens 1991: 164ff). Die frühen Theoriefiguren eines „konservativrevolutionären Doppelwesens“ (Heimann 1980/1929) und von „Widersprüchen des Sozialstaats“ (Offe 1984) sprachen ebenfalls eine – hier gesellschaftsstrukturell gefaßte - Ambivalenz des Wohlfahrtsstaats an. c. „Wahlverwandtschaften“ Mit dem von Elmar Rieger (Rieger 1992) in Anlehnung an Weber und Goethe in die theoretische Wohlfahrtsstaatsdebatte eingeführten Begriff „Wahlverwandtschaften“ ist ausgesagt, dass es spezifische Affinitäten zwischen der sozialstaatlichen und der marktlichen Ordnung gibt. Zentrale Kritikpunkte am Wohlfahrtsstaat betreffen auch den Markt. Strenge Disziplinierung ist Bestandteil der normalen Funktionsweise von Betrieben und anderen ‚modernen’ Institutionen und Beziehungsarrangements, was besonders Foucault herausstellte. Recht, Geld und Bürokratie (formale Organisation) sind ebenso Mittel der Wirtschaft wie des Wohlfahrtsstaates. Die Kritik sozialer Professionen trifft gleichermaßen auf privat wie öffentlich operierende Professionsvertreter zu, etwa im Gesundheitsbereich. Morris Janowitz (1976, Kap. VII) sieht Hedonismus, Individualismus und Selbstbezüglichkeit als Folgen des Sozialstaates wie auch als Folgen von Massenkonsummärkten und Medien. Den gemeinsamen Kern von Markt, Sozialstaat und Demokratie sieht er in der aufklärerischen Idee der Selbstperfektionierung des Individuums. ‘Wahlverwandtschaft’ meint auch, dass der Wohlfahrtsstaat produktiv mit anderen sozialen Sphären verknüpfbar ist. Verknüpfungen sind potentiell produktiv, weil es Affinitäten gibt. Kaufmann (1997a, Kap. 4) führt den historischen Erfolg des entwikkelten Wohlfahrtsstaates darauf zurück, dass er für eine Mehrzahl anderer gesellschaftlicher Belange und Sphären anschlussfähig und funktional war. Die Institutionen des Sozialsektors sind typischerweise selbst ‚Verknüpfungsstrukturen’, so die Gesetzliche Krankenversicherung, die staatliche und ‚private’ Planungs-, Implementations- und Finanzierungsakteure im Rahmen genuin sozialpolitischer Steuerungsarrangements zusammenführt. d. Immanente Kritik Des weiteren ist die soziologische Kritik des Wohlfahrtsstaates immanente Kritik. Immanent ist sie in einem anspruchsvollen, soziologisch substantiierten Sinne. Bei Niklas Luhmann wird die Immanenz gesellschaftstheoretisch begründet: Der Wohlfahrtsstaat erscheint nicht als die beste aller Welten, aber als unhintergehbares Strukturmerkmal moderner differenzierter Gesellschaften. Zwar gilt dies nur für absehbare Zeit. Die Zukunft des evolutionären Projekts Moderne ist ungewiss. Eine 16 „Zukunftsgarantie von Marktwirtschaft und Verfassungsstaat“ kann es „kaum“ geben (Luhmann 2000: 434), nicht mehr und nicht weniger als für den Wohlfahrtsstaat. In dieser Sicht gibt es keine absehbaren großen Alternativen, keine ‚ganz andere Welt’. Die immanenten Lösungen der aktuellen Probleme sind vielmehr zu finden in gesteigerter Reflexivität, vor allem durch Reifen eines Bewusstseins der Grenzen der eigenen Problemlösungsfähigkeit unter den Sozialpolitikern. Bei Luhmann führt dies zur Forderung, Theorie in das System einzuführen – daher der Titel seines Buches „Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat“ (Luhmann 1981a). Ähnliches meinte Morris Janowitz mit seinem Titel „Social Control of the Welfare State“ – nicht Eindämmung eines überbordenden, fehlgeleiteten Prinzips sozialer Ordnung, wie der Titel zunächst verstanden werden könnte, sondern rationales, wohlfahrtsgesellschaftliches institution building. In der politiknäheren Literatur zielte Hans Achinger ähnlich auf „Sozialreformen“ in der älteren, grundlegenderen Bedeutung des Begriffs, jedoch nicht auf strukturelle Infragestellung insgesamt. Die wirtschaftswissenschaftliche Kritik des Wohlfahrtsstaats, soweit sie empirisch triftig und nicht (nicht nur) Ideologie ist, ist mit der wohlfahrtsstaatsfreundlicheren soziologischen Analyse grundsätzlich vermittelbar, soweit diese, wie in diesem Beitrag gezeigt, auch Kritik ist. Die vier dargestellten Merkmale dieser Kritik verweisen auf Stellen, an denen die Vermittlung ansetzen könnte. Differentielle und Ambivalenzen zulassende soziologische Wohlfahrtsstaatskritik kann Kritik und Verteidigung zusammenführen. Durch Einsicht in die Wahlverwandtschaften zwischen Markt und Sozialstaat könnte der Marktliberalismus seine eigene Wohlfahrtsstaatskritik relativieren. Der Marktliberalismus basiert auf einer sozialen Theorie, die anhand eines spezifischen funktionalen Teilsystems, der Wirtschaft, gewonnen ist, kombiniert mit einer politischen Theorie, die den Staat als Rechtstaat faßt. Die Soziologie kann diese Perspektive erweitern zu einer Theorie funktional differenzierter Gesellschaften und einer politischen Theorie, die systematisch über den Rechtsstaat hinausgeht. Erst so wird die Immanenz jeglicher Wohlfahrtsstaatskritik erkennbar. „Wenn es zutrifft, dass diese Folgeprobleme... auf dem gewollten Prinzip des Wohlfahrtsstaates und den Grundlagen seiner Verwaltungseffizienz basieren, hilft keine pauschale Kritik, und dann gibt auch kein global ansetzendes Reformkonzept. Das Gewollte, Gute, Nützliche schafft in der Steigerung Folgeprobleme, die nicht mehr auf gleiche Weise zu lösen sind. Mit dieser Typik von Problemlage muss jede politische Analyse heute rechnen.“ (Luhmann o.J./1981b: 3) Bereits bei Weber klang diese Anerkennung – statt Denunzierung, wie vielfach im Marktliberalismus – der politischen Triebkräfte des Wohlfahrtsstaats an. Die derzeitige Krise von Wohlfahrtsstaatlichkeit scheint die differenzierungstheoretische Analyse eher zu bestätigen als zu widerlegen. Neigen Marktliberale zur Annahme, die Ära des Wohlfahrtsstaates nähere sich ihrem Ende, so deuten soziologische und politikwissenschaftliche Analysen der „new politics of the welfare state“ (Pierson 1996, 2001) eher auf einen Wandel statt auf einen Abbau oder eine Residualisierung des Wohlfahrtsstaats hin. Im weltgesellschaftlichen Maßstab verweist die Entstehung „neuer Wohlfahrtsstaaten“ in Osteuropa, Lateinamerika und Ostasien (Esping-Andersen 1996) gar auf eine weitere Verbreitung dieses gesellschaftlichen Strukturmusters. 17 4 Literaturverzeichnis Achinger, Hans, 1959: Soziologie und Sozialreform, in: Verhandlungen des 14. Deutschen Soziologentages vom 20.-24.5.1959 in Berlin. Stuttgart: Enke: 39-52. Achinger, Hans, 1979 (zuerst 1958): Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik. Von der Arbeiterfrage zum Wohlfahrtsstaat. 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