„Esst Kekse“ – Workshop Camera Obscura/Lochkamera für Teilnehmer von 7-99 Jahre von Götz Rogge, Berlin / www.halqa.de Das Auge ist das Fenster zur Seele Leonardo da Vinci Die Camera Obscura hat eine lange Geschichte. Ihre Funktionsweise beruht auf einem natürlichen Prinzip. In ihrer einfachsten Form besteht die Camera Obscura aus einem kleinen Loch, durch das Licht aus einem sonnenbeschienen Garten in einen abgedunkelten Raum fällt und ein umgekehrtes Bild auf die dem Loch gegenüberliegende Wand projiziert. Die Größe des Lochs bestimmt die Schärfe und die Helligkeit des Bildes. Die Camera Obscura ist der Prototyp des Auges und eines jeden Fotoapparats. Zugleich spielt sie eine Schlüsselrolle für die räumliche Darstellung in der Malerei seit der Renaissance. Die Fülle der Zusammenhänge, von der spielerischen Herstellung einer Kamera, dem „Theater auf dem Kopf“, der angewandten Physik, bis hin zur Philosophie macht je nach Gestaltung eines Workshops den Reiz aus, Menschen jeden Alters einzubeziehen. Meine persönlichen Erfahrungen reichen von Grundschulklassen über Studenten bis zu Fotografen. Im Folgenden stelle ich die verschiedenen Aspekte vor, aus denen der Workshop „Esst Kekse“ zusammengestellt werden kann. Die allseits beliebte Keksdose ist hier Titelgebend, da solche Büchsen aus Blech bestens geeignet sind eine Fotokamera zu werden. Grundkurs TEIL I. - Theater auf dem Kopf / In der Camera Obscura Herzstück für das praktische Verständnis, wie die Camera Obscura funktioniert, ist sie zu betreten. Dazu wird ein Raum, oder ein Lieferwagen komplett abgedunkelt und mit einer kleinen Öffnung versehen. Die Teilnehmer können sich dann in kleinen Gruppen in die Finsternis der Kamera begeben. Nach einer kurzen Gewöhnungszeit der Augen beginnt die äussere Welt sich an der Wand kopfstehend aus der Dunkelheit zu kristallisiert. Je weiter sich die Augen anpassen, um so mehr Farben kommen hinzu und das Bild wird erstaunlich plastisch. Das Bild wird besonders gut verständlich wenn ein belebter Ort zu sehen ist, oder Teilnehmer vor der Kamera ein kleines Schauspiel aufführen. Für gewöhnlich herrscht dann im Inneren ausgelassene Stimmung aufgrund des „magischen Effekts“. Dieser hinterlässt einen tiefgreifenden Eindruck; heute wie vor 1000 Jahren. Wenn es die Zeit und Mittel erlauben, versuche ich ein Vehikel in eine Camera Obscura umzubauen, um im späteren Verlauf auch extrem großformatige Bilder damit herzustellen. Für das Verständnis ist es aber nicht zwingend mit der „großen Kiste“ zu fotograferen, es reicht völlig sie zu betreten. Bauwagen als Camera Obscura / Frankfurt a.M. 2009 TEIL II. - Bau einer eigenen Lochkamera und Belichtung Mit der Anschauung und Euphorie in einer Kamera gewesen zu sein, ist es nun ein leichtes aus einer Keksdose, oder irgend einem anderen hohlen Gegenstand eine persönliche Lochkamera zu basteln. Um den Workshop zu verkürzen können die Dosen von mir vor präpariert sein. Die Arbeit besteht darin ein Loch in den Deckel zu nageln, die Innenseite schwarz zu sprühen und mit einer präzisen Lochblende zu versehen. Diese werden von mir geliefert, und sind per Laser 100stel mm genau in Pappe gelocht (ø <0.5mm). Mit der Präzision der Lochs sind scharfe Bilder bei ausreichendem Licht garantiert. Im Anschluss wird jede kleine Kamera bei Rotlicht mit entsprechend lichtempfndlichen Fotomaterialien geladen. Dazu eignet sich wiederum der große zuvor verdunkelte Raum. Danach schwärmt die Gruppe aus, auf der Suche nach dem geeigneten Motiv. Man hat nun einen Fotoapparat mit genau einem Bild! Diese Reduzierung schärft den Blick, und fördert die aktive Auseinandersetzung mit dem Motiv. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit der Zeit. Die Lichtintensität wird von mir vor Ort gemessen und errechnet. Je nach Sonnenschein entstehen Belichtungszeiten von 10min bis zu einer Stunde. Personen oder bewegte Objekte verschwinden meist. Sonnenverlauf, Wind und Wolken beeinfussen das Bild maßgeblich und werfen einen poetischen Blick auf eine entschleunigte Welt. Auch die Kamera zu bewegen oder mit mehreren Löchern zu belichten kann interessant sein. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Mut zum Experiment! Kalamoon Universität, Syrien 2010 URWALD Saarbrücken, DBU 2006 Weitere Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Wahl der Fotomaterialien: Schwarz/Weiss oder Farbe, Papier oder Film, Positiv oder Negativ. Wer mehrere Foto's belichten möchte, muss in der „großen Kiste“ nachladen oder mehrere Kameras bauen. Auch hier gibt es Unterschiede: Lochkameras können die unterschiedlichste Form haben und hochspezialisiert sein, z.B. als Panoramakamera im Köfferchen mit Winkeln bis zu 180° oder Röhrenkameras aus Staubsaugerrohr, die selbst Profs zur Aufnahme einer Sonnenfnsternis verwenden. Sogar ein Schuh oder eine Nuss lassen sich umfunktionieren... Nach der Belichtung werden die Bilder von mir in der Dunkelkammer entwickelt – diese Arbeit ist mit einer Gruppe nicht zu bewerkstelligen und deshalb kein Teil des Workshop. Einzelne Interessierte können aber dennoch assistieren. Nach einem mehrtägigen Workshop kann eine kleine Ausstellung entstehen. Besonders der Kontrast aus unterschiedlichen Formaten und die Kombination von s/w und Farbaufnahmen sind sehr reizvoll. Erweiterter Kurs Postproduktion TEIL III. - Printtechnik Wenn mit einer Lochkamera Negative auf Film erstellt wurden, lassen sich hiermit durch kopieren auf Papier Positive erzeugen. Normalerweise ist dies eine Prozedur für die Dunkelkammer und wenig für Workshops geeignet. Tatsächlich birgt der Vorgang aber mindestens so viele kreative Möglichkeiten wie der Prozess der Aufnahme selbst. Deshalb greife ich auf sehr niedrig empfndliche Fotopapiere und lichtempfndliche Emulsionen zurück, wie sie in den Anfängen der Fotografe verwendet wurden. Sie erlauben es den Positiv-Print während eines Kaffeekränzchen bei Sonnenschein mit Tageslicht durchzuführen. Dabei können die Teilnehmer zusehen wie die Ausbelichtung in der Sonne entsteht – ein weiterer „magischer Moment“. Die Qualität solcher Kontaktkopien ist überragend, da kein Verlust durch Vergrößerung entsteht. Für die einfachste Variante verwende ich vorgefertigte Papiere auf Silberbasis. Es entsteht ein Bild mit Kaffee-braunen Schattierungen auf weissem Grund. Der Umgang mit solchen Papieren ist selbst Kindern möglich. Als Erweiterung für Jugendliche und Erwachsene bietet sich die Cyanotypie an. Papiernegativ Farbe 130 x 260cm Verwendet wird eine Fotoemulsion auf Eisenbasis, die in der Ausbelichtung Preussisch-Blau reagiert. Fixiert wird mit Wasser. Der interessante Aspekt einer solchen Emulsion ist, man kann ihn auf die unterschiedlichsten Trägermaterialien auftragen. Besonders gut eignen sich Stoffe wie Damast (auch in Farbvarianten), aber auch feste Träger wie z.B. Holz lassen sich verwenden. Dabei kann es schon mal verkommen das zusätzlich andere Objekte zur Gestaltung auf dem Print landen, wie Blätter und Gras oder ähnliches, oder ganz ohne Negativ gearbeitet wird; das Resultat ist ein Fotogramm. Erweiterter Kurs Einführung Geschichte TEIL IV. - Bildervortrag (ab 16J.) Es lässt sich ohne Übertreibung feststellen: Die Camera Obscura ist Teil der menschlichen Historie und Physis, Archetyp der Psychologie und Katalysator von Kunst und Wissenschaft. Die Zusammenhänge des physikalischen Phänomens sind so umfangreich wie komplex, dass es Bücher füllt. Ein ca. 90 minütiger Vortrag soll zumindest die wichtigsten Aspekte zusammenfassen.Von ersten Entdeckungen in China, Griechenland und Ägypten vor über tausend Jahren, zu high-tech Anwendungen in der Raumfahrt.Von der Sonnenuhr über Schifffahrtsnavigation zum Kalender. Besonderes Augenmerk verdient die Entwicklung der Malerei ab der Renaissance. Im Katholizismus des Mittelalters noch als Teufelszeug gebrandmarkt mussten Maler wie Caravaggio (dessen Kunst ohne die Camera Obscura undenkbar wäre) die Technik ihres „Superrealismus“ noch streng geheim halten. Diese erst kürzlich gemachten Erkenntnisse stellen die Fotografe historisch in einen ganz neuen Kontext zur Malerei. Und tatsächlich, die Arbeit mit der Camera Obscura erinnert an das malen mit Licht. Darüber hinaus werden konkrete Themen des Kamerabau und der Lochblende erörtert, Wissen für die spätere Handhabung. Und letztendlich ein kurzer Einblick in die zeitgenössische Kunst mit diesem Medium. Appetitanreger für die praktische Arbeit. Organisation Ein Workshop kann zwischen 1 bis 8 Tage umfassen. Für ganz junge Teilnehmer sind 1 oder 2 Tage ausreichend. Für Jugendliche und Erwachsene empfehlt sich ein Minimum von 2 Tagen. Das komplette Angebot ist in 5-8 Tagen zu realisieren. Erforderlich ist mindestens ein Tag Pause (Dunkelkammertag) nach den Aufnahmen, für die Entwicklung der Negative. Technik und Material wird vom Künstler gestellt / organisiert. Ein Intensiv-Workshop, der sämtliche Teile beinhaltet, könnte folgendermaßen aussehen Woche 1: – Einführung in die Materie: Physik, Geschichte/Malerei – Verwandeln eines Raums in eine Camera Obscura nach Johannes Kepler (Astronomie) – Herstellen der persönlichen Kamera – Motivsuche, Belichtung (Poesie der Langzeitbelichtung,Verschwinden von schnell beweglichen Objekten) – Entwicklung der Negative Woche 2: – Kopieren der Filmnegative im Kontaktverfahren – Theorie lichtempfndlicher Stoffe, Kunstdruckverfahren (Cyanotypie, Platindruck, etc.) – Erstellung einer füssigen Fotoemulsion und Beschichtung unterschiedlicher Trägermaterialien (Holz, Stoff, Papier, etc.) abschliessende Präsentation in einer Ausstellung Weitere Bilder meiner Arbeit mit der Camera Obscura und eines Workshop fnden Sie unter: http://www.heimat.de/halqa/cameraobscura/COindex.html auf meiner Web-Site www.halqa.de Götz Rogge e-mail: [email protected] fon: +49-3322-209251 mobil: +49-176.513.20601 14612 Falkensee, Arcostr.6