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STEIN TIME 2 | 2010
Architektur + Naturstein
ÖSTERREICH
Naturstein ist nachhaltig I das Ergebnis einer Studie
Die Stadt, der Stein und das Bauen I im Gespräch mit Christoph Mäckler
2 I 2010
EDITORIAL
NUR FASSADE, DAS REICHT LÄNGST NICHT MEHR. Die
Grundfragen des Bauens, so scheint es, rücken in den Mittelpunkt. Ab Mitte der 1990ziger-Jahre wuchsen die ersten grünen,
sogenannten ökologischen und natürlich nachhaltigen Bürotürme
in den Himmel: Der Commerzbank-Turm in Frankfurt am Main
oder die RWE-Verwaltung in Essen seien hier als Beispiele
genannt. Allen gemeinsam ist eine fast vollständige Verglasung
der Außenhaut. Erste Zweifel an der Funktionstüchtigkeit dieser
und ähnlicher Konzepte weckten von der VÖN in Auftrag gegebene Studien der TU Wien: Die Glashäuser heizen sich übermäßig auf, brauchen eine intensive Klimatisierung einschließlich
des entsprechenden Energieverbrauchs.
VORTEIL STEIN:
EINE STUDIE
BRINGT
DEN BEWEIS
Wer immer noch auf einen unumstößlichen Nachweis gewartet
hatte, dem kann jetzt geholfen werden. Im Auftrag des Deutschen
Naturwerkstein-Verbands (DNV) wurde eine Studie verfasst, die
sich mit der Nachhaltigkeit von Natursteinfassaden im Vergleich
zu Glasfassaden auseinandersetzt. Allein beim wichtigen Faktor
Primärenergiebedarf zeigte sich die Natursteinfassade um den
Faktor Vier überlegen. Und: Die betrachteten Umwelteinwirkungen der Glasfassade sind zwischen 60 Prozent und etwa
360 Prozent höher als die der Natursteinfassade.
Dauerhaftigkeit und ein nachhaltiger Betrieb von Gebäuden
muss in Zukunft, ganz abgesehen von einer umweltschonenden
Produktion und Verarbeitung der zum Bau benötigten Produkte,
noch stärker in unser aller Bewusstsein treten. Naturstein bringt
dafür alle notwendigen Voraussetzungen mit.
Dr. Anton Helbich-Poschacher
Vorsitzender der Vereinigung
Österreichischer Natursteinwerke
3
INHALT
8
Der grüne Wahnsinn: Für den
Architekten Hans Kollhoff ist nachhaltiges Bauen ein Phantom, das
nur der kurzfristigen Umsatzentwicklung für bestimmte Produkte
dient, während die gewachsene
Stadt und die traditionelle
moderne Architektur auf den
Müllhaufen der Baugeschichte
kommen. Eine Streitschrift.
12
16
Naturstein ist cool: Die Finanzkrise hat
das Thema Klimawandel zwar zunächst
aus den Schlagzeilen verdrängt, das
Problem bleibt aber bestehen. Eine Studie
zeigt jetzt eine neue Möglichkeit auf, der
globalen Erwärmung zu begegnen: bauen
mit Naturstein.
Die Stadt, das Bauen und der Stein: Wohin
entwickeln sich unsere Städte? Stimmen
die Vorurteile über ehrgeizige Investoren,
ahnungslose Politiker und hilflose Bürger?
Kann man Städte planen? Und welche
Rolle spielen Materialien in der zeitgemäßen Architektur? Der Frankfurter Architekt
Christoph Mäckler gibt Antworten.
50
Glocken, Bänder, Tropfen: Mal ist
Wasser kaum zu hören, tröpfelt leise
von Stein zu Stein, dann plumpst es
wieder laut und geräuschvoll als
großer Schwall in ein Becken:
Wasser klingt nach etwas, hat Melodie in sich, spuckt Töne aus. Sein und
Wasser im modernen Garten: ein
Thema voller Inspirationen.
4
STEIN TIME 2 I 10
TRENDS
6
Die aktuellen Seiten von STEIN TIME
ARCHITEKTUR
8
Die Streitschift: der grüne Wahnsinn
12
Die Studie: Bauen mit Naturstein ist nachhaltig
16
Die Antworten: die Stadt, das Bauen und der Stein
22
Die Möglichkeiten: Fassaden richtig montieren
26
Die Details: Schönheit im Verborgenen
32
Die Geschichte: Universität in Frankfur t am Main
38
Die dritte Dimension: Fassade in Kopenhagen
INNEN
43
Die Villa: Hang zum Naturstein
PLÄTZE
46
St. Veit: ein neuer Platz für die Gemeinde
48
Mödling: ein Kirchplatz als Labyrinth
GÄRTEN
50
Der Gar ten: Wasser und Stein
ART
54
Gottfried Höllwarth: Skulpturen, Segmente und X
STANDARDS
57
VÖN intern
Impressum
Fotonachweis
REDAKTION
Willy Hafner, Katharina Baus,
Ariane Suckfüll, Richard Watzke;
Streitfeldstraße 35 · D-81673 München
Tel. +49 89/43 60 05-124
Fax +49 89/43 60 05-113
www.s-stein.com
VERLAG
Callwey Verlag
Streitfeldstraße 35 · D-81673 München
Tel. +49 89/43 60 05-0
Fax +49 89/43 60 05-113
www.callwey.de
HERAUSGEBER
Vereinigung Österreichischer
Natursteinwerke
Scharitzerstraße 5 · A-4020 Linz
F r die Zukunft gestalten.
5
TRENDS
GaLaBau 2010
Marmomacc 2010
Zurück zur klaren Linie
Design trifft auf Stein
RICHARD WATZKE
MICHAEL SENN
Die Messe GaLaBau gilt als
eine Leitmesse der grünen
Branche. Vom 15. bis 18. September 2010 informierten sich
mehr als 60 000 Besucher auf
dem Messegelände Nürnberg
über Neuheiten für den Gartenund Landschaftsbau. Zahlrei-
Planer und Bauherren vermehrt
klarere Linien und strengere
Formen. Passend zu diesem
Trend präsentierten die Hersteller verschiedene Systemmauerwerke aus Sandstein und
Kalkstein. Die einzelnen Mauersteine sind so aufeinander
Die 45. Internationale Natursteinmesse Marmomacc in
Verona schloss mit einer positiven Bilanz. 56 000 Besucher,
das entspricht einem Plus von
sechs Prozent gegenüber
2009, sahen Maschinen,
Werkzeuge und vor allem
Steine aus aller Welt. Rund
1 500 Aussteller aus 130 Ländern präsentierten sich. Die
großen Produzenten Brasilien,
Indien oder die Türkei zeigten
zwar eine enorme Materialvielfalt, wurden aber in puncto
Design und Innovation von
europäischen Ausstellern auf
die Plätze verwiesen. Wie in
den Jahren zuvor zeigten vor
allem italienische Hersteller,
wie groß die Bandbreite zeitgemäßer Gestaltung mit Naturstein ist. Angesichts des rück-
Marmorhaus von Thomas Sandell:
Mit ihrem Messestand beteiligte
sich Marsotto edizioni an der
Sonderschau Marmomacc meets
design.
läufigen Marktes für Standardsorten und Bearbeitungen treten vor allem italienische Verarbeiter die Flucht nach vorn
an, indem sie mit namhaften
Designern und Architekten
kooperieren.
Qualitätspflaster in Österreich
WILLY HAFNER
Der Trend beim Naturstein im Gartenbau geht wieder zu reduzierter
Gestaltung mit klaren Linien und strengen Formen.
che Messestände aus der
Natursteinbranche belegten,
dass Naturstein im Garten in
der Gunst der Bauherren und
Gestalter weiterhin steigt. Den
Ausstellern zufolge trafen die
vorgestellten Produkte aus
Naturstein den Nerv der Zeit:
Vor allem Kalksteine, Travertine und Sandsteine aus dem
europäischen Raum waren
gefragt. Besonders beim Mauerwerk im Garten wünschen
abgestimmt, dass sie ein
fugenlos versetzbares Mauerwerk mit gleichbleibenden
Schichthöhen ergeben, das in
der Ansichtsseite deutlich weniger Bossen besitzt. Die aktuellen Steinoberflächen reichen
von getrommelt bis bossiert,
zugleich steigt aber auch die
Nachfrage nach geschliffenen
Oberflächen. Die nächste
GaLaBau-Messe findet vom 12.
bis 15. September 2012 statt.
Das Forum Qualitätspflaster
(FQP) ist eine Qualitätsgemeinschaft österreichischer Unternehmen und Institutionen, die
sich zur Förderung der Pflasterkultur bekennen. Mitglieder
sind österreichische Hersteller
von Pflaster-, Fugen- und Bettungsmaterialien, geräte- und
maschinenherstellende Unternehmen, Zulieferer, qualifizierte ausführende Unternehmen, Architekten und Planer,
Institutionen und Bauherrn.
Das FQP ist eine neutrale Informationsplattform rund um das
Thema Pflasterungen und stellt
den Nutzen für Bauherren in
den Mittelpunkt. Das Forum
Qualitätspflaster fordert von
seinen Mitgliedern die Erfüllung definierter Qualitätskriterien und Standesregeln, um
damit langfristig die Reputation der Pflasterbranche zu
erhalten. Mitglieder dürfen
das Markenzeichen FQP führen und sind verpflichtet, das
FQP-Logo gemäß Nutzungsvertrag zu verbreiten und die
Marke FQP aktiv zu stärken.
www.fqp.at
HTL-Natursteinpreis 2010
Schüler gestalten mit Naturstein
RICHARD WATZKE
Der von der Vereinigung Österreichischer Natursteinwerke
(VÖN) seit 2008 durchgeführte
HTL-Natursteinpreis ist ein
Wettbewerb für innovative, nutzerorientierte Projekte aus
Naturstein im Innen- und
Außenbereich. Beim Wettbewerb 2010 an der HTL1 Bau
und Design in Linz nahmen 71
österreichische Quarzite und
Kalkstein für den Bodenbelag
und das Mobiliar. Wegen ihrer
intensiven Auseinandersetzung
mit den technischen und
gestalterischen Eigenschaften
der jeweiligen Natursteine und
der grafisch überzeugenden
Präsentation des Projekts
kürte die Jury aus HTL-Lehrern
V. l.: VÖN-Präsident Dr.
Anton Helbich-Poschacher,
Abteilungsvorstand Prof.
DI Christian Armbruster
und Andreas Umhaller,
Paul Schmidberger sowie
Stefan Weihrauch, die sich
mit ihrem Konzept zur
Neugestaltung des Linzer
Bernaschek-Platzes durchsetzten.
Schüler der 11. und 12. Schulstufe aus vier Klassen teil. In
Gruppenarbeiten entstanden
38 Einreichungen, aus denen
ein Beitrag von drei Schülern
der 3. Klasse Bautechnik
besonders hervorstach. In
ihrem Projekt gestalteten sie
den Linzer Bernaschekplatz
neu und verwendeten dazu
und Vertretern der VÖN diesen
Wettbewerbsbeitrag zum
Gesamtsieger. Mittlerweile
wird der Wettbewerb auf ganz
Österreich ausgeweitet. Mehrere HTLs in ganz Österreich
werden ab dem Herbst 2010
teilnehmen.
Natursteinpreis europaweit
ausgeschrieben
WILLY HAFNER
Der Deutsche Naturstein-Preis,
einer der renommiertesten
Architekturpreise in Deutschland, wird 2011 erstmals
europaweit ausgeschrieben
und erhält den Untertitel
»European Architecture +
Stone«. Der Preis stellt Naturstein als einen Baustoff in den
Vordergrund, der hinsichtlich
der Rücksichtnahme auf
Umwelt, Nachhaltigkeit und
Energieeffizienz vorbildlich ist.
Es werden Baukonzepte in
Europa ausgezeichnet, die beispielhaft für eine hohe architektonische Qualität, eine technisch-innovative Anwendung
und eine wirtschaftliche Konstruktion aus Naturstein stehen. Prämiert wird die vorbildli-
che Gestaltung und technisch
zeitgemäße Konstruktion von
Projekten in Europa, unter
maßgeblicher Verwendung von
Naturstein aus Europa, ausgeführt von Naturstein-Fachbetrieben. Der Preis wird für realisierte Bauwerke vergeben, bei
denen dem Baustoff Naturstein
eine besondere architektonische Bedeutung zukommt und
die beispielhafte Lösungen für
die Gestaltung unserer Umwelt
darstellen. Ausgelobt wird der
Deutsche Naturstein-Preis vom
Deutschen Naturwerkstein-Verband (DNV) in Zusammenarbeit
mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA), Berlin.
Wettbewerbsunterlagen:
www.natursteinverband.de
7
ARCHITEKTUR
NATURSTEIN?
COOL!
VON JÖRG STEPHAN
ie Finanzkrise hat das Thema Klimawandel zwar zunächst aus den Schlagzeilen verdrängt, das Problem bleibt
aber bestehen. Eine Studie zeigt jetzt eine
neue Möglichkeit auf, der globalen Erwärmung zu begegnen: bauen mit Naturstein.
D
12
STEIN TIME 2 I 10
Eine Studie beweist:
Steinfassaden sind um
ein Vielfaches nachhaltiger als Glasfassaden.
BRAD PITT UND ANGELINA JOLIE
TUN ES,George Clooney tut es, Al
Gore tut es natürlich auch, und viele
andere Menschen tun es ihnen gleich:
Sie pflegen einen »Lifestyle of Health
and Sustainability« – eine gesunde und
nachhaltige Lebensweise. Man nennt
sie kurz »Lohas«. Was gesund ist, wissen wir alle, auch wenn wir es im Alltag nicht immer beherzigen, der Begriff
»Nachhaltigkeit« hingegen bedar f vielfach noch der Erläuterung. Wer hat den
Begriff er funden? Ausnahmsweise einmal nicht die Schweizer, sondern die
kursächsische Forstverwaltung, und
zwar bereits im 16. Jahrhundert. Da
erließ sie ein Dekret, demzufolge für
die Verbauung in den kur fürstlichen
Bergwerken nur so viel Holz eingesetzt
werden dur fte, wie die Gehölze ertragen konnten. Ein Grundsatz, der in der
Forstwirtschaft bald allgemein Anwen-
Natursteinfassaden bewirken
eine geringere Aufheizung des
Gebäudeinneren bei Sonneneinstrahlung.
dung fand: Die Menge des geschlagenen Holzes dar f die Menge des durch
Hege und Pflege des Waldes nachwachsenden Holzes nicht überschreiten. Diese Erkenntnis setzte sich
schnell international durch, und die Briten fanden dafür den Begriff
»sustained yield«, also: nachhaltiger
Ertrag. Im geläufigen, umfassenden
Sinne wird »Nachhaltigkeit« erst seit
Ende der 1980-er-Jahre verwendet.
Noch im Bericht der Brundtland-Kommission, die 1987 im Auftrag der UNO
ein Konzept für eine gerechte und ökologisch wie ökonomisch verantwortungsvolle Entwicklung unseres Planeten skizzierte, kam das Wort nicht vor.
Aber der von der Kommission beschriebene Weg ließ sich durch keinen anderen Begriff besser auf den Punkt bringen und begründete dessen bis heute
er folgreiche Karriere. Konzerne veröffentlichen Nachhaltigkeitsberichte,
Regierungen gründen Nachhaltigkeitsausschüsse, Hersteller von Automobilen, Fernsehgeräten und Müsliriegeln
schmücken sich ebenso mit dem
Signum der Nachhaltigkeit wie Konzertveranstalter und Ferienclubs. Je inflationärer die Verwendung, desto größer
ist die Gefahr, dass der Kern einer
Aussage in Vergessenheit gerät. So
verkommt ein Begriff zum Modewort.
Auch in der Baubranche wurde Nachhaltigkeit bald zu einem beliebten PRArgument. Ab Mitte der 1990-er-Jahre
wuchsen grüne, ökologische und natürlich nachhaltige Bürotürme in den deutschen Himmel: Der Commerzbank-Turm
in Frankfurt am Main, die RWE-Verwaltung in Essen und das ARAG-Hochhaus
in Düsseldor f seien hier nur als Beispiel genannt. Allen gemeinsam ist
eine fast vollständige Verglasung der
Außenhaut. Transparenz war das Zauberwort. Ausgeklügelte Fassadendetails und rechnergestützte Haustechnik
sollten die baulichen Riesen zu energetischen Zwergen machen, der RWEZylinder sollte gar als erstes Hochhaus
vollständig natürlich zu belüften sein,
bis hinauf in die 30. Etage. Erste Zweifel an der Funktionstüchtigkeit dieser
und ähnlicher Konzepte weckten Studien der TU Wien sowie des Instituts
für Wohnen und Umwelt in Darmstadt.
Das Problem war offenkundig: Die
Glashäuser heizten sich übermäßig
auf. Abhilfe konnte nur auf zwei Wegen
geschaffen werden. Lösung eins: intensive Klimatisierung einschließlich des
entsprechenden Energieverbrauchs.
Oder Lösung zwei: radikale Verschattung mit dem entsprechenden Verlust
an Transparenz und der widersinnigen
Konsequenz, gerade an den sonnigsten Tagen die Arbeitsplätze künstlich
beleuchten zu müssen.
GLASFASSADEN SIND ZU TEUER
Die Kritik sprach sich herum: Schon
2007 stellte der Bayerische Oberste
13
ARCHITEKTUR
Die beim Bau von Natursteinfassaden verwendeten Materialien
sind wesentlich langlebiger als
diejenigen, die bei Glasfassaden
zum Einsatz kommen.
Rechnungshof in seinem Jahresbericht
fest: »Eine umfangreiche Studie hat ergeben, dass Glasfassaden in Planung,
Bau und Betrieb aufwendiger und teurer sind als Fassaden in konventioneller Bauweise.« Nach Ansicht des Bayerischen Rechnungshofs sollten bei
staatlichen Baumaßnahmen Glasfassaden nur in besonders begründeten
Fällen zur Ausführung kommen. Wer
wissen wollte, hätte es schon länger
wissen können. Wer immer noch auf
einen unumstößlichen Nachweis gewartet hatte, dem kann jetzt geholfen werden. Im Auftrag des Deutschen Naturwerkstein-Verbands (DNV) hat die
Consulting Firma PE-International eine
Studie verfasst, die sich mit der Nachhaltigkeit von Natursteinfassaden im
Fassaden aus Naturstein sind in puncto Primärenergiebedarf bezogen auf einen Lebenszyklus
von 100 Jahren um das Vierfache besser als
eine konventionelle Glasfassade.
14
Vergleich zur Glasfassade auseinandersetzt.
VORTEIL STEIN
Die Studie besteht aus zwei Teilen, im
ersten Teil wird ein Quadratmeter einer
typischen Natursteinfassade vor einer
Betontragwand und hinterlüfteter Wärmedämmung mit einem Quadratmeter
einer typischen Glasfassade verglichen. Im zweiten Teil der Studie werden verschiedene Fassadenkonstruktionen an einem realisierten Bauprojekt
untersucht. Verglichen wurden
zunächst eine klassische hinterlüftete
Natursteinbekleidung mit vier Zentimetern Steindicke und eine Betontragwand mit einer ebenso klassischen
Pfosten-Riegel-Konstruktion mit Wärme-
schutzverglasung, betrachtet auf einen
Nutzungszeitraum von 100 Jahren. Der
Materialverschleiß und die daraus folgenden Austauschzyklen wurden auf
der Basis des »Leitfadens nachhaltiges
Bauen« des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
berücksichtigt. Die Informationen stammen also, wie alle anderen Eckdaten,
aus unparteiischer Quelle. Betrachtet
wurde der gesamte »Lebenslauf« der
Konstruktionen, von der Herstellung
und Montage über den Betrieb und
Unterhalt bis hin zur Entsorgung oder
Wiederverwertung recyclingfähiger
Bestandteile, in Fachkreisen LCA
(= Life Cycle Assessment) genannt.
EINDEUTIGES ERGEBNIS
Basis der Studie waren darüber hinaus
die sogenannte CML-Methode, die
1992 in den Niederlanden für die
Erstellung vergleichbarer Ökobilanzen
entwickelt wurde, sowie ein Normenwerk, das als zuverlässige und international gültige Grundlage von Nachhaltigkeitsstudien geschaffen wurde. Im
vorliegenden Fall konnten die Ergeb-
Die Umweltbelastungen, die während der Herstellung, Nutzung und des Lebensendes einer
Glasfassade entstehen, sind zwischen 60 und
360 % höher als die der Natursteinfassade.
STEIN TIME 2 I 10
Auch die Kosten für Heiz- und
Kühlbedarf eines Gebäudes hängen wesentlich von der Art der
Fassadenkonstruktion ab.
nisse kaum deutlicher sein: Allein beim
wichtigen Faktor Primärenergiebedar f
zeigte sich die Natursteinfassade um
den Faktor vier überlegen: Statt annähernd 6 000 Megajoule Energieeinsatz
begnügte sie sich mit knapp 1 500
Megajoule. Die betrachteten Umwelteinwirkungen der Glasfassade sind
zwischen 60 Prozent und rund 360
Prozent höher als die der Natursteinfassade: So beträgt das Treibhauspotenzial (CO2-Äquivalent; GWP) der
Glasfassade mehr als das 2,5-Fache
des Wertes der Natursteinfassade.
Das Ozonabbaupotenzial (R 11; ODP),
das für den Abbau der Ozonschicht in
der Stratosphäre verantwortlich ist, ist
mehr als das 1,5-Fache, das Versauerungspotenzial (SO2-Äquivalent; AP) um
mehr als das Dreifache und das Eutrophierungspotenzial (PO2-Äquivalent; EP)
um das 4,5-Fache höher als die Werte
der Natursteinfassade. Auch das für
die Bildung bodennahen Ozons verantwortliche Sommersmogpotenzial (C2H4Äquivalent; POCP) besitzt bei der Glasfassade einen mehr als viermal so
hohen Wert als bei der Natursteinfassade. Die Verwendung von Naturstein
schlägt sich aber nicht nur in einem
reinen Umweltgewissen, sondern auch
in barer Münze nieder. Ausgetauscht
werden muss nämlich bei der Glasfassade: der innen liegende Sonnenschutz
alle 15 Jahre, die Dichtungen alle 20
Jahre, die Verglasung alle 25 Jahre
und die Aluminiumrahmen alle 50
Jahre. Das geht ins Geld. Beim Naturstein wurde ein Wechsel der Wärmedämmung alle 30 Jahre sowie ein kompletter Austausch der Fassade einschließlich Unterkonstruktion alle 80
Jahre berücksichtigt. (Dies ist den
Festlegungen im »Leitfaden nachhaltiges Bauen« geschuldet, in der Baupraxis können längere Nutzungsdauern
erzielt werden.) Neben den Herstellungs- und Instandsetzungskosten der
Gebäudehüllen sind die Unterhaltungskosten des Gebäudes von großer
Bedeutung. Diese Kosten werden insbesondere durch den Bedar f an Heizungs- oder Kühlenergie für das
Gebäude bestimmt, die wesentlich von
der Fassadenkonstruktion abhängen.
So ist der für den Wärmeschutz bedeutende U-Wert bei der Natursteinfassade mit 0,32 W/m2 wesentlich geringer als bei der Glasfassade mit 1,25
W/m2. Das bedeutet, dass die Transmissionswärmeverluste und damit der
Wärmebedar f des Gebäudes bei der
Natursteinfassade deutlich geringer
sind. Die ökonomischen und ökologischen Auswirkungen der Wärmeverluste im Winter sowie des im Sommer
benötigten enormen Kühlbedar fs bei
großflächigen Glasflächen wurden in
dieser Studie noch nicht berücksichtigt. Laut einer Untersuchung des
Darmstädter Instituts Wohnen und
Umwelt liegt der Energiebedar f eines
Gebäudes mit konventioneller Natursteinfassade zwischen 100 und 150
Kilowattstunden pro Quadratmeter und
Jahr, während der Primärenergieverbrauch bei Glasgebäuden zwischen
300 und 700 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr anzusiedeln ist und
somit dem Niveau schlechter Altbauten
entspricht. Die er forderliche regelmäßige Reinigung der Glasfassade
schlägt mit durchschnittlich 1,50 Euro
je Quadratmeter Fassadenfläche zu
Buche. So hat also ein Gebäude, das
vollständig mit Stein verkleidet wird,
beste Nachhaltigkeitswerte und
geringe Betriebskosten, aber auch
einen kleinen Nachteil: Man sitzt im
Dunkeln. Daher wird im zweiten Teil der
Studie als Anwendungsbeispiel die konkret ausgeführte Fassadenkonstruktion
des Opernturms in Frankfurt am Main
mit zwei theoretischen Fassadenkonstruktionen verglichen. DIE KOMPLETTE STUDIE
Die Studie »Ökobilanz Naturstein« ist ab
Dezember 2010 erhältlich. Sie enthält
eine detaillierte Zusammenfassung der
zweiteiligen Ökobilanzstudie über Fassadenvarianten in Naturstein und Glas.
Download unter:
www.pronaturstein.at
Vereinigung
Österreichischer
Natursteinwerke
4020 Linz
Fon 0 76 12/8 73 36
Fax 0 76 12/8 94 33
15
ARCHITEKTUR
DIE STADT,
DAS BAUEN UND
DER STEIN
VON JÖRG STEPHAN
ohin entwickeln sich unsere Städte? Stimmen
die Vorurteile über ehrgeizige Investoren,
ahnungslose Politiker und hilflose Bürger? Kann
man Städte planen? Und welche Rolle spielen Materialien in der zeitgemäßen Architektur? Der Frankfurter
Architekt Christoph Mäckler gibt Antworten.
W
Architekt Christoph Mäckler setzt bei seinen
Bauten seit Langem auf das Material Stein.
Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der TU
Dortmund bringt Mäckler Architekturstudenten den Umgang mit dem »Werkstoff Stein«
in der zeitgemäßen Architektur nahe.
16
STEIN TIME 2 I 10
Die Eingangszone
des Opernturms in
Frankfurt am Main
DAS BÜRO MÄCKLER. KEINE GRÜNDERZEITVILLA im Grüngürtel der Stadt, keine
bürgerlich-klassizistischen Altbaufluchten.
Immerhin ein Hochhaus, so viel Mainhattan
darf es schon sein, aber eines der schlichteren, weniger spektakulären. Für alte Frankfurter ist es immer noch das Selmi-Haus, in
Erinnerung an einen legendären Frankfurter
Investor der Siebzigerjahre. Es herrscht eine
gelöste Stimmung, das bevorstehende
Wochenende verspricht sommerliche Entspannung. Christoph Mäckler möchte lieber
in seinem Arbeitszimmer reden. Ein Raum,
für dessen Benutzer Repräsentation erkennbar keine Priorität hat. Schmal, an der Fensterseite eine durchgehende Arbeitsplatte,
gut gefüllt, aber nicht chaotisch. In der
Nische gegenüber ein ebenfalls schmales
Podest mit Bücherregalen, davor zwei Besuchersessel, irgendwo ein kleiner Bildschirm.
Ein Hauch englischer Clubatmosphäre.
Irgendwie – da sollte es ein besseres Wort
geben, gibt es aber nicht – »gemütlich«.
Mäckler kommt aus einer Besprechung und
würde jetzt gern erstmal eine Zigarette rauchen. Dankbar nutzt der Besucher aus Bayern die Gelegenheit, Toleranz beweisen zu
können, insbesondere Rauchern gegenüber.
Keine Einwände also. Dann kann es losgehen.
STEIN TIME: Sie sehen Bauen als Reaktion
auf das Vorhandene, können Sie ein Beispiel
geben?
Christoph Mäckler: Nehmen Sie als Beispiel
den Campus Westend hier in Frankfurt. Da
habe ich die Stadt bei der Erstellung einer
Gestaltungssatzung beraten. Und dabei
Der Opernturm in Frankfurt/Main im
Überblick. Das Sockelbauwerk bindet das
Haus in den städtischen Kontext ein.
17
ARCHITEKTUR
Wiederentdeckte Techniken:
Mäcklers in den Neunzigerjahren in
Berlin entstandener »Lindencorso«
stand der Ensemble-Gedanke klar im
Vordergrund – ich hatte da immer das
Beispiel Princeton vor Augen. Unsere
Vorgaben gingen recht weit: Lochfassaden, Naturstein und ein paar andere
Dinge waren zwingend gefordert. Trotzdem war das Ergebnis sehr vielfältig
und abwechslungsreich, die haben ja
nicht einmal den gleichen Stein benutzt.
Auch die Qualität ist sehr unterschiedlich, aber das ist ja gerade einer der
Vorzüge des Ensembles, dass es solche Niveauunterschiede verträgt.
STEIN TIME: Wird so ein »Korsett« nicht
von vielen Ihrer Kollegen als einengend
empfunden?
Christoph Mäckler: Man muss wissen,
dass man bei einem solchen Verfahren
Kritik auf sich zieht. Bewerbungen von
Kollegen, die mit ihrer Architektur nur
Markenzeichen setzen wollen, konnten
natürlich nicht berücksichtigt werden.
STEIN TIME: Was sind die Marken?
Christoph Mäckler: Eine Architektur, die
nur auf Wiedererkennbarkeit setzt. Wenn
also jemand nur mit weißen Metallpa-
18
neelen oder verknittertem Aluminium
oder verdrehtem Sichtbeton bauen will
oder kann, ohne erkennbar Rücksicht
auf die Umgebung seines Baus zu nehmen. Da entsteht Eventarchitektur, die
nur auf sich selbst bezogen dasteht und
den Kontext ignoriert. Das wollten wir
beim Campus Westend vermeiden.
STEIN TIME: Wenn Sie Kontext sagen,
ist das ja auch der historische Kontext.
Da hat in Deutschland einerseits der
Krieg gewaltige Verluste verursacht,
andererseits steht der historische
Bezug immer noch unter dem Generalverdacht der Rückwärtsgewandtheit.
Wirkt da immer noch das unselige Erbe
des Dritten Reiches nach?
Christoph Mäckler: Der Nationalsozialismus hat unglaublich vieles besudelt,
das wirkt tatsächlich bis heute spürbar
nach. Und natürlich habe auch ich früher die Naziarchitektur als »faschistisch« bezeichnet. Aber diese Art des
Neo-Klassizismus wurde doch damals
auf der ganzen Welt gebaut, auch
schon lange vor den Nazis. Die haben
das nur noch monumentaler und noch
abweisender gemacht als die anderen.
Aber deswegen kann man doch nicht
alle Stilelemente, die damals verwendet wurden, zum Tabu erklären. Eine
Debatte wie die über den möglichen
Abriss des deutschen Biennale-Pavillons in Venedig ist doch einfach nur
lächerlich.
STEIN TIME: Aber spricht denn diese
Architektur nicht tatsächlich die »Sprache des Herrenmenschen«?
Christoph Mäckler: Lassen Sie mich
Ihnen ein Beispiel geben: Als wir Ende
der Achtzigerjahre die ständige Vertretung der Bundesrepublik »bei der DDR«
bauten, ging ich oft zu Fuß vom Grenzkontrollpunkt zur Baustelle. Der Weg
führte am Gebäude des ehemaligen
Reichsluftfahrtministeriums vorbei, ein
großer grauer Kasten. Nachdem da
mittlerweile irgendeine DDR-Behörde
untergebracht war, standen natürlich
auch Volkspolizisten davor – das hatte
schon was Bedrohliches. Nach der
Wende hingen dann irgendwann Bundesadler am Gebäude. Als ich das sah,
ließ ich mich einmal durch das
Gebäude führen. Und obwohl sich da
seit Görings Zeiten noch nicht viel verändert hatte: Die Angst war weg. Es ist
nie die Architektur, die Menschen unter-
STEIN TIME 2 I 10
drückt, es sind die Menschen selber.
Sie können jemanden auch im Keller
eines Glashauses foltern, das Gebäude
ist dafür nicht verantwortlich.
STEIN TIME: Wie erklären Sie sich dann
diese Berührungsangst gegenüber der
Geschichte?
Christoph Mäckler: Nach dem Krieg
wollte man in Deutschland nur nach
vorne schauen. Tradition war obsolet,
man konnte nicht einmal mehr einen
normalen Tisch bauen – so wurde der
Nierentisch erfunden. Hier in Frankfurt
hat man ernsthaft darüber nachgedacht, dem Dom ein Flachdach aufzusetzen. Hinzu kam, dass die besten
Architekten das Land verlassen hatten
und der Wiederaufbau zu bewältigen
war. Selbstverständlich konnte man
nicht erwarten, dass bei einer so
immensen Aufgabe ausschließlich hervorragende Architektur entsteht, aber
die Qualität insgesamt war doch recht
jämmerlich. Ausnahmen wie Sep Ruf,
Egon Eiermann, Helmut Hentrich in
Düsseldorf gab es natürlich auch. Aber
beherrschend war das Mittelmaß. Und
Säulen oder Symmetrie waren völlig
undenkbar, das NS-Trauma beherrschte
die gesamte Debatte. Man wandte sich
ab von der Geschichte und verlor darüber nach und nach den Bezug zum
Bauen – Städtebau, Raumplanung, das
alles wurde mehr und mehr theoretisiert und zu einer Angelegenheit der
Gesellschaftswissenschaften gemacht.
STEIN TIME: Aber lässt sich denn eine
Stadt, oder wie in Deutschland nach
dem Krieg Hunderte von Städten, wirklich planen? Die oft gerühmten toskanischen Vorbilder wie Siena oder Volterra,
das sind doch über die Jahrhunderte
gewachsene Strukturen. Können solche
Qualitäten wirklich über Stadtplanung
und Gestaltungssatzungen erreicht
werden?
Christoph Mäckler: Das ist ja ein weitverbreiteter Irrtum, diese Städte seien
sozusagen aus sich selbst heraus entstanden. Lesen Sie mal nach bei Leuten
wie Humbertz oder Braunfels, da gab es
verbindliche Vorschriften zu Material,
Farbe und Größe. Wenn da jemand
einen halben Meter zu hoch gebaut
hatte, durfte er wieder abreißen. Das
war genaue Planung, kein natürliches
Wachstum! Auch auf dem Campo von
Siena finden Sie mittelmäßige Architektur, aber die Qualität kommt über das
Ensemble, nicht über das inszeniert
Individuelle. In Frankfurt gab es im 19.
Jahrhundert den Baumeister Heß, bei
dem mussten sich die Bauherren Farbund Materialmuster anschauen; und wie
die Dächer und Fenster und Türen auszusehen hatten, das war bis ins Detail
geregelt. Da haben Menschen vom
Bauen etwas gewusst und dieses Wissen basierte auf Überlieferung und
Erfahrung. Daran müssen wir wieder
anknüpfen.
STEIN TIME: Sehen Sie die Zukunft
wirklich in der Rückbesinnung, Stichwort: Stadtschloss Berlin?
Christoph Mäckler: Um das ganz deutlich zu machen: Ich bin nicht für die
Rekonstruktion. Bei wenigen Bauten
von wirklich überragender Bedeutung ist
das sicher in Ordnung. Die Frauenkirche in Dresden, oder, wenn auch in
kleinerem Maßstab, die alte Bibliothek
hier in Frankfurt. Aber »alt« oder auf alt
gemacht ist doch kein Gütesiegel.
Schlechte Architektur und schlechte
Architekten gab es schon immer, auch
im Barock. Ich möchte traditionelle Elemente in zeitgemäßer Form neu interpretieren, anknüpfen an die Vormoderne oder die frühe Moderne. Die
Architekturkritik meckert seit hundert
Jahren über das 19. Jahrhundert, aber
nie hat einer erklärt, wie es denn hätte
gemacht werden sollen.
STEIN TIME: Können Sie uns am Beispiel Ihres jüngsten Bauwerks, dem
Opernturm in Frankfurt, erklären, wie
Stadtbaukunst für Sie funktioniert?
Christoph Mäckler: Der Opernturm ist
einfach ein vernünftiges, zeitgemäßes
Gebäude. Wir haben mit dem Sockel-
Das Torhaus am Frankfurter Westhafen mit einer Fassade aus Kirchheimer Muschelkalk
19
ARCHITEKTUR
Auch die großzügige
Lobby des Opernturms
prägt der Stein.
bau die Grenzen des Platzes um die
alte Oper herum wiederhergestellt,
dabei die bestehenden Traufhöhen aufgegriffen und uns mit der Lochfassade,
den Farben und dem Material auf das
vorhandene Vokabular bezogen.
Dadurch tragen wir dazu bei, den Charakter des Opernplatzes zu festigen.
Meine ganze Arbeit geht immer davon
aus, sich nach dem Ort zu richten,
nicht sich ihm zu widersetzen.
STEIN TIME: Der Opernturm erhielt ja
als erstes Gebäude in Europa ein Zertifikat für Nachhaltigkeit. Ist dieses
Thema für Ihr Büro wichtig, wie gehen
Sie in der Planungspraxis damit um?
Christoph Mäckler: Eigentlich gar nicht.
Überspitzt formuliert: Wir bauen seit 30
Jahren nachhaltig, ohne uns gezielt
darum zu bemühen. Nachhaltigkeit ist
bei intelligenter Planung fast ein Nebenprodukt. Der Opernturm hat eine zu 50
Prozent geschlossene Fassade, die
Fenster werden durch die Lisenen verschattet, das bewahrt ihn vor Überhitzung. Und spart Energie, ganz ohne
Solarkollektoren und Erdwärme. Außerdem verwenden wir dauerhafte, wenig
20
pflegeintensive Materialien, deren Alterungsverhalten wir kennen, und verarbeiten sie handwerklich und anwendungsgerecht. Holz zum Beispiel wird
nicht versiegelt oder lackiert. So sinken
die Nebenkosten eines Gebäudes, und
das ist für Investoren von Interesse.
STEIN TIME: Naturstein spielt bei diesem Projekt auch eine Rolle. Sie sind
vielleicht kein ausgesprochener SteinArchitekt, verwenden das Material aber
doch immer wieder. Was ist für sie das
Faszinierende am Stein?
Christoph Mäckler: Da gibt es unterschiedliche Gründe. Stein muss nicht
produziert werden. Glas, Stahl oder Aluminium durchlaufen komplizierte und
aufwendige Herstellungsprozesse. Stein
ist einfach da, man muss ihn sich nur
holen. Ich schätze seine Dauerhaftigkeit und ich mag seine Haptik und das
Spiel von Licht und Schatten auf den
unterschiedlichen Oberflächen. Bis in
die Neunzigerjahre gab es Naturstein
nur als hochglanzpolierte Fassadenplatten mit Kreuzfuge. Beim Lindencorso in
Berlin haben wir, als erste Architekten
nach dem Krieg glaube ich, wieder eine
Fassade steinmetztechnisch bearbeiten
lassen und seitdem eine Menge an
Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt. Das ist auch wichtig, wenigstens
ein bisschen Kenntnis sollte man da
schon haben. Granit ist für Kanneluren
zu hart und nicht jeder Stein kann im
Wasser stehen. Im Moment haben wir
ein Projekt, einen kleinen Belvedere in
einem Park, den wir aus massiven
Natursteinquadern errichten wollen.
STEIN TIME: Mit Tishman Speyer war ja
ein international ausgerichteter Investor
ihr Bauherr beim Opernturm. Sind Sie
nun auf dem Weg zum Global Player?
Christoph Mäckler: Die Idee allein finde
ich aberwitzig. Irgendwo Dinge planen
mit angelesenem Hintergrundwissen?
Das kann nicht gut gehen. Ich frühstücke gern mit meiner Familie und verbringe das Wochenende lieber zu Hause
als im Büro, da bin ich dann an drei
Tagen die Woche und weitere zwei am
Institut. Global Player, das macht keinen Spaß. Wenn der Bürgermeister von
Bamberg anruft und fragt, ob ich einen
Vorschlag für seine Bahnhofstraße
machen möchte – das macht Spaß. STEIN TIME 2 I 10
ARCHITEKTUR
Airtec Stone von
alsecco im Einsatz:
Verwaltungsgebäude
in Bad Oyenhausen
BITTE FESTHALTEN
VON JÖRG STEPHAN
ür Natursteinfassaden hat »Nachhaltigkeit«
doppelte Bedeutung: Einmal müssen sie natürlich
halten. Dafür sorgen verschiedenste Befestigungs- und Verankerungssysteme. Aber wie ist es um
die Nachhaltigkeit bestellt? Eine Bestandsaufnahme.
F
Eckdetail einer
Fassade
22
STEIN TIME 2 I 10
Hält dank T-Ankern:
Haus am Fluss an
der Weser in Bremen
DASS STEIN HART UND UNVERWÜSTLICH IST, hat schon fast sprichwörtlichen Charakter. Wenn unsere Zivilisation dereinst den Weg alles Irdischen
gegangen sein sollte, werden nur zwei
Zeugnisse ihres Wirkens noch Jahrhunderttausende überdauern: die ägyptischen Pyramiden und die Porträts der
US-Präsidenten am Mount Rushmore.
So gesehen kann an der Nachhaltigkeit des Materials Stein kein Zweifel
bestehen.
Aber pharaonenhafte Massivbauten
kann sich ein moderner Investor
ebenso wenig leisten wie den Umbau
der Zugspitze zu einem Verwaltungszentrum. An den zu erwartenden Widerstand gegen so ein Projekt wollen wir
gar nicht denken. Architektur muss wirtschaftlich sein und der Materialeinsatz
muss dementsprechend auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. So ist
im System »Fassade« der Stein nur ein
Bauteil von vielen, die im Wortsinn
tragende Rolle haben andere übernommen: Anker, Schienen und Profile. Auch
deren Hersteller haben das Thema
»Nachhaltigkeit« entdeckt und interpretieren es auf vielfältige und zum Teil
überraschende Art.
DÜNN MACHEN
Die Firma alsecco hat mit dem System
Airtec Stone eine spezielle NatursteinLeichtfassadenplatte entwickelt. Diese
Platte besteht aus einer acht bis zehn
Millimeter starken Natursteinplatte, die
mit einer 19 Millimeter messenden
Trägerplatte verbunden ist. Die daraus
resultierende Sandwichplatte hat je
nach Natursteinauswahl eine Dicke von
etwa 28 bis 30 Millimetern. Diese
Konstruktion ist bis zu 60 Prozent leichter als massiver Naturstein und eignet
sich daher besonders für Sanierungen
im Bestand. Die bauaufsichtlich zugelassenen Naturstein-Leichtfassadenplatten werden in verschiedenen Größen,
Formaten und Oberflächenvarianten
hergestellt. Je nach Anforderung und
Anspruch von Bauherren und Planern
können gemeinsam mit alsecco individuelle Lösungen erarbeitet und der spezifische Naturstein für das jeweilige
Objekt bestimmt werden. Dabei können
Natursteinplatten bis zu einer Größe
von 4,7 Quadratmetern eingesetzt werden. Noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten bietet ein abgestimmtes ZubehörProgramm, mit dem sich nahezu jede
bauliche und architektonische Anforde-
Der T-Anker im Detail
rung systemsicher meistern lässt – von
speziellen Sichtkanten bis hin zu abgestimmten, individuell vorgefertigten
Formteilen. Bei der Ausbildung von
Wärmedämmverbundsystemen in Natursteinoptik bietet alsecco zusätzlich die
Natursteinsysteme Alprotect Stone und
Alprotect Stone XL. Alprotect Stone ist
eine acht bis zehn Millimeter starke
Natursteintafel mit rückseitig kaschiertem Gewebe. Sie lässt sich bis auf Erdgeschosshöhe mit dem Wärmedämmverbundsystem verkleben. Formatgrößen bis zu 0,36 Quadratmetern können
so verbaut werden. Bei Stärken von
maximal zwölf Millimetern ermöglichen
die Tafeln den Aufbau besonders
23
ARCHITEKTUR
Die Fassade des Museum
of Liverpool bei Nacht
Seitlicher Einblick
in eine unsichtbare
HinterschnittBefestigung
schlanker Wandkonstruktionen. Der
Grundaufbau der Systeme Alprotect
Stone XL und Airtec Stone ist identisch. Jeweils wird eine Natursteinplatte
auf eine Trägerplatte verklebt. Die maximale Plattengröße beträgt bei diesem
System 0,72 Quadratmeter. Der Vorteil
gegenüber Alprotect Stone liegt in einer
extrem hohen Stoßfestigkeit des Sandwichelementes. Die Naturstein-Verbundplatten lassen sich einreihig bis zu
einer Anwendungshöhe von 1,20
Metern auf dem Wärmedämmverbundsystem verkleben.
Auch wenn es bis dato noch keine Zertifizierung gibt, wird das Thema »Green
Building« bei alsecco ernst genommen.
Durch die reduzierten Materialstärken
wird die Ressource Naturstein geschont, und das geringere Konstruktionsgewicht ermöglicht effizientere
Tragkonstruktionen, die nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische
Vorteile bieten.
FLACH SETZEN
Einen anderen Ansatz verfolgt man bei
Stone Innovations. In Bremen wurde in
den Jahren 2008/2009 das »Haus am
Fluss« als Verwaltungssitz eines Bremer Speditionsunternehmens errichtet.
Das Problem war die Lage direkt am
24
Dreidimensionale Rauten: vorgehängte Kalkstein-Fassadenplatten
am Museum of Liverpool
Weserufer und der auch in Bremen
noch messbar hohe Salzgehalt der Luft.
So machte es der Bauherr zur Bedingung, dass bei der Verankerung der
2 200-Quadratmeter-Fassade aus Jurakalkstein keine Beschädigung der
Betonarmierung erfolgen durfte. Die
Verankerung konnte daher lediglich in
der 30 bis 40 Millimeter starken Deckschicht befestigt werden. Zum Einsatz
kam der Knappe-T-Anker. Die sehr
geringe Setztiefe der »T-Nut-Anker-Technologie« gewährleistet, dass der Betonstahl nicht verletzt wird, und bietet
zudem den Vorteil, dass zur Befestigung für die Unterkonstruktion handelsübliche Edelstahlschrauben bzw. Aluminiumprofile verwendet werden können.
Die Nuten werden mit speziell entwick-
elten Fräsmaschinen in den Beton
geschnitten, sechs derartige Nuten
können in nur zwei Minuten erstellt
werden. Je nach Härte des zu schneidenden Materials schaffen die Einsätze
dieser Maschinen bis zu 1 000 Fräsungen. Derzeit ist für eine Montage mit
dem Knappe-T-Anker noch eine Zulassung im Einzelfall erforderlich. Horst
Knappe, der Entwicklungschef von
Stone Innovations, möchte das auch
gar nicht ändern. Er zieht es vor, »ein
exklusives Produkt für anspruchsvolle
Bauherren« zu vertreiben. Seinem Verständnis von Nachhaltigkeit entspricht
es, die tragende Struktur eines Bauwerks möglichst unberührt zu lassen
und somit dessen Lebensdauer zu
verlängern.
SCHNITTIG VERANKERN
Die KEIL Befestigungstechnik GmbH in
Engelskirchen bei Köln hat sich auf die
Fassadenbefestigung auf der Basis der
Hinterschnitttechnik spezialisiert und
zählt mit mehr als 1 000 abgewickelten
Projekten zu den weltweit führenden
Anbietern auf diesem Gebiet. Eigene
Forschungen und Patente bieten Architekten und Fassadenbauern heute neue
Möglichkeiten, Fassadenplatten rückseitig zu befestigen. Damit reagiert KEIL
STEIN TIME 2 I 10
Minimale Fugen dank eines
Fix-Systems
Federhalter mit
Steinriemen
auf veränderte Rahmenbedingungen,
denn neue architektonische Anforderungen und die energetische Bewertung
aller Bauteile und ihrer Komponenten
fordern eine anpassungsfähige Befestigungstechnik.
Denn Verankerungen in der wärmegedämmten Außenwand bilden konstruktive Wärmebrücken, die bei der
Erstellung des Wärmeschutznachweises
zu berücksichtigen sind. Ziel ist es
daher, die Anzahl der Durchdringungen
der Dämmschicht zu reduzieren. Großformatige, mit Hinterschnittankern befestigte Fassadenplatten aus Naturstein
erhöhen den thermischen Widerstand
einer Außenwand deutlich. KEIL hat nun
diese bereits bewährte Befestigungstechnik konsequent weiterentwickelt
und mit einer Europäischen Technischen Zulassung (ETA-06/0253) für
einen noch weiteren Bereich von
Gesteinsgruppen verwendbar gemacht,
so zum Beispiel auch für Kalk- und
Sandsteine. Musste bislang für jede
Steingruppe eine objekt- und steinbruchbezogene Zulassung beantragt
werden, können Fassaden aus Naturwerkstein nun auf der Basis nur einer
Norm und der neuen ETA nachhaltig,
toleranzarm und variantenreich geplant
und ausgeführt werden. Darüber hinaus
bietet die Vielzahl der mit dieser Zulassung erfassten Gesteinsarten den
Architekten eine deutlich erweiterte
gestalterische Freiheit.
MINERGETISCH GESCHICHTET
Die Breitenstein AG in Zug in der
Schweiz verarbeitet, produziert und
handelt mit Natursteinen, Kunststeinen
und Betonelementen. Die wachsenden
Erwartungen von Bauherren in Bezug
auf Langlebigkeit und Sicherheit sowie
die steigende Nachfrage auf dem Markt
nach kleinformatigen Natursteinfassaden führte zur Entwicklung des Fassadensystems StoneFix. Dabei handelt es
sich um ein mechanisches, zwängungsfreies Befestigungssystem für Natursteinriemen in Höhen von sieben bis
zwölf Zentimetern und in freien Längen.
Im Verbund mit einer Metallunterkonstruktion entsteht ein vorgehängtes
hinterlüftetes Fassadensystem. Dank
dieser neu entwickelten Befestigungstechnik und der Hinterlüftung der Natursteinriemen wird eine lange Lebensdauer bei minimalem Konstruktionsaufbau erreicht. Der in der Schweiz geforderte, sehr anspruchsvolle Minergiestandard kann eingehalten werden.
Zusätzlicher Vorteil: Die Montage mit
dem System StoneFix ist witterungsunabhängig.
AUSBLICK
Die Nachhaltigkeit ist also im Alltag der
Verankerungsspezialisten angekommen.
Wie immer bei neuen Entwicklungen
wirft jede gefundene Antwort aber auch
neue Fragen auf: Wie groß ist denn
überhaupt der Einfluss einer Unterkonstruktion auf die Wärmebilanz eines
Gebäudes, welcher Aufwand ist noch
sinnvoll? Kann die Lebensdauer von
Fassadenbekleidungen verlängert werden, z.B. durch vereinfachte Demontage und Wiedermontage? Können
Material und Herstellung von Verankerungen hinsichtlich ihrer Umweltbilanz
optimiert werden? Fragen, die in
Zukunft zu beantworten sein werden. 25
ARCHITEKTUR
Die stillen Stars
VON RICHARD WATZKE
26
auf die Details kommt es an. Sie prägen ein
Bauwerk, verleihen ihm auch auf den zweiten
Blick einen unverwechselbaren Charakter.
Gerade im Privatbau legen Bauherren Wert auf hochwertige Werkstoffe. Wandverkleidungen, Böden und
Bäder aus Naturstein spielen hier eine Hauptrolle.
A
STEIN TIME 2 I 10
HAUS GERBER IN LERMOOS
Vor dem Panorama der Zugspitze
erhebt sich das Privathaus in einer
Hanglage. Der Bauherr wünschte
nicht zuletzt wegen der Nähe zur Zugspitze österreichischen Naturstein.
Spaltraue Riemen aus
Rauriser Naturstein dienen als
Böschungsmauer und umrahmen den Pool einer Villa in
Tirol.
ARCHITEKT
Arch. DI Sebastian Krehn
6900 Bregenz
27
ARCHITEKTUR
PAVILLON ÜBER DEM TRAUNSEE
Ein Seminarpavillon in einer Hanglage am Traunsee in Oberösterreich:
Das zweisschalige Mauerwerk
besitzt eine 16 cm starke
Wärmedämmung.
ARCHITEKT
Arch. DI Gerhard Fischill, Linz
4020 Linz
NATURSTEINARBEITEN
Casa Sasso, 4055 Pucking
Mit dem Schichtmauerwerk aus spaltrauen Kalkbruchsteinen aus St. Koloman stellt der
Pavillon einen Bezug zu den bereits vorhandenen Geländeterrassen her, die ebenfalls
aus diesen Kalkbruchsteinen gefügt waren. Tageslicht dringt durch die perforierte
Außenwand ins Tepidarium und schafft eine intime Atmosphäre. Sitz- und Liegeflächen
sind aus dem Kalkstein Giallo Dorato gefertigt. Die Duschverkleidung wurde aus
großformatigem Kärntner Carat Blaugrün gefertigt.
28
STEIN TIME 2 I 10
SHOWROOM IN AURACH
Gasteiger will der Inbegriff anspruchsvoller Badarchitektur sein.
Der Verkaufsraum zeigt zeitgemäße
Badgestaltung und ist zugleich
Schauraum für Naturstein.
ARCHITEKT
Stöckl Egger & Partner
Architketurbüro,
6370 Kitzbühel
Hochwertige Bäder bestechen durch Naturstein. Die spiegelbildlich angeordneten und
hinterleuchteten Onyxplatten bilden einen Blickfang in dem Schauraum. Die Rückwand der Duschkabine besteht aus wandhohen Streifen aus spaltrauem Quarzit.
29
ARCHITEKTUR
GARTENPAVILLON IN WIEN
Ein Pavillon, wie ein Zimmer im
Garten: Im Zuge der Neugestaltung
eines Wiener Privatgartens erweitert ein Pavillon das Freizeitangebot
des bestehenden Haupthauses in
den Garten.
ARCHITEKT
Arch. DI Harald Vavrovsky,
1060 Wien
Im Erdgeschoss des Pavillons befindet sich der Koch- und Essbereich, im Keller ist
eine Sauna mit Dusche und Ruheraum untergebracht. Der dunkle Bodenbelag aus
Dolomit speichert tagsüber Sonnenwärme und gibt sie abends allmählich ab. Dadurch
ist die Terrasse angenehm temperiert und bis in die Nacht hinein nutzbar. In horizontalen Bahnen verlegter, anthrazitfarbener Schiefer mit dem Plattenformat 60 x 30 cm
prägt die Nassbereiche.
30
STEIN TIME 2 I 10
ARCHITEKTUR
STEIN
DER WEISEN
VON JÖRG STEPHAN
n unseren Universitäten wird das Führungspersonal der Zukunft ausgebildet. Die Qualität
dieser Zukunft hängt ab von der Qualität der
Ausbildung, diese hängt wieder ab von der
Qualität der Ausbildungsstätten. Der „Campus
Westend“ in Frankfurt am Main könnte hier als
Vorbild dienen, der Beitrag der Architekten
Kleihues + Kleihues als hervorragendes Beispiel.
I
Die Westfassade mit Blick
zum Grüneburgpark
32
STEIN TIME 2 I 10
Ostfassade mit Haupteingang
Das Informationszentrum
Finanzen im Erdgeschoss
DIE GOETHE-UNIVERSITÄT ist alles
andere als eine klassische Alma
Mater. Als erste Stiftungsuniversität
überhaupt wurde sie, anders als die
spätmittelalterlichen Institutionen von
Heidelberg, Köln oder Er furt, erst im
Jahr 1914 gegründet. Politik, Wir tschaft und Bürgertum der Stadt hatten
sich für die Universität stark gemacht
und die notwendigen Mittel bereitgestellt. Moderne und praxisorientierte
Lehrinhalte waren gefragt, die ersten
wir tschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten wurden hier eingerichtet. Weltoffenheit prägte – trotz der
politischen Begleitumstände der Gründungsjahre – von Anfang an das
Klima. Das Lehr verzeichnis registrier te
Namen wie Paul Ehrlich und Mar tin
Buber, zu den Studenten zählte mit
Carl Zuckmayer, Marion Dönhoff, Ludwig Erhard oder Theodor Adorno die
geistige Elite der späteren Bundesrepublik Deutschland.
1933 verlor die Universität über ein
Drittel ihres Lehrkörpers und ungezählte Immatrikulierte. Die Gleichschaltung verlief reibungslos, von nennenswerten Akten des Widerstands ist
nicht zu berichten, im Gegenteil: Das
1935 gegründete »Universitätsinstitut
für Erbbiologie und Rassenhygiene« lieferte »wissenschaftliche« Grundlagen
für die Ver folgung von Juden, Sinti und
Roma. Schon im November 1934
hatte der damalige Rektor Vollzug
gemeldet: »Wohl an keiner anderen
Universität ist die Säuberung so radikal vorgenommen wie gerade bei uns.«
Was im Umkehrschluss aber auch
hieß: An keiner anderen Universität
war die Grundhaltung so NS-feindlich
wie in Frankfurt.
An diese Haltung knüpfte man nach
dem Ende der tausendjährigen Herrschaft wieder an. Die Stiftungsuniversität wandelte sich zur Staatlichen
Hochschule. Namen wie Horkheimer,
Adorno und Habermas, Gastprofessoren wie Günther Grass und immerhin
33
ARCHITEKTUR
Inspiriert von Raffaels
»Die Schule von Athen«: der
Bodenbelag des Foyers
acht Nobelpreisträger, die hier lehr ten
oder studier ten, begründeten die Weltgeltung dieser Universität. Mit dem
Fritz-Bauer-Institut ist seit dem Jahr
2000 eine Forschungsstätte zur
Geschichte und Wirkung des Holocausts in die Unistrukturen integrier t
und unterhält dor t eine Gastprofessur
für interdisziplinäre Holocaustforschung.
HEUTE ZÄHLT DIE GOETHE-UNIVERSITÄT zu den fünf größten Universitäten
Deutschlands. Konnte in den Gründungsjahren noch jeder neu Immatrikulier te mit einer persönlichen Begrüßung durch den Rektor rechnen, liegen
die aktuellen Zahlen bei rund 40 000
Studenten. Ein Massenbetrieb also,
für Lehre und Forschung nicht unbedingt förderlich. Der bauliche Kern der
Universität im Frankfur ter Stadtteil
Bockenheim war auf eine maximale
Zahl von rund 2 000 Studierenden ausgelegt und wurde mit Ausnahme
zweier Neubauten für die Institute für
Sozialforschung und Physikalische
Chemie bis 1939 nur unwesentlich
er weiter t. Zusätzlichen Platz boten
eine wachsende Zahl von Wohnungen
und Villenetagen in der Nähe, die teilweise bis Ende der 1990-Jahre als
permanente Provisorien dienten. Die
Kriegsjahre schädigten die Universitätsbauten nachhaltig, der Wiederaufbau verzöger te sich aufgrund finanzieller Probleme und diverser Kompetenzstreitigkeiten. Unter der Ägide des
Baudirektors Ferdinand Kramer entstanden dann zwischen 1952 und dessen Pensionierung 1964 23 Neubauten, zumeist sachlich-funktionelle
Stahlbetonskelett-Konstruktionen mit
Ausfachungen aus Mauer werk. Bis ins
Jahr 2000 wurde der heute »Campus
Bockenheim« genannte Bereich weiter
verdichtet, unter anderem durch den
34
116 Meter hohen AfE-Turm. Langfristig
aber er wies sich die wachsende Enge
als Hemmschuh. Einerseits waren die
Entwicklungsmöglichkeiten stark
begrenzt, andererseits erschwerten
die Begehrlichkeiten der in »Mainhattan« ansässigen Global Players der
Finanzbranche die Standortsuche. Die
einzige Lösung: gezielte Dezentralisierung. Schon unter Ferdinand Kramer
begannen Planungen, einzelne Fakultäten in andere Stadtteile umzusiedeln.
Die Folgen des historischen Umschwungs Ende der 1980-Jahre aber
boten der Universität eine Perspektive
in völlig neuer Dimension.
Die I.G. Farbenindustrie AG, seinerzeit
das vier tgrößte Unternehmen der Welt,
benötigte 1925 nach enormem Wachstum eine neue Zentralver waltung.
Nach einem Entwur f von Hans Poelzig
entstand so auf einem Teil des Grüneburgparks in den Jahren 1928 bis
1931 das IG Farben Haus.
BAUHAUS-STIL WAR BEI DEN BAUHERREN AUSDRÜCKLICH unerwünscht. Das Ergebnis war ein 250
Meter langer, 35 Meter hoher Bau von
gemäßigt neoklassizistischer, gleichzeitig aber unverkennbar moderner
Erscheinung. Die Außenhaut wurde
vollflächig mit Travertin bekleidet, was
dem Gebäude Wärme verlieh, gleichzeitig aber auch seine Monumentalität
betonte. Poelzig ereilte nach 1933 ein
ähnliches Schicksal wie viele Frankfurter Professoren, er starb 1935 kurz
vor seiner geplanten Emigration in die
Türkei. Die IG Farben er wies sich als
politisch sehr viel anpassungsfähiger
und konnte den neuen Herren
Deutschlands in vielfacher Hinsicht
hilfreich sein. Nach Kriegsende wurde
der Konzern zerschlagen, lebte und
lebt aber in Einzelunternehmen fort.
Agfa, BASF, Bayer, Hoechst oder Wacker-Chemie sind hier die bekannten
Namen. Poelzigs Gebäude diente nach
dem Krieg den US-Streitkräften in
Europa als Hauptquar tier, bis der Fall
des Eisernen Vorhangs und der
Zusammenbruch des Warschauer
Pakts eine Präsenz in der bisherigen
Größenordnung über flüssig machte.
Die Besitzrechte gingen zunächst an
die Bundesrepublik Deutschland über,
im Jahre 1996 er warb das Bundesland
Hessen das westlich des »Campus
Bockenheim« gelegene Gelände. Die
Absicht, hier die Er weiterungsbauten
der Frankfurter Universität zu errich-
STEIN TIME 2 I 10
Eingangsfront mit Blick
auf das Poelzig-Haus
Blick ins Foyer im
Erdgeschoss
35
ARCHITEKTUR
Blick in den
Innenhof
ten, ging zurück auf einen Vorschlag
des damaligen Universitätspräsidenten
Werner Meißner. Das ehemalige IG-Farben Haus wurde bis 2001 nach Plänen der dänischen Architekten Dissing
und Weitling sanier t und beherbergt
nun die Fachbereiche Evangelische
und Katholische Theologie, Philosophie und Geschichtswissenschaften,
Sprach- und Kultur wissenschaften,
Teile der Neueren Philologien sowie
das er wähnte Fritz-Bauer-Institut.
NÖRDLICH VON POELZIGS GEBÄUDE
soll bis 2015 in drei Ausbaustufen der
»Campus Westend« fer tiggestellt werden. Ausgangsbasis der Planungen ist
ein städtebaulicher Wettbewerb aus
dem Jahre 2002, der seinerzeit von
dem Frankfur ter Architekten Ferdinand
Heide gewonnen wurde. In der ersten
Stufe fer tiggestellt wurde, neben den
Bauten für Rechts- und Wir tschaftswissenschaften, einem Hörsaalzentrum,
dem Casinoanbau sowie einem kirchlichen Studentenwohnheim auch das
»House of Finance«. Die Namensgebung allein verrät internationale Ausrichtung, und unter seinem Dach sind,
nach Aussage des derzeitigen geschäftsführenden Direktors »… Einheiten der Universität, die interdisziplinär
Themen wie Finanzen, Geld und Währung sowie Recht der Unternehmen
bearbeiten …« untergebracht. Sechs
eigene und diverse assoziier te Lehrstühle sollen die Finanzkompetenz des
Frankfur ter Lehrbetriebes weiter verstärken und die nahe gelegenen Niederlassungen von Boston Consulting,
Morgan Stanley und Kollegen werden
das Haus sicher mit wachsamen Blikken bedenken. Dass Josef Ackermann
zu den Gastdozenten zählt, kann da
kaum noch überraschen.
Verantwor tliche Architekten sind die
Berliner Jan Kleihues und Norber t Hen-
36
sel. Kleihues dar f nach seinen Bauten
für das Maritim- und Concorde Hotel in
Berlin als Naturstein-Spezialist gelten.
Bereits das Maritim Hotel in Berlin lag
in direkter Nachbarschaft einer deutschen Architektur-Ikone: Emil Fahrenkamps Shellhaus. Wie Poelzig hatte
auch Fahrenkamp den Traver tin als
Material für seine Fassade gewählt.
Schon damals sah Kleihues in dieser
Nähe eher eine Gefahr als eine Inspiration. Ein Gebäude kann nur aus sich
selbst heraus leben, schon der Verdacht von Imitation oder Anbiederei
kann seine Wirkung infrage stellen.
Doch anders als in Berlin ist das
»House of Finance« Teil eines Ensembles, und dieses Ensemble wird
unstreitig geprägt von Poelzigs dominantem Entwur f. Hier ist die Entscheidung für den Traver tin gleichzeitig die
Entscheidung für die Geschlossenheit
eines Gesamtbildes. Das Erbgut des
Poelzighauses bleibt ablesbar, die Evolution ist aber fortgeschritten. Jan
Kleihues und Norbert Hensel integrieren ihren Entwur f mit klaren, im Detail
mit größter Akkuratesse ausgearbeiteten Mitteln. Rechteckige, versetzt
angeordnete Fassadenplatten bilden
einen zurückhaltenden Hintergrund,
auf dem die Fassadenöffnungen mit
ihren umlaufenden Risaliten eine
expressive Plastizität entwickeln. Die
beinahe lapidar wirkende Sockelzone
mit ihrer leicht über formatigen Verkleidung bildet nach Norden und Westen
hin einen deutlichen, aber keinen
monumentalen Akzent. Was den Travertin besonders auszeichnet, verriet
Kleihues im Inter view: »Dass er gleichzeitig homogen und lebendig ist. Seine
Einschlüsse und Poren – Eigenschaften, die ihn bei Bauherren übrigens
nicht immer leicht vermittelbar
machen. Vor allem aber seine sich – je
nach Schnittrichtung – ändernde Struktur. Das ist seine ganz besondere Qualität.« Dass so auch Gebäude von
besonderer Qualität entstehen, ist
dann ja nur noch folgerichtig. MATERIAL
Trosselfels, fein geschliffen
ARCHITEKTEN
Jan Kleihues und Norbert Hensel,
Kleihues + Kleihues, Gesellschaft
von Architekten mbH,
D-Berlin/Dülmen-Rorup
NATURSTEIN INNEN
Lauster Steinbau GmbH,
9541 Einöde b. Villach
STEIN TIME 2 I 10
ARCHITEKTUR
STEINBRUCH IN
DER FASSADE
VON ANNE-MARIE RING
eitgemäß, klassisch und von solider
Anmutung – so wünschten sich die
Anwälte der dänischen Kanzlei Horten,
Kopenhagen, ihren neuen Firmensitz am
Kopenhagener Hafen Tuborg. 3XN Architekten
entwarfen ein Bürogebäude, das Naturstein
an der Fassade auf spielerisch irritierende
Weise präsentiert.
Z
Nicht nur Nachts hat
diese Fassade etwas
Magisches …
Raum für Begegnung im
lichten Foyer: Informelle
Kommunikation ist ein oft
unterschätzter Bestandteil
erfolgreicher Tätigkeit.
38
… tagsüber präsentieren sich die
zunächst verwirrenden Vorsprünge bei
näherem Betrachten
als zeitgemäße Interpretation des klassischen Erkers.
STEIN TIME 2 I 10
ERST AUF DEN ZWEITEN BLICK erkennt der
aufmerksame Betrachter das dynamische Gestaltungssystem: Die zahlreichen Winkel und
Schrägen schaffen Vorsprünge, hinter denen
sich Fenster verbergen. Mit ihrer Ausrichtung
nach Norden geben sie nicht nur den Blick auf
das ehemalige Hafengelände frei, sondern gestatten auch den gleichmäßigen Einfall von
Tageslicht. Zur Südseite dagegen ist die Fassade
komplett geschlossen.
Damit ist auch klar, dass über die oben genannten Anforderungen hinaus energiesparendes und
nachhaltiges Bauen mit auf dem Programm
stand. Das dreidimensionale Relief, das sich
über zwei Fassaden zieht, beugt im Sommer der
unerwünschten Aufheizung durch Sonnenstrahlen vor und gewährleistet so ein angenehmes
Raumklima. Im Winter dagegen schützt die wärmedämmende Verbundplatte mit Naturstein vor
allzu großem Wärmeverlust.
39
ARCHITEKTUR
Mit Travertin verbinden die
Bauherren »Monumentalität
und Beständigkeit«. Dehalb
wählten sie explizit diesen
Stein als »angemessenes«
Material für ihren Neubau.
Die Entscheidung für diese außergewöhnliche Fassadengestaltung ist dem
Leichtbau entlehnt: Die besondere Geometrie der Fassade wäre in konventioneller Bauweise, also als Mauerwerks- oder
Stahlfassade, mit vertretbarem Aufwand
kaum herstellbar gewesen.
Was im Schiffsbau oder auch beim Bau
von Windkraftanlagen längst gang und
gäbe ist, hat Einzug in die Architektur
gehalten: funktionale Verbundelemente
mit Fiberglas. Weil die Erfahrung aus
dem Leichtbau jedoch nur beschränkt
auf das Bauen mit Naturstein übertragen werden kann, wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren eine Verbundplatte
mit Travertin konzipiert und diese in
einem zweiten Schritt in die Fassadenabwicklung integriert.
Das Spiel mit den Formen
setzt sich im Inneren des
Gebäudes fort: hier eine
neue Art »Wendeltreppe«.
Der spielerische Umgang
mit Naturstein, in Verbindung mit den großen Fensteröffnungen, nimmt
dem Travertin die ihm
eigene Schwere.
40
ENTSTANDEN IST EIN VERBUNDELEMENT aus einer hochwärmedämmenden Platte mit beidseitig verklebter
Fiberglas-Kaschierung und einer 3,5 Zentimeter dicken Travertinplatte. Um die
Kosten im Rahmen zu halten, sollten
einerseits möglichst viele gleichartige
Verbundelemente montiert werden.
Andererseits galt es zu vermeiden, dass
die Fassade durch die Wiederholung
monoton oder gar langweilig wirkt. Tatsächlich erweist sich die Verlegung wie
im »Zick-Zack«-Muster nicht nur als Aufsehen erregende Konstruktion. Sie bot,
so die Architekten, trotz der komplexen
Geometrie, auch effiziente und von
daher kostensparende Möglichkeiten der
Befestigung. Der im Ansatz neue Umgang mit Naturstein bringt ihre Vision
eines zeitgemäßen Bauwerks von hohem
Identifikationswert mit dem Wunsch der
Bauherren nach einem soliden Äußeren
auf einen gemeinsamen Nenner. STEIN TIME 2 I 10
INNEN
VILLA MIT HANG
ZUM
NATURSTEIN
VON ANNE-MARIE RING
m Hang des Pöstlingbergs, mit Blick auf Linz,
das Donautal und die dahinter liegenden
Berge, wurde die Villa A – das »A« steht für
den Namen des Bauherrn – nach einem Entwurf
von Najjar & Najjar, Wien, errichtet. So sehr der
Bauherr auch von den Plänen der Architekten
angetan war: Die großzügige Verlegung von Naturstein verlangte von diesen doch so einiges an
Überzeugungsarbeit.
A
Weit auskragende
Dächer charakterisieren
die Villa A von außen.
43
INNEN
INSPIRIERT VON DER KLASSISCHEN
Moderne, von Architekten wie Mies van
der Rohe, der den Barcelona Pavillon
mit Wasser und Stein gestaltete und
auch bei anderen Projekten gerne mit
Naturstein arbeitete, verwendeten die
Architekten Naturstein, um dem Wohnhaus Exklusivität und Beständigkeit zu
verleihen. Aber nicht nur das: Mit Naturstein, so Karim Najjar, wolle man den
Baukörper »erden«.
ist das Gebäude teilweise – mit Garage
und Versorgungsräumen – in den Hang
eingegraben. Ein Wasserbecken trennt
Garten- und Eingangsbereich, die durch
einen Steg aus Naturstein miteinander
verbunden sind. Vom Entrée mit der
zentralen Treppenanlage aus gelangt
man über einige lang gezogene Stufen
in den Essbereich mit der offenen
Küche. Von dort geht es über weitere
Stufen in den großzügigen Wohnbereich
mit Glasfassade zur Poolterrasse. Die
südseitige Fassade bietet einen einzigartigen Panoramablick über die Stadt
mit dem Fluss und die dahinter liegende Berglandschaft.
Der Stein, der sich im Eingangsbereich
und bei den Terrassen von außen nach
innen zieht, schafft fließende Übergänge
von der Natur zur Architektur und umgekehrt. Der Zugang zum Gebäude erfolgt
hangseitig, ein großzügiges Vordach
markiert den Haupteingang. Hier ist die
mit Naturstein verkleidete Fassade
geschlossen gehalten, um die Privatsphäre zur Straße hin zu gewährleisten.
Der Topographie des Geländes folgend
Die gestalterische Intention der Architekten war es, die Funktionen in einem
offenen Wohnbereich zu gruppieren,
jedoch durch unterschiedliche Niveau
sowie verschiedene Belagsmaterialien
zu differenzieren, und so die funktionelle Identität der jeweiligen Bereiche.
Im Wohnbereich wurde der helle Kalkstein Miramare als Bodenbelag gekonnt
mit Grigio Nobile als Wandverkleidung
kombiniert. Bei beiden Natursteinen ist
Schlicht und einfach
schön: Wandbelag
aus römischem
Travertin
44
STEIN TIME 2 I 10
die Oberfläche gebürstet; der großzügigen Architektur entsprechend wurden
Großformate verarbeitet.
Die Schlafräume und das Badezimmer
befinden sich im Obergeschoß und sind
über eine Treppe, die zu einer offenen
Galerie führt, erschlossen. Im Elternbad kam Perlato Crema zur Verlegung,
dessen warmer Farbton wohltuend und
belebend wirkt. Wandverkleidungsplatten, Wannenumrandung und Waschtische wurden in der Oberfläche geschliffen hergestellt.
Dem Außenbereich verleiht Travertin in
sandgestrahlter Oberfläche italienisches
Flair. Sowohl die Wand- als auch die
Bodenbeläge wurden als Maßplatten
verarbeitet, was die farbliche und optische Harmonie des verwendeten Materials perfekt zur Geltung bringt. Die
Kombination mit den Wasserflächen
betont den edlen Charakter des Natursteins, zumals das Wasserbecken, das
entlang der Travertin Bodenfläche verläuft, mit geflammtem Basalt ausgekleidet wurde. Als zusätzlicher Blickfang,
und bereits von weitem sichtbar, wurden die Geländestufen mit Mauersteinen aus Dietfurter Kalkstein einladend
gestaltet. Alles in allem ist die Villa A
ein gelungenes Beispiel für den sehr
feinfühlig aufeinander abgestimmten
Einsatz von Naturstein in den verschiedensten Anwendungen. Wandverkleidung,
Wannenumrandung
und Waschtische aus
fein geschliffenem
Perlato Crema
ARCHITEKTEN
Najjar & Najjar Architekten, Wien
NATURSTEINARBEITEN
Casa Sasso Steinmetz GmbH, Pucking
MATERIALIEN
Fassade und Innenwände: römischer Travertin,
sandgestrahlt
Bodenbeläge: Kalkstein Miramare, gebürstet
Badezimmer: Kalkstein Perlato Crema, fein geschliffen
Außenbeläge: römischer Travertin, offenporig,
sandgestrahlt
Geländestufen und Natursteinmauern:
Dittfurther Kalkstein
45
PLÄTZE
er Marktplatz ist das Herz von St. Veit
im Pongau. Bei der Neugestaltung mit
grauem Gebhartser Syenit wurde durch
verschiedene Legetechniken und unterschiedlich große Platten optische Lockerheit erzielt.
D
NEUER PLATZ
FÜR DIE GEMEINDE
VON SUSANNE LORENZ
Höhenunterschiede
werden mit Blockstufen überbrückt und
von Leistensteinen
flankiert.
Die Pfarrkirche bildet die westliche
Platzbegrenzung,
Bänke und Brunnen laden zum
Aufenthalt ein.
46
IM ZENTRUM DES ORTES ST. VEIT im
Pongau liegt der Marktplatz – ein beliebter
Treffpunkt für die Bürger. Der lang gestreckte, abschüssige Platz ist ringsum
dicht umbaut, auch das Gemeindeamt
befindet sich dort. Den westlichen Abschluss bildet die Pfarrkirche. Auf der Fläche findet kein Durchgangsverkehr statt,
dieser wird auf der Ostseite des Platzes um
das Zentrum herumgeleitet. Daher besitzt
der Marktplatz eine Verbindungsfunktion
und lädt die Bürger ein, sich dort aufzuhalten. Auch werden hier das ganze Jahr über
verschiedene Veranstaltungen abgehalten.
DIE NEUGESTALTUNG: Nach einer öffentlichen Ausschreibung und Vergabe des Auftrages erfuhr der Marktplatz von April bis
Ende Juni 2009 seine Neugestaltung:
Insgesamt 3 000 Quadratmeter wurden
bearbeitet, davon rund 1 500 Quadratmeter
asphaltiert und 1 500 Quadratmeter mit
Naturstein gestaltet. Bereits seit 1987 war
der Platz gepflastert, doch hatte sich das
Porphyrpflaster im Lauf der Jahre unter der
Belastung des Schwerverkehrs gespalten,
STEIN TIME 2 I 10
Für die Gehwegflächen
kamen Pflasterplatten
aus Gebhartser Syenit
mit Adern und Kornwechsel, allseitig sandgestrahlt, zum Einsatz.
BAUHERR
Marktgemeinde
5621 St. Veit im Pongau
ARCHITEKTEN
Ing. Sepp Dandler
5621 St. Veit im Pongau
NATURSTEINLIEFERANT
Poschacher Natursteinwerke,
4222 St. Georgen b. Linz
da es für diesen Zweck nicht geeignet
war. Eine Erneuerung der Pflasterung
war somit notwendig. Die Gemeinde
nutzte die Neugestaltung, um sämtliche
Einbauten zu erneuern: Stromleitungen,
Fernwärme, Wasserleitungen und auch
der Kanal wurden zeitgemäß ersetzt.
Eine Anpassung oder Veränderung des
Gefälles wurde nicht vorgenommen,
Höhenlage und Form des Platzes
blieben erhalten.
DIE NATURSTEINARBEITEN: Um den
Aufenthalt auf dem Platz attraktiver zu
gestalten, wurden auf einem Sockelbereich unterhalb der Pfarrkirche Sitzmöbel neben einem Brunnen platziert. Mit
drei Blockstufen hebt sich dieses mit
Kleinsteinen gepflasterte Podest vom
Platz ab, zudem erhält es optischen
Halt durch die dahinter liegende Natursteinmauer. Unterhalb der Stufen
schließt sich der ringsum mit unterschiedlich starken Pflasterplatten aus
Gebhartser Syenit belegte Platz an. Die
Plattenbahnen sind 24, 32 und 40 Zentimeter breit. Seitlich, zur Bebauung hin,
werden die helleren Pflasterplatten von
mit Kleinsteinen gepflasterten Zonen
aufgefangen. Die Kleinsteine sind verzahnt gelegt. Aus dieser Legetechnik
resultiert eine optische Auflockerung.
Beete und Grünflächen sind mit geraden, allseitig sandgestrahlten Randsteinen abgesetzt. Die breite, mittig im
Platz verlaufende und teils stark abschüssige Fahrbahn ist asphaltiert,
wobei quer zu ihr mehrere Rigolsteine
verlaufen, die bei Regen den Wasserabfluss regulieren. Die Fläche vor dem
Gemeindeamt St. Veit am Fuße des
Platzes wurde mit den dunkleren Kleinsteinen in Schuppenlegetechnik gepflastert. Dadurch hebt sie sich gegenüber
den Bereichen ab, die mit größeren
Pflasterplatten belegt sind. Zwischen
asphaltierter Fahrbahn und gepflastertem Bürgersteig gibt es keinen Höhenunterschied, dafür eine klare optische
Abgrenzung mit bündig verlegten Leistensteinen. Aufgrund der Ebenerdigkeit
und der resultierenden Gehsicherheit
eignet sich der neu angelegte Marktplatz gut für Veranstaltungen jeglicher
Art. Durch die Verwendung unterschiedlich breiter Pflasterplatten aus Gebhartser Syenit in Kombination mit verschiedenen Legetechniken des Kleinpflasters
wurde die Platzgestaltung aufgelockert
und erhält eine optische Leichtigkeit. MATERIALIEN
Für die Gehwegflächen kamen
Pflasterplatten
aus Gebhartser
Syenit zum Einsatz.
Gebhartser Syenit: 325 lfm gerade
Randsteine, allseitig sandgestrahlt,
210 lfm Leistensteine, 133 t Kleinsteine, 420 m2 Pflasterplatten mit
Adern und Kornwechsel, allseitig sandgestrahlt, Unterlager mit Gitterstreifen
12 cm stark, in Bahnen 24 cm, 32 cm
und 40 cm breit, 490 m2 Pflasterplatten 8 cm stark, 30 m2 Pflasterplatten
4 cm stark, 370 lfm Blockstufen, Rigolsteine, Rigolabflusssteine und -abdeckplatten
47
PLÄTZE
KIRCHENPLATZ
MIT LABYRINTH
FÜR MÖDLING
VON SUSANNE LORENZ
Vor dem Karner befindet
sich das begehbare Labyrinth aus grau-gelbem
Herschenberger Granit.
48
er Kirchenplatz von Mödling wurde 2007
behutsam neu gestaltet. Ein begehbares,
steinernes Labyrinth nach italienischem
Vorbild war eine besondere handwerkliche
Herausforderung und verleiht dem Platz einen
ganz individuellen Charakter.
D
DER MARODE ZUSTAND DES STEINBELAGS gab 2006 die Initialzündung.
Der Kirchenplatz an der St. Othmarkirche in Mödling sollte saniert und neu
strukturier t werden. Leitlinien der Neugestaltung waren: Der Charakter des
Platzes muss im Wesentlichen erhalten bleiben und das Gefälle ohne
Stufenausbildung optimiert werden.
Zudem wünschte die Gemeinde eine
Vergrößerung der Grünflächen und die
Integration eines Steinirrgar tens sowie
eine Verbesserung der Be- und Entwässerung des Platzes, eine ausgewogene Beleuchtung der Fläche und
einen barrierefreien Zugang zur Kirche.
Der vorhandene Brunnen musste
erhalten bleiben, die Säulen und Statuen konnten neu platzier t werden.
Der etwa 1 800 Quadratmeter große
Platz ist unregelmäßig geformt, etwa
65 Meter lang, zwischen 10 und 40
Metern breit, abschüssig und liegt an
der Südseite der spätgotischen St.
Othmarkirche. Im südwestlichen
Bereich des Platzes steht ein Karner
aus romanischer Zeit. Der gesamte
Platz wird auf der Südseite von einer
Begrenzungsmauer umschlossen, dor t
führ t auch ein Weg entlang. Die existierende Grünfläche ist vergrößert
worden und der vorhandene Baumbestand wurde erhalten. In der Grünfläche wurde ein begehbares Labyrinth
STEIN TIME 2 I 10
Das Verlegen der
Steine für den Irrgarten war eine besondere Herausforderung.
Die Farbe des
Herschenberger
Granits korrespondiert mit der
des romanischen
Karners.
angelegt. Das steinerne Labyrith nach
italienischem Vorbild steht als Symbol
für den Pilger weg des Menschen, der
auf der Erde zurückgelegt wird. Pate
für das Mödlinger Labyrinth mit sieben
Umgängen stand jenes aus San Vitale
in Ravenna, doch wurden hier statt
Marmor 20 x 20 Zentimeter große
Platten aus Herschenberger Granit
ver wendet. Der Durchmesser des
Labyrinths beträgt knapp zwölf Meter,
der Weg schlängelt sich über insgesamt 194 Meter Granit zwischen den
Rasenstreifen bis zum Zentrum. Die
Natursteinplatten für die Bogensegmente des Irrgar tens sind zweireihig
gelegt, was eine technische und hand-
BAUHERR
Stadtgemeinde Mödling
GENERALPLANER
ZT-Büro Franz Paikl
2431 Kleinneusiedl
NATURSTEINE
1 300 m2 Pflasterplatten aus
Herschenberger Granit grau-gelb-braun
gemischt farbig, 24 x 24 cm, 24 x 49 cm,
49 x 49 cm, 49 x 74 cm groß
Blockstufen aus Herschenberger Granit
grau-gelb-braun gemischt farbig,
P-Platten aus Herschenberger Granit
grau-gelb, 20 x 20 cm groß
NATURSTEINLIEFERANT
Poschacher Natursteinwerke GmbH
4222 St. Georgen b. Linz
Der Kirchenplatz
ist unregelmäßig
geformt und verbindet die
Gebäude, die
Grünflächen und
das Labyrinth.
werkliche Herausforderung darstellt,
die besondere Präzision er fordert. Verlegt wurde der Granit hier in Beton, um
die dauerhafte Begehbarkeit sicherzustellen. Zudem wurde ein Bewässerungssystem für den Rasen eingebaut.
Auch die rund 1 300 Quadratmeter
Steinfläche wurden mit Natursteinpflaster aus Herschenberger Granit belegt.
Es wurde darauf geachtet, dass die
Farbnuancen des Natursteins mit dem
Material der historischen Bebauung
korrespondieren. Gewonnen wurde der
Stein in der Nähe der Blockheide im
Waldviertel. Der gesamte Platz einschließlich der Wege sowie das steinerne Labyrinth sind mit dem Material
gestaltet. Die Platten haben eine raue,
sandgestrahlte Ober flächenstruktur
und gesägte, sandgestrahlte Kanten.
In der Ober flächenstruktur und auch in
der hellen, warmen Tönung ähneln sie
dem vorher auf dem Platz verlegten
Material. Die Granitplatten sind in drei
verschiedenen Legemustern auf Sand
verlegt und mit Sand so eng wie möglich ver fugt, um eine ebene Ober fläche und damit gute Begehbarkeit zu
erzielen. Die Stufen zum östlich auf
dem Platz gelegenen Eingang der Kirche wurden mit mehreren Blockstufen,
ebenfalls aus Herschenberger Granit,
ausgebessert und behutsam in die
Bausubstanz integriert.
Der Zutritt zum westlichen Eingang
er folgt barrierefrei ohne Stufen und
Schwelle. Die Pflasterung des Bereichs vor der Kirche war Ende August
2007 abgeschlossen, die Natursteinarbeiten für den Irrgarten und das
Verlegen des Rollrasens fanden bis
Ende September statt.
Mit der Neugestaltung des Kirchenplatzes und dem begehbaren Labyrinth
aus Naturstein hat die Stadtgemeinde
Mödling ihren Bürgern eine attraktive
Platzgestaltung und einen besonderen
Anziehungspunkt geschenkt. 49
GÄRTEN
GLOCKEN,
BÄNDER UND TROPFEN
VON DANIEL BÖSWIRTH
al ist Wasser kaum zu hören, tröpfelt
leise von Stein zu Stein, dann plumpst
es wieder laut und geräuschvoll als
großer Schwall in ein Becken: Wasser klingt
nach etwas, hat Melodie in sich, spuckt Töne
aus. Stein und Wasser im modernen Garten:
ein Thema voller Inspirationen.
M
WASSER LÄSST SICH IN JEDE FORM
BRINGEN. Moderne Techniken entlocken dem vielseitigen Element Erstaunliches: Mal läuft fast unsichtbar
ein dünner Film über die Oberfläche und
bringt Steine zum Schillern, dann wieder
fällt ein transparenter Vorhang vor eine
Mauer. Glocken, Geysire, Schlangen –
Wasser verwandelt sich mithilfe von
Tropfern selbst in Tränen. Der Klang des
Wassers ist oft kaum zu hören, tröpfelt
leise von Stein zu Stein, dann plumpst
es wieder laut und geräuschvoll als großer Schwall in ein Becken: Wasser
klingt nach etwas, hat Melodie in sich,
spuckt Töne aus. Zerstäubt als feiner
Niesel bleibt es stumm, doch schon in
feine Tropfen gegossen hört man den
leisen rhythmischen Wirbel des Regens.
Geht ein Gewitter nieder, so klatschen
die schweren Tropfen wie Trommelschläge auf den Boden. Fallhöhe,
Gestaltung des Auslasses und Durchflussmenge im Zusammenspiel mit dem
Auffangbecken bestimmen Klang und
Melodie eines Wasserspiels. In der
Der Nebelstein: Düsen
zerstäuben das Wasser
in feinste Tröpfchen für
den Nebeleffekt.
Ein Wasserfall ist
auch in kleinen
Gärten möglich.
50
STEIN TIME 2 I 10
Blickfang: ein Findling als Quellstein
Natur wird die Farbe des Wassers immer auch durch das Bach- oder Teichbett mitbestimmt. Die Wasseroberfläche
bildet eine interessante Projektionsfläche. So scheint es dunkel, mal grün
oder blau, wenn sich der Himmel darin
spiegelt. Für sich allein ist Wasser glasklar. Wie könnte man das besser zeigen, als es wie einen Vorhang über eine
Kante fließen zu lassen. Dafür braucht
es eigentlich nicht viel: einen breiten
Auslass aus Metall oder Stein, ein Auffangbecken und eine Umwälzpumpe.
Sehr schön sieht ein Wasservorhang in
Verbindung mit einer Natursteinmauer
aus. So schimmert die Mauer weichgezeichnet durch den Wasserfall und verschwimmt wie eine Landschaft in flirrend heißer Sommerluft. Alle technischen Einbauten können wunderbar in
der Mauer versteckt werden. Als Auffangbecken braucht es lediglich ein
Reservoir, das sich mit einem Gitter und
Dekorsteinen auch gut verstecken lässt.
Ähnlich verblüffend wirken Nebelsteine.
Dafür geeignet sind große, gespaltene
Steinblöcke, die eine interessante Farbe
und ein imposantes Aussehen haben. In
Steinbrüchen sind alle Maschinen vorhanden, die es braucht, einen quaderförmigen, großen Block in drei oder vier
Platten zu spalten. Für einen Nebelstein
werden sie dicht nebeneinander senkrecht aufgestellt. Der ganz besondere
Nebeleffekt ergibt sich, wenn unter
hohem Druck und mithilfe fein zerstäubender Düsen aus feinsten Tröpfchen
künstlicher Nebel erzeugt wird, der als
Wolke zwischen den Steinen zu hängen
scheint. In den Spalten zwischen den
Blöcken laufen am Boden verdeckt die
Zuleitungsrohre mit den Düsen, die für
den feinen Nieselregen sorgen. Die frische Farbe des stets feuchten Steins
und der kitzelnde, abkühlende Nebel
haben eine einzigartige Wirkung. Was-
ser kann auch als hauchdünner Film
über Oberflächen fließen. In der Kombination mit interessanten Steinen eine
gute Idee. Die sonst wegen des Staubs
stumpf in der Farbe wirkenden Steine
bekommen durch den Wasserfilm ein
fantastisches Aussehen. Maserungen,
Einsprenkelungen und Äderungen treten
plötzlich deutlich hervor. Dabei muss
das Wasser sich nicht wie bei Quellsteinen von oben gleichmäßig über den
Stein ergießen. Raffinierte seitliche Einschnitte lassen den Film wie aus einem
Riss sickern. Trockene und nasse Stellen überziehen nebeneinander die Steinoberfläche und ergeben ein interessantes Muster. Eine andere Variante einer
sparsamen Verwendung mit Wasser
sind Schiefersäulen. Aus dünnen Schieferplättchen lassen sich Türme auf ein
Zuleitungsrohr auffädeln, der dünne
Wasserfilm tröpfelt dann von Stein zu
Stein. Unter den zahlreichen Effektdüsen sind die schillernden Glocken wohl
am auffälligsten. Als Ausgangspunkt
und Ursprung könnte sich Wasser von
einem ins nächste Becken ergießen. Als
eleganter Bogen fließt Wasser aus diversen Auslassrohren. In Verbindung mit
einem Natursteinmauerwerk sind einfache Rohre aus poliertem Niro recht
ungewöhnlich. Der raue Stein und die
Mauer passen dem ersten Anschein
nach nicht so recht zum modernen
Li.: Moderner Wandbrunnen
Re.: Ein dünner Wasserfilm bringt die Steinsäule
zum Leuchten.
51
GÄRTEN
Li.: Ein Quellstein
darf auch Ecken
und Kanten zeigen.
Re.: Ein Wasserfall
bringt Leben in den
Garten.
Design der Rohre. Drei Auslässe in
regelmäßigen Abständen mit einem
gekonnt im Bogen herausfließenden
Wasser fügen sich jedoch ganz gut ins
Mauerwerk ein. Eine Mauer, vielleicht
am Rande eines Teiches, gewinnt durch
das kleine Wasserspiel an Dynamik. Die
Durchflussmenge lässt sich leicht separat und genau durch Absperrhähne
dosieren. Mit Bruchsteinen lässt sich
sehr einfach eine karge Trockenlandschaft bauen, wie sie in unwirtlichen
Gegenden als Steinwüsten oder über
der Wachstumsgrenze im Gebirge als
Geröllfelder vorkommen. Nicht einzelne
Steine, sondern die aus Bruchstücken
zusammengesetzte Fläche erzielt hier
die Wirkung. Faustgroßes, kantiges
Steinmaterial verkeilt sich wunderbar
ineinander. Ob flach aufgeschüttet oder
mit leichten Hügeln und Tälern. Die
Steinfelder sollten nicht zu groß geraten. Pflanzen werden, wenn überhaupt,
nur spärlich verwendet. Eine Gabione
mit dem gleichen Material schirmt die
Szenerie vom restlichen Garten ab und
verstärkt noch den Eindruck eines öden
Geröllfeldes. Aus den Bruchsteinen wie
Geysire heraussprudelnde Quellen, die
langsam emporsteigen und wieder verschwinden, setzen einen verblüffenden
Kontrapunkt zur staubtrockenen Steinwüste. Manche Treppen sind nicht fürs
Gehen, sondern nur fürs Fließen gebaut.
Nicht, dass Wasser nicht von alleine
seinen Weg den Hang hinunter finden
52
würde. Ohne dass aber Pflanzen oder
Steine seinen Lauf begleiten, sorgt sein
sichtbar gemachtes Fließen ohne jede
Ablenkung und in eigens gepflasterten
Bahnen für Aufsehen. Stufe für Stufe
läuft das Wasser die Treppe herunter,
als ob Kinder sie mit dem Gartenschlauch für ein Spiel geflutet hätten.
Regelmäßige Stufen versetzen es in
einen Rhythmus, der von unvermittelt
eingebauten Sprüngen wieder gebrochen
wird. Ob in Mustern verlegtes Kleinstein-
pflaster oder große, ebene Steinplatten:
Die Art des Bettes bestimmt, wie das
Wasser fließt, rieselt, sich kräuselt. Als
Paarlauf mit einer Treppe ergeben sich
zwei völlig verschiedene Perspektiven:
Bergab im Gleichklang geht man ihm
bergauf entgegen, was immer wieder
neue Überraschungen birgt. Überläufe in
Becken bieten sich förmlich an, Wasser
nicht einfach flach über die Kante zu kippen, sondern es in Flussrichtung und
Gestalt zu verändern. Fließt Wasser von
Becken zu Becken, so kann der Überlauf
auch aufwendiger gestaltet werden als
dies bei Wassertreppen üblich ist. Nicht
als klarer Fall, sondern in Form von
Streifen ergießt es sich von einem Bekken zum nächsten. Einem architektonisch angelegten Wassergarten verleiht
eine exakte Inszenierung Kühle und
Strenge. Ob es sich nun in viele kleine
Strahlen oder nur in einige wenige teilt –
in einen modernen Garten passen solche
Spielereien wunderbar. Nebeleffekt:
Geysire aus Natursteinplatten
STEIN TIME 2 I 10
ART
Gottfried Höllwarth
vor einer seiner
großmaßstäblichen
Arbeiten im Skulpturenpark in Hainfeld
Blick in den Skulpturengarten in Hainfeld: Die
Schotterflächen um die
Skulpturen erinnern wie
im japanischen Trockengarten an Flussläufe.
SKULPTURENPARK
IN HAINFELD
VON SUSANNE LORENZ
m niederösterreichischen Hainfeld gibt es den
Skulpturenpark des Bildhauers Gottfried Höllwarth
zu entdecken. Eingebettet in die parkähnliche
Landschaft beeindrucken die riesenhaften steinernen Skulpturen durch ihre Kraft und Massivität.
Ein Besuch lohnt sich auch im Herbst.
I
Das herausgeschnittene
Segment steht in Kontakt
mit dem Mutterblock:
»Cross-Series«, 1999.
Schremser Feinkorn Granit, 290 x 325 x 140 cm.
54
STEIN TIME 2 I 10
Die Steinskulpturen erinnern an
alte Wegmarken: »Cross-Series«,
1999. Schremser Feinkorn Granit,
200 x 150 x 280 cm (vorne) und
160 x 130 x 190 cm (hinten).
Passstücke verschoben und
wieder eingesetzt.
Präzise Schnitte durch den
Stein bei den »Cross-Series«,
1999. Schremser Feinkorn
Granit, 160 x 130 x 190 cm.
Passstücke verschoben und
wieder eingesetzt.
BEREITS SEIT DEN 1970ER-JAHREN
wohnt Gottfried Höllwarth zusammen
mit seiner Frau, der Malerin Isolde
Joham, in einer Jugendstilvilla in Hainfeld, die von dem Otto-Wagner-Schüler
Franz Czada um die Wende zum 20.
Jahrhundert entworfen und gebaut
wurde. Der parkähnliche Garten fungiert als ein Teil des Hainfelder Skulpturenparks. Seit 2005 initiierte der Bildhauer hier das Projekt »Kulturmeile
Hainfeld«, in dessen Rahmen er den
Skulpturengarten plante und anlegte.
Hier finden sich 18 Skulpturen, die
einen Einblick in das Schaffen Gottfried
Höllwarths geben. Es gibt zwei Bereiche: Der äußere Garten ist dem inneren Garten im Süden vorgelagert und
öffentlich zugänglich. Dort sind auf
einem bewaldeten Grundstück sechs
steinerne Großskulpturen zu sehen. Der
Innere Garten ist 10 000 Quadratmeter
groß und beheimatet zwölf Steinskulpturen. Hier befindet sich ein Ausstellungsgebäude und die oben beschriebene Künstlervilla. Dieser Bereich ist
nur nach Voranmeldung zu besichtigen.
Der Skulpturenpark in Hainfeld ist inspiriert vom Konzept des japanischen
Trockenlandschaftsgartens: Horizontale
Schotterflächen symbolisieren das
Erscheinungsbild des ausgetrockneten
Flussbetts. In den 1970ern entwarf
Höllwarth Projekte von verschiebbaren
Landschaftssegmenten und »aus Gebirgen ausfahrbare Skulpturen«, die er im
verkleinerten Maßstab realisierte.
Heute arbeitet er mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten, doch geblieben
sind das Teilen des natürlichen Steins
in Segmente, das Verschieben und Entnehmen von Skulpturenteilen, aber
natürlich auch das Arbeiten mit »Urmaterial«, mit Stein und Landschaft. Bei
der Beschäftigung mit den Naturvölkern
hat Höllwarth die Urformen des plastischen Kunstwerkes entdeckt: Rohe,
unbearbeitete Steine werden als Grabmäler und Wegweiser verwendet, als
Geisterstätten und Objekte kultischer
Verehrung. Pures Material vereint dort
Geist und Inhalt in sich. Gottfried Höllwarth fühlt sich der Denkweise Asiens
verbunden, darum sind Einflüsse aus
der fernöstlichen Kunstauffassung in
seinen Arbeiten nachzuvollziehen: In
der dortigen Philosophie entspringt
alles der Natur und kehrt zum natürlichen Ursprung zurück. Rein äußerlich
betrachtet sind die Steinskulpturen
Gottfried Höllwarths mehr als mannshohe, massive Steinblöcke, die bisweilen an die Monolithe in Stonehenge
erinnern und aus denen auf der gesamten Tiefe Segmente herausgeschnitten
sind. Diese Formen sind im Mutterblock
beweglich, können theoretisch herausgezogen und wieder eingeschoben werden. Praktisch ist dies so gut wie
unmöglich, da das schiere Gewicht des
Materials dies untersagt. Wichtiger als
das mobile Moment ist die Beziehung
des geschnittenen Elementes, seinerseits ja wieder Skulptur, zur ursprünglichen Materie, dem Block. So bleibt der
räumliche und inhaltliche Zusammenhang zwischen Mutterblock, der »Urmaterie« und der geschaffenen Binnenskulptur bestehen. Die großmaßstäblichen Steinbilder im Skulpturenpark erinnern an alte, steinerne Wegmarken, die
in früheren Zeiten verwendet wurden,
um Straßenverläufe und Grenzen zu
markieren. Obgleich im vergrößerten
Maßstab, stehen die Hainfelder Blöcke
tatsächlich zu solch alten Wegmarken
in Beziehung. Der Künstler möchte mit
seinen Arbeiten auch Zeichen setzen,
Fragen aufwerfen. So führen die Steine
durch den Park, sie markieren den Weg
und sind zugleich das Ziel. Über die
Aussage seiner Arbeiten möchte sich
55
ART
Eindrucksvolle Großskulptur im
öffentlichen Raum: »X-Series«,
1995, City Plaza Schladming.
Brasilianischer Salmon Pink Granite,
Gusseisenrost, Edelstahlaufständerung, Wasser, Licht. 600 x 360 x
113 cm. Block naturgespalten,
Oberfläche geschliffen, schwebende
unsichtbare Aufständerung, Öffnungen gesägt mit Konturseilsäge Titan,
Steinwerk Mayer, Salzburg.
der Künstler nicht dezidiert äußern.
Charakteristisch für die Arbeiten des
Bildhauers ist das X, die Kreuzform,
zwei sich kreuzende Linien, die im
Stein aufeinanderprallen und aus ihm
herausgelöst werden. Das Aufeinandertreffen zweier Diagonalen stellt für ihn
eines der spannendsten Ereignisse in
der Formensprache dar, ein unerschöpfliches Thema. Das X visualisiert für
Gottfried Höllwarth den Schnittpunkt
zweier elementarer Kraftlinien. Steht
ANFAHRT UND ANMELDUNG
Hainfeld liegt an der B18 zwischen
Traisen und Leobersdorf, rund 60
Kilometer von Wien entfernt. Anmeldungen für die Besichtigung des inneren Skulpturenparks beim Künstler:
Prof. Gottfried Höllwarth
Goldgrabenweg 3
3170 Hainfeld
Fon (0 27 64) 22 39
MATERIAL UND BEARBEITUNG
DER SKULPTUREN IM PARK
Findlinge aus Gebhartser Syenit und
Schremser Feinkorn Granit.
Zum Teil an der Basis gesägt. Aussägungen mit Diamant-Konturseilsäge
Herkules bei Poschacher.
56
Die verwitterte Oberfläche lässt
den Granitfindling mit seiner
Umgebung verwachsen: »Hangeul-Series«, 2006. Gebhartser
Syenit, 170 x 340 x 160 cm.
Passstück herausgeschoben.
die eine Diagonale für Aktivität, trifft die
zweite Linie als Konteraktivität auf die
erste. Eine Weiterentwicklung seiner
»X-Series« ist die zweiteilige Arbeit »Global Window«. Bis dato wurden die Eingriffe in den Stein in einer räumlichen
Achse vollzogen, im »Global Window«
sind die Eingriffe auf den drei Raumachsen durchgeführt. Hierdurch gewinnt
das Werk an Komplexität: innen und
außen, Masse und Leere stehen sich
gegenüber. Höllwarth arbeitete bislang
nicht nur mit Stein, sondern auch mit
anderen Materialien, beispielsweise
Metall. Die Arbeiten im Skulpturenpark
sind jedoch alle aus Naturstein gearbeitet, die meisten sind Findlinge aus Granit. Generell wählt der Künstler die
Steine sorgfältig selbst aus, sei es in
heimischen Steinbrüchen oder auch an
der Steinbörse in Rotterdam. Wichtig
sei ihm, so Höllwarth, die Verbindung
zwischen dem Material, also dem Urwesen der Materie, und seiner künstlerischen Empfindung. Diesen Steincharakter will er in seinen Skulpturen zeigen
und bewahren. Der künstlerische
Gestaltungswille manifestiert sich in
der Bearbeitung, in den Schnitten durch
das Material. Darin treffen Natur und
Technik aufeinander: Die präzise
geschnittenen, kreuzförmigen Volumina
sind Zeichen des Rationalen, der Technik. Die raue Oberfläche der massiven
Steine, die in ihrer schroffen Ursprünglichkeit und wilden Natürlichkeit belassen sind, kontrastiert mit den sich herausschiebenden, »bändigenden« Formen der technisch-glatten Kanten. Ein
Kontrast, der die Haptik des Besuchers
anspricht und den Künstler reizt.
»Wer sich mit dem Granit einlässt,
weiß, dass dieser Dialog sich lohnt«, so
der Bildhauer. Für Granit als Arbeitsmaterial hat er sich entschieden, weil er
für ihn durch seinen enormen Widerstand ein unerbittlicher Lehrmeister ist.
»Es ist der Widerstand, der den Künstler formt, wenn er sich anschickt, seinen Gestaltungswillen auf das Material
zu übertragen.« Dass er als Künstler bei
der Bearbeitung auf Widerstand stößt,
dass der Stein sich »wehrt« und bei
Anwendung von Gewalt in Stücke zerspringt, das fasziniert den Bildhauer. STEIN TIME 2 I 10
VÖN INTERN
Die VÖN wächst
Mit zwei Neuzugängen im Jahr 2010 stärkt die Vereinigung
Österreichischer Natursteinwerke ihre Präsenz auf dem
österreichischen Natursteinmarkt.
ÖSTERREICH
Redaktion
SCHAURAUM IN PUCKING
Die casa sasso Steinmetz GmbH
wurde 1991 in Haid bei Linz gegründet. Dank des Geschäftser folges
wuchs das Unternehmen rasch an.
1998 übersiedelte das Haus der
Steine aus Platzgründen nach Pucking.
Um Naturstein in seiner ganzen Vielfalt
optimal präsentieren zu können, wurde
Musterflächen im Außenbereich der casa sasso
in den Folgejahren ein neuer Schauzeigen die Vielfalt von Naturstein.
raum sowie ein Schaugar ten errichtet.
Der Gar ten kombinier t Rasenflächen, Naturstein, Wasser und Stahl und dient
als Entscheidungshilfe für die Auswahl von Naturstein für den Außenbereich.
Nach der Aufstockung der Produktion er weiter te Firmengründer und Geschäftsführer Franz Füßlberger das Produktsortiment um Grabdenkmale. Mittlerweile
beschäftigt die casa sasso GmbH 45 Mitarbeiter. Aktionsradius ist vorwiegend das
Bundesland Oberösterreich, ausgeführt werden aber auch Projekte in ganz Österreich sowie in Süddeutschland. Schwerpunkte sind der Privatbau, Architektenbauten sowie Bauten der Öffentlichen Hand. Bekannte Referenzobjekte sind zahlreiche
Spitäler im Großraum Linz und das Landesdienstleistungszentrum (LDZ) in Linz. Für
die Steinarbeiten an der 2006 errichteten Kirche in Gallspach wurde die casa
sasso mit dem Oberösterreichischen Handwerkspreis 2006 und dem Pilgram-Preis
2010 ausgezeichnet. Derzeit laufen die Vorarbeiten für die Natursteinfassade beim
neuen Musiktheater Linz, mit der 2011 begonnen werden soll.
DIE NEUEN IM NETZ
www.casa-sasso.at
www.rheintalstein.at
SANDSTEIN AUS VORARLBERG
Als erstes Vorarlberger Unternehmen
ist die Rheintalstein GmbH neues
VÖN-Mitglied. Das 2008 gegründete
Unternehmen hat im Schwarzachtobel
nahe Alberschwende einen historischen Steinbruch neu eröffnet; der
Quarzsandstein wurde seit dem 17.
Jahrhunder t zu Wetzsteinen verarbeitet
Die Brucharbeiten im Schwarzachtobel
und weltweit expor tier t.
laufen auf vollen Touren: Kleinere
Nach umfangreichen Vorbereitungsmaß- Blocksteine werden im Galabau und bei
nahmen im Steinbruch ist die Blockpro- der Wildbachverbauung eingesetzt.
duktion bei der Rheintalstein GmbH
mittler weile in vollem Gang. Mit seiner hohen Druckfestigkeit und geringen Porosität gehör t der graue Quarzsandstein zu den ganz har ten Ver tretern seiner Ar t.
Das homogene Material eignet sich für Mauersteine, Blocksteine, Treppen und
Bodenplatten im Innen- und Außenbereich, aber auch für Fassaden- und Ofenverkleidungen. Dank seiner hohen Dichte kann der Stein auch als Küchenarbeitsplatte und Badverkleidung sowie für Massivarbeiten wie Skulpturen und
Denkmäler ver wendet werden. Möglich sind sämtliche handwerklichen und
maschinellen Bearbeitungen. Wegen seines hohen Quarzgehalts lässt sich der
Sandstein aus Schwarzach sogar beflammen und matt polieren.
Streitfeldstraße 35, D - 81673 München
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Adam Mørk, Kopenhagen, Titelbild, S. 38-40; Michael Senn, München, S. 6;
Richard Watzke, Freilassing, S. 6, S.7, S. 57; Prof. Kollhoff GeneralplanungsGmbH, Berlin, S. 8-10; Deutscher Naturwerkstein Verband e.V., Würzburg,
S. 12-15; Jörg Stephan, München, S. 16-20; Prof. Dieter Leistner, Würzburg, S.
16-20; Vincent Phillips, Engelskirchen, S. 22-25; Thomas Zimmermann, Luzern, S. 22-25; Hanno Keppel, Braunschweig, S. 22-25; Stefan Müller, Berlin, S. 22-25, S. 32-36; Gerhard Fischill, Linz, S. 26-30; Sebastian Krehn, Bregenz, S. 26-30; Harald Vavrovsky, Wien, S. 26-30; Stöckl Egger & Partner, Kitzbühel, S. 26-30; Rada Naturstein, Poysdorf, S. 26-30; Sölker Marmor GmbH,
Kleinsölk, S. 26-30; Bamberger, Traiskirchen, S. 26-30; Wolf Dieter Gericke,
Waiblingen S. 32-36; Manfred Seidl, Wien, S. 42-44; Silvia Reitmaier, S. 4244; Poschacher Natursteinwerk, St. Georgen, S. 46-47; ZT-Büro Paikl, Kleinneusied, S. 48-49; Poschacher Natursteinwerk, St. Georgen, S. 48-49; Daniel
Böswirth, Wien, S. 50-52; casa sasso Gmbh, Pucking, S. 57
57
Mitgliedsbetriebe der VÖN
Wr. Neustädter Straße 137–139, 2514 Traiskirchen, Tel. 0 22 52/80 52 10, Fax 8 53 52
www.marmorwelt.com, [email protected]
Steinmetzbetriebe
Franz Bamberger GmbH
Gegründet 1953, etwa 130 Beschäftigte. Das moderne Maschinenequipment ermöglicht technisch
und gestalterisch anspruchsvollste Natursteinarbeiten. Neben allen einschlägigen Steinmetzarbeiten
liegt der Tätigkeitsschwerpunkt in der Ausstattung von Wohnungen und Hotels der Luxusklasse.
Eigene Büros in Deutschland, Schweiz, Großbritannien und der Russischen Föderation.
Untere Landstraße 20, 4055 Pucking, Tel. 0 72 29/7 98 60, Fax 7 98 60 11
www.casa-sasso.at, [email protected]
casa sasso
Steinmetz GmbH
Naturstein, Marmor und Granit sind Klassiker in allen Bereichen anspruchsvoller Architektur. Aus vielerlei Gründen. Hier begeistert die Ästhetik des natürlichen Materials. Dort inspiriert die Vielfalt an
Gestaltungsmöglichkeiten.
Luxuriös, elegant, rustikal, modern. Was immer Ihnen zu Stein einfällt, casa sasso ist der richtige Partner zur fachmännischen Umsetzung Ihrer Ideen und Wünsche. Mit Komplettlösungskompetenz.
Badener Straße 25, 2514 Traiskirchen, Tel. 0 22 52/52 22 40, Fax 52 22 47
www.ecker-stein.at, [email protected]
Steinmetzmeisterbetrieb
Wolfgang Ecker Ges.m.b.H.
Höchster Qualität und Professionalität in der Verarbeitung von Naturstein hat sich der 1965 gegründete Steinmetzmeisterbetrieb Wolfgang Ecker verschrieben. Klassische Arbeiten wie Fassadengestaltung, Bodenbeläge oder Fensterbänke sind ebenso Bestandteil der handwerklichen Palette wie Arbeiten in der Denkmalpflege.
Schulstraße 4, 2632 Grafenbach, Tel. 0 26 30/3 71 13, Fax 3 71 13-19
www.gersthofer.at, [email protected]
Komm. Rat. Johann
Gersthofer Ges.m.b.H.
Seit 1902 bürgt die Firma Gersthofer für höchste Qualität in der Natursteinverarbeitung und verbindet das traditionelle Handwerk mit modernster Technologie und Leidenschaft für Steine. Ausführungen von Steinmetz- und Kunststeinarbeiten für innen und außen (Boden- und Stufenbeläge, Fassaden, Küchenarbeitsplatten etc.).
Wiestalstraße 10, 5411 Oberalm (Salzburg), Tel. 0 62 45/8 35 04, Fax 8 35 05 33
www.marmor-kiefer.at, [email protected]
Marmor-Industrie
Kiefer GmbH
Mit 38 Mitarbeitern gewinnt und verarbeitet die Marmor Kiefer Marmorvorkommen aus eigenen
Steinbrüchen in Adnet und am Untersberg. Verarbeitet wird auch Gollinger Konglomerat. Ein Viertel
der Produktion wird exportiert. Wichtige Bereiche sind die Denkmalpflege und der hochwertige
Innenausbau.
Au 17, 4710 Grieskirchen, Tel. 0 72 48/6 82 95, Fax 6 82 95-7
www.kienesberger-stein.at, [email protected]
Kienesberger
Steinmetzmeister GmbH & Co. KG
Seit drei Generationen bearbeiten wir Naturstein auf höchstem Niveau. Die Liebe zum Material, eine
moderne Produktion und die handwerklichen Fähigkeiten der Mitarbeiter sind unsere Grundlage.
Damit schaffen wir Unikate. Mit Kalkstein aus unserem eigenen Steinbruch im Salzkammergut und
aus allen weltweit verfügbaren Natursteinen.
Steinweg 2, 9554 St. Urban, Tel. 0 42 77/82 41, Fax 82 41-11
www.kogler-natursteinwerk.at, [email protected]
Josef Kogler Natursteinbruch
und Schotterwerk GmbH
Der Blau-Grüne Carat, ein Naturstein von hoher Qualität, abgebaut im eigenen Steinbruch in St. Urban,
ist das Herzstück der Produktpalette der Firma Kogler Naturstein. Das 1954 gegründete Unternehmen
bietet ein umfassendes Angebot an Naturstein-Produkten für den Innen- und Außenbereich. Moderne
Technologie und erfahrene Handwerker garantieren die Produktqualität.
Krastaler Straße 28, 9541 Einöde b. Villach, Tel. 0 42 48/27 82, Fax 20 17
www.laustersteinbau.de, [email protected]
Lauster Naturstein GmbH
Natursteinwerke
Lauster gewinnt und verarbeitet Naturstein seit über 200 Jahren. Das Unternehmen war maßgeblich
an der Entwicklung der zeitgenössischen Fassadentechnik beteiligt. Zurzeit gewinnt das Unternehmen
in eigenen Steinbrüchen im Krastal in Kärnten den kristallinen Marmor Krastaler Marmor und in Osttirol den Serpentinit Tauerngrün und den Chloritschiefer Dorfergrün.
Wiener Straße 65, 8605 Kapfenberg, Tel. 0 38 62/22 45 2, Fax 22 45 24
www.matschy.com, [email protected]
Matschy GmbH
Stein & Design
Die Tradition sowie die speziellen Fähigkeiten in der Gestaltung und Verarbeitung von Naturstein
sind über mehrere Generationen entwickelt und aufgebaut worden.
Durch diesen Umstand sind wir einer der technisch modernsten Meisterbetriebe in der Steiermark. Besuchen Sie unsere Showrooms in Kapfenberg und finden Sie zu Ihren Wünschen und
Ideen den passenden Stein mit seiner geforderten Gestaltung.
Poschacherstraße 7, 4222 St. Georgen, Tel. 0 72 37/33 33, Fax 33 33 44 4
www.poschacher.com, [email protected]
Poschacher Natursteinwerke
GmbH & Co. KG
Seit 1839 steht der Name Poschacher für die perfekte Verarbeitung von Naturstein.
In acht österreichischen Steinbrüchen werden die Granite Neuhauser, Herschenberger, Gebhartser, Aalfanger, Hartberger und Schremser sowie der Chloritschiefer Pannonia Grün abgebaut und
von über 200 Mitarbeitern in modernsten Anlagen zu einer Vielzahl an Produkten verarbeitet.
Johannessiedlung 1, 2170 Poysdorf, Tel. 0 25 52/24 00, Fax 24 00-6
www.rada.at, [email protected]
Rada Naturstein Ges.mbH
Das Unternehmen ist ein traditioneller Steinmetzbetrieb. Unter Einsatz moderner Bearbeitungsmaschinen und -methoden soll zeitgemäße Architektur in Stein geformt und mit handwerklichem Können sollen alte Kulturbauten erhalten werden. Die gehobene Steinmetzarbeit im Privatbereich oder
Geschäftsbau sowie anspruchsvolle Renovierung und Restaurierung ist eine Stärke.
Hainsdorf 8, 8421 Wolfsberg, Tel. 0 31 84/24 08-0, Fax 24 08-24
www.stein.at, [email protected]
Steinmetzunternehmen
Reinisch GmbH
Stein Reinisch ist ein ISO-zertifizierter Betrieb – Mitarbeiter werden laufend geschult, individuelle
Arbeiten werden professionell geplant und ausgeführt. Wir bieten Ihnen Komplettlösungen –
alles aus einer Hand. In unseren neun Filialen und im Werk sind Sie immer herzlich willkommen.
Der Betrieb wurde 1985 gegründet und zählt heute zu den größten Betrieben in der Steiermark.
Hofsteigstraße 63, 6858 Schwarzach, Tel. 0 55 72/4 12 30, Fax 4 12 30 10
www.rheintalstein.at, [email protected]
ABSW Rheintalstein GmbH
Seit 2009 baut die ABSW Rheintalstein GmbH aus Vorarlberg im einzigen Sandsteinbruch Österreichs Schwarzachtobler Quarzsandstein ab. Eine blaugraue Färbung, Frostsicherheit, Polierfähigkeit und eine hohe Widerstandsfähigkeit sind nur ein paar Eigenschaften des Steines. Diese
Materialeigenschaften prädestinieren unser Produkt für den Innen- und Außenausbau, Fassadenbau sowie im GaLaBau.
Gopperding 17, 4782 Sankt Florian am Inn, Tel. 0 77 12/31 16-0, Fax 31 16-50
www.schaerdingergranit.at, [email protected]
Schärdinger Granit Industrie AG
Seit über 120 Jahren stellt die Schärdinger Granit Industrie AG in ihren Betrieben in Schrems und
Schärding Pflaster-, Leisten- und Randsteine sowie Platten aus Schärdinger und Schremser Granit her.
Bei Steinmetzprodukten reicht die Produktpalette von der Bodenplatte bis zu Grabanlagen.
Sölker Marmor GmbH
Der Ursprung des Sölker Marmors liegt mehr als 350 Millionen Jahre zurück. Sein hohes Alter
und seine spezifische Entstehungsgeschichte machen ihn zu einem der hochwertigsten Marmore
der Welt. Die Firma Sölker Marmor mit ihren 40 Mitarbeitern hat sich auf den Abbau und die
Veredelung des im Sölktal gewonnenen edlen Natursteins spezialisiert.
Für nähere Informationen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Büro Natursteinvereinigung:
Scharitzerstraße 5/II, A-4020 Linz
Tel. 07 32/65 60 48 und 0 76 12/8 73 36
Fax 0 76 12/8 94 33
[email protected]
www.pronaturstein.at
allegria | design – Oppermann, www.allegriadesign.de
Reith 279, 8961 Kleinsölk, Tel. 0 36 85/2 22 16-0, Fax 2 22 16-19
www.soelker.at, [email protected]
ARCHITEKTUR
DER GRÜNE
WAHNSINN
VON HANS KOLLHOFF
st nachhaltiges Bauen ein Phantom, das
nur der kurzfristigen Umsatzentwicklung
für bestimmte Produkte dient, während
die gewachsene Stadt und die traditionelle
moderne Architektur auf den Müllhaufen der
Baugeschichte kommen?
I
BAUEN IST IMMER EIN AKT GEWESEN, DER IN DIE NATUR EINGREIFT,
sich gegen die Natur stellt als Artefakt.
Der Mensch hat es sich bequem
gemacht in diesen Gehäusen und darauf geachtet, dass er nicht allzu viel
Brennmaterial verbraucht. Verschwendung war seit Vitruv nicht Sache der
Architektur. Nun sollen Gebäude grün
Vertikalschnitt durch die
Fassade der Wohnresidenz Tivoli
8
werden und am liebsten Energie erzeugen. Was für ein Schwachsinn! Für wie
dumm will man uns eigentlich verkaufen? Denn es geht nur ums Verkaufen,
um nichts sonst. Was so moralisierend
daher schreitet im Kleid diverser Zertifizierungssysteme, ist nichts anderes
als das Abstecken von Claims, das
Sichern von Marktanteilen im globalen
Hauen und Stechen. Findige Projektentwickler haben längst begriffen, dass es
profitabler ist, irgendein grünes Siegel
beizubringen und bei der Grundsteinlegung einen amerikanischen Expräsidenten einzufliegen, der sich über Sustainability auslässt, anstatt ein anständiges, also nützliches, dauerhaftes,
schönes Haus zu bauen.
Wer kann das noch hören: nachhaltiger
Kaffee, nachhaltige Armaturen (»Wasserverantwortlichkeit«), Sustainable
Cleaning, Aqua Living (Wasseraufbereitung), Ressourcenschutz (Zink), nachhaltige Bildungsprozesse, nachhaltiges
Informationsmanagement, nachhaltige
Schönheit (Sustainable Style), grüner
Fliegen (Biokraftstoff), grüne Schätze
(Dow Jones Sustainability Index) und,
last but not least, nachhaltiger Konsum?
Die politischen Parteien übertreffen
sich im Hochschrauben der Ansprüche,
obwohl keiner mehr etwas von der
Sache selbst versteht. Das heißt dann
KfW 70 und EnEV oder Minergie,
Minergie Plus oder so ähnlich. Und: Es
gibt auch keine Kredite mehr ohne die
Einhaltung dieser willkürlichen Standards, weil die Menschen noch weniger
davon verstehen und die Medien vereinfachen müssen, um zu überleben.
Dann entsteht diese groteske Situation, dass wir nur noch Schuhkartons
bauen mit 18 Zentimetern Styropor
drumherum, das ist kreditwürdig, weil
es die Banker verstehen und die »Verbraucher« so wollen, weil es gut für die
Umwelt sein soll und angeblich Heizkosten spart. Dass es darüber hinaus
aber noch eine Wohnkultur gibt und
eine Urbanität, die sich an der Überlieferung misst, ist dabei in Vergessenheit geraten. Das können wir uns auch
leisten, solange wir von der Substanz,
die vergangene Generationen geschaffen haben, noch zehren können. Was
aber droht, wo diese Substanz nicht
mehr hervorgebracht wird? Man spricht
ja schon von »erinnerungsfähigen
Stadtbildern«, und die nächste Vermarktungswelle rollt heran.
Jeder, der sich an der Natur freut, dem
das Wachsen eines Grashalms etwas
bedeutet, wird dem Bauen mehr Vernunft entgegenbringen als unsere
Finanzjongleure, denen kein Vorwand
zu schade ist, um Mist in Gold zu verwandeln. Heute eben unter der Devise
STEIN TIME 2 I 10
Die Wohnresidenz Tivoli
in Luzern aus dem Portfolio von Hans Kollhoff
»Green Building«. Es geht um Fortschrittsbilder – höher, weiter, schneller,
und die lassen sich mit Glas und spitzen Winkeln leichter produzieren als
mit dicken Wänden und solidem
Bauen. Was sich heute bauen nennt,
spottet jeder Beschreibung, von Hilfsarbeitern ausgeführt, mit Toleranzen, die
jede Schludrigkeit gestatten, ja geradezu provozieren, dabei europäischen
Normen verpflichtet, die auch wieder
nur, der Lobbyarbeit entsprechend, auf
Marktvorteile aus sind.
Langlebigkeit statt Wegwerfarchitektur: Das müssen wir uns leisten. Wir
können es uns also aussuchen, ob wir
»green« bauen wollen und dabei die
Erosion unserer Städte beschleunigen
oder ob wir nach unseren technischen
Möglichkeiten in umfassender Weise
verantwortungsvoll weiterbauen. Denn
technischer Fortschritt taugt nichts, solange er nicht in eine Bautradition eingebunden ist. Dann müssen wir aber
bereit sein, auch mehr auszugeben.
Warum so kategorisch? So wird manch
einer fragen, und ich frage zurück, wie
soll’s denn anders gehen? Vor 30, 40
Jahren haben sechs Zentimeter Styropor gereicht, jetzt sind es 25 Zentimeter. Ein Viertelmeter an der Grundrissperipherie, das ist natürlich ein gewaltiger Nutzflächenverlust! Wie kann der
kompensiert werden? Durch Basteln
und Kleben. Ein zweischaliger Wandaufbau erscheint denn auch als purer
Luxus, kommen doch noch einmal 10
bis 15 Zentimeter Mauerstärke hinzu.
Das aber wäre bei Gebäuden mit mehr
als drei Geschossen eine solide Bauweise, als Sichtmauerwerk oder konventionell verputzt, die den Vergleich
mit historischen Fassaden nicht
scheuen müsste. Ein Großteil unserer
Städte, die ja durch Wachstumsschübe
im ausgehenden 19. und frühen 20.
Jahrhundert geprägt sind, tritt uns mit
einem solchen monolithischen Erscheinungsbild entgegen. Einschaliges Mauerwerk, selbst mit raffinierter Wabenkonfiguration, stößt jedoch, wenn es
über das Einfamilienhaus hinausgeht,
an seine Grenzen. Was bleibt, ist die
sogenannte Thermohaut oder, recht
euphemistisch, die Kompaktfassade.
Plastikhaut auf Styropor auf Beton –
oder noch abenteuerlichere Alternativen. Wenn wir heute antreten wollen,
ein Haus zu bauen, das im Kontext der
Überlieferung, in der Nachbarschaft
von Häusern aus dem 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert nicht schäbig aussieht, müssen wir bereit sein, 10 Prozent mehr dafür auszugeben, in der
Stadt eher 20 Prozent und mehr. Das
Gebäude mit monolithischer Wand aus
dämmfähigem Mauerwerk mit optimiertem Fensteranteil, also das gute alte
städtische Haus, wäre das energetisch
sinnvollste Hausbauprinzip, es hält
nicht nur einen Abschreibungszeitraum
lang, also 20 bis 30 Jahre, sondern 50
bis 75 Jahre. Wenn es so lange seine
Haltbarkeit unter Beweis gestellt hat,
da können wir sicher sein, hält es für
immer. Diese Langlebigkeit und damit
verbunden ein urbanes Wohngefühl
geht leider nicht in die Kalkulation der
diversen Zertifikate ein, im Gegensatz
zur Wegwer farchitektur, die natürlich
im Interesse des Shareholder Value
erstrebenswert ist.
Bauen heißt bleiben. In Versuchshäusern will man nicht wohnen. Wer aber
mag schon in einem Haus wohnen, von
dem er weiß, dass es morgen abgeris-
sen wird? Man will doch eines Tages
zurückkommen aus der großen weiten
Welt und den Kindern einmal zeigen,
wo man zu Hause ist. Und man möchte
vielleicht von vornherein in einer Stadt
wohnen, die eine Geschichte hat, und
Geschichte wird nun einmal im Gebauten augenfällig. Ältere Bauweisen,
Fachwerkhäuser etwa mit Weidengeflecht und Lehmausfachung, waren
ohnehin dauerhafter und energetisch
ausgereifter als die Errungenschaften
des »Neuen Bauens«, dessen Abstraktionsdrang eine schwindsüchtige Architektur hervorgebracht hat, die zuvorderst der Profitmaximierung diente, bis
die »Ölkrise« über uns hereinbrach.
Seit den 1920-Jahren baut man unablässig Versuchshäuser und Forschungssiedlungen und stellt sie rechtzeitig
unter Denkmalschutz, bevor die Abrissbirne anrückt. Das Weiterbauen an der
vorhandenen städtischen Substanz ist
offenbar nicht sexy genug für Werbefeldzüge, das Bildmaterial gibt nicht
genug her, wenn der Fortschritt in kleinen Schritten er folgt. Man kann sich
leicht die Stadt vorstellen, die sich aus
den momentan zirkulierenden Versuchshäusern, Pilotprojekten und Highlights im Nachhaltigkeitswettbewerb
ergibt. Wer möchte dort leben?
Wer ist der Pate für eine normale,
beständige Architektur? Wie man
dagegen ein schönes altes Haus
lebenswert erhält, welcher Aufwand
damit verbunden ist und was es
9
ARCHITEKTUR
kostet, das er fährt man nicht, weil es
nicht auf den banalen Nenner einer
»grünen« Architektur zu bringen ist. Wer
sagt einem, dass ein schöner alter
Putz unbezahlbar geworden ist, weil
das entsprechende Handwerk nur noch
im Denkmalpflegebereich anzutreffen
ist? Wer sorgt dafür, dass darauf, bitteschön, kein Styropor geklebt werden
dar f, wenngleich dafür attraktive Fördermittel zur Ver fügung stehen? Wer
hindert die abgestumpften Hauseigentümer daran, ihre schönen Holzfenster
gegen PVC auszutauschen? Wer macht
sie aufmerksam auf den feinen Unterschied in der Profilierung, im Schattenbild, zum flachen Kunststoff- oder Aluminiumprofil, das Generationen avantgardistischer Architekten so flach
gedrückt haben, dass es keinen Schatten mehr wir ft? Und wer unterstützt die
Anstrengung dessen, der nicht bereit
ist, ein elegantes altes gegen ein klobiges neues Fenster zu ersetzen? Wer
fördert den, der den Vorwur f des Ewig
gestrigen souverän von sich weist und
bereit ist, für ein Sprossenfenster bei
der Umrüstung auf Isolierverglasung
unter Umständen das Doppelte auszugeben, weil er spürt, dass mit dem Verzicht auf Sprossen oder durch bloßes
Aufkleben von Sprossenattrappen das
Haus seinen Charakter verliert? Das
ist ja der Reflex, dem wir ständig ausgesetzt sind: Das Alte und damit auch
Bewährte wird erst einmal denunziert,
um das verblüffend Neue aus dem Hut
zu zaubern, das dann freilich ebenso
schnell in der Versenkung verschwindet, weil es inzwischen von den nächsten Innovationen überholt wurde.
Um einem fatalen Missverständnis vor-
10
zubeugen: Wir reden hier nicht über
Denkmalschutz und Baudenkmale, die
einen marginalen Prozentsatz der
Stadtsubstanz ausmachen. Wir reden
über die Masse der Gebäude, die ganz
und gar unspektakulären konventionellen Bauten, ja zunehmend reden wir
gerade nicht über die denkmalgeschützten Objekte, denn was seit
einem halben Jahrhundert unter Schutz
gestellt wurde, sind ja die Solitäre, die
Experimente, die künstlerischen Eskapaden, die nun sperrig in der Stadt herumstehen, keine Textur bilden oder
bereichern, sondern diese als Hintergrund missbrauchen, um sich unberechtigterweise selbst in Szene zu
setzen.
Man muss also das Schlimmste
befürchten, wenn ein Bürgermeister
seine schöne alte Stadt, Tübingen zum
Beispiel, »vollkommen umorganisieren«
und »viermal mehr mit Styropor einpacken« will. Es ist ja nichts dagegen zu
sagen, dass er ein Gesetz erlassen
will, um alle alten Gebäude zu dämmen, wenn dies auf verantwortungsvolle Weise geschieht, das heißt mit
differenzierter Betrachtung und der
entsprechenden Bereitschaft, den
finanziellen Aufwand nicht zu scheuen,
anstatt alle Altbauten über einen
Kamm zu scheren beim Grünmachen.
Erfahren statt erfinden: Nur was sich
bewährt, ist fortschrittlich. Das ist eine
Sache der Er fahrung. Immer wenn aus
der Er fahrung heraus Neues entstanden ist, ging es gut. Immer wenn bloß
er funden wurde, ging es daneben. Wir
leben in einer Zeit der Er findung und
Er fahrungslosigkeit. Wir haben gar
keine Zeit zu beobachten, wie gut oder
schlecht die Dinge, die wir in die Welt
setzen, sind. Schlimmer noch: Wir
schauen weg, weil wir schon im Voraus
ahnen oder gar wissen, wie minderwertig unsere Produkte sind. Wir müssen
einfach wieder bereit sein, Er fahrungen
zu machen, und das heißt, hin und wieder zurückzuschauen auf unsere Werke
und sie zu vergleichen mit dem alten
Kram. Gibt es eine glaubhafte Analyse
der Praxisbewährung all dessen, was
seit Jahren hingerechnet wurde von
den Ingenieuren? Ich kenne keine.
Deshalb bin ich gegen diesen grünen
Wahnsinn.
Werner Sobek behauptet ja, Häuser
sollen mit Anstand von der Erde verschwinden. Erinnern Sie sich an die
»Metastadt« Wulfen? Eine der meistgeförderten und meistgefeierten städtebaulich-architektonischen Errungenschaften der Bundesrepublik. Es hätte
alles auseinandergeschraubt werden
können, nachdem man den undichten
Stellen nur durch Abriss beikommen
konnte. Aber es wurde einfach mit dem
Bagger beiseite geschoben, ohne
Materialtrennung, weil es die billigste
Methode war. Warum sollte man sich
gerade bei der Entsorgung den größten
Luxus leisten?
Ich bin gegen den Nachhaltigkeitswahn
in der verlogenen Form, wie er heute
betrieben wird. Wenn Recyclingfähigkeit
mehr gilt als Permanenz, ist das Ende
der Stadt besiegelt, und »Architektur«
ist ein Freizeitspaß geworden. Dagegen
sage ich, baut langlebige, großzügige
Häuser, sodass Ihr nur einmal bauen
müsst, was sonst kontinuierlich hergestellt, abgerissen und zermahlen werden müsste. Und baut so, dass der
unverkrampfte Mensch sich damit
zurechtfindet. Betrachtet also das
Haus und die Stadt nicht als Wegwer fprodukte und als Konsumgüter, sondern als wertvolles Kulturgut, von dem
auch zukünftige Generationen noch
zehren können, und – das ist die Konsequenz – seid bereit, dafür deutlich
mehr auszugeben. Ich habe nicht
gesagt, baut verschwenderisch, sondern so, dass unsere große Tradition
der Architektur und Stadt in Europa
nicht versiegt. Für Architekten ist es
riskant, diese Wahrheit auszusprechen.
Ich weiß, man gibt sich lieber mit Styropor zufrieden. Wir brauchen einen
Qualitätswettbewerb, der anfängt bei
der Planung. Es wird nicht mehr um
kurzfristigen Profit gehen, sondern um
langfristige Wertschätzung. Nicht Recyclingfähigkeit, die dem modernen Ideal
des Materialkreislaufs entspricht und
für Konsumgüter, nicht aber für die
Stadt taugen mag, wäre unser Anliegen, sondern Dauerhaftigkeit. Stadt ist
Permanenz, nur so wird sie erinnerungsfähig – und nicht nur als Bild. STEIN TIME 2 I 10
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