7154 kB - Staatsschauspiel Dresden

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Staatsschauspiel Dresden
100 Jahre
Staatsschauspiel Dresden
Das Sonderheft
Happy Birthday Schauspielhaus! Aus dem Fotoessay von Matthias Horn,
zu sehen im Jubiläumsbuch „100 Jahre Staatsschauspiel Dresden“
2
3
Inhalt
Die 100. Spielzeit 2012.2013
100. Spielzeit
6 p Grußworte
8 p Alle Projekte und Premieren
im Überblick
10p Ein Blick auf 100 Jahre
Theatergeschichte
von Peter Michalzik
Theater zu Gast in Dresden
Wir danken den Förderern und Partnern der Jubiläumsspielzeit für die Zusammenarbeit und für
die freundliche Unterstützung unserer Produktionen und Projekte.
Hauptförderer der 100. Spielzeit
Förderer und Projektpartner
SchmidtDrenhausStiftung
LANDESBEAUFTRAGTER FÜR DIE UNTERLAGEN
DES STAATSSICHERHEITSDIENSTES
DER EHEMALIGEN DDR
Medien- und Kooperationspartner
Koproduzenten
Rimini
Apparat
4
16p Deutsches Theater Berlin
„Kinder der Sonne“ von Maxim Gorki
18 p Schauspiel Frankfurt
„Medea“ von Euripides
20p Burgtheater Wien
„Krieg und Frieden“ von Leo Tolstoi
22 p Thalia Theater Hamburg
„Faust I + II“ von Johann
Wolfgang von Goethe
24p Schauspielhaus Zürich
„Der Menschenfeind“
von Jean-Baptiste Molière
Theater und Geschichte p Rückblicke,
Einblicke, Ausblicke zum Jubiläum
28 p Berühmte Stimmen,
berühmte Texte
Lesungen mit prominenten Gästen
30 p Der beteiligte Blick
Uraufführungen bekannter Autoren in
der Jubiläumsspielzeit
31 p Neue Kunst & neue Räume
Wandgemälde von Luc Tuymans
im Schauspielhaus und das neue
Kassen- und Servicezentrum
32 p 100 Jahre – 100 Leben
Ein Fotoprojekt mit 100 Dresdnern
zwischen 0 und 100 Jahren
33 p Sie befinden sich hier
Ein theatraler Parcours durch das
Schauspielhaus und seine Geschichte
34 p 100 Prozent Dresden
Eine statistische Kettenreaktion
von Rimini Protokoll
34 p In Akten gepresst
Zwei Stücke beschäftigen sich mit der
Stasi-Vergangenheit Dresdens
35 p Theatron: Von der Polis zum
partizipativen Theater
Das Theater und sein Publikum
35 p Bretter, die die Welt bedeuten
Ein Stück Theatergeschichte zum
Mitnehmen
36 p Weber, Weill & Waits
Ein Gastgeschenk der Dresdner
Philharmonie zum Jubiläum
37 p Der MDR im Schauspielhaus
mdr-figaro und artour zu Gast
Theater hier und anderswo p von
Montevideo, Birmingham, Zagreb und
Wrocl⁄aw bis Reinhardtsdorf-Schöna
40p Die Freiheit des Fremdlings
Jan Klata inszeniert Shakespeare
42 p Warum Montevideo?
Warum Antigone?
Volker Löschs Antiken-Projekt aus
Uruguay zu Gast in Dresden
44p Was ist Europa?
Ein internationales Theaterexperiment
mit vier Autoren aus Großbritannien,
Kroatien, Polen und Deutschland
46p Mit Außerirdischen über
die Wiese tanzen
Theater Aspik und die Bürgerbühne
inszenieren ein Landschaftstheater in
der Sächsischen Schweiz
49 p Service und Impressum
5
Die 100. Spielzeit 2012.2013 p Grußworte
Liebe Dresdnerinnen und Dresdner,
liebe Schauspielbesucher und Gäste der Stadt,
100 Jahre Staatsschauspiel sind 100 Jahre hochkarätige Theaterkunst. Im Schauspielhaus Dresden wurde seit seiner Eröffnung am 13. September 1913 eine Vielzahl von großen Produktionen gezeigt, die das kulturelle und gesellschaftliche Leben
der Stadt Dresden und auch des Freistaates Sachsen, nicht selten des gesamten deutschsprachigen Raums inspiriert, bereichert und weiterentwickelt haben.
Dabei war das Schauspielhaus auch immer Ort aktueller
politischer Auseinandersetzung, zum Guten wie zum
Schlechten. Die im vergangenen Jahr gemeinsam mit der
Staatsoper Dresden gezeigte Ausstellung „Verstummte Stimmen – Die Vertreibung der ‚Juden‘ und ‚politisch Untragbaren‘
aus den Dresdner Theatern 1933 bis 1945“ hat uns einmal mehr
daran erinnert, dass auch die Kunst Ort und Gegenstand politischer Willkürherrschaft sein kann.
Erinnert sei aber auch an den mutigen Beitrag der Mitarbeiter des Staatschauspiels zur friedlichen Revolution in der
ddr, als im Oktober 1989 im Schauspielhaus die Resolution
„Wir treten aus unseren Rollen heraus“ geschrieben und verlesen wurde.
Am 13. September 2013 jährt sich die Eröffnung dieses geschichtsträchtigen Theaterhauses zum 100. Mal. Ich begrüße
es sehr, dass das Staatsschauspiel dieses Ereignis zum Anlass
nimmt, neben dem umfangreichen und vielversprechenden
Repertoireprogramm der Jubiläumsspielzeit eine große Zahl
von Sonderprojekten zu zeigen, die sich den vielfältigen
künstlerischen und gesellschaftlichen Herausforderungen
eines großen Theaterhauses in dieser Zeit, in dieser Region
und an diesem Ort stellen.
Denn Kunst, und insbesondere das Theater, lebt nicht nur
von der Vergangenheit. Es ist eine Kunstform der Gegenwart
und ein Verbündeter der kommenden Dinge. Wie sonst
könnte uns das Theater von uns selbst erzählen, wenn es uns
nicht kenntlich macht in unserer Gegenwärtigkeit und uns
manchmal auch bis zur Kenntlichkeit entstellt?
Es gehört zu den Bestimmungen des Theaters, sich nicht
gemeinzumachen mit dem Bestehenden oder gar dem politisch oder gesellschaftlich Opportunen. Und Wirkung entfaltet es vor allem dann, wenn es sich zum Kern seiner Erzählungen den Menschen selbst wählt, seine aktuellen, konkreten
Probleme in einen größeren Kontext stellt. Dann entstehen Inszenierungen, die über die Bühne hinaus und ins Leben weisen. Dann erfüllt das Theater den Auftrag, den wir ihm als Publikum geben: uns anzuregen, über uns nachzudenken, uns
neue Perspektiven zu geben und uns zu verändern.
Das Staatsschauspiel ist immer wieder ein solcher Ort der
Reflexion gewesen. Das Programm der Jubiläumsspielzeit
weist es nun einmal mehr als einen solchen aus. Der Blick weitet sich, die Perspektiven sind vielfältig, die Kooperationen
sind international und die Themen sind Themen von hier und
von heute. So muss man es sich wünschen in einer offenen,
neugierigen, kulturbegeisterten Stadt mitten in Europa.
Ich wünsche dem Staatsschauspiel eine erfolgreiche Jubiläumsspielzeit und Ihnen spannungsreiche und genussvolle
Theatererlebnisse!
Sabine von Schorlemer
Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst des Freistaates
Sachsen
6
Werte Zuschauerinnen und Zuschauer,
liebe Freunde des Staatsschauspiels,
der Umgang mit der Geschichte ist, wie wir alle wissen, ein
komplizierter und vielfältig interpretierbarer. Wir starten in
die 100. Spielzeit, orientieren uns dabei natürlich an der Baugeschichte des Schauspielhauses, denken aber auch über die
Identität einer künstlerischen Institution, des Staatsschauspiels, nach, also einer Institution, die zwischen 1913 und
heute einige Male ihren Namen – angepasst an staatliche Hoheitsbedürfnisse – ändern sollte. In einigen der wachsenden
Städte wurden um die vorletzte Jahrhundertwende jene großen Theater begründet, die bis heute die deutschsprachige
Kulturlandschaft prägen. Sie waren Orte der Selbstfindung,
Identität und Repräsentanz sowie Ausdruck des Stolzes und
der Würde eines neuen Bürgertums, das sie geistig und finanziell trug. Vieles von diesem Anspruch charakterisiert auch
100 Jahre später das Theater der Gegenwart, andere Aufgaben
von Kunst, Kultur und Bildung sind hinzugekommen in einer
medial durchdrungenen und vernetzen Welt, die geprägt ist
von schnell wechselnden Bildern und Werten sowie von rasant wachsenden Kräften ökonomischer, sozialer und ästhetischer Divergenz. Vielleicht dient gerade eine Jubiläumsspielzeit dazu, besonders intensiv über die Zukunft des Thea­
ters in unserer Gesellschaft nachzudenken, über dieses Medium der Modelle und Versuche, des Ausprobierens und des
Wandels, welches gleichermaßen aber ein großer Erinnerungsspeicher ist.
Ein Jubiläum soll sich nicht in einem feierlichen Akt erschöpfen – der natürlich auch dazugehört. In der kommenden
Spielzeit wird bei uns ein buntes Mosaik aus Veranstaltungen,
Publikationen, Ausstellungen, Gastspielen und Konzerten, Inszenierungen und Performances, Gesprächen und Lesungen
entstehen – aus vielem, was im Dreieck zwischen Geschichtsreflexion, Gegenwartsbefragung und Zukunftslabor den Anlass aufnimmt und mit ihm so spielt, wie es einem Theater zukommt. Das Sonderheft, das unser Spielplanheft 2012.2013 ergänzt, soll Sie herzlich einladen und verführen, mit uns gemeinsam zu feiern; wir denken, es gibt vieles zu entdecken.
Nehmen Sie beispielsweise im Herbst das dicke Buch in
die Hand: Ein 400-seitiger Text- und Bildband (herausgegeben
im Verlag Theater der Zeit) ermöglicht einen stolzen wie kritischen Blick zurück mit Beiträgen von Wolfgang Engel bis
Uwe Tellkamp, Peter Kulka bis Friedrich Dieckmann, einer
historischen Gesamtdarstellung von Peter Michalzik und einem Fotoessay von Matthias Horn. Daneben steht gleich zu
Beginn der Spielzeit ein prominent besetztes analytisches Gespräch (auf Einladung von mdr und die zeit) über die Zukunftschancen des deutschen Stadttheatersystems. Der Freistaat Sachsen nimmt den runden Geburtstag zum Anlass, das
Schauspielhaus mit einem neuen Kassen- und Servicezen­
trum zu versehen, damit sein Gesicht zum Postplatz hin neu
zu gestalten und das Haus hin zur neu definierten städtischen
Situation zu öffnen – und der belgische bildende Künstler und
Kurator Luc Tuymans (der für das Albertinum eine große Ausstellung vorbereitet) wird mit zwei Werken die Eingangsbereiche des Hauses neu akzentuieren. Die Achtung der Tradition
und die Weiterentwicklung eines lebendigen, der Gegenwart
dienenden Hauses bedingen einander. Ein Konzert der Dresdner Philharmoniker lässt eine musikalische Geschichte des
Staatsschauspiels vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte erklingen, während die Studenten der Bühnenbildklasse der
Hochschule für Bildende Künste Dresden die Geschichten und
Mythen des Hauses visuell und performativ neu aufleben lassen.
Gibt es Wahrheit in der Erinnerung? 100 Porträts von Dresdnern, die zwischen 1913 und 2013 geboren wurden und die alle
ihre großen und kleinen Lebensbezüge zu diesem Theater haben, machen, aufgenommen vom Fotografen Heiko Schäfer,
die große Spanne der Zeitgeschichte deutlich, denn das Haus
ist ein Haus der Menschen, ihrer Blicke und Haltungen. 100
Dresdner werden auch bei „100 Prozent Dresden“, in Szene gesetzt von Rimini Protokoll, auf der Bühne stehen und eine
„statistisch exakte“ Auskunft über Befindlichkeit und Zustand
dieser Stadt geben. Prominente Schauspielergäste, um mit
Hannelore Hoger, Dagmar Manzel, Katharina Thalbach, Ulrich Matthes und Manfred Krug nur einige zu nennen, lesen
für Sie wichtige literarische Texte aus den letzten 100 Jahren,
und Autoren der Gegenwart wie René Pollesch, Lutz Hübner
oder Ingo Schulze schreiben für uns Texte, die Sie in Uraufführungen sehen können. Pamela Carter und Christian Lollike blicken aus England und Dänemark mit ihren Stücken
über die europäischen Grenzen.
Theater kann ein großes Fest sein, ein Anlass, um sich zu
treffen, mit Freunden zusammen zu sein, zu spielen, zu reden,
sich Geschichten zu erzählen. Natürlich lädt man zu solch einem Jubiläumsfest Gäste ein, die man lange nicht gesehen hat,
die von weit her anreisen und Geschenke mitbringen. In unserem Falle sind das die renommiertesten, traditionsreichsten Theater des deutschsprachigen Raums, die mit großen,
vielfach beachteten Inszenierungen zu uns kommen: das
Burgtheater aus Wien, das Thalia Theater aus Hamburg, das
Deutsche Theater aus Berlin, das Zürcher Schauspielhaus und
das Schauspiel Frankfurt. So findet in Dresden zwischen Januar und Juni 2013 ein außergewöhnliches Theatertreffen
statt, bei dem mit Barbara Frey, Nicolas Stemann, Matthias
Hartmann, Michael Thalheimer und Stephan Kimmig wichtige Regisseure des Gegenwartstheaters mit ihren Inszenierungen präsent sind, Sie als Zuschauer aber auch die Chance
haben, großartige Schauspieler zu erleben, die Sie bisher noch
nicht von der Bühne kennen. Eine Gastspielbegegnung mit internationalem Charakter kommt hinzu: Aus weiter Ferne reist
ein großer Frauenchor aus Uruguay mit einer politisch hochbrisanten Inszenierung des in Dresden wohlbekannten und
geschätzten Regisseurs Volker Lösch an.
Die weitere Öffnung des Staatsschauspiels hin zu internationalen Partnerschaften bildet eine vornehme Aufgabe in
dessen 100. Jahr. Gemeinsam mit dem Teatr Polski Wrocl⁄aw
werden wir mit einem polnisch-deutschen Ensemble und
dem Regisseur Jan Klata anhand von Shakespeares „Titus Andronicus“, der blutigen Tragödie des Krieges zweier Völker,
über Zivilisation und Barbarei nachdenken. Die Inszenierung
steht dann kontinuierlich auf dem Spielplan beider Theater
und wird begleitet von einem Jugendaustauschprogramm.
Außerdem entwickeln vier Autoren aus Großbritannien, Kroatien, Polen und Deutschland gemeinsam ein Stück, das
durch Europa touren wird …
All dies und vieles mehr, das Sie in unserem Sonderheft
und im Laufe der Spielzeit entdecken werden, reicht weit über
unseren normalen Spielplan und damit auch über unsere eigenen finanziellen Möglichkeiten hinaus. Wir haben – um
dies für Sie zu realisieren – starke Partner gewonnen, die uns
unterstützen. An erster Stelle seien hier die Ostdeutsche Sparkassenstiftung mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden genannt, die mit großem Engagement als Hauptförderer des gesamten Sonderprogramms die 100. Spielzeit begleiten. Ebenso
hat der Freistaat Sachsen sich zu einer zusätzlichen Förderung
für das Jubiläumsprogramm entschlossen. Hinzu kommt
eine Vielzahl von Stiftungen, öffentlichen und privaten Förderern und Freunden, Kooperations-, Koproduktions- und
Medienpartnern. Das ist nicht selbstverständlich. Für die Unterstützung und die vielen inhaltlichen Impulse und Anregungen danken wir sehr herzlich; und für das Bewusstsein
unserer Mitstreiter, dass Theater eine gemeinsame Angelegenheit ist, ein zentraler, lebendiger und notwendiger Ort der
Recherche und der Repräsentanz in dieser Gesellschaft – und
dass dies gerade zu solch einem Anlass deutlich gemacht werden sollte.
Seien Sie uns willkommen in der 100. Spielzeit. Wir freuen
uns auf Sie.
Wilfried Schulz
Intendant Staatsschauspiel Dresden
7
... und alle Premieren der Saison
Die 100. Spielzeit 2012.2013 p Alle Sonderprojekte zur 100. Spielzeit ...
September 2012
November 2012
Februar 2013
April 2013
Juni 2013
Eröffnungsfest 100. Spielzeit
Mit Programmen für die ganze
Familie, Livemusik, Bühnentechnikshow, der Eröffnung des neuen
Theaterkassen- und Servicebereiches, der großen Saisonvorschau,
Party und vielem mehr …
8. 9. 2012
Schauspielhaus und Postplatz
Sie befinden sich hier
Ein theatraler Parcours
ab November 2012
Schauspielhaus
Medea von Euripides
Regie: Michael Thalheimer
Gastspiel des Schauspiel
Frankfurt 16. und 17. 2. 2013
Schauspielhaus
Dagmar Manzel
liest Christa Wolf
Lesung 3. 4. 2013
Schauspielhaus
Der Menschenfeind
von Jean-Baptiste Molière
Regie: Barbara Frey
Gastspiel des Schauspielhauses Zürich 8. und 9. 6. 2013
Schauspielhaus
Was heißt Theater heute?
mdr-figaro-Café
Podiumsdiskussion 16. 9. 2012
Schauspielhaus
In Zusammenarbeit mit
der zeit und dem
Staatsschauspiel Dresden
Weber, Weill & Waits
Die Dresdner Philharmonie
zu Gast
Konzert 16. 9. 2012
Schauspielhaus
Das normale Leben oder
Körper und Kampfplatz
von Christian Lollike
Regie: Hauke Meyer
Deutschsprachige Erstaufführung 27. 9. 2012
Kleines Haus 3
Titus Andronicus
von William Shakespeare
Regie: Jan Klata
Dresden-Premiere 28. 9. 2012
Kleines Haus 1
Eine Koproduktion mit dem
Teatr Polski Wrocl⁄aw
Oktober 2012
Was tun von Lutz Hübner
Mitarbeit: Sarah Nemitz
Regie: Barbara Bürk
Uraufführung 6. 10. 2012
Schauspielhaus
8
„artour“ – Das
MDR-Kulturmagazin
Das mdr-Fernsehen sendet
aus dem Schauspielhaus
November 2012
Schauspielhaus
100 Jahre
Staatsschauspiel Dresden
Buchpremiere 24. 11. 2012
Schauspielhaus
Hannelore Hoger
liest Anna Seghers
Lesung 27. 11. 2012
Schauspielhaus
Dezember 2012
Ulrich Matthes
liest Thomas Mann
Lesung 13. 12. 2012
Schauspielhaus
Januar 2013
KapiTal der Puppen
von René Pollesch
Regie: René Pollesch
Uraufführung Februar 2013
Kleines Haus
100 Jahre – 100 Leben
Fotoprojekt von Heiko Schäfer
mit 100 Dresdnern zwischen
0 und 100 Jahren
Ausstellung ab Februar 2013
Schauspielhaus
Ein neues Stück
von Pamela Carter
Uraufführung Februar 2013
Kleines Haus 3
In Zusammenarbeit mit dem
Stückemarkt des Berliner
Theatertreffens 2012
Katharina & Anna Thalbach
lesen Thomas Brasch
Lesung 26. 2. 2013
Schauspielhaus
Kinder der Sonne
März 2013
von Maxim Gorki
Regie: Stephan Kimmig
Luc Tuymans Wandgemälde
Gastspiel des Deutschen Thea- Vernissage März 2013
ters Berlin 5. und 6. 1. 2013
Schauspielaus
Schauspielhaus
Krieg und Frieden
Manfred Krug
von Leo Tolstoi
liest Bertolt Brecht
Regie: Matthias Hartmann
Lesung 15. 1. 2013
Gastspiel des Burgtheaters
Schauspielhaus
Wien 16. und 17. 3. 2013
Schauspielhaus
Antígona Oriental
nach Sophokles
Regie: Volker Lösch
Gastspiel des Teatro Solís
Montevideo März / April 2013
Schauspielhaus
Radioortung – 10 Aktenkilometer Dresden
Ein begehbares Stasi-Hörspiel
von Rimini Protokoll
Konzept und Regie: Rimini
Protokoll
Uraufführung April 2013
Kleines Haus / Stadtrundgang
Meine Akte und ich
Eine Recherche über die
Staatssicherheit in Dresden
Regie: Clemens Bechtel
Uraufführung April 2013
Kleines Haus 3
Die Bürgerbühne
Mai 2013
Der Fall aus dem All
Ein intergalaktisches
Theaterspektakel in der
Sächsischen Schweiz
Uraufführung Mai 2013
Eine Kooperation der
Bürgerbühne
mit Theater Aspik
Vier Städte, vier Geschichten
von Lutz Hübner, Mal⁄gorzata
Sikorska-Miszczuk,
Tena Štivičić und Steve Waters
Regie: Janusz Kica
Dresden-Premiere Mai 2013
Kleines Haus
Das Deutschlandgerät
von Ingo Schulze
Regie: Christoph Frick
Uraufführung Juni 2013
Kleines Haus 2
September 2013
100 Prozent Dresden
Eine statistische Kettenreaktion
Konzept und Regie: Rimini
Protokoll
Uraufführung September 2013
Schauspielhaus
Großer Festakt
zum 100. Jubiläum
Geburtstagsfeier 13. 9. 2013
Schauspielhaus
Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht
Musik von Kurt Weill p Regie: Friederike Heller
Premiere 14.9.2012 p Schauspielhaus
Die Jungfrau von Orleans von Friedrich Schiller
Regie: Marc Prätsch p Premiere 16. 9. 2012
Kleines Haus 1 p Die Bürgerbühne
Reckless II – Lebendige Schatten Kinder und Familienstück nach dem Roman von Cornelia Funke
Regie: Sandra Strunz
Uraufführung 31. 10. 2012 p Schauspielhaus
Ich armer Tor nach Goethes „Faust“
Regie: Miriam Tscholl p Uraufführung 9. 11. 2012
Kleines Haus 3 p Die Bürgerbühne
Endstation Sehnsucht von Tennessee Williams
Regie: Nuran David Calis
Premiere 22.11.2012 p Kleines Haus 1
Hamlet von William Shakespeare
Regie: Roger Vontobel
Premiere 24.11.2012 p Schauspielhaus
Aus dem Leben eines Taugenichts
von Joseph von Eichendorff p Regie: Jan Gehler
Premiere 7.12.2012 p Kleines Haus 3
Baumeister Solness von Henrik Ibsen
Regie: Burghart Klaußner
Premiere Januar 2013 p Kleines Haus 1
Der geteilte Himmel von Christa Wolf
Regie: Tilmann Köhler
Uraufführung Januar 2013 p Schauspielhaus
Die Fliegen von Jean-Paul Sartre
Regie: Andreas Kriegenburg
Premiere Februar 2013 p Schauspielhaus
Leben des Galilei von Bertolt Brecht
Regie: Armin Petras p Musik: Hanns Eisler
Premiere März 2013 p Schauspielhaus
Fabian. Die Geschichte eines Moralisten
von Erich Kästner p Regie: Julia Hölscher
Premiere März 2013 p Kleines Haus 1
Cash. Das Geldstück von Melanie Hinz
Regie: Melanie Hinz p Uraufführung März 2013
Kleines Haus 3 p Die Bürgerbühne
Der Drache von Jewgeni Schwarz
Regie: Wolfgang Engel
Premiere April 2013 p Schauspielhaus
Die Ratten von Gerhart Hauptmann
Regie: Susanne Lietzow
Premiere Mai 2013 p Schauspielhaus
Der Parasit oder Die Kunst sein Glück
zu machen von Friedrich Schiller
Regie: Stefan Bachmann
Premiere Juni 2013 p Schauspielhaus
Die Nase nach Nikolai Gogol
Regie: Miriam Tscholl p Premiere Juni 2013
Kleines Haus 1 p Die Bürgerbühne
Faust I + II
von Johann Wolfgang von Goethe
Regie: Nicolas Stemann
Gastspiel des Thalia Theaters
Hamburg 25. und 26. 5. 2013
Schauspielhaus
9
100 Jahre Staatsschauspiel Dresden p Das Jubiläumsbuch
Ein Blick auf 100 Jahre
Theatergeschichte
Vom Königlichen Schauspielhaus bis zum heutigen Staatsschauspiel Dresden – anlässlich der 100. Spielzeit veröffentlichen wir in Zusammenarbeit mit dem Verlag
Theater der Zeit das Jubiläumsbuch „100 Jahre Staatsschauspiel Dresden“. Der aufwändig gestaltete Band lädt zu einem lebendigen Streifzug durch ein Jahrhundert
Theatergeschichte ein: mit spannenden Texten von prominenten Wegbegleitern, Zeitzeugnissen und einem Fotoessay. Der Autor und Journalist Peter Michalzik hat sich
aus diesem Anlass ins umfangreiche Archiv des Theaters begeben und beschreibt in
seinem Beitrag die Geschichte unseres Theaters von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Einen Auszug aus seiner Chronik drucken wir exklusiv in diesem Sonderheft
ab. „100 Jahre Staatsschauspiel Dresden“ erscheint am 24. November 2012. Sichern Sie
sich bereits jetzt ein günstiges Exemplar zum einmaligen Subskriptionspreis!
Die Eröffnung des Neuen Königlichen Schauspielhauses fand
am 13. September 1913 statt. König Friedrich August III. (Regent von 1904 bis 1918) war kein Theaterliebhaber, aber bei der
Eröffnung stand er trotzdem im Mittelpunkt des Geschehens.
Selbstverständlich war Seine Majestät bei der Eröffnung seines Theaters anwesend. Unter vielfachem Beifall und Jubelrufen schritt er zu seiner vergleichsweise bescheidenen Loge. Es
war eine von Anfang bis Ende genau durchchoreografierte
Veranstaltung. Als der König in seiner Loge ankam, begann
die Jubelouvertüre Carl Maria von Webers, bei der Eröffnung
von Dresdner Theaterbauten bestens erprobtes Standardrepertoire. Der erste und der zweite Semperbau waren 1841 und
1878 mit dem Weber’schen Prunkstück eröffnet worden.
Vor der Königshymne unterbrach die Musik, und der Dresd­
ner Bürgermeister brachte ein Hoch auf Seine Majestät aus,
dem das Theater von den Bürgern übergeben worden war. Es
folgte ein szenischer Prolog mit drei Personen, in dem Herbert
Eulenburg das Haus dem Wort weihte und untertan machte.
Der Prolog ging in ein musikalisches Intermezzo über, das wiederum bruchlos zu Kleists „Robert Guiskard“ überleitete.
Kaum ein Stück ist eine solch explizite Zurschaustellung
von königlicher Macht wie dieses Fragment von Kleist. In
Dresden zeigte man es zur Eröffnung düster und schwer, ganz
dem tragischen Ton hingegeben. Die Inszenierung war dementsprechend streng, das Bühnenbild opulent bis hin zum
überwältigenden Schlussbild. Man sah das in der Ferne am
Strand schimmernde Byzanz. Das Stück war gewählt worden,
10
weil es die Möglichkeit bot, ein solches Bild zu zeigen. Man
sollte sehen, was die neue Bühne konnte. Auf dieser Bühne sah
man neben den vielen Normännern vor allem gestaffelte Felsen, Gemäuer, Wald, Lanzen, Schilde und die machtvoll wirkenden historischen Kostüme.
Dann folgte eine Pause. Allgemein war man äußerst zufrieden, wie gut man sah und hörte. Jetzt sah man sich das
Theater genauer an. Viele betrachteten die Bilder mit den
Dresdner Theatergrößen, wie sie zum Großteil heute noch im
Parkettfoyer hängen. Vor allem waren die Besucher von dem
vornehmen Grau-Weiß-Gold und der festlich-hellen Beleuchtung beeindruckt. Das Theater machte einen höchst modernen Eindruck. Anwesend waren zahlreiche Intendanten aus
ganz Deutschland und Österreich, auch viele Dichter, darunter Gerhart Hauptmann, Stefan Zweig, Hugo von Hofmannsthal, Felix Salten, Max Halbe und Carl Sternheim.
Der König hatte das „bürgerliche Hoftheater“ in der Pause
verlassen, die Kronprinzen aber blieben und grüßten vielfach
nach allen Seiten. Nach der Pause folgte die „Torgauer Heide“.
Man sah Nebel und Lagerfeuer in diffuser Ferne. Der Einakter
von Otto Ludwig bot wie der „Guiskard“ die Möglichkeit, dass
sich die Dresdner Schauspieler vollständig auf der Bühne zeigen konnten. Hermine Körner etwa spielte in der „Heide“ eine
Marketenderin. Paul Paulsen, der spätere Vertreter Erich Pontos als Intendant, war im „Guiskard“ als Normann dabei.
Außerdem hatte man die beiden Stücke gewählt, weil sie
kurz waren und weil sowohl Heinrich von Kleist als auch Otto
Ludwig eine nachhaltige Beziehung zu Dresden gehabt hatten: Kleist hatte hier eine seiner wenigen glücklichen Lebensphasen erlebt, Ludwig hatte hier zwei Jahrzehnte verbracht.
„Die Torgauer Heide“ wurde auch als passend empfunden,
weil es ein Akt voll „schwellender Vaterlandsliebe und Soldatentreue“ ist. Trotzdem war die Eröffnung mit dem Soldatenund Kriegsstück „Robert Guiskard“ und der preußisch-patriotischen „Torgauer Heide“ kein patriotisch-nationalistischer
Abend. Dass beide nationale und militärische Stoffe und Stücke waren, wurde nicht unterstrichen, es wurde nicht einmal
eigens erwähnt.
Die Eröffnungsveranstaltung, die um 21 Uhr begonnen
hatte, endete kurz vor Mitternacht. Danach ging es zu einem
glanzvollen Bankett im Europäischen Hof, das um Mitternacht
mit zahlreichen Reden begann, auch wenn sich alles längst auf
das Essen und vor allem das gesellige Beisammensein freute.
Es war nicht der günstigste Zeitpunkt, den sich Dresden
für den Start des neuen Theaters ausgesucht hatte. Das Haus
war in einer Zeit und für eine Zeit konzipiert, die genau jetzt
zu Ende ging. Ein einziges Jahr hatten die Dresdner noch Gelegenheit, um den neuen Bau in Ruhe so zu genießen, wie er
gedacht war. Diese erste Saison aber lief großartig. Man zeigte
Tolstoi, Shaw, Hebbel, Wedekind, Gorki, Strindberg, Halbe,
Holz, Schnitzler: all das, was man sich in den Jahren zuvor erobert und erarbeitet hatte.
Die Zeit unter dem weltgewandten Intendanten Grafen Nikolaus von Seebach gilt als glanzvolle und künstlerisch fruchtbare Epoche des Dresdner Schauspiels. Als Seebach hier 1894
begann, herrschte der Geist der Gründerzeit, Dresden hatte
ein durch und durch konservatives Theater. „Ein Hauch von
Theater und Musik umschwebte unsere Stadt. Stille Vornehmheit und Heiterkeit erfüllte Dresden“, erinnerte sich der 1865
geborene Theaterhistoriker Friedrich Kummer an die Tage seiner Jugend. So soll es damals gewesen sein, und so sieht sich
die Stadt seitdem am liebsten. Das bedeutete aber auch die Ablehnung des Neuen. „In diesem wohltemperierten Talkessel
brodelt kein revolutionärer Geist“, schrieb Erwin Le Mang damals. Seebach durchbrach diese Haltung Schritt für Schritt.
Er verbot das Werfen von Lorbeerkränzen und Blumensträußen auf die Bühne, er schaffte die Musik zwischen den
Akten ab, er verkürzte die Pausen. Zum Umbau wurde der Vorhang heruntergelassen, nicht der Saal verlassen. 1200 Lampen
wurden für die Bühnenbeleuchtung installiert. Es gab das
klassische Repertoire von Schiller bis Otto Ludwig, das sah p
100 Jahre Staatsschauspiel Dresden
Herausgegeben von Wilfried Schulz und Harald Müller in Zusammenarbeit mit dem Staatsschauspiel Dresden
Das Buch beschreibt in einer ausführlichen Chronik von Autor und
Kritiker Peter Michalzik die Geschichte des Staatsschauspiels Dresden. Eine Bildstrecke zeigt die Baugeschichte des Hauses, ein Fotoessay von Matthias Horn erlaubt überraschende Blicke auf das Theater.
Neben einer Auflistung sämtlicher Inszenierungen seit Bestehen
des Hauses versammelt der Band über 30 Texte von Persönlichkeiten, die auf die eine oder andere Art mit dem Theater verbunden
sind: Regisseure wie Hasko Weber, Volker Lösch, Tilmann Köhler,
B. K. Tragelehn und Wolfgang Engel sprechen über ihre Arbeit in
Dresden, der Architekt Peter Kulka denkt über die Rekonstruktion
des historischen Saales nach, der Historiker Hannes Heer beschreibt
die Vertreibung der Juden aus dem Theater, der Dresdner Historiker
Hans-Peter Lühr vergleicht die Gründerjahre mit denen des Wiederaufbaus in den 1940ern, der Soziologe Karl-Siegbert Rehberg widmet
sich dem Mythos 13. Februar, Publizist Friedrich Dieckmann blickt
auf 60 Jahre Dresdner Theatererlebnisse zurück, die Autoren Christoph Hein, Uwe Tellkamp und Martin Heckmanns beschreiben ihre
Erfahrungen und ihr Verhältnis zum Theater in dieser Stadt, Ralph
Hammerthaler schildert eine Nacht im Theater, Frank Hörnigk und
Dieter Görne blicken kritisch auf das Theater in der ddr, Dramaturg
Matthias Pees wagt einen Blick in die Zukunft u. v. m.
ca. 400 Seiten
durchgehend farbig illustriert
Format 230 x 270 mm
ISBN 978 – 3 – 943881 – 01 – 1
erscheint im November 2012
30,00 €
Subskription
Sie können das Buch noch vor Erscheinen zum Subskriptionspreis
von 20,00 € beim Theater bestellen. Schicken Sie dazu bis spätestens
23. November 2012 eine E-Mail an [email protected],
schicken Sie eine Postkarte oder rufen Sie an unter: 0351.4913 – 756.
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man in Dresden als eine Linie. Dann kamen die neueren Auto- sondern auch für das sozialkritische oder politische Stück.
ren dazu, Hebbel, Grillparzer, Sudermann, Hauptmann, Ibsen, Gleichzeitig gab es aber weiterhin nationale Dramatik („StruShaw, Wilde. Dafür war auch der Dramaturg Karl Zeiß verant- ensee“, „Luther auf der Wartburg“) im Schauspielhaus.
1918, kurz vor Ende des Krieges, kam es dann mit „Seewortlich, den Seebach bereits 1901 verpflichtet hatte. Ein von
den Meiningern geprägter, sehr ehrgeiziger Demokrat, der schlacht“, einer Tragödie von Reinhard Goering, zum ersten
später in Frankfurt und München noch zu höheren Ehren kam. großen Dresdner Theaterskandal. Goering galt als ExpressioSchon im Beginn steckte mit dem „Robert Guiskard“ und nist, das Stück vergegenwärtigt mit Nachdruck die Schrecken
der „Torgauer Heide“ eine Ahnung dessen, was nun kommen des Krieges. Es spielt im Panzerturm eines Kriegsschiffes, das
würde. 1914, nach der Sommerpause, in der das Theater vom zu einer Seeschlacht unterwegs ist, und beginnt mit einem
Krieg überrascht worden war, sagte Zeiß: „Jetzt werden wir bei Schrei. Sieben Matrosen sind die Akteure, sie sagen Sätze wie
der Gestaltung des Spielplans unser Augenmerk richten müs- „Wir werden für den Tod gemästet“. Das Stück war nicht als
sen auf Werke, in denen es um die großen Fragen der Nation Schlachtbild konzipiert, aber es wurde trotzdem realistisch
geht, in denen der heiße Atem und der gewaltige Rhythmus und vor allem illusionistisch auf die Bühne gebracht. Mit Geunserer Tage bebt. Werke von heißblütiger, nationaler Art schütz, Schuss, Pulverdampf und Granateinschlag wurde der
Krieg vergegenwärtigt. Ein fachkundiger Offizier war zu den
werden uns willkommen sein.“
Es war die Zeit der Kriegsbegeisterung. Auch das Dresd- Proben hinzugezogen worden. Die Reaktionen im Publikum
ner Theater ließ sich von militaristischer Hochstimmung er- waren heftig: Schreie, Ohnmacht, Protest, Flucht.
Die sieben Matrosen meutern, drehen durch und sterben.
greifen. Die zweite Saison des Schauspiels wurde am 5. September 1914 mit einem vaterländischen Abend aus der Zeit der „Was Wahnsinnige wollen, müssen wir es tun?“, fragt einer
Befreiungskriege eröffnet. Am 12. September folgte von Ernst von ihnen. Es war ohnehin nur eine geschlossene Aufführung
von Wildenbruch das nachgelassene Drama „Der deutsche als Sonntagmorgen-Matinee erlaubt worden, und sie blieb auf
König“, ein Schauspiel vom Heldenaufstieg Heinrichs des Anordnung des Königs auch die einzige Aufführung.
Ein paar Monate später, im November 1918, endeten der
Städtegründers, „kein Kunstwerk, doch für jene Tage sehr geeignet“. Es kam dazu, was das klassische Repertoire an Kriegs- Krieg und die Theaterzensur, und der König musste abdanken.
dramatik hergibt: „Götz von Berlichingen“, „Wilhelm Tell“, Es war ein echter Neubeginn, der am Anfang von großen Hoff„Prinz Friedrich von Homburg“, „Die Hermannsschlacht“, nungen begleitet wurde. Überall im Land wurden Schauspielerräte gegründet und die Hoftheaterintendanten abge„Wallensteins Lager“.
Es gab drei Abende vaterländischer Kunst, zwei davon in löst. Seebach blieb bis 1919. Aber auch in Dresden gab es ein geder Regie von Zeiß, einen über die Völkerschlacht von 1813, ei- nossenschaftliches Modell der Leitung durch die Künstler.
nen über den Krieg 1870 / 71 und einen über den Krieg 1914. Da- Paul Wiecke, Schauspieler und Regisseur seit 1895, der dabei
für fielen weg: die Stücke von Engländern, Franzosen und eine wesentliche Rolle spielte, sagte 1918: „Was das für uns
Russen. Am Anfang des Krieges war das Theater trotzdem Bühnenkünstler heißt, in Zukunft unter freier Selbstverantschlecht besucht, es war wieder mal eine Zeit, in der es Aufre- wortlichkeit in einem den übrigen Kulturanstalten staatlich
Peter Michalzik ist Jourgenderes zu tun gab als ins Theater zu gehen. Die Einnahmen gleichgestellten Verhältnis zu arbeiten, können nur die ernalist, Theaterkritiker
brachen ein, und auch die hohen Subventionen des Theaters messen, die einem zugestandenermaßen durchaus autokrati- und Autor und arbeitet
als Feuilletonredakteur
wurden zurückgefahren. Am Ende des Krieges aber war – bei schen System jahrelang unterworfen waren.“
Ein Regiekollegium wurde gebildet, aus dem Königlichen bei der Frankfurter Rundeiner Spielplanmischung aus Klassikern, Komödie und
schau. Zuletzt erschien
Schauspielhaus wurde das Sächsische Landestheater und
Kriegsmüdigkeit – der Besucherandrang enorm.
seine Kleist-Biografie
Mitten im Krieg wurde Karl Wollf Nachfolger von Zeiß, was bald darauf, 1920, das Sächsische Staatstheater. Das blieb es „Kleist – Dichter, Krieger,
Seelensucher“.
damals viel böses Blut machte, da er der Bruder des Chefredak- bis 1983, als es zum Staatsschauspiel Dresden wurde.
teurs der Dresdner Neuesten Nachrichten war, aber auch deswegen, weil er politisch links und weil er Jude war. Mit Wollf
kam tatsächlich ein neuer Ton. „Die Troerinnen“ etwa gaben
1916 der Kriegsmüdigkeit Ausdruck, rechte Kreise begriffen
das als Wehrkraftzersetzung. Auch Wollfs ästhetische Vorlieben waren ein ganzes Stück avantgardistischer als die von Zeiß.
Er engagierte sich nicht nur für das expressionistische Drama,
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Happy Birthday Schauspielhaus! Aus dem Fotoessay von Matthias Horn,
zu sehen im Jubiläumsbuch „100 Jahre Staatsschauspiel Dresden“
Ein Fest des Theaters
In der Jubiläumsspielzeit des Staatsschauspiels wollen wir den Blick
durch die gesamte deutschsprachige Theaterlandschaft schweifen
lassen – und uns ein paar Festgäste einladen. Fünf der wichtigsten und
traditionsreichsten Häuser aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz sind unserer Einladung gefolgt und präsentieren preisgekrönte
und gefeierte Inszenierungen am Staatsschauspiel. Ab Januar 2013 kommen zu uns nach Dresden das Deutsche Theater Berlin, das Schauspiel
Frankfurt, das Wiener Burgtheater, das Thalia Theater Hamburg und
das Schauspielhaus Zürich. Ein eigenes hochwertiges und spannendes
Theatertreffen für das Dresdner Publikum!
Sie können die fünf Aufführungen zwischen Januar und Juni übrigens
auch in einem Gastspielanrecht erwerben.
Mit „Krieg und Frieden“ ist Regisseur Matthias Hartmann und
seinem Burgtheater-Ensemble ein großer Theaterabend gelungen
Theater zu Gast in Dresden p Deutsches Theater Berlin
Nina Hoss und Ulrich Matthes
als Ehepaar Protassow
Deutsches Theater Berlin
Kinder der Sonne
Der Regisseur Stephan Kimmig transportiert Gorkis „Kinder der Sonne“ aus dem Jahr 1905 ins Heute.
Nina Hoss, Ulrich Matthes und Katharina Schüttler gehören zum bemerkenswerten Ensemble des
Deutschen Theaters, mit dem Kimmig großes Schauspieltheater schafft.
Das Deutsche Theater Berlin ist seit mehr als 100 und auch der jetzige Intendant Ulrich Khuon ver- belgischen Theaterszene, wo er nach einer SchauJahren eines der wichtigsten deutschsprachigen sammelt wichtige Regisseure des Gegenwarts- spielausbildung in München und RegieassistenSprechtheater. Am Anfang seiner Geschichte steht theaters wie Andreas Kriegenburg, Michael zen am Berliner Schiller-Theater das Regiehandvielleicht das Engagement des jungen Schauspie- Thalheimer und Nicolas Stemann an seinem werk erlernte. Die in Deutschland erst später in
lers Max Reinhardt durch den Intendanten Otto Haus, setzt auf zeitgenössische Autoren wie Dea Mode gekommene Überzeugung, dass hinter der
Brahm 1885. Brahm begann den Spielplan aus Loher oder Roland Schimmelpfennig und be- Rolle unbedingt die Schauspielerpersönlichkeit,
Lustspielen und Klassikern um die zeitgenössi- schäftigt ein Ensemble herausragender Schau- mithin die Privatperson sichtbar werden darf,
schen naturalistischen Stücke zu erweitern. Max spielerinnen und Schauspieler wie Corinna Har- merkt man seinen Arbeiten an“, schreibt Theaterkritikerin Christine Wahl in einem Porträt
Reinhardt wiederum übernahm 1905 erst die Lei- fouch, Samuel Finzi oder Ulrich Matthes.
tung des Deutschen Theaters, kaufte dieses im
Auch Stephan Kimmigs Inszenierung von über Kimmig. „Das reinste Theaterglück“, überJahr darauf und ließ die Kammerspiele bauen, Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“ – 2011 mit dem titelte Die Welt eine Kritik über das Stück. „Wieso
um darin die Dramatik der heute klassischen deutschen Theaterpreis „Faust“ für die beste Re- halten die Zuschauer zwischendurch hörbar den
Moderne zu spielen. 1911 vereinigte Reinhardt gie ausgezeichnet – schließt an eben diesen Geist Atem an? Dass uns das Geschehen rund um diese
seine Theater zum Konzern „Reinhardt-Bühnen“, des Hauses an. Im Jahr 1905, am Vorabend der Re- menschlichen Elementarteilchen fasziniert,
zu dem als Glanzstück auch das „Deutsche Thea­ volution von Maxim Gorki im Arrest in der Pe- liegt am fabelhaften, perfekt und locker aufeinter“ gehörte. Neben Klassikerproduktionen, die tersburger Peter-Paul-Festung geschrieben (zeit- ander eingespielten Ensemble.“ Damit wären wir
die Theatergeschichte geprägt haben, wurden gleich übernahm Max Reinhardt in Berlin die auf leichteste Weise wieder beim Deutschen
unter anderem Ibsen, Hauptmann, Brecht, Wede- Leitung des Deutschen Theaters), erzählt „Kin- Thea­ter, seiner Tradition und Max Reinhardt, der
kind und Zuckmayer in den Reinhardt-Bühnen der der Sonne“ von einem Akademikerhaushalt, sagte: „Das Theater ist eine Ensemblekunst … “
uraufgeführt und von dort aus weltberühmt – in dem der Chemiker Protassow den „neuen Und Klassiker, inzwischen auch die der Moderne,
­v iele Produktionen tourten zwischen Städten Menschen“ im Reagenzglas schaffen will. Kim- sind immer wieder neu zu entdecken.
und Ländern. 1932 gab Reinhardt die Leitung der mig gelingt eine „kluge, wunderbar leichte, hin„Reinhardt-Bühnen“ auf, 1933 lehnte er eine „Eh- ter der komischen Oberfläche hoffnungslos meren-Arierschaft“ ab und emigrierte. An diese An- lancholische Inszenierung“ (Süddeutsche Zeitung),
fänge – als ein deutsches Theater mit internatio- die das Stück ins Heute transponiert. „‚Die große
naler Ausstrahlung, Klassiker-Neuentdeckun- Welt‘, ist Stephan Kimmig überzeugt, ‚lässt sich
gen, Stücken der klassischen Moderne und der am besten in der kleinen Beziehungshaftigkeit Deutsches Theater Berlin
zeitgenössischen Literatur – hat das Deutsche abbilden.‘ Der gebürtige Stuttgarter zählt zwei- Kinder der Sonne von Maxim Gorki
Theater bis heute immer wieder angeknüpft.
felsohne zu den wandlungsfähigsten Künstlern am Samstag, 5. Januar 2013, um 19:30 Uhr
Intendantenpersönlichkeiten wie Wolfgang seines Fachs. Er ist stark geprägt von seinen Be- und am Sonntag, 6. Januar 2013, um 19:00 Uhr
Langhoff und Dieter Mann haben es geprägt, rufsanfängen in der freien holländischen und Dauer: 1 1⁄2 Stunden, keine Pause
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Tanzen gegen die Melancholie: Nina Hoss, Alexander Khuon,
Ulrich Matthes und Katrin Wichmann
„Alle Leichtigkeit und Lakonie ist dahin. Bleiern schwer
die Welt. Und keine Sonne, nirgends. Aber die Erkenntnis, dass dies ein großer, ein bedeutender Theaterabend
war.“ Frankfurter Rundschau
„Sie alle wissen um ihre kleinen Psychopathologien,
um ihr Nicht-aus-der-Haut-Können, reden ständig
von ihren Ängsten, Träumen, ihrer Verzweiflung
und Einsamkeit. Und: sie spielen damit. Es sind hier
keine Kinder der Sonne, es ist auch kein klassischer
Gorki, aber ein Abend des Glücks.“ Frankfurter
All­gemeine Sonntagszeitung
„Eine kluge, wunderbar leichte, hinter der komischen
Oberfläche hoffnungslos melancholische Inszenierung,
die mehr von unserem Leben erzählt, als ein Großteil
der Bühnen-Konfektionsware dieser Tage.“ Süddeutsche
Zeitung
„In der Bearbeitung von Kimmig gewinnt das Stück die
Qualität eines angeschärft-zugespitzten Alltagsdiskurses; kein Wort zu wenig, keins zu viel. Auch deshalb
sieht das nach allerklügstem Broadway aus. Nina Hoss,
Katharina Schüttler und Ulrich Matthes sind Teil eines
Ensembles, das, wenn denn dieser Begriff überhaupt
benötigt wird, der Star des Abends ist.“ Deutschlandfunk
Ausgezeichnet mit dem Faust-Theaterpreis 2011 in der
Kategorie „Beste Regie“
Besetzung Mit: Ulrich Matthes (Pawel Fjodorowitsch Protassow), Olivia Gräser (Lisa, seine Schwester), Katharina Schüttler (Lisa, seine Schwester), Nina
Hoss (Jelena Nikolajewna, seine Frau), Sven Lehmann (Dmitrij Sergejewitsch Wagin), Alexander Khuon (Boris Nikolajewitsch Tschepurnoj), Katrin
Wichmann (Melanija, seine Schwester), Markus Graf (Jegor, Schlosser und Hausmeister) p Regie: Stephan Kimmig p Bühne: Katja Haß p Kostüm: Anja
Rabes p Musik: Michael Verhovec p Dramaturgie: Sonja Anders
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Theater zu Gast in Dresden p Schauspiel Frankfurt
Absolut souverän – Constanze Becker als Medea
Schauspiel Frankfurt
Medea
Der Regisseur Michael Thalheimer ist in Dresden kein Unbekannter. Am Staatsschauspiel inszenierte
er im Jahr 2000 „Das Fest“ und wurde damit prompt zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Darauf
folgten fünf weitere Einladungen, darunter „Die Orestie“ und „Die Ratten“, die er beide am Deutschen
Theater Berlin realisierte. Thalheimer gilt als Spezialist für antike Stoffe. Am Schauspiel Frankfurt
hat sich der Kern- und Ursprungsucher jetzt in einer hochgelobten Inszenierung der Urmutter der
griechischen Tragödie angenommen: „Medea“ von Euripides, in einem außergewöhnlichen Bühnenbild des Dresdner Bühnenbildners Olaf Altmann.
Regelmäßig konzentriert sich der 47-jährige Re- der Titelrolle – auf die Bühne gebracht, ein wah- „die scharfkantigste Medea, die sich denken lässt.
gisseur Michael Thalheimer auf die Bearbeitung res „Theaterglück“, wie der Kritiker Gerhard Sta- Sie kämpft in keinem Auftrag, ist weder Symbol
von Familienkonflikten: Den Startschuss zu sei- delmaier in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für die Unbegreiflichkeiten auf Erden noch bloner Regiekarriere setzte er mit einer Adaption schreibt. Die Tragödie des Euripides beginnt im ßer Ausdruck unverstehbarer Fremdheit. Sie tut,
von „Das Fest“, dem preisgekrönten Dogma-Film Exil in Korinth, wo die Liebenden Medea und Ja- was sie tut, im Namen der Freiheit.“
von Thomas Vinterberg, am Staatsschauspiel son mit ihren Kindern vorläufig Asyl finden. Die
Am Schauspiel Frankfurt, das seit seinem BeDresden sowie mit seiner Inszenierung von heimatlose Familie befindet sich auf der Flucht. stehen zu den renommiertesten Theaterhäusern
Molnárs „Liliom“ am Thalia Theater Hamburg. Die Königstochter Medea hat für ein Leben mit ih- Deutschlands zählt, haben namhafte IntendanMit Erfolg – der junge Regisseur wurde gleich mit rem Geliebten Jason alles aufgegeben: ihre Fami- ten und Regisseure gearbeitet. Intendant Oliver
beiden Inszenierungen zum Berliner Theatertref- lie verraten, ihr Land verlassen und einen Men- Reese, der seit 2009 das Schauspiel Frankfurt leifen 2001 eingeladen. Den beklemmenden Vater- schen getötet – den Mörder von Jasons Vater. Doch tet, hat mit Michael Thalheimer, Andreas KrieSohn-Konflikt in „Das Fest“, dessen Ursache der dann, in der Fremde, verlässt Jason seine Frau; ihr genburg, Stephan Kimmig, René Pollesch, Karin
Sohn nach Jahren im Rahmen einer Familienfeier und den Kindern droht Verbannung. Durch die Henkel u. a. aktuell führende deutschsprachige
veröffentlicht, verstärkte Thalheimer, indem er erneute Heirat mit der Tochter des Königs von Ko- Regisseure nach Frankfurt gebracht.
Constanze Becker gehört zu den renommierdas Publikum mit an die Festtafel setzte. „Die Fa- rinth erhält Jason das definitive Bleiberecht; jetzt
milie“, so Thalheimer, „ist und bleibt ein sehr ist er sozial und wirtschaftlich abgesichert. Zu- testen Schauspielerinnen ihrer Generation. Nach
kompliziertes Ding. Es stellt sich freundlich und tiefst verletzt und traumatisiert ob Jasons scham- ihrer Ausbildung an der Hochschule für Schauharmlos dar, sofern man der Übereinkunft ge- loser Missachtung von Ehebund und Treueeid, spielkunst „Ernst Busch“ Berlin spielte sie in
nügt, was es verschließt, nicht aufzustören.“
entwirft Medea einen grausamen Racheplan. Aus Leipzig, Düsseldorf und am Deutschen Theater
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Michael maßloser Liebe wird maßloser Zorn: Medea be- Berlin. Seit der Saison 2009.2010 ist sie Ensem­
Thalheimer sich den antiken Ursprüngen der Fa- schließt, nicht nur ihre Nebenbuhlerin und deren blemitglied am Schauspiel Frankfurt. 2008
milientragödie widmen würde. Spätestens seit Vater, sondern auch ihre eigenen Kinder zu töten. wurde sie von der Zeitschrift Theater heute zur
seiner so umjubelten wie umstrittenen „Orestie“Michael Thalheimers von der überregionalen Schauspielerin des Jahres gewählt.
Bearbeitung 2007 am Deutschen Theater Berlin Fachpresse wie vom Publikum einhellig gefeigilt er als geschickter Kondensator antiker Stoffe. erte „Medea“-Inszenierung hatte im April 2012
Wie kaum ein anderer seziert er sie und geht ih- am Schauspiel Frankfurt Premiere. In monunen so weit auf den Grund, bis ihr Kern offenge- mentalen Bildern verankert Thalheimer sein Schauspiel Frankfurt
legt ist. 2009 legte er zur Spielzeiteröffnung des konsequentes ästhetisches Konzept und verzich- Medea von Euripides
Schauspiel Frankfurt mit dem Doppelabend tet dabei ebenso auf jegliche politische Anspie- am Samstag, 16. Februar 2013, um 19:30 Uhr
„Ödipus / Antigone“ von Sophokles nach. Mit „Me- lung wie auf Konnotationen aus der Alltagswelt. und am Sonntag, 17. Februar 2013, um 19:00 Uhr
dea“ von Euripides hat er nun in Frankfurt die „Thalheimers Medea ist“, wie der Theaterkritiker im Schauspielhaus
„Urwucht der Tragödie“ – mit Constanze Becker in Dirk Pilz in der Neuen Zürcher Zeitung konstatiert, Dauer: 2 1⁄2 Stunden, eine Pause
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„Ein Abend, der nicht anders zu nennen ist als – groß.“
Die Zeit
„Kraftvoll und subtil zugleich. Die Schauspieler sind in
diesem durchgliederten Spiel aus Kontur und Wucht
allesamt in ihrem Element. Constanze Becker als Medea
geht den Weg von der Geschundenen über die Megäre
zur Heroine klar und stark. Ihr Spiel wirbt nicht um
Mitgefühl, es ist kein Seelendrama, es ist ein Ausrufezeichen. Hier stellt Michael Thalheimer ein kaum zu
begreifendes Stück in seiner dann auf einmal so einfachen Größe hin.“ Frankfurter Rundschau
„Constanze Beckers Medea, eine zugleich vom Schmerz
niedergedrückte und in ihrem reflektierten Furor doch
im wahrsten Sinne des Wortes ‚unheimlich‘ starke Frau.
Sie verkörpert die Wucht des Archaischen. Jedes Wort
ist messerscharf.“ Süddeutsche Zeitung
„Sieben fantastische Schauspieler. Es gibt keine
Sprache, Constanze Beckers Stimme zu beschreiben.
Sie meißelt jedes Wort tief ein ins Zuschauerherz.“
nachtkritik.de
„Überwältigend.“ die taz
Besetzung Mit: Constanze Becker (Medea), Michael Benthin (Aigeus), Bettina Hoppe (Chor der korinthischen Frauen), Josefin Platt (Amme)
Martin Rentzsch (Kreon), Marc Oliver Schulze (Jason), Viktor Tremmel (Bote) p Regie: Michael Thalheimer p Bühne: Olaf Altmann
p Kostüm: Nehle Balkhausen p Musik: Bert Wrede Video: Alexander du Prel p Dramaturgie: Sibylle Baschung
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Theater zu Gast in Dresden p Burgtheater Wien
Mit einfachsten Mitteln entwickelt das Ensemble vor den Augen
des Publikums ein Schlachten- und Gesellschaftspanorama
Burgtheater Wien
Krieg und Frieden
Leo Tolstois vierteiligen historischen Roman „Krieg und Frieden“ auf die Bühne zu bringen – das ist
ein echtes Abenteuer und ein Wagnis. Und selten gelingt es auf so spannende Weise wie es gerade
gleich zwei Regisseuren gelungen ist, die auch noch zufällig den selben Nachnamen tragen: Sebastian
Hartmanns Inszenierung kam im März 2012 bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen zur Premiere,
wurde von Presse und Publikum gefeiert und steht in der Spielzeit 2012.2013 auf dem Spielplan des
Schauspiels Leipzig. Matthias Hartmanns nicht minder umjubelte Wiener Inszenierung war sage
und schreibe ein ganzes Jahr lang als „Work-in-Progress“ in öffentlichen Proben am Burgtheater zu
sehen und kommt jetzt im Rahmen unseres kleinen Theatertreffens im März 2013 nach Dresden. Eine
wunderbare Möglichkeit für Sie, gleich zwei Dramatisierungen dieses großen Stoffes in Leipzig und
Dresden zu erleben.
Eingebettet in die Epoche der Napoleonischen Euro jährlich und ist in einem eigenen „Theater- ten Damen und Herren, so weit sind wir gekomKriege zwischen 1806 und 1812 erzählt Leo Tols- organisationsgesetz“ festgeschrieben). Das „ös- men“, um dann anzukündigen, dass er noch mal
tois „Krieg und Frieden“ anhand zweier Famili- terreichische Nationaltheater“ steht auch örtlich alles ändern wolle. Der Spiegel befand schon daengeschichten den ungeheuerlichen und sich da, wo es seiner Bedeutung nach nicht nur histo- mals: „Hartmann, ob fertig oder nicht, ist ein
stetig steigernden Kontrast zwischen der deka- risch hingehört: schräg gegenüber vom österrei- großer, künstlerisch riskanter Abend gelungen.“
denten Gesellschaft des russischen Hochadels chischen Parlament.
Für die offenen Proben bekam Hartmann den
Wenn also ein Theater das Unterfangen meis- Nestroy-Spezialpreis – das österreichische Geund den existenziellen und desillusionierenden
Erfahrungen derselben Menschen im Kriegsirr- tern kann, „Krieg und Frieden“ in einer Proben- genstück zum deutschen Faust.
sinn. In dem vierteiligen historischen Roman zeit von über einem Jahr auf die Bühne zu brinUnd nicht zuletzt ist der Abend ein Fest der
„Krieg und Frieden“ werden Teestunden, Volksauf- gen, dann wohl „die Burg“. Dass sie dabei einen Schauspieler und eine Begegnung mit dem großläufe und historische Ereignisse wie die Schlacht außergewöhnlichen Weg eingeschlagen hat, ist artigen Ensemble des Wiener Burgtheaters, unter
bei Austerlitz 1805 und der Brand von Moskau Hartmann und seinem Team zu verdanken. In anderem auch mit Ignaz Kirchner, der seit Beginn
1812 beschrieben, militärtheoretische Erkennt- Wien wird die Aufführung im ehemaligen Offi- der siebziger Jahre einer der wichtigsten Protagonisse gewonnen, teilweise auf Französisch, der zierskasino am Schwarzenbergplatz gezeigt – nisten auf den großen deutschsprachigen TheaUmgangssprache der russischen Eliten – das al- und nicht etwa als Kostümschinken auf der gro- terbühnen ist. „Besonders wandlungsfähig ist
les auf weit mehr als 1500 Buchseiten in zahllosen ßen Bühne. Hartmann reduziert die Kriegshand- ­Ignaz Kirchner, der General Kutusow, ein Kind,
Handlungssträngen und mit einem Personal von lungen auf ein Verrücken, Umschmeißen und Greise, Lakaien und vor allem auch den strengen
mehr als 250 Personen. Dass man – nämlich der Schlagen von Tischen und Stühlen. „Und so ent- alten Fürsten Bolkonskij spielt. Es ist eine Lust,
Regisseur Matthias Hartmann – das auf die facht sich eine Art Unterhaltung zwischen die- ihm bei diesen Metamorphosen zuzusehen, die er
Bühne bringen kann, hat viel mit dem Theater zu sen beiden Erzählebenen, der gezeigten und der spielerisch leicht entwickelt“ (Die Presse).
tun, dessen Direktor der 49-Jährige seit 2009 ist: beschriebenen, die in den gelungenen Momendem Wiener Burgtheater. „Die Burg“ ist das zwei- ten dem Zuschauer seine eigenen Bilderzähluntälteste Sprechtheater Europas und das größte im gen in den Kopf pustet“ (Der Spiegel). Mehr als eindeutschsprachigen Raum – ein Theater der Su- einhalb Jahre wurde die Inszenierung unter anperlative. In Zahlen: Kein Sprechtheater hat mehr derem in öffentlichen Proben erarbeitet. Zu Be- Burgtheater Wien
fest angestellte Schauspieler (derzeit 80 Ensem- ginn einer solchen Probe trat Hartmann selbst Krieg und Frieden von Leo Tolstoi
blemitglieder), mehr Einladungen zum Theater- auf die Bühne und erklärte, das man nun das zei- am Samstag, 16. März 2013, um 18:00 Uhr und
treffen nach Berlin (bislang 45) oder mehr Geld gen wolle, was man bisher von dem 1500-Seiten- am Sonntag, 17. März 2013, um 17:00 Uhr
(die „Basisabgeltung“ durch den österreichi- Epos schon verstanden und durchgearbeitet im Schauspielhaus
schen Staat beträgt knapp über 50 Millionen habe. Und am Schluss sagte er: „So, meine geehr- Dauer: 4 1⁄2 Stunden, zwei Pausen
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„Als ginge es um alles … „Mit ‚Krieg und Frieden‘ ist Matthias Hartmann ein
gro­ßer Wurf gelungen. Er formuliert sich damit als Re­gisseur des großen Spektakels neu.“ Süddeutsche Zeitung
„Die Ästhetik des Weglassens und Andeutens, das
Skizzenhafte wird zum Garanten für den Triumph der
Aufführung. Ein Fest für die Literatur, ein Fest des
Theaters.“ Die Welt
… als sei alles ein großes Spiel.“
„Es ist ein erstaunlich stimmiges Bild von Tolstois
Monumentalwerk entstanden, das wahrscheinlich viele
zum Griff ins Bücherregal animiert. Großer Jubel!“
Kronenzeitung
Ausgezeichnet mit dem Nestroy-Spezialpreis 2010
„Als ginge es um alles. Es zeigt sich auch, dass dieser Text,
wenn überhaupt, nur so auf die Bühne gehört: Als ginge
es um nichts, als sei alles ein großes Spiel.“ Die Zeit
Besetzung Mit: Gundars Abolins, Elisabeth Augustin, Franz Csencsits, Sven Dolinski, Stefanie Dvorak, Sabine Haupt, Ignaz Kirchner, Peter Knaack,
Fabian Krüger, Oliver Masucci, Rudolf Melichar, Yohanna Schwertfeger, Adina Vetter, Moritz Vierboom, Karsten Riedel, Wolfgang Schlögl (Musiker)
p Regie: Matthias Hartmann p Raum und Kostüm: Johannes Schütz p Musik: Karsten Riedel, Wolfgang Schlögl p Licht: Peter Bandl p Video: Moritz
Grewenig, Hamid Reza Tavakoli, Harald Trittner p Dramaturgie: Amely Joana Haag
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Theater zu Gast in Dresden p Thalia Theater Hamburg
Das „Faust II“-Ensemble mit dem Regisseur
Nicolas Stemann (Dritter von rechts)
Thalia Theater Hamburg
Faust I + II
Der vorläufige Höhe- und Endpunkt von Nicolas Stemanns „Klassiker-Klassiker“-Auseinandersetzung: Goethes „Faust I + II“. Ein faszinierender Theatermarathon lädt ein, für einen ganzen Tag in
Goethes Universum einzutauchen.
Nicolas Stemann, „einer unserer schlauesten Re- Handlung hat. Sonst fühlen wir uns so verloren,
gisseure“ (Die Zeit), wäre vielleicht lieber Rockstar alles erscheint beliebig, uns wird langweilig. Gegeworden, wie er dem Dramaturgen Benjamin rade diese Kombination eines rationalen, bedeuvon Blomberg einmal erzählt hat. Dann hätte er tungsorientierten Systems wie dem Theatergewahrscheinlich einige Konzeptalben veröffent- schehen mit einem zunächst jenseits des Ratiolicht, die den Synästhetiker Messiaen, die Ein- nalen angesiedelten wie der Musik macht für
stürzenden Neubauten sowie Brad Mehldau als mich den Reiz aus. Vielleicht kann man sagen,
Bezugspunkte gehabt und die Popgeschichte ver- dass der Bereich des bloß Sinnvollen verlassen
wird und die Intuition ins Bewusstsein einändert hätten.
Zum Glück für das Theater hat Nicolaus Ste- dringt, das Bewusstsein wird intuitiv. Der ‚Faust‘
mann aber nur neben seinem Regiestudium in ist ein Höhe-, aber auch ein vorläufiger EndWien und Hamburg unter anderem als Hotelpia­ punkt“, so Stemann, „in meiner Auseinandersetnist gejobbt und in diversen Bands gespielt. 1997 zung mit den Klassiker-Klassikern – darunter
gründete er die „Gruppe Stemann“ und wurde Shakespeares ‚Hamlet‘, Schillers ‚Die Räuber‘
durch seine Inszenierungen auf Kampnagel in und Lessings ‚Nathan der Weise‘.“
Hamburg überregional bekannt. „Werther!“
„Faust I + II“ ist eine Koproduktion der Salznach Goethe mit Philipp Hochmair wird noch burger Festspiele und des Thalia Theaters Hamheute erfolgreich international aufgeführt. Von burg, ursprünglich ein Privattheater und bis
2004 bis 2007 war Stemann Hausregisseur am heute eines der erfolgreichsten deutschen
Wiener Burgtheater. Bislang wurden seine Insze- Sprechtheater. Die Inszenierung ist ein achteinnierungen sechsmal zum Theatertreffen nach halbstündiger packender Theatermarathon mit
Berlin eingeladen. Statt Rockstar ist er der wohl drei Pausen: „Der erste Teil zeigt, wie aus einem
entschiedenste Experimentierer und Forcierer Kopf eine Welt entsteht. Der zweite Teil bewirtdes deutschsprachigen Theaters der Gegenwart schaftet und verschwendet diese Welt. Der erste
geworden. In einem seiner Interviews hat er Teil ist sparsam, ökonomisch, zauberhaft; der
seine Arbeitsweise beschrieben: Sie bestehe da- zweite Teil ist laut, überstürzt, voller Mummenrin, „Elemente einer Inszenierung wie Schau- schanz“ (Die Zeit). „Faust I“ lässt Stemann von
spieler, Text, Raum, Musik usf. kalkuliert in Un- zwei Schauspielern und einer Schauspielerin
ordnung zu versetzen“. Der Text soll seine Ener- spielen, die zu den bekanntesten und talentiergie entfalten, ohne dass man ihn (wie im Theater testen ihrer Generation zählen. Es treten auf: Seüblich) gleich als Sprechakt einordnen kann. bastian Rudolph, Philipp Hochmair und Patry„Das, was mich allen Musiker-Sehnsüchten zum cia Ziolkowska – nach-, nicht miteinander.
Trotz wirklich immer wieder mit dem Theater „Faust I“ in drei Monologen, in denen der eine
als Medium versöhnt, ist der Moment, wenn das Schauspieler jeweils alle Rollen übernimmt. „So
Publikum sich einlässt und sich in ein Reich be- genial treffend ist der Beginn der Tragödie erster
gibt, in dem das Bewusstsein erweitert wird. Wir Teil noch nie inszeniert worden. Und auch noch
wollen, dass Sprache eine Bedeutung, und wir nie so schonungslos“ (Frankfurter Allgemeine Zei­
wollen, dass das Geschehen auf einer Bühne eine tung). Und der Tragödie zweiter Teil, jener Teil,
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den Goethe als Lesedrama konzipiert und zur
postumen Veröffentlichung freigab? Stemann
verwandelt „Faust II“ in eine bunte Tischgesellschaft mit Statisterie, Video, Live- und vorproduzierter Musik sowie Operngesang. „Goethe begegnet uns als Dame und macht mit Pinsel und
Farbe eine Strichliste auf, je tausend Verse einen“
(nachtkritik.de). „Goethes Zukunftswerk, an Hellsichtigkeit und Übertragungsmöglichkeiten in
jegliches Zeitalter kaum zu überbieten. Nach der
Moderne und einer weiteren Pause kehrt die Inszenierung zurück zum Ursprungstext. Der Regisseur klärt zwischendurch das Publikum darüber auf, dass in den Zeitkritikszenen die Handlung eigentlich durch Fausts Suche nach Helena,
der schönsten aller Frauen, geprägt sei. ‚Aber das
geht auch bei Goethe unter‘, sagt Stemann und
schickt sein Ensemble in die letzten beiden Akte“
(Spiegel online).
Thalia Theater Hamburg
Faust I + II von Johann Wolfgang von Goethe
Koproduktion mit den Salzburger Festspielen
am Samstag, 25. Mai 2013, um 15:30 Uhr
und am Sonntag, 26. Mai 2013, um 15:00 Uhr
Dauer: ca. 8 1⁄2 Stunden inkl. 3 Pausen
Bei Beginn um 15:30 Uhr
ist die 1. Pause (1 Stunde) von 18:30 – 19:30 Uhr,
die 2. Pause (25 Minuten) von 20:55 – 21:20 Uhr,
die 3. Pause (30 Minuten) von 22:25 – 22:55 Uhr.
Die Vorstellung endet gegen 00:00 Uhr.
Bei Beginn um 15:00 Uhr
ist die 1. Pause (1 Stunde) von 18:00 – 19:00 Uhr,
die 2. Pause (25 Minuten) von 20:25 – 20:50 Uhr,
die 3. Pause (30 Minuten) von 21:55 – 22:25 Uhr.
Die Vorstellung endet gegen 23:30 Uhr.
„So genial treffend ist der Beginn der Tragödie erster
Teil noch nie inszeniert worden. Und auch noch nie so
schonungslos. Wie tief sich Stemann in die Figuren
hineinbegeben hat, wie klug und geniegelassen er sie
durchdringt. Ein Theaterereignis.“ Frankfurter Allge­
meine Zeitung
Sebastian Rudolph, Patrycia Ziolkowska und
Philipp Hochmair spielen – zu dritt – „Faust I“
„Mit seinem Ensemble vom Thalia Theater Hamburg
bringt Stemann ein ‚Faust‘-Feuerwerk zum Leuchten,
das so intelligent, chaotisch und kurzweilig ist wie nur
irgend möglich.“ Berliner Zeitung
„Der Applaus am Ende war ohrenbetäubend. Der Abend
beginnt großartig. Eine leere Bühne, ein Schauspieler,
ein zerf leddertes Reclam-Heft. Der Schauspieler
beginnt zu blättern. Und langsam wächst ‚Faust‘ aus
dem Bühnenboden. Fast wünscht man sich, der ganze
Abend bliebe so, ein großartiges Wortkonzert. Nach der
ersten Pause dann ‚Faust II‘: Faust erfindet im Vorbeigehen Papiergeld und Kapitalismus, sein Famulus Wagner
erschafft den Kunstmenschen Homunculus. Auf der
Bühne bricht das reinste Chaos aus: Puppenspiel, Kabarett, Selbstironie, Talkshow-Parodie, grelle Kapitalismus-Kritik. Was für ein Abend!“ Kurier, Wien
Eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2012 und
dort ausgezeichnet mit dem 3sat-Preis
Besetzung Mit: Friederike Harmsen (Gesang), Philipp Hochmair, Felix und Florian Loycke (Das Helmi), Barbara Nüsse, Josef Ostendorf, Franz Rogowski
(Tanz), Sebastian Rudolph, Birte Schnöink, Patrycia Ziolkowska p Regie: Nicolas Stemann p Bühne: Thomas Dreißigacker, Nicolas Stemann p Kostüm:
Marysol del Castillo p Musik: Thomas Kürstner und Sebastian Vogel p Musiker: Sven Kaiser, Thomas Kürstner und Sebastian Vogel, Burkhard Niggemeier
p Video: Claudia Lehmann, Eike Zuleeg p Dramaturgie: Benjamin von Blomberg
23
Theater zu Gast in Dresden p Schauspielhaus Zürich
Michael Maertens wird den Alceste in „Der Menschenfeind“ spielen
Schauspielhaus Zürich
Der Menschenfeind
Barbara Frey zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Regisseurinnen. Seit der Spielzeit 2009.2010
führt sie als Intendantin des Schauspielhauses Zürich eine der prägenden Bühnen der deutsch­
sprachigen Theaterlandschaft. Jetzt ist sie mit ihrer Inszenierung von Molières „Der Menschenfeind“
zum ersten Mal in Dresden zu Gast.
Das Schauspielhaus Zürich ist die größte Sprechtheaterbühne der Schweiz und zählt zu den Traditionshäusern des deutschsprachigen Raums.
1892 erbaut, diente es ab 1933 zahlreichen deutschen Schauspielern und Theaterkünstlern im
Exil als Wirkungsstätte. Während des Zweiten
Weltkriegs war das Zürcher Schauspielhaus die
einzige freie Bühne im deutschsprachigen Raum.
Dort gelangten auch in den darauffolgenden Jahren viele antifaschistische Stoffe zur Uraufführung, unter anderem von Bertolt Brecht und den
Schweizer Autoren Max Frisch und Friedrich
Dürrenmatt. In den Jahren 2002 und 2003 erlebte
das Schauspielhaus Zürich unter dem Intendanten und Regisseur Christoph Marthaler eine
neue künstlerische Blüte und wurde zweimal in
Folge von den Kritikern der Zeitschrift Theater
heute zum Theater des Jahres gewählt. Vor Barbara Frey, die das Haus seit 2009 führt, war von
2005 bis 2009 Burgtheaterintendant Matthias
Hartmann dort Hausherr.
Freys Interpretation von Molières Gesellschaftskomödie „Der Menschenfeind“ wird eine
der interessantesten Inszenierungen der kommenden Saison am Schauspielhaus Zürich sein.
Falsche Anteilnahme, geheuchelte Gefühle, vergiftetes Lob – der Menschenfeind Alceste hasst
die Umgangsformen der oberen Zehntausend.
Seine moralischen Ansprüche sind hoch, und so
ist er ein Außenseiter inmitten derer, die die
Kunst der gesellschaftlichen Diplomatie routiniert beherrschen. Die zeitlosen Fragen, wie viel
Wahrheit zumutbar oder erträglich ist und ob die
Lüge nicht Makel, sondern vitaler Bestandteil
des gesellschaftlichen Lebens sein muss, werden
bei Molière zum Stoff für eine Komödie. Molière
selbst spielte bei der Uraufführung von „Le misanthrope“ 1666 im Pariser Palais Royal die Rolle
24
des Alceste. Seine Ehefrau Armande Béjart, die Regisseurin, die in den großen klassischen Stofihn immer wieder betrog und die er trotzdem fen subtil dem heutigen Gehalt nachspürt. „Beliebte, stand als Célimène auf der Bühne. Ange- schäftige ich mich mit den Klassikern, existiert
sichts des starren Zeremoniells am Hofe des Son- für mich diese Diskussion um gestriges und heunenkönigs Ludwig XIV. schien Molières Forde- tiges Theater nicht“, erklärt die Regisseurin.
rung trotz ihrer Lauterkeit eine geradezu lächer„Schlicht, präzise, zart und konzentriert“
liche Utopie zu sein, deren Anspruch zu genügen sind Adjektive, mit denen Kritiker Freys Inszejenseits aller Vorstellungskraft lag.
nierungen beschreiben. „Es ist“, so Frey, „wie bei
Die gebürtige Schweizerin Barbara Frey be- einer Mozart-Sonate, die ganz simpel klingt,
gann ihre Karriere als Theatermusikerin und war aber man weiß, das muss man lang durchdrinin den 1990er-Jahren als Regisseurin im Grenzbe- gen, bis man diese Einfachheit hinbekommt.“
reich zwischen Theater und Musik zu Hause. Ar- Und die Kritikerin Anke Dürr fügt im Kulturspie­
beiten wie „Das Geheimnis des Lebens – ein Mör- gel hinzu: „Dann gehen die Leute ins Theater und
derinnenseminar“ oder „Ich kann es besonders haben das Gefühl, hier werde einfach nur der
schön“ nach Texten von Sylvia Plath waren the- Text gespielt. Das ist die Kunst.“
mengebundene Materialsammlungen, die Frey
Die Häuser, an denen Frey inszenierte, darunter
zu expressiven Theaterabenden montierte. Nach das Wiener Burgtheater oder die Bayerische Staats­
Stationen unter anderem am Theater Basel, am oper, gehören zu den wichtigsten deutschsprachiNationaltheater Mannheim und an der Schau- gen Bühnen. Seit 2009 ist sie Intendantin des
bühne Berlin wandte sie sich zunehmend den Schauspielhauses Zürich, an dem sie bereits zuvor
Klassikern zu und definierte ihre Regiearbeit regelmäßig inszenierte. Michael Maertens, der zu
neu. Mit der Inszenierung von Tschechows „On- den profiliertesten Schauspielern seiner Generakel Wanja“, die 2004 zum Berliner Theatertreffen tion zählt,wird den Menschenfeind Alceste spielen.
eingeladen wurde, gelang ihr endgültig der Maertens arbeitet kontinuierlich mit Barbara Frey
Durchbruch. Man feierte sie als großartige zusammen und war u. a. in Zürich in der Titelrolle
Schauspielerregisseurin, die wunderbare Zwi- in Tschechows „Platonov“ sowie als Malvolio in
schentöne findet und ihre Figuren psychologisch Shakespeares „Was ihr wollt“ zu sehen. Zudem
spielt er regelmäßig an zahlreichen renommiergenau auseinandernimmt.
Den Inszenierungsstil ihrer folgenden Arbei- ten Bühnen im deutschsprachigen Raum, u. a. in
ten, unter anderem am Bayerischen Staatsschau- Wien, Berlin, München und Hamburg.
spiel München und am Deutschen Theater Berlin,
beschreibt der Theaterkritiker Jürgen Berger als
einen, „der den Text ergründet, ohne sich in Demut hinter ihn zurückzuziehen“. Mit Regiearbei- Schauspielhaus Zürich
ten wie „Medea“ von Euripides am Deutschen Der Menschenfeind von Jean-Baptiste Molière
Theater Berlin oder Horváths „Geschichten aus am Samstag, 8. Juni 2013, um 19:30 Uhr und
dem Wiener Wald“ bei den Salzburger Festspie- am Sonntag, 9. Juni 2013, um 19:00 Uhr
len festigte Frey ihren Ruf als interpretierende im Schauspielhaus
Besetzung Mit: Michael Maertens (Alceste), die weitere Besetzung stand bei Drucklegung im Juni 2012 noch nicht fest p Regie: Barbara Frey p Bühne:
Bettina Meyer p Kostüm: Esther Geremus
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Theater und Geschichte – Rückblicke,
Einblicke, Ausblicke zum Jubiläum
Wir nehmen den Geburtstag des Schauspielhauses zum Anlass, die vergan­
genen 100 Jahre auf vielfältige Art und Weise Revue passieren zu lassen: in
Rückblicken auf Vergangenes aus literarischer oder historischer Sicht, durch
Einblicke in den sich stetig wandelnden, lebendigen Theaterorganismus sowie
bei Ausblicken auf künftige Formen des Zusammenwirkens von Theater und
Publikum. Wir suchen noch einmal die Begegnung mit bedeutenden Werken
der deutschen Literatur und freuen uns auf neue Texte renommierter zeitgenössischer Dramatiker. Der international erfolgreiche belgische Maler Luc
Tuymans wird im Schauspielhaus zwei neue Wandgemälde schaffen. Ein
theatraler Parcours durch das Schauspielhaus lädt ein, sich mit Erinnerung
und Wahrheit auseinanderzusetzen. Ebenso gilt es, in zwei unterschiedlichen
Projekten zur Stasi-Vergangenheit Dresdens ein dunkles Kapitel der Geschichte
unserer Stadt zu thematisieren. Ein Fotografieprojekt macht deutlich, welche
Spuren 100 Jahre gelebtes Leben in menschliche Gesichter zeichnen. Die
Dresdner Philharmonie wird zu Beginn der Saison mit einem Jubiläumskonzert
im Schauspielhaus zu Gast sein, und der mdr wird das Theaterjubiläum in
zahlreichen Kooperationsveranstaltungen begleiten. Zu Spielzeitbeginn
eröffnen wir das neue Kassen- und Servicezentrum mit Blick auf den Postplatz – und wenn Sie als Zuschauer dann immer noch nicht genug von Ihrem
Theater haben, nehmen Sie eben ein Stück davon mit zu sich nach Hause!
Eindrücke aus der Werkstatt des theatralen Parcours
Theater und Geschichte p Prominente Schauspieler lesen Jahrhunderttexte
Berühmte Stimmen, berühmte Texte
aus 100 Jahren deutschsprachiger Literatur
In der Jubiläumsspielzeit wollen wir die vergangene Zeitspanne auch literarisch
Revue passieren lassen, indem wir uns großen Autoren und wichtigen Werken der
deutschsprachigen Literatur der vergangenen 100 Jahre widmen. Aus diesem Anlass
sind renommierte Schauspielerinnen und Schauspieler, die von der Bühne sowie
aus Fernseh- und Filmproduktionen bekannt sind und deren Stimmen unter anderem
auch die vielfältige deutschsprachige Hörbuch-Landschaft prägen, der Einladung
nach Dresden gefolgt. In der Textauswahl haben wir uns von den persönlichen
Vorlieben und Neigungen der Lesenden inspirieren lassen. Damit ist eine spannende
Auswahl bedeutender Werke zusammengetragen worden, die sicherlich keinen
Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie lebt von der persönlichen Beziehung der­
jenigen, die auf der Bühne des Schauspielhauses Platz nehmen werden, um ihrem
jeweiligen Autor einen Abend lang ihre Stimme zu leihen.
Hannelore Hoger wird die Veranstaltungsreihe am 27. November 2012 eröffnen. Sie ist eine der erfolgreichsten deutschen
Schauspielerinnen und arbeitete u. a. mit Alexander Kluge, Volker Schlöndorff und Helmut Dietl in zahlreichen Bühnen-,
Film- und Fernsehproduktionen zusammen. Seit 19 Jahren
steht sie als „Bella Block“ vor der Kamera – eine Rolle, für die sie
zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Hannelore Hoger hat sich
für einen Text von Anna Seghers entschieden. Die Erzählung
„Jans muss sterben“ ist ein frühes, wenig bekanntes Meisterstück, das postum von Seghers Sohn in den Papieren der Autorin entdeckt wurde, die sie bei ihrer Flucht aus Paris zurücklassen musste. Es ist die Geschichte von Marie und Martin Jansen,
die ihre Liebe füreinander unmerklich verbraucht haben und
die all ihre Sehnsüchte nun an ihren Sohn knüpfen. Das Psychogramm und die sprachlose Anspannung innerhalb dieser
Ehe aus dem Kleinbürger- oder Arbeitermilieu präzise zu gestalten ist der jungen Autorin Seghers eindrucksvoll gelungen.
Anna Seghers wollte nach der Rückkehr aus dem Exil 1947 nicht
an frühere Versuche und Skizzen anknüpfen. Ihr Sohn hat den
Wunsch seiner Mutter respektiert und „Jans muss sterben“ erst
2000 zur Veröffentlichung freigegeben.
Am 13. Dezember 2012 wird Ulrich Matthes mit Thomas
Manns großem Schelmenroman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ im Schauspielhaus zu Gast sein. Matthes zählt zu den bekanntesten Schauspielern seiner Generation, er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und wurde u. a.
2008 von der Fachjury der Zeitschrift Theater heute zum
Schauspieler des Jahres gewählt. Zudem war Matthes in zahlreichen Kinofilmen zu sehen (2004 als Joseph Goebbels in „Der
Untergang“) und lieh als Synchronsprecher internationalen
Kinoproduktionen seine Stimme. Die Geschichte des charmanten Hochstaplers Felix Krull ist ein Lebensresümee des
Jahrhundertautors Mann. Als Icherzähler breitet Krull, Narziss, Schauspieler und Liebhaber, das Tableau seines Siegeszuges vor dem erstaunten Leser aus, der sich gern von ihm entführen lässt: „Die Welt, diese geile und dumme Metze, will geblendet sein“, notierte Thomas Mann in seinem Journal und
schickte seinen schillernden Krull auf eine abenteuerliche
Reise, deren Ende bis heute im Ungewissen liegt.
Auch Bertolt Brecht hat in der Reihe der berühmten Au28
toren einen Platz. Ein besonderer Gast, der keiner weiteren Vorstellung bedarf, wird zu Beginn des neuen Jahres 2013 Dresden
besuchen und Brechts „Geschichten vom Herrn Keuner“
mitbringen. Der große Bühnen- und Filmschauspieler Manfred Krug wird diese 121 Parabeln lesen, die ab 1926 über einen
Zeitraum von mehr als 30 Jahren entstanden sind. Da ist von
der „Mühsal der Besten“ und den Folgen des Erfolgs die Rede,
da wird über Musik und Malerei oder das Altertum philosophiert. Brecht präsentiert sich in den „Keuner“- Geschichten
als Philosoph und Provokateur, der mitunter den moralischen
Zeigefinger hebt. Manfred Krug freut sich daran, dass Herr
Keuner „sich mit den Menschen reibt“ und lädt zu einer Begegnung mit Brechts Alter ego ein.
„Und wenn wir nicht am Leben sind dann sterben wir noch
heute …“ Direkt, kompromisslos, mit alten Versmaßen so vertraut wie mit dem Theater – das war der Lyriker und Dramatiker Thomas Brasch, der 2001 im Alter von nur 56 Jahren starb.
Katharina Thalbach, seine Lebensgefährtin, hat mit der gemeinsamen Tochter Anna Thalbach die schönsten Texte ausgesucht. Gemeinsam laden die vielfach ausgezeichneten
Thea­ter- und Filmschauspielerinnen ein zu einer Hommage
an Thomas Brasch und ein Leben der Extreme.
Mottenburg nennen die Patienten ihre Lungenheilstätte,
in der alle dieselbe Krankheit haben – Tuberkulose. Einer von
ihnen ist der achtjährige August, der seine Mutter auf der
Flucht verloren hat und selbst verloren wäre, gäbe es da nicht
Lilo. Lilo ist 17, schön und wagt es, sich mit der Oberschwester anzulegen. Die 2011 im Alter von 82 Jahren verstorbene
Christa Wolf schildert in ihrer Erzählung „August“ eine
Kindheit voller Entbehrungen, aber auch Momente des
Glücks. Die letzte, bislang unveröffentlichte und autobiografische Erzählung der Autorin knüpft an ihren Roman „Kindheitsmuster“ aus dem Jahr 1976 an. Sie ist ihrem Mann Gerhard Wolf gewidmet: „Wir sind in den Jahrzehnten ineinandergewachsen. Ich kann kaum ‚ich‘ sagen – meistens ‚wir ‘. Ich
habe Glück gehabt.“ Am 3. April 2013 kehrt Dagmar Manzel,
deren Karriere am Staatsschauspiel Dresden begann und die
u. a. 2012 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde,
wieder einmal in die Stadt zurück, um Wolfs Erzählung ihre
Stimme zu leihen.
Hannelore Hoger liest Anna Seghers
am Dienstag, 27. November 2012,
um 20:00 Uhr im Schauspielhaus
Ulrich Matthes liest Thomas Mann
am Donnerstag, 13. Dezember 2012,
um 20:00 Uhr im Schauspielhaus
Katharina & Anna Thalbach lesen Thomas Brasch
am Dienstag, 26. Februar 2013,
um 20:00 Uhr im Schauspielhaus
Manfred Krug liest Bertolt Brecht
am Dienstag, 15. Januar 2013,
um 20:00 Uhr im Schauspielhaus
Dagmar Manzel liest Christa Wolf
am Mittwoch, 3. April 2013,
um 20:00 Uhr im Schauspielhaus
Für weitere Lesungen im Frühjahr 2013 sind wir im Gespräch mit Burghart Klaußner, Dieter Mann, Jan Josef Liefers u.a.
Ausgesuchte Lesungen werden in der Reihe mdr-figaro-Café aufgezeichnet und zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt.
29
Theater und Geschichte p Neue Stücke
Das normale Leben
oder Körper und Kampfplatz
von Christian Lollike
Regie: Hauke Meyer
Deutschsprachige
Erstaufführung
am 27. September 2012
im Kleinen Haus 3
Gefördert im Fonds
Wanderlust der
Kulturstiftung des Bundes
Theater und Geschichte p Neue Kunst & neue Räume
Was tun
von Lutz Hübner
Mitarbeit: Sarah Nemitz
Regie: Barbara Bürk
Uraufführung
am 6. Oktober 2012
im Schauspielhaus
KapiTal der Puppen
von René Pollesch
Regie: René Pollesch
Uraufführung
im Februar 2013
im Kleinen Haus 1
Ein neues Stück
von Pamela Carter
Uraufführung
im Februar 2013
im Kleinen Haus 3
In Zusammenarbeit
mit dem
Stückemarkt des Berliner
Theatertreffens 2012
Peaches, Luc Tuymans, 2012, 173,8 x 118,1 cm,
oil on canvas, courtesy David Zwirner Gallery
Das Deutschlandgerät
von Ingo Schulze
Regie: Christoph Frick
Uraufführung
im Juni 2013
im Kleinen Haus 2
Der beteiligte Blick
Über vier Uraufführungen der Jubiläumsspielzeit und ihre Autoren
Auf dem Spielplan der 100. Saison am Staatsschauspiel stehen einige Großklassiker der dramatischen Literatur. Doch es sind Stoffe und Erzählungen aus dem 20. und 21. Jahrhundert, die
den Spielplan prägen. Von Brecht bis Schulze und
von Ibsen bis Lollike.
Besonderes Augenmerk möchten wir hierbei
auf vier Uraufführungen lenken, die aus Anlass
des Jubiläums entstehen werden und von vier
Autoren, die unterschiedlicher nicht sein könnten, für Dresden geschrieben wurden.
Der erste Autor ist Lutz Hübner, dessen neues
Stück „Was tun“ in der Regie von Barbara Bürk
auf der Schauspielhausbühne uraufgeführt wird.
Hübner – sein „Frau Müller muss weg“ ist ein Dauerbrenner im Kleinen Haus – ist einer der meistgespielten deutschen Gegenwartsdramatiker; und
zugleich einer der unauffälligsten. Das liegt an der
Eigenart des Autors, sich auf bewundernswerte
Weise in seinen Stücken und Figuren aufzulösen.
Kein vordergründig prägender sprachlicher Stil
macht den Dramatiker kenntlich, kein spezieller
ästhetischer Zugriff. Es ist vielmehr die Virtuosität, Stoffe aufzuspüren, die dem Publikum nahegehen. Wie Hübner sie dann in Literatur verwandelt, die wirkt, als habe sie der Autor vom Leben abgeschrieben, als seien es Originaltöne, die
man da von der Bühne hört, das ist hohe Kunst. Sein neues Stück „Was tun“ ist ein Reigen,
der den Zuschauer auf die Reise durch eine Stadtnacht schickt, ihm Figuren zuweht und wieder
entzieht. Wir blicken in acht Leben, in acht Abgründe – und merken von Szene zu Szene deutlicher, wie diese Menschen und ihre Leben miteinander vernetzt sind.
Christian Lollike ist einer der interessantesten dänischen Dramatiker der Gegenwart. Er
schreibt Texte, die sich sehr offensiv neuralgi30
schen Themen der „europäischen Gesellschaft“
widmen. Sie beschäftigen sich mit der dänischen
Angst vor Überfremdung, mit der Hysterie nach
9 / 11 oder mit dem Problem seines Landes im Umgang mit Gewalt. Lollikes Stil, der Prosa, dramatischen Dialog, Reportage und Zitat mischt, hat
den Begriff der zeitgenössischen Dramatik in Dänemark erweitert und den Autor zum Enfant terrible für die kulturkonservative Rechte gemacht.
Im Zuge des durch die Kulturstiftung des
Bundes im Fonds Wanderlust geförderten Projekts „Der fremde Blick“ haben wir Lollike eingeladen, sich mit der ihm unbekannten Stadt Dresden zu befassen. Er hat einige Zeit hier verbracht,
Eindrücke und Erfahrungen gesammelt und daraus zwei Stücke destilliert: „Der Schacht“ sowie
„Das normale Leben oder Körper und Kampfplatz“. Beide befassen sich mit dem Umgang mit
der eigenen Geschichte wie mit der eigenen Paranoia, die den modernen Menschen allzu schnell
befällt. Spannend werden die Texte durch den
Blick des Fremden, des Autors, in dem wir uns
spiegeln. „Der Schacht“ („Skakten“) wird im März
2013 in Aarhus uraufgeführt, „Das normale Leben“ wird am Staatsschauspiel Dresden gezeigt.
Der Dramatiker René Pollesch, der immer
auch Regisseur seiner eigenen Texte ist, wird im
Februar 2013 erstmals eine Arbeit in Dresden zeigen. Pollesch ist einer der gefragtesten und innovativsten Theatermacher unserer Zeit. Seine
Texte und seine Art, Schauspieler zu rasenden
Denk-Sprech-Maschinen zu machen, sind einzigartig. Pollesch interessiert auf der Bühne nicht die
Fabel, nicht der Plot. Er lässt seine Figuren laut
über die Welt nachdenken und benutzt dazu das
ganze Kompendium dessen, was er in der Welt
vorfindet. Dazu zählt zeitgenössische Philosophie
ebenso wie Filmstoffe oder geliebte Fundstücke.
Alles wird bei Pollesch Gedanke, und der Gedanke
fährt auf der Überholspur. Zweimal bereits hat er
mit seinen Theaterdiskursen den Mülheimer Dramatikerpreis gewonnen. In Dresden arbeitet er
unter dem Titel „KapiTal der Puppen“.
Die letzte Uraufführung der Saison wird
Ingo Schulzes „Das Deutschlandgerät“ sein.
Seit der Uraufführung der Bühnenversion seines
Romans „Adam und Evelyn“ am Staatsschauspiel
Dresden gibt es immer wieder Berührungspunkte mit dem Schriftsteller Schulze. Die letzte
Begegnung war seine Dresdner Rede im Februar
2012, bei der ihm 800 Zuschauer minutenlang
stehend applaudierten. Seine Analyse der Absurdität deutscher Macht- und Marktverhältnisse
zeigte eindrucksvoll, warum Schulze als Erzähler und Essayist zu den wichtigsten Gegenwartsbeobachtern Deutschlands zählt. Sein neuer Text
„Das Deutschlandgerät“ ist eine Erzählung, die in
Briefform die Geschichte einer Künstlerfreundschaft darlegt und nebenher leichthändig ein
deutsches Sittenbild zeichnet. Ingo Schulze hat uns
diesen Text für eine Inszenierung vorgeschlagen.
Die vier Uraufführungsautoren der 100.
Spielzeit kommen aus ganz unterschiedlichen
Ecken der Literatur, und doch verbindet sie etwas: Sie haben den beteiligten Blick. Sie sind
keine Weltflüchtlinge oder Eskapisten, sie erheben Kunst nicht zum Selbstzweck. Ihre Texte
sind engagiert und emphatisch. Sie beschreiben
und analysieren Gesellschaft – und sie beziehen
Stellung und Haltung. Sei es in den Echtlebensdialogen eines Hübner, in den surrenden Spielen
eines Lollike, in den Diskursgewittern eines Pollesch oder im vorsichtig tastenden Nachdenken
von Schulzes Briefeschreiber.
Zudem freuen wir uns, die Gewinnerin des
Stückemarkts des Berliner Theatertreffens 2012
erstmals im deutschsprachigen Raum vorzustellen. Das neue Stück der Britin Pamela Carter
wird im Februar 2013 im Kleinen Haus zur Uraufführung kommen.
Das neue Kassen- und Service- Ein Anachronismus, der das
zentrum am Schauspielhaus
Sehen verdichten kann
Im Herbst 2012 eröffnet das Schauspielhaus
einen neuen Kassen- und Servicebereich
Finanziert vom Freistaat Sachsen und unter der
Leitung des Architekturbüros zanderarchitekten BDA / A. Pötzsch entsteht in der ehemaligen
Königsvorfahrt unter den nun verglasten Arkadenbögen ein neues Besucherzentrum, dessen
großzügiges Schaufenster den Blick auf den
Postplatz freigeben. Hier finden Sie ab der neuen
Saison zu den gewohnten Öffnungszeiten den
Kartenvorverkauf und die Abendkasse, hier können Sie alle Serviceleistungen für Anrechtsinhaber in Anspruch nehmen. In heller und freundlicher Atmosphäre können Sie sich von unserem
engagierten Kassenpersonal beraten lassen oder
im Wartebereich Anregungen für Ihren nächsten Theaterabend in unseren Monatsspielplänen
und weiteren Veröffentlichungen sammeln.
Eröffnung des Kassen- und Servicezentrums zum Eröffnungsfest der 100. Spielzeit
am Samstag, 8. September 2012
Der belgische Maler Luc Tuymans wird im gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrich B
­ ischoff (DirekSchauspielhaus zwei Wandgemälde schaffen
tor der Galerie Neue Meister) kuratiert. TuyAuch wenn die Malerei derzeit auf dem Kunst- mans, konsequenter Verfechter der Malerei in
markt eine Renaissance erlebt, gelingt es nur we- Zeiten von Fotografie und Videokunst, bezeichnet
nigen Künstlern, der Gattung wirklich einen die Malerei als „Anachronismus, der das Sehen
neuen Dreh zu geben. Der international bekannte verdichten kann“. Seine Kunst kreist, so Tuymans,
und erfolgreiche belgische Maler Luc Tuymans, „um Erinnerung, darum, wie eine Erinnerung eidessen Bilder u. a. im New Yorker Museum of Mo- gentlich aussehen sollte, dass man sich aber nie so
dern Art (MoMa), in der Londoner Tate Gallery of erinnern kann“. Zur Jubiläumsspielzeit 2012.2013
Modern Art und in der Pinakothek der Moderne schenkt er dem Staatsschauspiel zwei besondere
in München zu sehen sind, gehört zu diesen we- Erinnerungen, die lange Zeit erhalten bleiben
nigen. Tuymans begreift das Malen, von dem werden.
einst gesagt wurde, es werde durch die Fotografie
Dass das Wandgemälde von Luc Tuymans im
überflüssig, als eine Technik, die nach der Foto- Staatsschauspiel entstehen kann, ist der großzügrafie kommt. Er malt Bilder ab, die er entweder gigen Unterstützung der Schmidt-Drenhausselbst fotografiert oder in Zeitschriften, Tages- Stiftung Dresden / Köln zu verdanken. Doris und
zeitungen und Archiven gefunden hat. Fast im- Klaus F. K. Schmidt sind seit 1994 Gründungsmitmer sind es Aufnahmen, denen eine lange Ge- glieder der Gesellschaft für Moderne Kunst in
schichte vorausgeht, weil sie an historischen Or- Dresden e.V., auch um die Notwendigkeit privaten oder zu historischen Momenten aufgenom- ten Engagements für die Gegenwartskunst und
men wurden. Diese Geschichte verdichtet sich im ihre Institutionen in Dresden zu untermauern.
Gemälde. Sie wird nicht sichtbar, aber sie steckt Ende 2006 brachten sie einen Teil ihrer Sammals unterschwellige Information im Motiv.
lung in ihre Schmidt-Drenhaus-Stiftung ein.
Luc Tuymans wird zum Jubiläum des Schauspielhauses in beiden Publikumsaufgängen vom
Kassenfoyer zum Parkett je ein großflächiges
Wandgemälde schaffen. Die Werke entstehen
Luc Tuymans
während Tuymans Aufenthalt in Dresden an- Zwei neue Wandgemälde für das Schauspielhaus
lässlich einer Ausstellung im Albertinum, die er Vernissage März 2013 im Schauspielhaus
31
Theater und Geschichte p Porträts
Agathe Scholz, 100 Jahre
Theater und Geschichte p Ein theatraler Parcours
Fragmente fügen sich zu einem Bild:
das Schauspielhaus im Blick der
jungen Bühnen- und Kostümbildner
100 Jahre – 100 Leben
Ein Fotoprojekt von Heiko Schäfer mit 100 Dresdnern
­zwischen 0 und 100 Jahren
100 Jahre sind eine lange Zeit, so viel ist sicher. Doch wenn
man versucht, sich theoretisch vor Augen zu führen, wie 100
vergangene Jahre aussehen, welche Spuren sie hinterlassen,
stößt man schnell an die Grenzen seiner Vorstellungskraft.
Um diese Zeitspanne sinnlich erfahrbar zu machen, entsteht
anlässlich des runden Geburtstags des Staatsschauspiels ein
besonderes Fotoprojekt. 100 Menschen, jeder und jede von ihnen in einem anderen Jahr seit dem Bestehen des Staatsschauspiels geboren, bilden – wie eine lebendige Zeitleiste – das vergangene Jahrhundert ab. Der Berliner Fotograf Heiko Schäfer
wird in einer Serie von 100 Porträts Dresdner zwischen 0 und
100 Jahren versammeln. Vom Neugeborenen bis zur 100-Jährigen steht jeder Einzelne von ihnen für ein Jahr in der Geschichte dieses Theaters und schenkt ihm auf diese Weise ein
einzigartiges Gesicht, das sich aus der Vielfalt der 100 Dresdnerinnen und Dresdner zusammensetzt.
Für Heiko Schäfer, der neben der Porträtfotografie häufig
Landschaften und Orte mit seiner Kamera erkundet, ist dieses Projekt eine neue Form, sich einer Stadt zu nähern: „Dieses Panorama aus 100 Bildern der unterschiedlichsten Personen ist für mich ein neues Erlebnis – eine indirekte Stadterkundung sozusagen.“
Porträtfotografie, das heißt für ihn immer eine unvorhersehbare, intensive Begegnung zwischen zwei Fremden, die für
die Dauer des Fotografierens ein gemeinsames Anliegen haben: „Allerdings aus zwei unterschiedlichen Motivationen
heraus – auf der einen Seite das Bestreben des Fotografierten,
sich möglichst gut zu präsentieren, und auf der anderen Seite
der Fotograf, der ein Kunstwerk schaffen möchte.“ Dabei ist
es Schäfer wichtig, innerhalb der formalen Strenge der Bilderserie auf jedem einzelnen Foto möglichst viel von der Persönlichkeit seiner Modelle sichtbar zu machen: „Nicht nur die
Haltung oder die Wahl der Kleidung erzählt eine Menge über
einen Menschen, sondern vor allem die kleinen Regungen der
Mimik in den privaten Zwischenmomenten – wenn man z. B.
mal für einen Augenblick nicht daran denkt, dass man fotografiert wird.“
Zwar steht bei dieser Bilderstrecke der serielle Gedanke im
Vordergrund, um die Abfolge der 100 Jahrgänge hervorzuheben, dennoch werden in dieser monochromen Ästhetik die Eigenheiten und Eigenschaften der jeweiligen Persönlichkeiten
betont. Etwas von der individuellen Lebensgeschichte jedes
Einzelnen wird man auf jedem der Bilder erahnen können. Sowohl in den Gesichtern als auch in den Biografien der porträtierten Personen wird sich ein Panorama der vergangenen 100
Jahre Stadt- und Theatergeschichte entfalten. Denn natürlich
hat jede und jeder von ihnen seine ganz eigene Beziehung zum
Staatsschauspiel: Vom Abonnenten in der 35. Saison über die
Schwiegergroßmutter eines Ensemblemitglieds, die Nachbarin, die seit über 20 Jahren mit Blick auf das Theater wohnt, bis
zum pensionierten Hauptdarsteller sind alle ein Teil der
100-jährigen Geschichte des Staatsschauspiels Dresden.
100 Jahre – 100 Leben Ausstellung, Postkartenreihe,
Videoprojektion von Heiko Schäfer
Ab Februar 2013 im Schauspielhaus
32
Sie befinden sich hier – eine Reise in die Geschichte des Schauspielhauses
Die Kassenhalle und Pitbulls, die Unterbühne und schwimmende Kühe, das Foyer
und ein Fernseher ohne Ton, Wahrheit und
Erinnerung – was haben diese Dinge gemeinsam? Acht Studierende des Studiengangs
Bühnen- und Kostümbild der Hochschule für
Bildende Künste Dresden haben sich anlässlich des Jubiläums des Staatsschauspiels
Dresden auf eine Suche begeben.
Die zukünftigen Bühnen- und Kostümbildner
haben eine Reise in die Vergangenheit des Staatsschauspiels angetreten. Dabei haben sie Chroniken und Festschriften der Theatergeschichte zunächst außer Acht gelassen und sich stattdessen
auf das konzentriert, was ein Theater lebendig
macht: das Publikum und alle Mitarbeiter. Ausgestattet mit Kamera und Diktiergerät haben
Bettina Katja Lange und Ansgar Prüwer im Thea­
ter und in der Stadt nach Stimmen gesucht, die
die Geschichte des Hauses auf eine sehr persönliche Art und Weise erzählen: Bühnentechniker
und Abonnentinnen, Requisiteurinnen und Kritiker, Dramaturginnen, Laienspieler, Komparsen, Schauspiel-Fans, Schauspielerinnen und
viele mehr.
Die Anekdoten und persönlichen Zusammenfassungen, Andenken und Aufzeichnungen aus
unterschiedlichen Zeiten bilden einen vielfältigen Erinnerungsspeicher, anhand dessen sich die
Geschichte des Hauses rekonstruieren lässt. Aber
bedeutet Rekonstruktion zugleich Wahrheit? Vor
allem wenn diese nicht auf Fakten, sondern auf
mündlich überlieferten Erinnerungen beruht?
Das Besondere einer solchen Sammlung ist
eben genau dies: die Subjektivität des Erinnerten. Jeder Mensch erlebt Geschichte und verarbeitet diese anders. Schwerpunkte eines Ereignisses werden unterschiedlich eingeschätzt.
Kleine Anek­doten werden zu Legenden, und die
eigentlichen Tatsachen geraten dabei nach und
nach in Vergessenheit. Doch bietet sich nicht gerade dann ein umfassender Blick auf das Erlebte,
wenn mehrere dieser individuellen Perspektiven zusammengetragen werden?
Jede unscharfe Erinnerung des Einzelnen
fügt sich in ein kollektives Gedächtnis, aus dem
nach und nach ein Mythos entsteht. Die persönliche Erinnerung schafft die Möglichkeit der
Partizipation und Identifikation sogar auch mit
dem Nichterlebten. Dieses Prinzip geht über die
reine Archivierung einer vermeintlichen Faktenlage hinaus, es macht Geschichte lebendig
und nachvollziehbar.
Wo genau war die Essensausgabe in der Kantine vor der Sanierung 1995? Wer verlas die Resolution für ein freies Land 1989 nach jeder Vorstellung im Kleinen Haus? Wie wurde der Videorekorder auf einer Gastspielreise von Hamburg
nach Dresden geschmuggelt? Welche Farbe hatten die Stühle im Parkett vor der Dresdner Bombennacht? Wie sah der Zuschauerraum aus, in
dem nach dem Krieg Oper und Schauspiel gemeinsam untergebracht waren?
Auf diese und andere Fragen gibt es mehrere
Antworten, deren Wahrheitsgehalt nicht immer
überprüft werden kann. Muss er auch nicht:
Spannender als nach der einen Wahrheit zu forschen ist es, zu beobachten, wie sich Mythen
und Geschichten um 100 Jahre Schauspielhaus
ranken.
Diesen vielfältigen Erinnerungsspeicher
konfrontieren die acht Studierenden mit ihren
eigenen Fragen: Wer stellt sich im Winter freiwillig aufs Dach und zitiert Schiller? Ist Erinnerung Ballast und Vergessen Erleichterung?
Wenn die Utopie fehlt, was bleibt einem dann?
Ab November 2012 hat jeder Besucher des
Staatsschauspiels die Möglichkeit, das Gebäude
aus einer neuen Perspektive kennenzulernen.
Ein theatraler Parcours durch das Schauspielhaus mit performativen Elementen und Installationen eröffnet Blicke in bisher verschlossen
gebliebene Orte und verbindet Fiktion mit Wirklichkeit. Die Kassenhalle wird zum Tagungsort
von Fachkräften der Abriss- und Entkernungsindustrie; bei Sektausschank und Pralinenverkostung gilt es zu entscheiden, welches Souvenir die heimische Vitrine am besten schmückt.
Die Arbeitsatmosphäre vor jeder Abendvorstellung wird von 10.000 Kristallprismen in ein
neues Licht getaucht, während ein eloquenter
Charmeur das historische Ambiente auch für
die private Nutzung schmackhaft macht. Professionelle Rekonstrukteure erfinden die Vergangenheit neu, Metallschrott wird zum Drama,
und der Blick aus dem Fenster bietet einen Vorgeschmack auf die Zukunft. Diese und mehr Interventionen erzählen bewusst fragmentarisch
von der 100-jährigen Vergangenheit, unserer Gegenwart und dem, was vor uns liegt – begeben
Sie sich mit auf die Reise!
Sie befinden sich hier Ein theatraler Parcours durch das
Schauspielhaus und seine Geschichte
Konzeption und Gestaltung des Parcours: Bettina Katja
Lange und Ansgar Prüwer (Leitung), Tanja Berndt, Maira
Bieler, Juliette Collas, Franziska Harm, Romina Kaap,
Anna Maria Münzner p Künstlerische Betreuung: Prof.
Barbara Ehnes, Robert Lehniger p Künstlerische Mitarbeit: Miriam Visaczki p Dramaturgie: Beret Evensen
In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende
Künste Dresden, Studiengang Bühnen- und Kostümbild
Ab November 2012 im Schauspielhaus
Karten für den theatralen Parcours erhalten Sie an den
Theaterkassen. Die Termine entnehmen Sie bitte dem
Monatsleporello.
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Theater und Geschichte p Dresden gestern und heute
Theatron: Von der Polis zum partizipativen Theater
100 Prozent Dresden
Die Festveranstaltung zu „100 Jahre Staats- spielhauses gebracht. Anders als bei vielen andeschauspiel“ findet am 13. September 2013 ren Rimini-Protokoll-Projekten wird für „100
statt. Mit einem großen Festakt feiern wir Ge- Prozent Dresden“ nur ein einziger Mensch von
burtstag und schließen damit die Jubiläums- den Regisseuren ausgewählt. Dieser sucht den
saison ab. Anlass für die Künstlergruppe Ri- nächsten Teilnehmer aus seinem Bekanntenkreis
mini Protokoll, einen besonders liebevollen aus (nach einem Raster aus statistischen Werten,
Blick auf die Stadt Dresden, ihre Bewohner z. B. nach Geschlecht, Nationalität, Wohnbezirk),
der zweite einen weiteren, bis 100 Dresdner, also
und ihre Eigenschaften zu werfen.
Am 31. Dezember 2011 wohnten in Dresden 530.729 „100 Prozent Dresden“, beisammen sind. Jeder
Menschen. 4,2 % davon waren Ausländer, 51 % Einzelne steht für ca. 5300 Bewohner Dresdens.
Frauen und 8,9 % arbeitslos. Demgegenüber stan- So entsteht eine Ansammlung, die unsere Stadt
den 1,8 Millionen Übernachtungsgäste in Dres- spielt, ein Chor, der noch nie geübt hat, ein unden, von denen 17,8 % ausländische Touristen wa- mögliches Gebilde, das sich zu immer neuen
ren, die im Durchschnitt 2,1 Tage in Dresden Gruppenbildern zusammenstellt, zu flüchtigen
verbrachten.
Porträts von Zugehörigkeit und GegensätzlichFür Statistiken geraten Menschen in Torten- keit: ein Stimmenmeer als geometrischer Körper
stücke, Säulen und Kurven, die für politische Ar- auf 100 m 2 Bühne.
gumentationen und ökonomische Kosten-Nutzen-Strategien verwendet werden. Was wäre,
wenn diese Statistiken Gesichter bekämen? Wenn
Dresden sich auf einer Bühne durch 100 Menschen Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel arbeiten
vertreten ließe, eine Menge, so ausgesucht, dass unter dem Label Rimini Protokoll und gehören zu den
sie statistisch „korrekte“ Aussagen machen kann? prägenden Regisseuren ihrer Generation. In ihren Arbeiten stehen zumeist „Experten des Alltags“ auf der Bühne,
Zum 100-jährigen Jubiläum des StaatsschauMenschen, die mit ihren Biografien in theatralische
spiels Dresden bildet das Theaterkollektiv Rimini Zusammenhänge gebracht werden. Rimini Protokoll
Protokoll die Stadt auf der Bühne ab: „Dresden in wurden im In- und Ausland vielfach ausgezeichnet, so
Zahlen“, Zahlen aus Dresdnern. In einer mehrmo- erhielten sie unter anderem 2011 für ihr Gesamtwerk den
Silbernen Löwen der 41. Theaterbiennale von Venedig.
natigen Recherchekette werden 100 Bewohner
„100 Prozent Dresden“ ist bereits ihre vierte Arbeit am
Dresdens nach statistischen Kriterien ermittelt Staatsschauspiel stadtspezifische Weiterentwicklung von
und als Repräsentanten auf die Bühne des Schau- „100 Prozent Berlin“, Hebbel am Ufer, Berlin 2008.
Erst wird aus gelebtem Leben Statistik, dann wird
Statistik auf der Bühne wieder lebendig
100 Prozent Dresden
Eine statistische Kettenreaktion von Rimini Protokoll
Ein Jubiläumsprojekt zum 100. Geburtstag des Staatsschauspiels Dresden
Regie: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel
Uraufführung September 2013 im Schauspielhaus
In Akten gepresst
In zwei sehr verschiedenen Stücken wird ren. Das Projekt entsteht in einem internationaDresdens Stasi-Vergangenheit thematisiert
len Kontext, in welchem auch Autoren und ReDas Staatsschauspiel Dresden zieht in seiner 100. gisseure aus Tschechien, Polen, Ungarn, RumäSpielzeit nicht nur theatergeschichtlich Bilanz, nien und der Slowakei über die Geschichte der
sondern nimmt das Jubiläum auch zum Anlass, Geheimdienste ihrer Länder forschen und da­
sich mit zwei Stücken auch einem der dunkleren raus Theater- und Performancestücke entwiThemen der jüngeren Dresdner Geschichte zu ckeln. Alle diese Stücke werden schließlich im
stellen: Sowohl die Theatergruppe Rimini Pro- Herbst 2013 beim Internationalen Theaterfestitokoll als auch der Regisseur Clemens Bechtel val Divadelná Nitra zu sehen sein.
recherchieren in den Akten des StaatssicherDie Performancegruppe Rimini Protokoll
heitsdienstes der ehemaligen ddr, um die Er- schickt derweil die Zuschauer auf eine Art Hörspiel-­
gebnisse ihrer Suche in einen performativen Parcours durch Dresden. In „Radioortung – 10
Kontext zu setzen. Beide Projekte stoßen dabei Aktenkilometer Dresden“ geht das Publikum,
auf Schicksale, Anekdoten, Tragödien und ausgestattet mit Smartphones und interaktiven
Kurio­sitäten, führen Gespräche mit Betroffenen Stadtplänen, auf eigene Faust durch unsere Stadt
und Tätern und dringen immer weiter in dieses und hört dabei mit dem Telefon Texte zu Begesensible Kapitel der ddr-Geschichte ein.
benheiten, die sich an dem jeweiligen Ort, an
Die so gefundenen Geschichten werden auf dem man sich gerade befindet, ereignet haben.
denkbar unterschiedliche Weise für die Zu- Eine interaktive und äußerst wirkungsvolle Art,
schauer erfahrbar gemacht: In „Meine Akte Geschichte aufzuarbeiten und sie mit der Gegenund ich“ bringt Clemens Bechtel betroffene wart untrennbar zu verknüpfen: Der AktenverMenschen, sowohl ehemalige Mitarbeiter als merk, den man an dieser oder jener Straßenecke
auch Opfer des Überwachungsapparates der hört, in dem von einem Stasi-Spitzel berichtet
Stasi, auf die (Bürger-)Bühne, um mit ihnen ge- wird, wie X und Y sich umarmen, wird auf einmal
meinsam den Mechanismen und Strukturen, wundersam aktuell, wenn im selben Moment tatBeweggründen und Auswirkungen nachzuspü- sächlich ein Liebespaar im Blickfeld erscheint.
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Ein fünfjähriges EU-Projekt fördert Audience eine ganz besondere Heimat für sein Publikum
Development
geschaffen, die Dresdner Bürgerbühne. Dort kön„Audience Development“, das ist doch wieder so nen die Bürger unserer Stadt nicht nur in profesein unerträglicher Manager-Anglizismus, wie sionellen Theaterproduktionen unter erfahrenen
passt das denn zum Theater, zur Kunst, zum kri- Regisseuren einmal selbst auf der Bühne stehen,
tischen Diskurs, zu allem, wofür die zeitgenös- sondern sie können sich auf vielfältige Weise aksische Bühnenkunst steht? Lässt man sich je- tiv mit dem Phänomen Theater auseinandersetdoch nicht von den „neudeutschen“ Begrifflich- zen. Die Bühne wird hier gleichsam zum antiken
keiten ablenken, ist ein durchaus sinnvolles An- „Theatron“, zum Theater der griechischen Antike,
liegen zu entdecken: eine „Zuschauerentwick- das darauf abzielte, eine Brücke zum Publikum
lung“, also ein Kennenlernen, eine Einbeziehung zu schlagen und es einzubeziehen.
und Erweiterung des Publikums, das allabendNun haben sich auf internationaler Ebene 13
Theater- und Produktionshäuser von Aarhus bis
lich die Säle der Theater füllt.
Das Publikum ist jener Teil der Öffentlich- Rom, von Prag bis Paris und von London über
keit, der uns, den Theatermachern, am nächsten Antwerpen bis Dresden zusammengeschlossen,
steht. Jede Theaterleitung entwickelt eigene Stra- um sich mit einem frischen Blick über das „Autegien, mehr über die Zuschauer zu erfahren und dience Development“ auszutauschen. Im Rahihnen die Teilhabe am Theater zu ermöglichen. men von Theatron, einem im Kulturprogramm
Jenseits von Besucherumfragen und Abonne- der Europäischen Union über fünf Jahre geförderments hat das Staatsschauspiel Dresden 2009 ten Netzwerk, werden Gemeinsamkeiten und Un-
terschiede ergründet und Ideen (weiter-)entwickelt – jedes Theater lernt von den anderen. Natürlich wird Theatron auch für das Publikum in allen
beteiligten Häusern erfahrbar: Herausragende
Produktionen der Partnertheater werden als Gastspiele in Dresden zu sehen sein, es wird öffentliche Konferenzen und Diskussionspodien geben,
und auch die Bürgerbühne wird als leuchtendes
Beispiel international auf Reisen gehen.
Theatron. Engaging New Audiences
Ein fünfjähriges Kooperationsprojekt von und mit: Odense
Teater, Théâtre de Gennevilliers Paris, Sadler’s Wells
London, Staatsschauspiel Dresden, Archa-Theater Prag,
Uppsala Stadsteater, Aalborg Teater, Freie Universität
Berlin, Sheffield Theatres, Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste Dresden, Aarhus Teater, Fondazione Romaeuropa Arte e Cultura Rom und Toneelhuis Antwerpen
Gefördert im Kulturprogramm der Europäischen Union
Bretter, die die Welt bedeuten
Ein Stück Theatergeschichte zum Mitnehmen
Der Bühnenboden des Schauspielhauses hat vieles
erlebt. Er ist Zeuge der Aufregung unzähliger
Premieren, erzählt von großen Schauspielereignissen wie auch von Brand- und Überschwemmungskatastrophen. Deshalb muss der Boden in regelmäßigen Abständen erneuert werden. Das letzte Mal
geschah dies im Sommer 2011 und wir haben einige
Teile des erneuerten Bodens für Sie aufgehoben.
Anlässlich der 100. Spielzeit bietet wir Ihnen die
Möglichkeit, ihre Erinnerungen an große, rührende, spannende und aufwühlende Theatermomente
ganz gegenständlich mit nach Hause zu nehmen:
Ab Beginn der Spielzeit 2012.2013 werden die Bretter
des Bühnenbodens in einer Sammler-Edition zum
Verkauf freigegeben.
Sie können folgende Formate erwerben:
„Fan-Block“-Edition
Ein Stückchen Schauspielhaus-Boden, ca. 5 cm,
mit Echtheitssiegel
p Preis: 10,00 €
„Freundes-Klotz“-Edition
Ein Stück Schauspielhaus-Boden, Maße: ca. 33 cm
und 0,5 kg, mit Echtheitssiegel und 100-Jahre-Plakette,
nummeriert (limitierte Auflage: 100)
p Preis: 30,00 €
„Förder-Brett“-Edition
Ein großes Stück Schauspielhaus-Boden, Maße: ca.
100 cm und 1,5 kg, mit Echtheitssiegel und 100-JahrePlakette, nummeriert (limitierte Auflage: 50)
p Preis: 100,00 €
Der Erlös dieser Aktion kommt der Jugendtheaterarbeit
der Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden zugute.
Bitte mailen Sie Ihre Bestellung unter Angabe Ihres
Namens und der gewünschten Rechnungsadresse an
[email protected] oder rufen Sie
an unter 0351.4913 – 756. Sie erhalten daraufhin eine
Rechnung und einen Zahlschein. Alle Bretter können
an den Kassen des Staatsschauspiels Dresden abgeholt
und dort auch direkt erworben werden. Wünschen
Sie eine Zusendung des Bodens, erhöht sich der
Kaufpreis um eine Versandpauschale von 5,00 €.
Radioortung – 10 Aktenkilometer Dresden
Ein begehbares Stasi-Hörspiel von Rimini Protokoll
Radioortung ist ein Format von Deutschlandradio Kultur.
Eine Koproduktion mit Rimini Apparat und dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssi­
cherheitsdienstes der ehemaligen ddr. Gefördert mit Mitteln­
der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der sed-Diktatur
Uraufführung April 2013
Kleines Haus / Stadtrundgang
Meine Akte und ich
Eine Recherche über die Staatssicherheit in Dresden
Regie: Clemens Bechtel
In Koproduktion mit dem Internationalen Theaterfestival
Divadelná Nitra im Rahmen des Projektes „Parallel Lives“
Uraufführung April 2013
Kleines Haus 3, Die Bürgerbühne
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Theater und Geschichte p Konzert der Dresdner Philharmonie
Theater und Geschichte p Kooperation mit dem MDR anlässlich der Jubiläumsspielzeit
Weber, Weill & Waits
Dresdner Philharmonie und Staatsschauspiel Dresden
auf einem musikalisch-literarischen Streifzug durch 100
Jahre Geschichte
Die Dresdner Philharmonie wird – solange der Kulturpalast
umgebaut wird – auf Wanderschaft durch die Stadt gehen. Dabei macht sie auch Station im Staatsschauspiel – und bringt
ein Gastgeschenk mit.
Gemeinsam mit dem Orchester erarbeitet das Staatsschauspiel einen sehr besonderen musikalischen Abend. Zusammen spannen wir einen Bogen über die vergangenen 100 Jahre.
Wir lassen Melodien wieder erklingen, die musikalisch die Arbeit des Theaters begleiteten, und machen Entdeckungen in
der musiktheatralischen Mottenkiste. Wir spüren den Musiken nach, die bestimmte Epochen prägten, untersuchen spielerisch, wie sie sie spiegelten oder wie sie sich ihnen widersetzten. Und natürlich widmen wir uns dabei auch den Zeiten, in
denen die Oper auf der Schauspielhausbühne beheimatet war.
Das Gleiche gilt für das gesprochene Wort: Welche Texte gehören untrennbar zur Historie dieses Hauses? Was rufen sie uns
durch die Jahrzehnte zu? Und wie klingen sie heute?
So entsteht ein Streifzug durch die Geschichte des Hauses,
der auch die Geschichte dieser Stadt lebendig werden lässt –
die Geschichte eines Theaters und seiner Zuschauer.
Am Sonntag, 16. September 2012 im Schauspielhaus
Was heißt Theater heute?
Ein MDR-FIGARO-Café in Kooperation mit der
ZEIT und dem Staatsschauspiel Dresden
Das Staatsschauspiel Dresden feiert seine 100.
Spielzeit und das „königlich“ mit über 25 Premie­
ren und vielen Jubiläumsveranstaltungen. Das
bietet ausreichend Gelegenheit, sich mit der
Frage Was heißt Theater heute? auseinanderzusetzen. An Deutschlands Theatern und in Zeiten knapper Kassen braucht es künftig kluge und
zeitgemäße Konzepte, will man weiterhin die
künstlerische Qualität sichern. In Dresden gibt
es derzeit Überlegungen zur strukturellen Fusion von Staatsschauspiel und Semperoper zu einem „Sächsischen Staatstheater“. Wie machen es
andere Städte, und was können die wiederum
von Dresden lernen? Was kann Theater im 21.
Jahrhundert überhaupt sein und leisten? Will es
eine moralische, eine gesellschaftspolitische,
eine ästhetische Anstalt sein, die den Menschen
fühlen lässt, wie es ist, „ein Mensch zu sein“, wie
Friedrich Schiller es 1784 formulierte? „Das
Wahre mit dem Schönen vereinigen“, wie es Goethe anmahnte? Theater als Kunstwerk, als Illusion nach Stanislawskis Schauspieltheorie, als
episches Theater nach Brecht, oder geht es jetzt
in eine ganz andere Richtung? Wie lässt sich ein
junges Publikum gewinnen und binden? Braucht
es andere Ensemblestrukturen? Welche Rolle
spielt bei alledem die Politik? Fragen, die im
mdr-figaro-Café in Kooperation mit der zeit
und dem Staatsschauspiel Dresden diskutiert
werden sollen. Mit Wolfgang Engel, Theaterre-
gisseur. Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters Berlin und Vorstandsmitglied des
Deutschen Bühnenvereins. Peter Kümmel, Thea­
terkritiker die zeit. ­Peter Michalzik, Autor,
Journalist, Theaterkritiker. Wilfried Schulz,
­Intendant des Staatsschauspiels Dresden. Moderation: Thomas Bille. Musikalische Begleitung:
Stephan König.
MDR-FIGARO -Café
am Sonntag, 16. September 2012, von 16:05 bis 17:30 Uhr
im Schauspielhaus
Die Veranstaltung wird live im Hörfunk übertragen
Das Kulturmagazin des MDR-Fernsehens – „artour“ – sendet aus dem Schauspielhaus
Schließen, fusionieren, Mittel kürzen – was haZu diesem „100.“ sagt „artour“: So jung, wie prominente Gesprächspartner ein und – falls es
ben wir in der letzten Zeit nicht alles über die Lage dieser Jubilar geblieben ist, möchten wir auch alt sie überhaupt noch gibt – gewähren denen, die
der Theater gehört. Dass wir zu viele davon hätten werden! Immerhin haben wir gerade erst unseren das Haus nicht kennen, einen Einblick in die Arund sie uns nicht mehr leisten könnten. Dass ein 20. Geburtstag gefeiert. Dass wir die Jubiläums- beit des Staatsschauspiels.
Wir wollen Theater, das uns bewegt, das uns
Infarkt bevorstünde. Jüngst sagte ein hochrangi- spielzeit journalistisch begleiten, ist geradezu
ger Politiker in Sachsen-Anhalt, dass die öffentli- selbstverständlich. Wir sind neugierig auf das, provoziert. Das auf vielfältige Weise für die Bürche Förderung eines Profifußballstadions mögli- was das zurzeit wahrscheinlich erfolgreichste ger seiner Stadt da ist und von ihnen angenomcherweise wichtiger sei, weil zum Fußball ja Theater unseres Sendegebietes seinen Zuschauern men wird. Genau das haben wir in den Inszenieschließlich mehr Leute gehen. Was, nebenbei ge- bieten wird, und werden regelmäßig über die her- rungen des Staatsschauspiels Dresden, über die
wir in den letzten Jahren berichtet haben, vorgesagt, nicht stimmt, erst recht nicht in der Regio- ausragenden Premieren und Projekte berichten.
nalliga. Auch bundesweit betrachtet gehen mehr
Doch besondere Anlässe fordern eben auch funden. Dazu gratulieren wir herzlich.
Zuschauer ins Theater als in die Stadien.
eine besondere Aufmerksamkeit. Daher plant Ihre „artour“-Redaktion
Wir vom mdr-Kulturmagazin „artour“ fin- „artour“ eine Sondersendung aus dem Schauden Letzteres ziemlich gut so. Wir sagen nicht, spielhaus. Stattfinden wird sie im Umfeld der
dass Theater sein muss. Wir sagen, dass wir es „Hamlet“-Premiere im November. Sie wird mit
Wir sehen uns also spätestens im November zu „artour“
uns leisten sollten. Deshalb sind wir gerne da- der Geschichte und Geschichten des Dresdner
aus dem Staatsschauspiel Dresden. Gerne natürlich
bei, wenn ein Theater wie das Staatsschauspiel Theaters gefüllt sein: Wir erinnern an Höhe- auch an jedem anderen Donnerstag um 22:05 Uhr im mdrDresden seine 100. Spielzeit feiert.
punkte der letzten Jahre und Jahrzehnte, laden Fernsehen.
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Theater hier und anderswo – von
Montevideo, Birmingham, Zagreb und
⁄
Wroclaw
bis Reinhardtsdorf-Schöna
Die Auseinandersetzung mit einem anderen, fremden Blick auf dasjenige, was uns selbstverständlich und bewährt erscheint, ist auch für das
Theater fruchtbar und notwendig. Aus der Mitte Europas heraus die eigene Position zu hinterfragen, eine Identität zu schaffen und Neues zu
wagen gelingt durch einen regen künstlerischen Austausch mit unmittelbaren Nachbarn ebenso wie mit entfernten Freunden. Daher wird es in
der Jubiläumsspielzeit eine deutsch-polnische Koproduktion unter der
Leitung eines der wichtigsten zeitgenössischen Regisseure Polens geben.
Wir laden den Regisseur Volker Lösch mit seinem Antigone-Projekt aus
Uruguay nach Dresden ein und starten ein internationales Theaterexperiment mit vier renommierten Autoren zur europäischen Identität. Die
Bürgerbühne begibt sich in die Sächsische Schweiz, wo ein Landschaftstheater entstehen wird, das die liebgewonnenen Naturpanoramen aus
neuer Perspektive betrachtet. Ob Montevideo oder ReinhardtsdorfSchöna – Sie sind herzlich willkommen!
Erzählen von Angst und Verlust –
das Ensemble von „Antígona Oriental“
Theater hier und anderswo p Eine Koproduktion mit dem Teatr Polski Wrocl⁄aw
Der Regisseur Jan Klata
Die Freiheit des Fremdlings
Mehrfach schon hat das Staatsschauspiel in den vergangenen Jahren seine Fühler
auch über die Landesgrenzen ausgestreckt und die Auseinandersetzung und Tuchfühlung mit unseren europäischen Nachbarn gesucht. Einen Höhepunkt findet
dieser interkulturelle Austausch nun in einem großen Shakespeare-Projekt des
Regisseurs Jan Klata – einer Koproduktion mit dem Teatr Polski Wrocl⁄aw.
Jan Klata zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Regisseuren Polens. Seine starken ästhetischen Zugriffe und seine inhaltlich provokanten Setzungen machen ihn zu einem der interessantesten Künstler zwischen Warschau und Wrocl⁄aw. In
den vergangenen Jahren begann er auch in Deutschland erste
Inszenierungen zu erarbeiten. „Ich mag die Position des
Fremdlings. Es gibt dieses Sprichwort: Fremde Mönche predigen besser. Es ist vielleicht nicht richtig zu sagen, dass wir Osteuropäer mit unserem Sinn für Anarchie und Freiheit eure
perfekte Ordnung durcheinanderbringen – aber im Grunde ist
es so“, sagte er in einem Radiointerview. „Vielleicht muss man
beides kombinieren. Man versucht, gemeinsame Grundlagen
zu finden, eine Schnittmenge zu bilden – aber was ist, wenn
diese gemeinsame Schnittmenge dann vielleicht leer ist?“
Seine Inszenierung von „Titus Andronicus“ geht deshalb
einen anderen Weg. Deutsche und polnische Schauspieler stehen miteinander auf der Bühne, eine Hälfte aus Dresden, die
andere aus Wrocl⁄aw. Folglich wird es auch zwei Sprachen zu
hören geben (die jeweils fremde wird selbstverständlich für
das Publikum untertitelt). Woher stammt nun diese Idee, und
warum setzt man sie ausgerechnet mit Shakespeares „Titus
Andronicus“ um? Die Vermischung der Sprach- und Kulturräume sollte kein Selbstzweck, sondern Teil einer künstlerischen Interpretation sein. In „Titus Andronicus“ treffen
ebenso zwei Kulturen aufeinander: Römer und Goten.
Die – im Gegensatz zu Shakespeares weiteren römischen
Tragödien – fiktive Geschichte ist im spätrömischen Reich angesiedelt. Der Feldherr Titus Andronicus kehrt von einem erfolgreichen Feldzug gegen die Goten zurück. Die gefangene
Gotenkönigin Tamora wird statt Sklavin Ehefrau des römischen Kaisers. Es entspannt sich ein Reigen der Rache zwischen Goten und Römern, der den Krieg vom Schlachtfeld in
das politische Rom und in die Familien verlagert. Die Schauspieler des Staatsschauspiels Dresden spielen dabei die Römer,
die Schauspieler des Teatr Polski Wrocl⁄aw die Goten. „Spätrö40
mische Dekadenz“ vs. „neue Barbaren“. „Titus Andronicus“ ist
ein erbarmungslos pessimistisches Stück, Hasstirade und
Schlachtruf gegen Kultur und Natur des Menschen.
Das Projekt der Inszenierung selbst ist aber das Gegenteil
davon. Dresden und Wrocl⁄aw sind sich nahe: zweieinhalb Stunden. Und in der Vorbereitung der Inszenierung fanden sich allerhand Berührungspunkte: dass eine anonyme deutschsprachige Übersetzung des Stücks 1699 in Wrocl⁄aw, damals Breslau,
aufgeführt wurde. Dass Heiner Müllers „Titus Andronicus“-Bearbeitung nicht ins Englische, aber ins Polnische übersetzt
wurde. Mitarbeiter des Staatsschauspiels Dresden, deren Familien aus Polen kommen und die Polnisch sprechen.
Die Ostgoten, die später Rom regierten, markieren historisch das Ende des antiken Roms. Unsere Theaterbegegnung
soll hingegen einen Anfang markieren – den wir mit Shakespeares schwarzem Stück machen.
Titus Andronicus von William Shakespeare
Regie: Jan Klata
Eine Koproduktion mit dem Teatr Polski Wrocl⁄aw. Gefördert
durch die Kulturstiftung des Bundes und die Stiftung für
deutsch-polnische Zusammenarbeit
Premiere in Wrocl⁄aw am Samstag, 15. September 2012
Premiere in Dresden am Freitag, 28. September 2012,
im Kleinen Haus 1
Im Rahmenprogramm wird es vor ausgewählten Vorstellungen wissenschaftliche Vorträge von deutschen und polnischen Referenten geben, die thematisch mit der Inszenierung
verknüpft sind. Die Termine entnehmen Sie bitte dem Monatsleporello. Zudem ist ein deutsch-polnischer Jugendaustausch geplant, der von einem theaterpädagogischen Programm begleitet wird.
Besetzung Mit: Paulina Chapko, Sascha Göpel, Stefko Hanushevsky, Robert Höller, Matthias Luckey, Michal⁄ � Majnic, Wolfgang Michalek, Marcin
Pempuś, Torsten Ranft, Ewa Skibińska, Wojciech Ziemiański p Regie und Musik: Jan Klata p Bühne, Kostüm und Lichtdesign: Justyna ⁄Lagowska-Klata
p Choreografie: Maćko Prusak p Dramaturgie: Ole Georg Graf und Piotr Rudzki
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Theater hier und anderswo p Volker Löschs Inszenierung aus Uruguay zu Gast
Das Ensemble bei der umjubelten
Premiere im Teatro Solís
Warum Montevideo?
Warum Antigone?
Der deutsche Regisseur Volker Lösch hat in Dresden prägende Inszenierungen geschaffen: Mit „Die Orestie“, „Die Weber“ und „Die Wunde Dresden“ erlangte er überregionale Aufmerksamkeit. Die Verwendung chorischer Sprechformen und die Einbindung
von Laiendarstellern machen seinen Regiestil aus und sind mittlerweile sein Marken­
zeichen. In „Antígona Oriental“ arbeitet er mit ehemals aus politischen Gründen inhaftierten Frauen. Mit ihnen hat Lösch das Stück in Montevideo inszeniert und dabei
die dunkle politische Vergangenheit des Landes Uruguay eindrucksvoll aufgegriffen.
Ein Reisebericht von Hartmut Krug
So weit bin ich noch nie gereist für nur eine Inszenierung. Da- Denn sie können endlich das Erlebte öffentlich aussprechen:
bei stand am Anfang eher Skepsis. Weil oft Kulturaustausch „Wir waren Protagonisten eines historischen Moments. Mit 20
genannt wird, was dann doch nur Kulturexport ist und Thea- hatten wir so viel Kraft und Energie und so viele Träume.“
ter zur Handelsware werden lässt. Auch die Wahl des Stoffes
Gleich beim ersten Probenbesuch im Teatro Solís begegüberraschte. Verkommt die „Antigone“ von Sophokles an nete ich Touristengruppen. Das mit über 1000 Plätzen größte
deutschen Stadttheatern doch nicht selten zur Schulstoff-Be- Theater des Landes ist eine der Mailänder Scala nachgebaute
bilderung. Doch Volker Lösch lässt sich bei jeder Inszenie- Sehenswürdigkeit.
rung genau ein auf die Orte, an denen er arbeitet. Mit wem ich
Hinter der Bühne geriet ich zunächst in eine Probenpause,
sprach, ob mit Kritikerkollegen oder Theatermachern, allen die ungewöhnlich entspannt, ja herzlich wirkte. Lösch: „Ich
fiel beim Stichwort Montevideo allenfalls Curt Goetz’ mehr- habe noch nie mit Menschen gearbeitet, die eine so harte Verfach verfilmte Komödie „Das Haus in Montevideo“ ein. Über gangenheit hinter sich haben. Was ich unterschätzt habe, und
Land, Leute, Kultur, Geschichte und die Zeit der Militärdik- das ist etwas Tolles, was ich so gar nicht kenne, ist die Solidatatur (1973 bis 1985) gab es, auch bei mir, kaum Kenntnisse. rität unter ihnen. Sie haben immer wieder gesagt, sie können
Lösch dagegen hat in seiner Jugend sechs Jahre in Montevideo nur als Gruppe, als Kollektiv denken, weil das in der Zeit, als
gelebt, bis seine Familie vor dem Militärputsch ausreiste.
sie sozialistisch oder kommunistisch unterwegs waren,
Und dann sitze ich im herrlichen Teatro Solís in Montevi- selbstverständlich war.“
deo inmitten von Hunderten emotional und politisch berührIn der Aufführung sitzen die Frauen auf leerer Bühne zuter Zuschauer, etliche von ihnen mit Tränen in den Augen, nächst im dunklen Hintergrund. Wenn sie sich und ihre Leund bin gefangen von der poetischen und politischen Kraft ei- ben allmählich ins Licht rücken, kommen sie auf ihren Stühner „Antígona Oriental“, obwohl ich nur wenig Spanisch ver- len schließlich an die Rampe vor.
stehe. República Oriental del Uruguay, also Republik östlich
Die Inszenierung muss ohne Geld für Bühnenbild, Prodes Flusses Uruguay, so heißt das Land. Wenn ich aus meinem duktion und Gagen auskommen (die Darsteller erhalten 400
Hotelfenster auf die kilometerlange Uferpromenade schaue, Dollar – für ein Jahr Arbeit).
bin ich immer wieder fasziniert vom nie abreißenden Strom
Bei der Premiere tobt neben dem ausverkauften Theater
von Joggern, Radfahrern und Spaziergängern. Ich fahre mit auf dem Platz der Unabhängigkeit der Karneval.
Drei Schauspieler sind Kreon und sprechen auch Texte des
dem Taxi zur Probe ins Theater. Die beiden Dolmetscherinnen
von Volker Lösch, der mittlerweile gut ohne sie auskommt, augenblicklichen Präsidenten José Mujica, genannt El Pepe.
helfen mir bei meinen Interviews. Dieser Theaterabend ist ein Der war als Tupamaro, als Mitglied der nationalen Freiheitsuruguayisches Projekt, wenn auch maßgeblich unterstützt bewegung, 13 Jahre eingekerkert. Dennoch hält er am zweimal
vom Goethe-Institut. Marianella Morena, uruguayische Dra- bei Volksabstimmungen mit knappen Mehrheiten bestätigten
matikerin, Regisseurin und Dramaturgin, fasste 2009 den „Hinfälligkeitsgesetz“ fest, nach dem Straftaten aus der Zeit
Plan zu einem Austausch zwischen deutschem und urugu­a­ der Militärdiktatur nicht verfolgt werden. Auch Kreon unteryischem Theater: „Ich arbeite ganz anders als Volker. Er geht sagt, mit Präsident Mujicas Worten, jedes Zurückschauen.
Wir erfahren, wer die Frauen sind. Wie und warum sie vervom Rationalen aus, ich von Herz und Gefühl. Volker verlangte
Argumente von mir, und so haben wir viel diskutiert.“ Wenn haftet, wie sie misshandelt, wie lange sie gefangen gehalten
in „Antígona Oriental“ ein Chor von 20 älteren Frauen das Lei- wurden, wie die Nachwirkungen der Zeit die Kinder ver- und
den unter der Militärdiktatur im Kampf der Antigone spiegelt, ihre Familien zerstört haben. Während Antigone gegen den
dann geht es um individuelle und politische Vergangenheit Befehl Kreons, der ihren verfemten Bruder der Vergessenheit
und Gegenwart. „Wir fühlen uns nicht als Opfer“, rufen sie, anheimgeben soll, aufsteht, meldet sich der Frauenchor mit
obwohl sie eingekerkert, gefoltert oder vergewaltigt wurden, seinen Berichten gegen das Verschweigen der Taten und Täter
man ihnen ihre Kinder nahm und ihre Familien zerstörte. der Militärdiktatur zu Wort. Aus der Chormitte springt eine
42
Hartmut Krug ist Publizist und Theaterkritiker
für diverse Tageszeitungen und Theaterzeitschriften sowie für den
Rundfunk, vor allem für
Deutschlandfunk und
Deutschlandradio Kultur.
junge Frau mit Turnschuhen, knapper kurzer Hose und Jeans- Antígona Oriental wurde im Januar 2012 im Teatro Solís in Monte­
jäckchen: Die 22-jährige Schauspielerin ist als heftig aufbe- video / Uruguay uraufgeführt. Die Inszenierung basiert auf der
gehrende Antigone ein expressiver Kraftquell und begegnet „­ Antigone“ von Sophokles und wird durch Texte ergänzt, die auf
Zeugenaussagen zur uruguayischen Militärdiktatur basieren und
ihrer brav-milden Schwester Ismene mit Härte. Die drei Kre- deren Urheber in diesem Projekt auch mitwirken. Der Sprechchor ­­von
ons sind Machos und gehen Ismene sexistisch an. Wenn sie Frauen, der aus ehemals politisch Gefangenen, deren Töchtern sowie
Haimon von der Richtigkeit des Todesurteils gegen Antigone Exilantinnen der uruguayischen Diktatur besteht, ist darstellerisches
zu überzeugen suchen, fahren sie einen Grill mit viel Fleisch Zentrum dieser Arbeit. Umfangreiche Recherche- und Textarbeiten
und eine künstlerische Neuinterpretation des Antigone-Mythos
auf und versuchen ihn mit Männergetue, Schnaps und Fresse- waren notwendig, um von der Vergangenheit und einem Teil der
rei als Kumpan zu gewinnen. Doch die Bühne gehört vor allem jüngsten Geschichte Uruguays erzählen zu können, einem Land, das
dem Chor der Frauen, dem starken Antigone-Körper. Schließ- von 1973 bis 1985 von einer Militärdiktatur regiert wurde, deren
lich baut sich der Chor an der Rampe mit Papierbahnen auf Verbrechen bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind. Der Regisseur
Volker Lösch, dessen Inszenierungen sich dadurch auszeichnen,
und wickelt diese ab, während die Namen von unbehelligten dass sie professionelle Schauspieler mit Laiendarstellern aus den
Folterern abgelesen werden. Dann fliegen Fotos von Opfern ins verschiedensten sozialen Gruppen zusammenbringen, hat eine
Publikum, und die Darstellerinnen von Ismene und Antigone persönliche Beziehung zu Uruguay: Er verbrachte sechs Jahre seiner
erklären gemeinsam mit einer jungen Frau aus dem Chor, ihre Kindheit in Montevideo, seine Familie verließ Südamerika kurz vor
dem Putsch 1973. Lösch erhielt zunächst eine Schauspielausbildung,
Generation müsse sich vom Desinteresse an der Militärdikta- bevor er 1995 ausschließlich als Regisseur zu arbeiten begann. Seit der
tur verabschieden. Mit einem Spottlied auf die Linken und ihr Spielzeit 2005.2006 ist Lösch Hausregisseur und Mitglied der künstVerhältnis zur Macht endet ein Abend, dem das Publikum ge- lerischen Leitung am Staatstheater Stuttgart. 2009 wurde er mit
bannt folgte und stehend lange und kräftig applaudiert. Die seiner Inszenierung „Marat, was ist aus unserer Revolution geworden“
nach Peter Weiss am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg zum
Aufführung: ein Ereignis für ganz Südamerika und sicher Berliner Theatertreffen eingeladen.
auch für das deutsche Publikum von hohem Interesse.
Tetro Solís Montevideo und
Goethe-Ins­t itut Montevideo / Uruguay
Antígona Oriental nach Sophokles. Unter Mitwirkung und
mit Texten von ehemals politisch inhaftierten Frauen aus
Uruguay. In spanischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Gastpiel im März / April 2013 im Schau­spielhaus
Besetzung Mit: Sofia Espinosa, José Petro Irisity, Sergio Mautone, Victoria Pereira, Bruno Pereyra, Fernando Vannet (Schauspieler) und Anahit Aharonian,
América Garcia, Ana Demarco, Ana Maria Bereau, Cecilia Gil Blanchen, Carmen Maruri, Carmen Vernier, Graziela San Martin, Gloria Telechea, Irma
Leites, Laura Garcia-Arroyo, Lilian Hernández, Ethel Matilde Coirolo, Mirta Rebagliatte, Myriam Deus, Nelly Acosta, Nibia López, Tatiana Taroco, Violeta
Mallet (Chor) p Regie: Volker Lösch p Bühne und Kostüm: Paula Villalba p Dramaturgie: Marianella Morena p Lichtdesign: Martin Blanchet p Musik:
Rafael Antognazza
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Theater hier und anderswo p Ein Theaterexperiment zur europäischen Identität
brechen, unsere vier Städte anhand von Restaurants, Galerien
oder Läden vergleichen zu wollen. Es klingt oberflächlich,
aber Zagreb würde einen solchen Wettbewerb zweifellos gewinnen – die Stadt ist einfach verdammt schön.
Generell kann man sagen, dass das Lokale und Nationale
beharrlich das Europäische verdeckt. Das Schlüsselwort in
Dresden war „Mauerfall“, der Zusammenbruch des KommuSteve Waters (*1965) begann während seines
Englischstudiums an der Universität Oxford mit
dem Schreiben. Seit den 1990er-Jahren lehrt er an
mehreren Instituten, u. a. an der Universität
Cambridge. Waters schrieb Stücke für mehrere britische Theater. Zurzeit leitet er den Studiengang
Szenisches Schreiben an der Universität Birmingham und schreibt eine Kolumne für The Guardian.
Was ist Europa?
Das Birmingham Repertory Theatre, das Teatr Polski Bydgoszcz, das Jugendtheater
­Za-greb und das Staatsschauspiel Dresden haben sich zusammengetan, um ein Theaterexperiment zu wagen: Vier Städte, vier Geschichten.
Inspiriert vom interkulturellen Diskurs um eine mögliche
„europäische Identität“ soll ein neues Theaterstück entstehen,
das ein Kollektiv aus vier Autorinnen und Autoren gemeinsam in vier Sprachen schreibt: Die renommierten Theaterautoren Tena Štivičić aus Kroatien, Steve Waters aus Großbritannien, Mal⁄gorzata Sikorska-Miszczuk aus Polen und Lutz Hübner aus Deutschland werden gemeinsam ein Stück schreiben,
das auf Fragen rund um unser Selbstverständnis als Europäer
basiert. Das fertige Stück wird von den vier Theatern koproduziert, und auch das Regieteam sowie das Schauspielensemble werden sich aus polnischen, kroatischen, britischen und
deutschen Beteiligten zusammensetzen. Nach ersten intensiven Arbeitsbegegnungen haben die Autoren ihre Eindrücke
und Beobachtungen aufgezeichnet.
Ein paar Beobachtungen von Tena Štivičić
Ich habe festgestellt, dass jede Kultur auf irgendeine Weise
„ist“. Es ist etwas in der Körperlichkeit der Menschen, etwas,
das subtil, aber tief in einer Bevölkerung verwurzelt ist. Die
Recherchereisen für unser Projekt waren eine einzigartige Gelegenheit, diese These zu überprüfen, denn wir waren in kürzester Zeit in vier verschiedenen Ländern.
Tena Štivičić (*1977) studierte Dramaturgie und
danach Szenisches Schreiben am Goldsmiths
College in London. Sie lebt in London und schreibt
auf Englisch und Kroatisch. Štivičićs Stücke wurden
in mehrere Sprachen übersetzt und mit internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Innovationspreis und dem Europäischen Theaterpreis des
Heidelberger Stückemarkts 2008.
An meinem ersten Tag in Zagreb fuhr ich mit der Straßenbahn. Ich lebe in London, und der letzte Besuch in meiner Heimat lag schon fünf Monate zurück. Ich beobachtete „meine
Leute“. Und zweifelsohne: Sie „sind“ auf eine besondere Weise.
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Die Art, wie sie in der Bahn sitzen, in ihre Handys sprechen,
wie laut sie sind, die Lautmalereien, die mal „Ja“, mal „Vielleicht“, „Ach weißt du“ oder „Hm, na gut“ bedeuten können.
Genauso wie Briten „Mmmmh“ sagen und langsam nicken,
was alles bedeuten kann: von „Ja, stimmt“ über „Nein, total
falsch“ bis hin zu „Keine Ahnung“.
Komischerweise hatte ich nie viele Kontakte in die ehemalige ddr. Heute verbindet mich eine sehr gute Arbeitsbeziehung mit einigen deutschen Theatern, Verlagen und Festivals.
Mit den Jahren habe ich ein Gefühl gegenüber Deutschen entwickelt. Dieses Gefühl ist schwer zu beschreiben, es ist eine
Fremdheit der Mentalität. Zu meiner großen Überraschung
war das Gefühl in Dresden ein anderes: Die Dresdner hatten
eine andere Körperlichkeit als jene, die ich als „deutsch“ wahrzunehmen gelernt hatte. Ihre Stimmen, ihr Sinn für Humor
und ihre Ansichten waren mir nah. Normalerweise reagiere
ich allergisch auf das Etikett „Osteuropa“, das mir beleidigend
und verkürzend erscheint. Dennoch ist da diese Kombination
aus slawischen Wurzeln und sozialistischer Vergangenheit,
die eine Verbindung zwischen ansonsten total verschiedenen
Menschen herstellt. Das war ein erhellendes Erlebnis.
In Polen trafen wir eine Dame namens Mackowska. Sie
kommt mir immer wieder in den Sinn, und ich glaube, wenn
nicht in diesem Stück, so werde ich sie irgendwann später als
Theaterfigur auftauchen lassen.
Zagreb in den Augen meiner Autorenkollegen – ein merkwürdiger Anflug von Stolz überkommt mich. Gut gemacht,
Zagreb, in den zwei Tagen …
Nachdenken über Europa von Steve Waters
Vier Autoren sind sich nun vier Mal in verschiedenen europäischen Städten begegnet. Jetzt wird es interessant, denn es
heißt nun tief durchatmen und Bilanz ziehen: Was bedeuten
unsere Treffen, und was bleibt von ihnen übrig? Für mich war
es gar nicht leicht, aus jener touristischen Denkweise auszu-
nismus als europäischer Hoffnungsfunke. In Polen war das
einzig Klare die Bedeutung des „Polnischseins“ in Bezug auf
Glaube, Währung und eine tief vergrabene nationale Geschichte. Der Beitrittskandidat Kroatien leidet noch immer
unter dem traumatischen Zerfall Jugoslawiens, sieht Europa
entgegen, aber begegnet der dafür zwingend notwendigen eu
mit Misstrauen. Und in Birmingham scheint Europa noch ein
entfernter Ort mit seltsamen Gesetzen und eine Quelle beunruhigender Einwanderung zu sein.
Das alles ist schon zu viel gesagt. Für mich bedeuteten die
letzten drei Monate vor allem, meine Autorenkollegen kennenzulernen und mich in Höchstgeschwindigkeit mit Fremden in unbekannten Städten vertraut zu machen. Wie europäisch fühle ich mich? Ich war überrascht, über wie viele Dinge
wir gemeinsam lachen konnten, schuldbewusst über meine
Muttersprache als ewige Lingua franca und dennoch entzückt
über unser Zusammenfinden. Vermutlich fühle ich mich vor
allem als ein Angehöriger des Theaters an sich – das ist es, was
uns eint, neben all dem anderen, das wir miteinander teilen
mögen. Neben der Architektur, den kulinarischen Spezialitäten, der Politik und den Sprachen: Was wir schreiben und auf
die Bühne bringen, das wird Europa von nun an bestimmen.
Zagreb wird die letzte Stadt auf unserer Reise sein. Ich
habe so viele Eindrücke im Kopf, dass ich eine mentale Liposuktion machen lassen sollte. Es regnet. Ich warte auf das
Taxi. Ich greife in die Schublade nach dem Pass. Ist nicht da,
nirgendwo zu finden. Ich, die immer 24 Stunden vor der Abreise alles packt und auf Bahnhöfen und Flughäfen viele
Stunden vor der eigentlichen Abreise erscheint, ich, die eine
To-do-Liste macht und der Reihe nach alles abhakt, zapple
jetzt in der Wohnung herum. Das Taxi fährt weg, es regnet
weiter, ich finde mich damit ab, dass ich nicht fahren werde.
Plötzlich eine Erleuchtung. Nach Kroatien kann man mit
dem Personalausweis fliegen. Noch ist Kroatien nicht Teil
von Europa, und doch gehört es bereits dazu. Vielleicht
schon immer?
Was ist Europa? von Lutz Hübner
eins Workshop zum Thema Europa in einem polnischen Altersheim in Bydgosczcz. Man bereitet uns einen feierlichen
Empfang, Gastgeschenke werden überreicht und eine Tanzgruppe tritt auf. Im anschließenden Gespräch mit den Senioren wird deutlich, dass man uns für offizielle Vertreter der eu
Lutz Hübner (*1964) ist einer der meistgespielten
deutschen Gegenwartsdramatiker. Bevor er 1994 zu
schreiben begann, arbeitete er als Schauspieler.
Inzwischen sind über 30 Dramen von ihm erschienen
und auf zahlreichen Bühnen im In- und Ausland zur
Aufführung gekommen. Hübner wurde für seine
Stücke vielfach ausgezeichnet, in Dresden stehen
derzeit fünf davon regelmäßig auf dem Spielplan.
hält. Wir beeilen uns zu versichern, dass wir Autoren sind, die
im Auftrag von vier europäischen Theatern ein Stück schreiben. Beim anschließenden Mittagessen berichtet man uns von
einer Seniorenparade, die kürzlich veranstaltet wurde, um
auf die Situation der Alten aufmerksam zu machen. Ich höre
der Übersetzerin zu, bemerke, dass man mich erwartungsvoll
ansieht, dann wird mir klar, dass die Frage im Raum steht, ob
ich so etwas nicht auch in Deutschland organisieren könnte.
Ich versuche den Gastgebern klarzumachen, dass ich als Thea­
Notizen von Mal⁄gorzata Sikorska-Miszczuk
terautor leider keine Seniorendemonstration organisieren
Obsessiv fische ich aus der Presse Infos heraus, die mit Europa kann. Die Enttäuschung ist spürbar. Wer auf dem eu-Ticket
zusammenhängen. Ich lese mich in die Pressemeldungen reist, steht für die eu. Für die eu zu schreiben bedeutet, Reüber Krise, Banken, Ratings ein. Besonders reizen mich Ra- präsentant zu sein.
tings. AAA zu BBB. A zu a. Und minus mit Prognose. BBB+. Es
zwei Gespräche mit jungen Berufstätigen in einem Pub,
ist wie ein Gedicht oder der Enigma-Code.
sie versuchen zu beschreiben, was Europa ihnen bedeutet. EuIn der Zeitung lese ich von jungen Polen heute. Welche ropa ist „drüben“, the continent, es geht um Urlaub, um die
Sprache haben sie für ihre Abiturprüfung gewählt? 340.000 Politik der eu, aber das Gefühl, ein Europäer zu sein, ist
Personen haben ein Examen in Englisch gemacht, 60.000 in schwer zu greifen.
drei Workshop in Dresden, ich arbeite mit Teilnehmern
der
Bürgerbühne. Es ist der erste von vier Workshops, ich
⁄
Ma lgorzata Sikorska-Miszczuk (*1964) zählt zu
den meistgespielten polnischen Theater- und Film- habe den Ehrgeiz, es gut zu machen, hoffe auf rege Mitarbeit,
autoren. Sikorska-Miszczuks Stücke wurden in vielen
und es funktioniert, die Gruppe ist großartig, ich bin stolz
polnischen und internationalen Theatern zur Auf-­ auf die Dresdner.
führung gebracht. Ihr Stück „Lockere Schrauben“
vier Bilder aus den Improvisationen und Erzählungen des
wurde auf mehreren internationalen Festivals ausge­
zeichnet, „Der Bürgermeister“ wurde beim Stücke­ Dresdner Workshops: Europa, das ist ein hell erleuchteter Platz
markt des Berliner Theatertreffens 2011 vorgestellt.
mit Lichterketten, Stimmengewirr in vielen Sprachen. Ein Fest
mit Musik an einem Platz am Meer, und alle sind zusammen.
Deutsch, 9.000 in Russisch, 1.400 in Französisch und 71 in Italienisch. Noch vor Kurzem hätte ich gedacht, dass es wunderbar ist, dass weitere 340.000 Polen Englisch sprechen. Heute
habe ich eine andere Vision: In der Hölle tauschen sie die Inschrift über dem Tor aus. Statt „Lasciate ogni speranza, voi
ch’entrate“ wird „Abandon all hope, ye who enter here“
angezeigt.
In Zagreb sagt ein Mädchen: „Ich freue mich, dass Kroa- Vier Städte, vier Geschichten
tien der Union beitritt, denn die Kroaten sind faul und primi- von Lutz Hübner, Mal⁄gorzata Sikorska-Miszczuk,
tiv, der eu-Beitritt wird sie in ihren Träumen und Bestrebun- Tena Štivičić und Steve Waters
gen anspornen.“ Gemessen an welchen Kriterien sind denn die Regie: Janusz Kica
Premiere in Dresden im Mai 2013 im Kleinen Haus
Kroaten faul, frage ich mich im Stillen.
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Theater hier und anderswo p Landschaftstheater in der Sächsischen Schweiz
Wer hier unter den Masken steckt?
Aliens natürlich!
Mit Außerirdischen über
die Wiese tanzen
Ein Theaterspektakel der besonderen Art bringt das Schauspielhaus
in die Sächsische Schweiz
Die Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna, das Theaterkollektiv an mich herangetreten sind, habe ich zu meiner Frau gesagt:
Theater Aspik und die Bürgerbühne des Staatsschauspiels „Das muss doch zu schaffen sein, dass wir die Theaterleute
Dresden starten in der 100. Spielzeit ein Großprojekt: 80 Be- überzeugen, sich für unser Dorf zu entscheiden!“
wohner des sächsischen Dorfes werden als Darsteller gemeinsam mit Theaterprofis ein Landschaftstheater inszenieren Theater Aspik war jetzt drei Tage in Reinhardtsdorfund das Publikum einladen, ein spektakuläres Stationen- Schöna zu Gast, was haben Sie vorgefunden? Ist schon eine
drama zu erleben. Das Genre ist komische Science-Fiction, erste Idee entstanden, wie das Stück aussehen könnte?
welche die lieb gewonnenen Naturpanoramen lustvoll aus ei- Uli Jäckle: Man sucht erst mal das Besondere eines Ortes.
nem schrägen neuen Blickwinkel betrachtet. Olaf Ehrlich, Welches Landschaftsbild ist so speziell, dass es uns bei der
der Bürgermeister von Reinhardtsdorf-Schöna; der Regisseur Entwicklung einer möglichen theatralen Handlung inspiUli Jäckle und der Schauspieler Michael Wenzlaff (Theater riert? Das Grundgerüst des Stücks basiert auf der LandAspik) sowie der Schauspieler Philipp Lux, der Dramaturg schaft, die wir vorfinden. Als wir hier den Zirkelstein geseOle Georg Graf sowie die Regisseurin und Leiterin der Bür- hen haben, war klar, dass das Stück an diesem Ort spielen
gerbühne Miriam Tscholl vom Staatsschauspiel Dresden ha- muss, denn der Fels sieht aus, als sei er vom Himmel gefalben sich vor Ort getroffen, um sich zu Beginn der Zusammen- len! Das hat unsere Fantasie beflügelt: Vielleicht sind Außerarbeit über das Projekt auszutauschen.
irdische hier gestrandet, und der Zirkelstein ist ihr Planet,
der heruntergefallen ist? Die Geschichte entsteht, indem wir
Miriam Tscholl: Herr Ehrlich, wie kam es dazu, dass bei Ideen zusammentragen, während wir uns vor Ort umsehen.
Ihnen im Dorf ein großes Landschaftstheaterprojekt Uns sind hier beispielsweise sehr viele Menschen begegnet,
die mit Skistöcken wandern gehen. Die werden dann in der
stattfindet?
Olaf Ehrlich: Wir sind ein kleines Dorf am Rande Deutsch- Fantasie zu den Aliens, die Stöcke benutzen, um nicht auflands. Aus Versehen kommt hier niemand her. Hier ist erst zufallen. Außerdem liegt der Ort an der Elbe, da muss natürmal Ende-Gelände, direkt hinter dem Dorf liegt Tschechien. lich eine Bootsfahrt eingeplant werden. Eine andere Idee ist,
Wenn man durch unsere Straßen geht, sieht man wenige dass die Außerirdischen landwirtschaftliche Geräte in BeLeute, hier ist nicht viel. Zudem werden die Leute immer älter. sitz nehmen, es gibt viele alte Maschinen aus der ddr-Zeit,
Als Sie mit der Frage nach einer möglichen Zusammenarbeit die sehen aus wie Monster.
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Soll das Projekt also den Darstellern und Zuschauern in
erster Linie Spaß machen?
Uli Jäckle: Ja. Wenn man hört, was so ein Ort für Probleme hat,
von Überalterung, Arbeitslosigkeit bis hin zu rechtsextremen
Tendenzen, ist es wichtig, dass im Dorf ein neues Selbstgefühl
entsteht. Ich wohne selbst in einem Dorf. Man kann sich einigeln oder fliehen, aber es gibt auch etwas Drittes: sich mit offenen Augen vor Ort bewegen und selbst etwas schaffen. Die
Theatererfahrungen sind bei vielen Leuten aus dem Dorf wahrscheinlich relativ gering, aber die mediale Erfahrung ist groß,
und deshalb spielen wir mit dem Genre Science-Fiction. Und
nebenbei erfüllen wir uns unsere Kleine-Jungs-Träume von der
Begegnung mit extraterrestrischen Lebensformen! (lacht)
Und wer wird bei dem Stück in Reinhardtsdorf-Schöna
mitspielen?
Michael Wenzlaff: Das können alle Leute sein, Mitglieder
des Feuerwehrvereins, des Sportvereins, der Reiterhof und
der Kindergarten sind erst mal wichtige Ansprechpartner.
Natürlich auch Privatpersonen, jeder soll mitspielen. Es gibt
ein allgemein menschliches Bedürfnis, sich in irgendeiner
Form auszudrücken. Ich glaube, das will jeder, manche haben
das nur noch nicht in sich entdeckt. Wenn die Leute erst mal
in ein Projekt involviert sind, sind sie oft bereit, die verrücktesten Sachen zu machen. Beispielsweise fuhren die Zuschauer beim Landschaftstheaterprojekt im niedersächsischen Heersum in einer Autokolonne. Zuvor hatten wir den
Anwohnern einen Brief geschrieben mit der Bitte, jedes Mal
mit dem Staubsauger vor das Haus zu gehen, wenn die Fahrzeugkolonne in Sicht kommt. Und dann standen tatsächlich
am Sonntagmorgen zahlreiche Anwohner im Bademantel auf
der Straße und haben fröhlich ihren Rinnstein gesaugt.
Philipp Lux, Sie werden als Schauspieler bei dem Projekt
in Reinhardtsdorf-Schöna mitwirken. Was erwarten Sie
sich davon?
Philipp Lux: Ich finde es toll, unser Elbflorenz einmal zu verlassen und da zu arbeiten, wo ich sonst nur als Tourist wandern gehe. Ich bin ganz angetan von der ersten Begegnung
heute und freue mich darauf, einmal nicht wie sonst auf einer
Probebühne zu stehen!
Was sollte das Stück idealerweise transportieren, wenn
es fertig ist?
Uli Jäckle: Es muss den Leuten ein Stück Restanarchie zurückgeben. Jeder hat die Sehnsucht nach einem Regelbruch. Dieses
Gefühl, das in unserem Alltag eliminiert wird, bei den Zuschauern hervorzurufen, das ist es, was die Leute zu uns bringt.
Haben Sie sich in Ihrer Arbeitsweise etwas von dieser
Restanarchie bewahrt?
Michael Wetzlaff: Die Erfahrung lehrt, dass es sich lohnt
auszuhalten, dass es keine Klarheit auf der Strecke gibt, dass
die Proben nicht auf Anhieb perfekte Ergebnisse erzielen.
Wir glauben daran, dass am Ende etwas Gutes dabei
herauskommt.
Philipp, was werden Sie mit den Laiendarstellern machen?
Philipp Lux: Ich werde gerne mit ihnen über die Wiesen tanzen. (lacht)
Uli Jäckle: Wir konzipieren tagsüber, was wir abends mit den
Darstellern proben. Man kann den Leuten aus dem Dorf nicht
sagen: „Improvisiert mal!“, sondern sie müssen sehr konkret
wissen, was die Idee der jeweiligen Szene ist. Wenn sie wissen,
was sie tun, bekommen die Darsteller wieder eine neue Art
von Freiheit und können diese selbst füllen.
Theater Aspik erarbeitet seit vielen Jahren im niedersächsischen Heersum Landschaftstheaterprojekte. Was ha- Was bedeutet dieses Projekt für das Staatsschauspiel
ben Sie dort schon alles gemacht?
Dresden?
Michael Wenzlaff: In Heersum ist unsere Arbeit über zwei Ole Georg Graf: Wir sind als Staatstheater keine Institution
Jahrzehnte gewachsen, wir mobilisieren dort unglaublich der Stadt Dresden, sondern eine des Freistaates Sachsen. Und
viele Leute, was uns sehr freut. Mittlerweile agieren dort jedes Sachsen besteht zu einem großen Teil aus Orten wie Reinhardts­
Jahr mehrere Hundert Menschen. Es geht darum, die Kunst- dorf-Schöna, also aus Grenzregionen und Gegenden, in denen
form des scheinbar Dilettantischen aufzuwerten. Die Wir- es eine Landflucht gibt. Die Idee der Bürgerbühne basiert auf
kung, die wir erzielen, erzielen wir auch, weil wir handwerk- der Öffnung des Theaters. Dazu zählt auch, die Dresdner vor
liche Regeln des Theaters bewusst brechen. Das ist unser äs- die Tore ihrer Stadt zu locken oder die Bewohner des Umlandes
thetisches Markenzeichen. Wir mischen dabei professionelle für das Theater zu begeistern. Die Zusammenarbeit mit TheaSchauspieler und Laiendarsteller, und die inspirieren sich ge- ter Aspik ist für die Bürgerbühne so etwas wie der nächste logenseitig. Die Profis lernen, wieder ein bisschen unschuldiger gische Schritt. Es geht immer um die Frage, wie sich die kultuzu sein, und die sogenannten Laien lernen etwas über rellen Leuchttürme über die Zentren hinaus rechtfertigen.
Bühnenwirksamkeit.
Wenn man es mit Fußball vergleicht: Ohne den Fußballverein
in Schöna oder Bad Schandau kein Dynamo Dresden. Die ProWas kommt auf die Leute in Reinhardtsdorf-Schöna zu? fivereine sind immer auf diese Basisarbeit angewiesen!
Müssen sie Rollen spielen und Text lernen?
Michael Wenzlaff: Ja klar, jeder Dorfbewohner, der Lust hat, Herr Ehrlich, werden Sie mitspielen? Was würden Sie am
wird eine Rolle spielen. Mit Text und allem, was dazugehört. liebsten darstellen?
Nur stehen wir nicht auf einer Bühne, sondern die Landschaft Olaf Ehrlich: Oha, ja, mal sehen. Gibt es auf anderen Planeten
wird zur Bühne. Und das Publikum geht von Station zu Station, eigentlich auch Bürgermeister?
von Szene zu Szene und hat am Ende eine kleine Wanderung
hinter sich: über Wasser, Wald, Wiesen, Dorfplätze usw. Das
wird alles in den Proben vor Ort entwickelt.
Der Fall aus dem All Ein intergalaktisches Theaterspektakel
Verändert sich ein Dorf, wenn dort Landschaftstheater in der Sächsischen Schweiz
Uraufführung im Mai 2013 in Reinhardtsdorf-Schöna
ensteht?
Uli Jäckle: Es ist nicht so, dass sich die Mentalität der Leute Eine Kooperation der Bürgerbühne
grundsätzlich verändert hätte, da muss man die Kirche im Dorf mit Theater Aspik
lassen. Aber ich denke schon, dass die Bewohner eine größere Gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des BunToleranz gegenüber andersdenkenden Leuten entwickeln.
des sowie durch die Landeshauptstadt Dresden
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Service und Impressum
Unsere Kulturförderung:
Gut für die Sinne.
Gut für die Region.
Anrechtsbüro und Besucherservice
Das Anrechtsbüro im Schauspielhaus ist montags bis freitags von 10 bis 18:30 Uhr und samstags von 10
bis 14 Uhr geöffnet. p Während der Theaterferien hat das Anrechtsbüro in der Zeit von 9. bis 27. Juli 2012
montags bis freitags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Von 28. Juli bis 12. August 2012 ist das Anrechtsbüro geschlossen. Ab dem 13. August 2012 gelten die regulären Öffnungszeiten. p Grundsätzlich können Sie im
Anrechtsbüro immer – also auch während der Öffnungszeiten in den Theaterferien – Karten für das Staatsschauspiel kaufen. p Telefon: 0351.49 13 – 567, Fax: 0351.49 13 – 967
Vorverkaufskassen p Die Vorverkaufskasse im Schauspielhaus ist montags bis freitags von 10 bis
18:30 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. p Die Vorverkaufskasse im Kleinen Haus ist montags
bis freitags von 14 bis 18:30 Uhr geöffnet. p Auch hier können Karten für alle Veranstaltungen des Staatsschauspiels gekauft werden. p In den Theaterferien läuft der Kartenvorverkauf für die neue Saison zu den
angegebenen Öffnungszeiten im Anrechtsbüro. p Zusätzlich sind an vielen Dresdner Vorverkaufskassen Eintrittskarten für Repertoirevorstellungen des Staatsschauspiels erhältlich. p Die Abendkassen
öffnen eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir ab diesem Zeitpunkt
den Vorverkauf nur eingeschränkt leisten können und die Abendkasse Vorrang hat.
Kartenkauf und Kartenreservierungen
Gebührenfreier Kartenservice Telefon: 0800.49 13 – 500 (Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr) Telefonischer
Kartenverkauf Telefon: 0351.49 13 – 555 Gruppenreservierungen Telefon: 0351.49 13 – 567 Schriftliche
Reservierungen per Post: Staatsschauspiel Dresden, Besucherservice, Theaterstraße 2, 01067 Dresden p
per E-Mail: [email protected] p per Fax: 0351.49 13 – 967 Kartenkauf im Internet www.
staatsschauspiel-dresden.de p Unser Service: Die Vorverkaufsgebühr entfällt. Sie zahlen den gleichen
Preis wie an unseren Kassen, die Karten liegen an der Abendkasse für Sie bereit. Es fällt lediglich eine Versandgebühr an, falls Sie sich die Karten zuschicken lassen wollen.
Spielplanauskunft Telefon: 0351.49 13 – 570 Weitere Informationen Wenn Sie kontinuierlich an unserem
Spielplan interessiert sind, schicken wir Ihnen auch gerne den Monatsleporello per Post oder den digitalen
Newsletter zu, für den Sie sich unter www.staatsschauspiel-dresden.de anmelden können.
Gastspielanrecht
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Kalender passt!
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5. oder 6. 1. 2013
16. oder 17. 2. 2013
16. oder 17. 3. 2013
25. oder 26. 5. 2013
8. oder 9. 6. 2013
100 Jahre Staatsschauspiel Dresden – das sind 100 Jahre vielfältigster Theatergeschichte und
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ein, in die faszinierende Welt des Theaters einzutauchen – hier am Staatsschauspiel Dresden.
Kinder der Sonne
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Krieg und Frieden
Faust I + II
Der Menschenfeind
Schauspielhaus
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Preise
Preisgruppe 1: 126,00 €
Preisgruppe 2: 111,00 €
Preisgruppe 3: 93,00 €
Adressen p Schauspielhaus Theaterstraße 2, 01067 Dresden (Zuschauereingang Ostra-Allee) p Kleines Haus Glacisstraße 28, 01099 Dresden p Telefon
Zentrale: 0351.49 13 – 50 p Intendanz: 0351.49 13 – 912 p Kaufmännische Geschäftsführung: 0351.49 13 – 927 p Dramaturgie: 0351.49 13 – 963 p Künstlerisches Betriebsbüro: 0351.49 13 – 922 p Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: 0351.49 13 – 755 p Theaterpädagogik: 0351.49 13 – 742 / – 740 p Die Bürgerbühne:
0351.49 13 – 849 p ig Schauspiel: 0351.85 80 447 p Förderverein: 0351.49 13 – 755 p E-Mail Kartenreservierung: [email protected]
p Anrechtsservice: [email protected] p Allgemein: [email protected] p Intendanz: [email protected] p Kaufmännische Geschaftsführung: [email protected] p Dramaturgie: [email protected] p Künstlerisches Betriebsbüro: [email protected] p Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: [email protected] p Theaterpädagogik:
[email protected] p Die Bürgerbühne: [email protected] p ig Schauspiel Dresden:
[email protected] p Förderverein: [email protected] Internet www.staatsschauspiel-dresden.de
Impressum p Herausgeber: Staatsschauspiel Dresden, Intendant: Wilfried Schulz, Kaufmännischer Geschäftsführer: Christian Krentel-Seremet,
Redaktion: Dramaturgie / Öffentlichkeitsarbeit p Redaktionsschluss: 14. Juni 2012 p Gestaltung: BureauErlerSkibbe p Fotos: Matthias Horn (S. 2, 13,
25, 35, 49), Georg Soulek (S. 14 / 15, 21), Arno Declair (S. 17; S. 29, U. Matthes), Birgit Hupfeld (S. 19), Krafft Angerer (S. 23), Daniel Koch (S. 26 / 27, 33), Jim
Rakete / photoselection (S. 29, H. Hoger), Hans Scherhaufer (S. 29, M. Krug), Janine Guldener (S. 29, D. Manzel), Mathias Bothor/ photoselection (S. 29,
K. Thalbach), Oliver Wia (S. 29, A. Thalbach), Heiko Schäfer (S. 32), Leonidas Dimakopoulos (S. 34), Marco Borggreve (S. 36), Gustavo Castagnello (S. 38 / 39,
43), Jacek Poremba (S. 41), David Baltzer (S. 46) Illustrationen: Patrick Klose p Druck: Druckhaus Dresden GmbH
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Happy Birthday Schauspielhaus! Aus dem Fotoessay von Matthias
Horn, zu sehen im Jubiläumsbuch „100 Jahre Staatsschauspiel Dresden“
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