Liebe - Partnerschaft

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Islamischer Baustein für einen interreligiösen Religionsunterricht
Liebe,
Partnerschaft,
Sexualität
Geeignet für Sek. I und II
Zusammengefasst und erarbeitet von Waltraud Wahida Azhari
Hamburg 2004
MuslimInnen im GIR (Gesprächskreis Interreligiöser
Religionsunterricht)
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Die folgenden Ausführungen reflektieren die Ergebnisse der Diskussion
innerhalb eines Seminars „Islamisches Recht“ zum Thema „Liebe,
Partnerschaft und Sexualität“ unter der Leitung von Imam Mehdi Razvi,
Theologe am Islamischen Zentrum Hamburg, im Sommer 2004
Liebe - Partnerschaft – Sexualität
Grundlegende Überlegungen aus islamischer Sicht zur „Leitkultur“
dieser Gesellschaft vorweg:
Die Leitkultur dieser Gesellschaft ist vorhanden, sie sollte akzeptiert, aber
kritisch reflektiert werden: die Fragestellung ist, in wie weit die in dieser
Leitkultur sich prägenden Leitbilder für das persönlicher Leben junger
Muslime hilfreiche Lösungen anbieten können und was junge Muslime von
ihr respektieren und übernehmen können. Lösungen sollten dabei auf der
Grundlage der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung basieren und auf
der Grundlage des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches.
Die Mehrheit der Muslime in Hamburg sollte die hier aufgezeigten
Positionen akzeptieren können.
Die Problemlösung in Bezug auf Liebe, Partnerschaft und Sexualität
sollte aus islamischer Sicht in folgenden Schritten geschehen:
1. Die Fragen Partnerschaft – Liebe – Sexualität betreffend mit Hilfe der
Vernunft (aql) lösen. Vernunft im islamischen Verständnis ist kein kaltes
Kalkül der Ratio, sondern durch das Herz geleitet.
2. Konsens: einen Konsens in dieser Frage herzustellen, ist aktueller
Auftrag der in Hamburg lebenden Muslime. Konsens im islamischen
Sinne ist heterogen, meint nicht einen einzigen einheitlichen Standpunkt,
sondern die Wahrnehmung und das friedliche Einvernehmen der Vielfalt
aller vorhandenen Standpunkte. Ein Konsens im islamischen Sinne
schließt sogar das mögliche Vorhandensein und die Akzeptanz eines
konträren Standpunktes mit ein.
3. Den bisherigen historischen Stand zu diesem Thema berücksichtigen
und sich bewußt sein, das dieser relativ und nicht absolut ist (ansonsten
vertritt man die Ansicht des mythischen Denkens eines Islamisten, der
Positionen beansprucht, die es im Islam historisch nie gegeben hat).
4. Es gilt zu überprüfen, ob die vertretene Position der Sunna des
Propheten entspricht.
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5. Entspricht die Position der Offenbarung im Koran? Die Lösung zu
diesem Thema soll kein wirklichkeitsfremdes Ideal voraussetzen, kein
wirklichkeitsfremdes Ideal islamischer Eiferer.
Um wen geht es?
Es geht um muslimische Schülerinnen und Schüler. aus ca. 50
verschiedenen islamischen Kulturen, Traditionen und unterschiedlichen
sozialen Schichten und aus Elternhäusern mit dementsprechend
unterschiedlichen und vielfältigen Islamverständnissen. Die auf Grundlage
dieser Hintergründe basierenden Haltungen der Jugendlichen sollten von
den Lehrern ernst genommen und respektiert werden, die Jugendlichen
sollten in ihren Haltungen gestärkt und unterstützt und nicht geschwächt
werden.
Der Hintergrund muslimischer Mädchen aus der Türkei bzw. anderen
islamischen Ländern ist anders als der deutscher Jugendlicher: sie sind in
einem anderen gesellschaftlichen Rahmen eingebettet. Es sollte verhindert
werden, daß Mädchen zu den eigenen Problemen auch noch die Probleme,
die in dieser Gesellschaft entstehen können, hinzu bekommen.
Jugendliche und auch schon Kinder sind in dieser Gesellschaft einem
enormen Druck ausgesetzt, der durch die Massenmedien wie z.B. durch
das Fernsehen rund um die Uhr in Filmen, in der Werbung, durch fast
gleichgeschaltete sexistische Video-Clips der Pop-Musik-Industrie und
Zeitschriften, die sich zielgerichtet mit dem Thema Sex an die Jugendlichen
richten, entsteht. Der Leitgedanke der sexuellen Freizügigkeit mit allen
Konsequenzen macht sich unter den Jugendlichen breit in Form eines
enormen Leistungsdrucks: „das erste Mal Sex haben“ gilt als die Initiation,
„Mann“ oder „Frau“ zu werden, „dazu“ zu gehören und als Beweis, attraktiv
zu sein.
Die Hauptsorge der Eltern kann in der Frage zusammengefasst werden:
"Wie erziehe ich mein Kind zur Selbstbeherrschung und zu einem
Selbstbewusstsein, so dass es nicht verführbar ist?" Die Jugendlichen
sind Teil einer Klassengemeinschaft, eines Freundeskreises, einer Clique,
zu der sie einerseits dazugehören wollen, andererseits sind sie aufgrund
ihrer religiösen (Selbst)Erziehung mit Tabus konfrontiert, die von den
Freunden/Mitschülern nicht verstanden oder als Unfreiheit verstanden
werden.
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Für Jugendliche (und auch für Erwachsene), ist es sehr wichtig, ihr Leben
vernünftig zu gestalten. Sexualität ist ein Teil der Lebensgestaltung, sie
steht nicht für sich allein. Das Leben sollte nicht entgleisen und auch nicht
die Sexualität: sie ist Teil der Möglichkeiten, die Gott gegeben hat.
Sexualität gehört zur Erfüllung des Lebens, ist wichtig für den Menschen.
Ein sexuell unerfülltes Leben ist anstrengend und unerquicklich.
Lebenslange Keuschheit, wie sie von Männern und Frauen in christlichen
oder buddhistischen Orden praktiziert wird, ist nicht erstrebenswert im
Islam: erstrebenswert ist vielmehr ein verantwortlicher und bewußter
Umgang mit diesem Phänomen, das Gott zur freien Verantwortung in die
Hände von Menschen gelegt hat.
Die Frage der Partnerschaft stand früher und auch heute unter folgendem
Problembewusstsein: die Verantwortung für Sexualität zu übernehmen und
verhindern dass
• eine unerwünschte Beziehung
• eine ungewollte Schwangerschaft
• eine Krankheit
die Folge sein könnte.
Sexualität im Islam
Sexualität wird im Islam grundsätzlich positiv bewertet und ist ein wertvolles
Geschenk Gottes. Der Körper ist ein Geschenk Gottes, alle Funktionen des
Körpers sind Geschenke und wir brauchen uns für nichts diesbezüglich zu
schämen, alle Glieder haben rationale Gründe. Männer und Frauen haben
rein biologisch unterschiedliche Körper, haben gleiche ethische Werte und
tragen beide Verantwortung.
Sexualität steht nicht für sich allein, sondern innerhalb eines Kontextes von
Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen, Abhängigkeiten, Verletzbarkeit, dem
Wunsch nach Sicherheit, Geborgenheit. Im Arabischen wird „Sexualität“
durch den Begriff al hayat ul ginsia umschrieben, das soviel heißt wie
„das eigentliche Leben zwischen den Geschlechtern“ und meint damit mehr
als das Körperliche allein (der erotische Sex heißt arabisch: ba`).
Sex ist kein isolierter, mechanischer Akt, sondern eingebettet in einen
komplizierten, psychoemotionalen Zusammenhang. Sexualität ist
ganzheitlich, nicht mechanisch und auf die betreffenden Organe
beschränkt. Das bedeutet, ein sexueller Akt ist nicht nur auf den
organischen Vollzug beschränkt, sondern hat Auswirkungen auf die
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Psyche. Die Berücksichtigung der Psyche ist überaus wichtig und sollte im
Vordergrund stehen.
Wenn ein Mensch mit seiner Sexualität nicht verantwortungsbewusst
umgeht, entstehen Nebenwirkungen. Wenn das Vertrauen zu oft gebrochen
wird, kann man aufgrund der Vorausängste keine feste Beziehung mehr
eingehen, bzw. wird eine tiefe Beziehung aufgrund des mangelnden
Vertrauens erschwert. Enttäuschung und Misstrauen sind die Folge, eine
innere Zerrissenheit entsteht. Sexualität sollte erst dann praktiziert werden,
wenn die Beziehung von beiden Seiten verantwortet ist. Ein ständiges
Vertiefen der Beziehung führt zum Erfolg und zur Harmonie. Harmonie ist
nicht der Anfang, sondern die Folge eines Bemühens.
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“
Eine Bindungsentscheidung hat im Leben eines Menschen eine große
Bedeutung, denn Trennungen sind erfahrungsgemäß sehr schmerzhaft. Bei
einer Bindungsentscheidung sollte berücksichtigt werden, dass das Leben
nicht auf 13-25 Jahre beschränkt ist, und junge Muslime, die eine
Verbindung eingehen möchten, sollten sich die Frage stellen: „Ist das der
Mensch, mit dem ich mein Leben teilen möchte?“ Eine Partnerschaft ist
das Ziel, mit gleichen Rechten, Pflichten und Verantwortung. Jungen und
Mädchen müssen die psychischen, physischen, emotionalen, biologischen
und gesellschaftlichen Belastungen, die in einer Beziehung auftreten,
tragen können.
Die Frage, die der Jugendliche sich stellen sollte, ist:“ Kann ich mit
diesem Partner mein Leben teilen?“ Dabei ist wichtig, sich der
Unvollkommenheit des Partners bewusst zu sein und sich nicht blindlings in
eine Verbindung mit einem vermeintlichen Ideal zu stürzen. Wichtig ist, sich
genügend Zeit zum Kennen lernen zu nehmen, in der sexuelle Erfahrungen
ausgeklammert sind: ein potentieller Partner und eine potentielle
Partnerschaft werden sexuell nicht „ausprobiert“. Wichtig ist es, Distanz in
der Phase des gegenseitigen Kennenlernens einzuhalten und auszuhalten,
um einen klaren Kopf zu bewahren und die Geduld (sabr (arab.): Geduld in
Gott, Mut und Zuversicht) zu entwickeln, das Gegenüber und sich selbst zu
prüfen und herauszufinden, ob er oder sie tatsächlich ein
Lebenspartner/eine Lebenspartnerin werden kann. Dabei ist es wichtig, der
eigenen Wahrnehmung zu vertrauen.
Beim „Kennen lernen“ ergibt sich die Frage:
• Was kann ich tun, um den anderen kennen zu lernen –
außerhalb der Sexualität?
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• Jugendliche sollten nicht zuletzt auch sich selbst kennen
lernen: wie kann man sich selbst kennen lernen?
Die besondere Situation der Mädchen
14-15 jährige Mädchen sind voll geschlechtsreif, jedoch nicht in der Lage,
ein voll geschlechtsreifes Leben mit all seinen Konsequenzen einer
gelebten Sexualität in Bezug auf ein gesellschaftliches Leben
eigenverantwortlich zu tragen.
Sexualwissenschaftler haben herausgefunden, dass Mädchen durch
unglücklich verlaufende Partnerschaften in Bezug auf ihre Lebensplanung
vollkommen heraus geschleudert werden können. Hier gilt es, dass
Selbstbewusstsein von Mädchen zu stärken und ihnen die Priorität
ihrer Lebensplanung bewusst zu machen: „Wie plane ich mein Leben,
was ist jetzt wichtig und auf was will ich hinaus?“ Wichtig ist es, den
Mädchen die Notwendigkeit einer eigenen wirtschaftlichen Basis zu
vermitteln und das Selbstbewusstsein der Mädchen zu stärken.
Frauen werden aufgrund ihrer biologischen Funktionen früher reifer und
haben in der Regel früher ein entwickeltes Verantwortungsbewusstsein.
Männer zeigen heute in dieser Gesellschaft z.T. eine extreme
Bindungsangst, viele empfinden sich als sexuell frei, sie haben z.T.
bewusst, z.T. unbewusst den Wunsch in sich, ihre Sexualität zu verbreiten.
Frauen dagegen sind nicht frei, sondern verlangen nach einer festen
Partnerschaft, um eine Schwangerschaft zu schützen, um ihre Liebe
geschützt zusehen, um sich nicht auszuliefern. Mädchen verlieben sich
häufig in Folge von körperlicher Annäherung und erleben persönliche
Katastrophen, wenn sie Untreue und Unverbindlichkeit erleben. Der freie
Umgang mit Sexualität bedeutet in der Konsequenz meistens „frei von
Verantwortung“. Hiermit soll nicht gesagt werden, dass nur Mädchen unter
den Folgen einer unverantworteten Sexualität und häufigen Trennungen
leiden. Die Hervorhebung von Mädchen als besonders verletzlich basiert
auf Erfahrungen und Tendenzen innerhalb dieser Gesellschaft. Es soll
nicht ein einseitiges Bild von Jungen (und Männern) entstehen, die
ebenfalls unter Trennungen und unverantworteter Sexualität zu leiden
haben.
Selbstschutz - Disziplin - das Bewusstsein über die Notwendigkeit der
Triebkontrolle
Die Jugendlichen befinden sich in dem Spannungsfeld zwischen den
Sorgen und Befürchtungen ihrer religiösen Eltern und einer Gesellschaft, in
der sexuelle Freiheit gleichgesetzt ist mit ideeller, menschlicher Freiheit
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schlechthin. Hier kommt ein sehr unterschiedliches Verständnis von Freiheit
zum Ausdruck: Freiheit im islamischen Sinne entsteht durch
Selbstbeherrschung der Triebe, besteht nicht in deren unverbindlichen,
unverantwortetem Ausleben. Die Jugendlichen sollen die eigenen Gefühle
verstehen und lernen, sich zu bremsen.
Hierzu bringt Imam Razvi ein Beispiel:
„Die Mädchen sollen sich vorstellen, ihr Körper sei ein neues, schickes
Sportauto, das Gott ihnen geschenkt hat. Mit diesem Auto sollen sie eine
schöne Reise antreten. Sie sollen nicht schon bei der ersten Ausfahrt
einen Unfall erleben“. Die Eltern sollen ihren Töchtern und Söhnen die
Sicherheit geben, dass sie ihnen weiterhelfen, was immer auch geschieht.
Keuschheit
Keuschheit ist ein Zustand des Herzens, d.h. Gutes denken, Gutes
sprechen, Gutes tun. Man soll nichts tun, wovon man weiß, das es einem
selbst oder anderen schadet oder Schwierigkeiten bringt, oder
Disharmonien für sich selbst oder andere. Keuschheit ist eine innere
Qualität, die Selbstbeherrschung voraussetzt, diese
Selbstbeherrschung führt zur inneren Freiheit. Übungen in der Religion
des Islam sind dazu geeignet, Selbstbeherrschung zu erlernen, wie z.B.
das regelmäßige Gebet und das Fasten.
Das Gebot der Keuschheit gilt natürlich für beide Geschlechter (Sure.33;
36), wird aber vielerorts doppelmoralisch nur von Mädchen mit rigider
Strenge erwartet. Für beide Geschlechter gilt es, Geduld zu entwickeln, bis
Gott den passenden Lebenspartner schickt.
Ehe im Islam:
Eine Ehe ist ein Betrieb in Verantwortung der Frau. Ein rumänisches
Sprichwort sagt: „Der Hahn singt, aber die Henne schreibt die Noten". Das
persische Sprichwort „Die Frau ist der Motor, der Mann die Karosserie“
bringt die starke, dominante Stellung der Frau innerhalb der Ehe zum
Ausdruck. Das Damespiel im Schach (persisch) macht gleichfalls die
bedeutende Position der Frau kenntlich: während die Dame sich überall hin
frei bewegen kann, kann der König nur auf sie reagieren.
Ehevertrag
Ist ein Vertrag zwischen 2 gleichberechtigten, mündigen Personen. In
vielen Rechtsschulen werden die Inhalte eines Ehevertrags nicht direkt von
den Ehekandidaten, sondern von deren Bevollmächtigten im Auftrag und im
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Interesse ihrer Mandanten ausgehandelt. Innerhalb des Ehevertrags sollen
beide Partner ihre Vorstellungen das gemeinsame Leben betreffend,
bewusst zum Ausdruck bringen und ihre Erwartungen an den Partner
formulieren. Auf diese Weise sollen spätere Streitigkeiten in Bezug auf
grundsätzliche Regelungen vermieden werden. Teil des Ehevertrages ist
z.B. die Höhe der Morgengabe des Mannes an die Frau und z.B.
Scheidungsmodalitäten.
Die Heiratsformel der Frau lautet: „Ich verheirate mein Selbst mit dir“, die
stellvertretend von dem Mullah gesprochen wird, und der Ehekandidat
antwortet: “Ich nehme es an“. Aus dieser Formulierung geht hervor, dass
die Frau den Mann heiratet, sie stellt die Bedingungen, die der Mann
akzeptiert. Im Islam ist die gesamte Persönlichkeit der Frau heilig
(„haram“), in der Ehe gibt die Frau dem Mann die Erlaubnis, das er sich
jederzeit nähern darf, das er sie jederzeit ansprechen darf. Eine einseitige
Verpflichtung zum sexuellen Vollzug seitens der Frau besteht nicht, beide
haben einen Anspruch auf ein sexuell befriedigendes Leben durch den
Partner. Beide Partner müssen sich in der Ehe voll entwickeln können,
keiner soll sich für den anderen aufopfern und auf etwas verzichten. Der
Mann soll keine Eifersucht entwickeln, wenn seine Frau beruflich schneller
vorankommt.
Partnerschaft mit wem?
Auch diese Frage ist eine Sache der Vernunft. Soweit es möglich ist, sollte
man innerhalb der eigenen Gruppe heiraten, d.h. Muslime heiraten
Muslime, Christen heiraten unter sich, Juden unter Juden usw., weil mehr
Gemeinsamkeiten vorhanden sind. Krisen können möglicherweise besser
bewältigt werden. (In traditionellen Gesellschaften heiraten Familien unter
sich,).Aber: Gegensätze ziehen sich an, Dieter ist attraktiver als Ahmed, ist
interessanter, aufregender. Jugendliche, die für dieses Abenteuer bereit
sind, sollten sich bewusst sein, dass es ihre Aufgabe ist, die Partnerschaft
zum Erfolg zu bringen. Sie sollten sich bewusst sein, Schwierigkeiten und
Probleme, die kommen können, durchzustehen. Wenn sie beide diese
Haltung haben, ist es empfehlenswert, und zwar nicht als Abenteuer,
sondern als Herausforderung.
Sunna
Ein Blick in die Sunna des Propheten Mohammed (Gottes Friede und seine
Segnungen seien über ihm) zeigt, dass Mischehen von ihm selbst
praktiziert wurden: eine Frau des Propheten war Jüdin (Safiyya), eine
andere war Christin (Maria). Seinab, eine Tochter des Propheten, war lange
Zeit mit einem Nichtmuslim verheiratet, er wurde erst später Muslim. Wenn
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heutzutage Muslime überwiegend unter sich heiraten, hat dies meistens
praktische Gründe, denn die brennenden Fragen ergeben sich erst im
Zusammenleben, z.B. mit Christen: „Gehen wir in die Kirche oder in die
Moschee?“ „Soll unser Sohn beschnitten werden oder nicht? „Soll unsere
Tochter getauft werden?“
Ein Konsens bzgl. der Frage der Partnerschaft soll unter gegenwärtigen
Bedingungen in Deutschland neu zustande kommen, in einer Gesellschaft,
in der Muslime zwar nach den Christen die größte Religionsgemeinschaft
bilden, aber dennoch zu einer kleinen Minderheit gehören.
• Die Frage: „Soll/kann/darf Fatima Dieter heiraten?“ sollte in der
Klasse thematisiert werden.
• Wie wird die Frage der Partnerwahl in eurer religiösen
Gemeinschaft (umma), Tradition, Familie geregelt?
Ein Blick nach England zeigt, dass auch dort die Muslime nach Lösungen
suchen. In einem Projekt, das vom Islamic Council of Britain initiiert wurde,
soll für Jugendliche, Muslime und Nichtmuslime, Freiräume zum Kennen
lernen entstehen.
Partnerschaft ab wann?
Diese Frage ist eine wirtschaftliche Frage. Hierzulande kommt die
Empfehlung: „heiratet nicht zu früh“! Zuerst sollen sich die jungen Paare
eine sichere Grundlage schaffen, bevor sie heiraten. Feste Beziehungen
existieren zwar bereits, nur Schwangerschaften sollen nicht vorkommen. In
islamischen Verhältnissen findet man dagegen die Haltung vor, dass feste
Beziehungen, d.h. Ehen, vorzuziehen sind. Normalerweise übernehmen
die Eltern es, den Jugendlichen eine Ehe und trotzdem eine Ausbildung zu
ermöglichen, vor allen Dingen den Mädchen. Man vermeidet sehr bewußt,
die Ausbildung der Mädchen in Folge einer Schwangerschaft abzubrechen.
Die Kinder übernehmen in diesem Fall die Eltern, von beiden Seiten
kooperieren die Eltern, bis das junge Paar eine eigenständige
wirtschaftliche Grundlage hat. Die Partnerschaft in muslimischen
Zusammenhängen ist von vornherein in ein gesellschaftliches Verhältnis
eingebettet, denn die Frage, ob die Partner zueinander passen, impliziert
von vornherein die Frage, ob die Familien zueinander passen: die Familie,
die Verwandtschaft wird mitgebracht und die heiratet man mit.
Unter Muslimen wird jungen Paaren eine Ehe ermöglicht, auch wenn die
Ausbildung nicht fertig ist, schon ab 18, nicht erst ab Mitte 20. Nach
islamischem Recht können junge Paare die finanzielle Fürsorge der Eltern
verlangen. Eltern sollen ihren Beitrag leisten, um eine Ehe zu ermöglichen,
sie sollten keinen Doppelstandart für Jungen und Mädchen praktizieren,
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unter dem Motto: die Jungen dürfen alles machen, nur die Mädchen sollen
unberührt bleiben.
Gibt es irgendwelche Tabus in den sexuellen Praktiken?
Diese Frage betrifft die Intimsphäre des Menschen. Alles was den Paaren
gegenseitig Freude macht, ist erlaubt.
Wie steht es mit dem sexuellen Leben homosexuell veranlagter
Menschen?
Sexualität soll in festen Lebensgemeinschaften, nicht in Form „freier“
unverantworteter Sexualität praktiziert werden. Das gilt auch für
Homosexualität, die in allen Gesellschaften vorkommt. Man ermöglicht
homosexuell veranlagten Menschen allein zu leben und geht davon aus,
dass sie Partner finden. Im Unterschied zu unserer Gesellschaft ist es nicht
üblich, sich zu „outen“.
Zwangsehe?
Entgegen gesellschaftlicher Praxis, die leider immer wieder vorkommt, ist
eine unter Zwang geschlossene Ehe nach islamischem Recht ungültig und
kann auf Wunsch der Betroffenen annulliert werden.
Was ist eine Aussteuer?
Eine Wohnung einzurichten, gilt als Aussteuer, sie ist Pflicht der Eltern.
Aufgrund der wirtschaftlichen Lage sind allerdings viele muslimische Eltern
nicht dazu in der Lage, dieser Verpflichtung nachzukommen. Imam Mehdi
Razvi, Islamisches Zentrum Hamburg: „Die Eltern möchten die Sehnsüchte
und Träume ihrer Töchter erfüllen, die Töchter sind wie Prinzessinnen und
benehmen sich auch so.“
Die betreffenden Verse im Koran:
„Und unter Seinen Zeichen ist dies, dass Er Partnerwesen schuf aus
euch selbst für euch selber, auf das ihr Frieden in ihnen fändet, und Er
hat Liebe und Zärtlichkeit zwischen euch gesetzt. Hierin sind wahrlich
Zeichen für ein Volk, das nachdenkt.“
(Sure 30: 22)
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„Und die, welche keinen Gott anrufen außer Allah, noch das Leben
töten, das Allah unverletzlich gemacht hat, es sei denn nach Recht,
noch Ehebruch begehen (die, wenn sie sexuelle Beziehungen haben,
Verantwortung für einander übernehmen) – und wer das tut, der soll
Strafe erleiden.“
(Sure 25:69 )
„Wahrlich, die muslimischen Männer und die muslimischen Frauen,
die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen, die gehorsamen
Männer und die gehorsamen Frauen, die wahrhaftigen Männer und die
wahrhaftigen Frauen, die demütigen Männer und die demütigen
Frauen, die Männer, die Almosen geben und die Frauen, die Almosen
geben, die Männer, die fasten und die Frauen, die fasten, die Männer,
die ihre Keuschheit wahren (die über ihre Sexualität selbst Wächter
sind) und die Frauen, die ihre Keuschheit wahren (die über ihre
Sexualität selbst Wächter sind), die Männer, die Allahs häufig
gedenken und die Frauen, die gedenken – Allah hat ihnen Vergebung
und herrlichen Lohn bereitet.“
(Sure 33:36)
Fragen an die SchülerInnen:
• Was für ein Verständnis hat der Islam von der Sexualität?
• Was versteht man im Islam unter „Freiheit“ (in Bezug auf
Sexualität)
• Was bedeutet „Keuschheit“?
Fragen an muslimische SchülerInnen:
• Soll/kann/darf Fatima Dieter heiraten? Was sagen deine Eltern dazu?
Deine Großeltern? Wie denkst du darüber?
• Welche Möglichkeiten gibt es für mich, herauszufinden, ob
Dieter/Ahmed mein Lebenspartner sein könnte?
• Welche Erwartungen hast du an deinen Lebenspartner, der kein
Muslim ist…der ein Muslim ist?
• Welche Möglichkeiten gibt es für uns, uns näher kennen zu lernen,
wenn wir sexuell (noch) nicht aktiv sein können?
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Interessant und anregend wäre ein Blick zu den anderen Religionen
und könnte innerhalb der Klasse zu einem interreligiösen Dialog
führen:
• Wie sehen die anderen Religionen die Sexualität? Z.B. der
Buddhismus, das Christentum, das Judentum, der Hinduismus?
• Gibt es hier das Gebot der Keuschheit, und wie ist es begründet?
• Welche Haltung gibt es in Bezug auf „Mischehen?“
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