3. Bewegung von Ladungsträgern

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Vorlesung VO2, 722207, Plasmaphysik im SS 2003
R. Schrittwieser, Version vom 02.04.2004, 19:08,3. Kapitel, S. 1
3. Bewegung von Ladungsträgern
3.1. Bewegung im Vakuum
Den einfachsten Fall der Bewegung eines geladenen Teilchens der Ladung q und der
Masse m stellt die Bewegung in einem homogenen elektrostatischen Feld E bzw.
magnetostatischen Feld B in Abwesenheit anderer Teilchen dar.
Bei senkrechtem Einschuss ergibt sich dabei im Falle des elektrischen Feldes eine
Parabelbahn und im Falle des magnetischen Feldes eine Kreisbahn (siehe untenstehende
Abbildungen). Siehe auch später für mehr Details, vor allem auch für den Fall von
komplexeren Feldsituationen (nicht homogene Felder, Kombination von Feldern; siehe
untenstehendes Beispiel der E×B Drift, die insbesondere für die Bewegung von
Ladungsträgern in der irdischen Magnetosphäre und in einem toroidalen Fusionsplasma
von größter Bedeutung ist).
Abbildung 3-1:
Bewegung eines geladenen Teilchens in einem homogenen elektrischen Feld unter
verschiedenen Einschussrichtungen.
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Abbildung:
Abbildung 3-2:
Bewegung eines geladenen Teilchens in einem homogenen magnetischen Feld.
Abbildung 3-3:
Bewegung eines geladenen Teilchens im Hochfrequenzfeld E = E0 sin ωt, das zur Zeit t =
0 mit der Geschwindigkeit v0 und der Phasenverschiebung ϕ startet. Als Trajektorie ergibt
sich die Kombination der Drift in x-Richtung plus einer oszillatorischen x-Bewegung. Nur
wenn v0 und ϕ Null sind, ergibt sich eine reine Oszillation und keine Bewegung in xRichtung. Driftgeschwindigkeit und Oszillationsamplitude sind umso kleiner; je größer die
Schwingungsfrequenz ist.
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Abbildung 3-4:
Die Bewegung eines geladenen Teilchens in einem E×B Feld folgt einer Zykloidenbahn.
(Prinzip des Wienfilters: für v0 = E/B, ist die Trajektorie eine gerade Linie, da dann die
elektrische Kraft gleich groß der magnetischen Kraft ist).
3.2. Bewegung eines geladenen Teilchens im Gas
3.2.1. Vorbetrachtungen
Sobald sich ein geladenes Teilchen nicht im Vakuum sondern in einem mehr oder weniger
verdünnten Gas bewegt, werden die Trajektorien durch Stöße mit den Gasteilchen
verändert (siehe zwei Beispiele in untenstehenden Abbildungen).
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Abbildung 3-5:
Eine Ladung driftet in einem homogen elektrischen Feld. Die Trajektorie setzt sich aus
parabolischen Bahnen (stoßfreie Bewegung im homogenen Feld) und Streuung
(Ablenkung) durch elastische Stöße zusammen. Nach jedem Stoß deutet der
Geschwindigkeitsvektor in eine beliebige Richtung, das beschleunigende Feld dreht den
Vektor wieder in Feldrichtung; daher ergibt sich eine Driftbewegung in Feldrichtung plus
laterale Abweichungen. Diese laterale Aufspaltung ist umso größer, je größer die
Gasdichte und je kleiner die Teilchenenergie sind.
Abbildung 3-6:
Ladung in einem homogenen magnetischen Feld.
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3.2.2. Abbremsung eines geladenen, energiereichen Teilchens in Gasstrecke
Elektronen:
Wenn ein Elektronstrahl mit bestimmter Energie ε0 (>> Ui – Ionisationsenergie) in eine
feldfreie Gasstrecke läuft, dann kommt es neben sehr vielen elastischen Stößen, die zu
einer kaum merklichen Abbremsung führen (Impulserhaltung!), auch zu einigen wenigen
nichtelastischen Stößen (wie Ionisation und Anregung).
Es kommt also längs der Elektronenbahn zur paarweisen Erzeugung von sekundären
Elektronen und Ionen (siehe Tabelle) und auch anderen Sekundärteilchen (metastabile
Teilchen, strahlende Teilchen, Dissoziationsprodukte).
Tabelle 3-1:
Ionenpaarerzeugung pro Elektron einer bestimmten kinetischen Anfangsenergie ε0.
(Achtung! Der Punkt in halber Höhe zwischen zwei Zahlen ist ein Dezimalpunkt!)
Zwei Tatsachen gibt es hier zu beachten:
1.) Obwohl die Ionisationsenergie von Helium größer ist als die von Neon oder Argon,
werden in He mehr Ionen erzeugt als in Ne und Ar, da in den schwereren Edelgasen
mehr Anregung stattfindet, für welche die Elektronen auch Energie aufwenden müssen.
2.) Im Mittel werden von einem schnellen Elektron ca. 30-45 eV verbraucht, um ein
Ionenpaar zu erzeugen. Daher erzeugt ein 10 keV-Elektron insgesamt ca. 300
Ionenpaare, wobei deren Verteilung allerdings abhängig von der durchlaufenen Strecke
ist (siehe Abbildung).
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Abbildung 3-7:
Ionenpaarverteilung für ein 10 keV Elektron in N2. R: Reichweite (statistische Größe).
Zunahme
der
Ionenpaaranzahl
kurz
vor
Ende
der
Bahn
bedingt
durch
Energieabhängigkeit des Ionisierungsquerschnittes.
Ionen:
Für langsame Ionen (ca. 100 eV) ist die Situation ganz anders: Da die Masse ungefähr
gleich ist, kann im Schnitt bei einem elastischen Stoß ca. die Hälfte der kinetischen
Energie übertragen werden. Daher haben Ionen eine sehr kurze Reichweite und eine
vernachlässigbare Ionisationsrate. Für sehr energiereiche Ionen, z.B. Alphateilchen im
MeV-Bereich, werden gleichviel Ionenpaare wie bei Elektronen erzeugt, allerdings bei viel
kleinerer Reichweite (von 4 cm in Luft bis einigen m für 5 MeV-Ionen bzw. Elektronen).
3.2.3. Drift geladener Teilchen
Ionendrift:
Ein in einem homogenen Feld driftendes Ion hat eine mittlere Driftgeschwindigkeit vi =
µE, wobei µ die so genannte Beweglichkeit ist (siehe Gl. 2.5 bzw. 2.6), für die gilt µ =
q/mν mit ν (griech. Ny! Bitte nicht mit v, der Geschwindigkeit, verwechseln!) als IonenNeutralen-Stoßfrequenz. Für eine konstante Gastemperatur (p = nkBTg) kann die
Driftgeschwindigkeit in so genannten reduzierten Größen (siehe Ähnlichkeitsbeziehungen
– später) angegeben werden:
vi = µp
E
E
= µn
p
n
(3.1)
E/n ist ein Maß für die mittlere Energie, die das Ion aus dem Feld E bezieht, da Eλ ∝ E/p
∝ E/n (mit der mittleren freien Weglänge λ = 1/σn, σ ist der Wechselwirkungsquerschnitt).
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Tabelle 3-2:
Experimentell bestimmte Werte für die Beweglichkeit bei einem Gasdruck p = 1 Torr (=
1,33 mbar) und einer Gastemperatur von T = 273 K.
Die Beweglichkeit ist für positive und negative Ionen oft gleich. Eine Ausnahme besteht in
solchen Gasen, wo die Bildung der negativen Ionen in einen nichtstabilen Zustand führt,
und daher die negative Ladung einen Teil der Drift als freies Elektron mit viel höherer
Beweglichkeit verbringt. Die Beweglichkeit von O -2 ist um ca. 40% höher als die von O +2 .
Theoretisch berechnete Beweglichkeiten sind bis zu fünfmal größer als die experimentellen
Werte. Dafür gibt es zwei Gründe: einerseits Clusterbildung, andererseits zusätzliche
Wechselwirkung über ioneninduzierte Dipolwechselwirkung (siehe untenstehende
Abbildung), wobei letztere der Hauptgrund ist.
Die Beweglichkeit eines Ions im eigenen Gas wird im Wesentlichen durch
Ladungstauschprozesse bestimmt. Bei Ladungstausch gibt es kaum Impuls- oder
Energieaustausch, d.h., es kommt zu einer stop-and-go-Bewegung mit einer kleineren
freien Weglänge und daher höheren Stoßfrequenz. In einem Heliumgas hat He+ eine
wesentlich kleinere Beweglichkeit als He+2 , obwohl das Molekülion zweimal so schwer ist.
Dies ergibt sich aus der Theorie.
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Abbildung 3-8:
Einfluss der ladungsinduzierten Dipolwechselwirkung auf die Drift.
Die Abhängigkeit der Driftgeschwindigkeit von E/p ist nach Gleichung (3.1) linear, ändert
sich aber für höhere Feldstärken zu
E p , da in diesem Bereich die Annahme einer
konstanten Stoßdauer 1/ν nicht mehr gilt.
Abbildung 3-9:
Atomare and molekulare Driftgeschwindigkeiten für Edelgase.
Elektronendrift
Zwischen driftenden Elektronen und Ionen bestehen charakteristische Unterschiede,
insbesondere aufgrund des großen Massenunterschiedes:
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1.) Bereits in relativ schwachen Feldern ist die mittlere Energie der Elektronen, die diese
aus dem Feld entlang einer freien Weglänge (d.h. zwischen zwei Stößen) aufnehmen,
relativ groß im Vergleich zur mittleren Gasenergie. Es gilt eEλe > kBTg und Te >> Tg
und damit ist die ungerichtete Elektronengeschwindigkeit ve wesentlich größer als vd
(und damit ν groß).
2.) Daher bewegt sich ein Elektronenschwarm in einem homogenen Feld wie ein
Bienenschwarm, sie haben eine Geschwindigkeitsverteilung, d.h., sie bewegen sich in
verschiedene Richtungen völlig zufällig, haben aber zusätzlich eine kleine
Geschwindigkeitskomponente vd in Richtung des Feldes.
3.) Trotzdem sind die Beweglichkeit und die Driftgeschwindigkeit von Elektronen viel
höher als die der Ionen.
Abbildung 3-10:
Elektronenbeweglichkeit in N2 und He bei niederen Gasdrucken und 300 K (im Bereich 1:
eEλe klein gegen kBTg )
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Abbildung 3-11:
Elektronendriftgeschwindigkeit in N2 und He.
3.2.4. Diffusion von Ladungsträgern
Freie Diffusion
Die ungerichtete Bewegung von Teilchen in einem Gas führt dazu, dass im Mittel durch
jeden Querschnitt im Gasraum ein Teilchenstrom Γ (Teilchen pro Fläche und Zeit) fließt:
Γ=
nv
4
(3.2)
Ist der Gasraum homogen mit Gas gefüllt, so führt dieser dauernde Teilchenfluss nicht zu
einem effektiven Massentransport, da die Wirkung jeder Strömung in eine bestimmte
Richtung durch die gleichgroße in die entgegen gesetzte Richtung aufgehoben wird. Trotzdem kommt es (aufgrund dieser thermischen Bewegung) zu einer ständigen Durchmischung der Gasteilchen.
Sind jedoch Dichtegradienten im Gasraum vorhanden, so kompensieren sich die
gegenseitigen Teilchenströme nicht mehr vollständig und es findet Teilchentransport von
Orten höheren Dichte zu Orten niederer Dichte statt, d.h. entgegen der Richtung des
Dichtegradienten ∇n:
ΓD = –D∇n,
(3.3)
wobei in dieser Diffusionsgleichung (1. Ficksches Gesetz) der Proportionalitätsfaktor D
Diffusionskonstante oder Diffusionskoeffizient genannt wird. D hängt stark von der Natur
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der diffundierenden Teilchen ab: D, D+, D– und De gelten entsprechend für neutrale
Teilchen, positive und negative Ionen bzw. Elektronen.
Tabelle 3-3:
Selbstdiffusionskoeffizienten und Ionendiffusionskoeffizienten für verschiedene Gase bei
300 K und 1,33 mbar in cm2s–1.
Für die Selbstdiffusion neutraler Teilchen gilt:
D=
mit v =
vλ
v
=
3
3σn
8k B Tg
πm
(3.4)
als der mittleren Geschwindigkeit der Teilchen im Gas der Temperatur
Tg.
Einsteinrelation
Ein wichtiger Parameter ist das Verhältnis Diffusionskonstante zu Beweglichkeit, das für
Elektronen und Ionen als Einsteinrelation bezeichnet wird. Wenn für Elektronen µ = e/mν
und ν = v /λ gilt, folgt mit Gl. (3.4):
D k B Tg
≅
µ
e
(3.5)
wobei D/µ oft als charakteristische Temperatur oder Energie der Spezies bezeichnet wird.
Ambipolare Diffusion
Bis jetzt sind wir nur davon ausgegangen, dass zum Beispiel entweder Elektronen oder
Ionen in einem Gas verteilt sind und dann entsprechend den Konzentrationsgradienten frei
diffundieren. In Plasmen sind jedoch meistens Ladungsträger beiderlei Vorzeichens
vorhanden, und noch dazu in hohen Konzentrationen, so dass sich diese Ladungsträger in
ihrer Diffusion über die Coulombwechselwirkung beeinflussen. In diesem Falle ist ihre
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Bewegung nicht mehr unabhängig voneinander und beide tendieren dazu, mit einer
gemeinsamen Geschwindigkeit zusammen in dieselbe Richtung zu diffundieren (z.B.
aufgrund eines Konzentrationsunterschiedes). Man bezeichnet diesen Vorgang als
ambipolare Diffusion.
Man kann zeigen, dass der ambipolare Diffusionskoeffinzient mit Hilfe der einzelnen, mit
der Beweglichkeit gewichteten Diffusionskoeffizienten dargestellt werden kann; d.h.:
Da =
D + µ e + De µ +
µe + µ+
(3.6)
Für Te >> T+ folgt mit µe >> µ+, dass Da ≅ D+ + Deµ+/µe ≅ Deµ+/µe. Unter Verwendung der
Einsteinbeziehung für Elektronen folgt dann:
Da ≅
k B Teµ +
,
e
(3.7)
und wir sehen, dass der ambipolare Diffusionskoeffizient durch die mittlere
Elektronentemperatur und die Ionenbeweglichkeit (d.h. von der Natur des Gases).
bestimmt
wird.
Von besonderem
Interesse ist die Frage bei welcher Elektronendichte ne die freie
Elektronendiffusion in die ambipolare Diffusion übergeht.
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Abbildung 3-12:
Effektiver Diffusionskoeffizient in Abhängigkeit von der Elektronendichte in einem
zylindrischen Stickstoff-Plasma.
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