Skript zur Vorlesung Allgemeine Chemie I Prof. R. Nesper Inhaltsverzeichnis 1 Woraus besteht die Welt? 1 2 Was ist Chemie 2.1 Die chemische Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Formel und Struktur von Verbindungen . . . . . 2.1.2 Die Chemische Gleichung . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Arten von chemischen Reaktionen . . . . . . . . 2.1.4 Berechnung der Konzentrationen aller Spezies in 2.1.5 Konzentrationseinheiten . . . . . . . . . . . . . 4 . . . . 5 . . . . 6 . . . . 6 . . . . 9 Lösung 19 . . . . 20 3 Säuren und Basen 3.1 Die Theorien von Arrhenius, Brönsted und Lewis . . . . . . . 3.2 Protolysengleichgewicht im Wasser und pH-Wert . . . . . . . . 3.2.1 Indikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Schwache Säuren und Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Aciditätsregeln nach Pauling . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Abhängigkeit des Säure-Base-Gleichgewichts vom pH-Wert . . 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Logarithmische pH-Diagramme . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Lösungen starker Säuren HA bzw. Basen MOH . . . . 3.5.3 Lösungen schwacher Säuren bzw. Basen . . . . . . . . . 3.5.4 Praktische Beispiele zur Berechnung des pH-Wertes . . 3.5.5 Schwache Säure und schwache Base . . . . . . . . . . . 3.5.6 Zweiprotonige Säuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.7 Titrationskurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.8 Titrationskurven und logarithmische pH-Diagramme . i 21 22 26 27 29 35 36 37 42 44 46 49 53 56 57 59 61 INHALTSVERZEICHNIS 4 Redoxreaktionen 65 4.1 Die Oxidationszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4.2 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.3 Ausgleichen von Redoxreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.4 Galvanische Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.5 Die Standardwasserstoffelektrode . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.6 Anwendung der Nernstschen Gleichung . . . . . . . . . . . . . 82 4.7 Faradaysches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.8 Einige Beispielaufgaben zu Standardreduktionspotenzialen . . 85 4.8.1 Die EMK der Kette Zn/0.1 M ZnSO4 //0.5 M CuSO4 /Cu 85 4.8.2 Berechnng von Gleichgewichtskonzentrationen . . . . . 85 +2 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 +4 4.8.3 Titration einer F e −Lösung mit Konzentrationsketten . . . . . . . . . . Elektroden zweiter Art . . . . . . . . . Elektroden für EMK-Messungen . . . . Potenzialdiagramme . . . . . . . . . . Gleichgewichtslage bei Redoxprozessen pH-E-Diagramme . . . . . . . . . . . . Ce −Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Komplexverbindungen 5.1 Aufbau und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Gleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Liganden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Nomenklatur von Komplexverbindungen . . . . . . . . . . . 5.5 Zusammensetzung und Struktur von Komplexen . . . . . . . 5.6 Isomerie von Komplexen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Konformationsisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Ionen– bzw. Ionisationsisomerie . . . . . . . . . . . . 5.6.3 Koordinationsisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.4 Bindungsisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Präparative Arbeiten mit robusten Komplexen . . . . . . . . 5.8 Bestimmung der Stabilitätskonstanten . . . . . . . . . . . . 5.9 Komplexometrische Titration . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Beeinflussung des Standardreduktionspotenzials durch Komplexbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11 Doppelsalze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 88 90 91 92 94 95 . . . . . . . . . . . . . 96 96 98 100 107 108 112 112 115 115 116 116 117 121 . 123 . 125 6 Fällungsreaktionen 126 6.1 Löslichkeitsprodukt und Löslichkeit von Festkörpern . . . . . . 126 6.2 Berechnung der Löslichkeit von AgCls in N H3 -Lösungen . . . 130 ii ABBILDUNGSVERZEICHNIS 6.3 Standardreduktionspotenziale von von Feststoffen . . . . . . . . . . 6.4 Leitfähigkeitsmessungen . . . . . 6.4.1 Konduktometrie . . . . . . 6.5 Gravimetrie . . . . . . . . . . . . Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Anwesenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 134 136 137 Abbildungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Entartete Energiezustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Edelgaskonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bindung im Ethen, C2 H4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Elektronendichte bei der Ionenbindung. . . . . . . . . . . . . . 12 Das Iodwasserstoff-Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Dynamisches Gleichgewicht von Iodwasserstoff . . . . . . . . . 17 Acidität wässriger Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 pKs -Bereiche für verschiedene Lösungsmittel . . . . . . . . . . 37 Pufferkurve einer einprotonigen Säure mit pKS = 5 . . . . . . 38 HA0 /pH-Abhängigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Logarithmisches pH-Diagramm der Benzoesäure . . . . . . . . 44 Logarithmisches pH-Diagram 0,000001 M . . . . . . . . . . . . 50 Logarithmisches pH-Diagramm 0,0001 M . . . . . . . . . . . 51 Logarithmisches pH-Diagramm einer Säure mit pKa =4.2 für die Konzentration [HA]0 =10−4 M . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Logarithmisches pH-Diagramm einer Lösung von N H4+ und CH3 COOH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Logarithmisches pH-Diagramm der selenigen Säure (0.1M) . . 58 Links: Titration von 0.1N Säuren mit einer 0.1N Base; Rechts: Titration von jeweils zwei Konzentrationen einer starken und einer schwachen Säure. . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Titrationskurven (rechte Teile) und logarithmische pH-Diagramme (linke Teile) der Ameisensäure (links: 0.1M = ˆ 0.1N; rechts: 0.001M = ˆ 0.001N) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Titrationskurve (rechts) und logarithmisches pH-Diagramm (links) von Salzsäure und Essigsäure (jeweils 0.1M = ˆ 0.1N) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Titrationskurve (rechts) und logarithmisches pH-Diagramm (links) von 0.1M N H4 Cl bzw. von 0.1M N H3 . . . . . . . . . 62 Titrationskurve (rechts) und logarithmisches pH-Diagramm (links) von Phosphorsäure ( 0.1M = ˆ 0.3N) . . . . . . . . . . . 63 Oxidationszahlen von Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . 67 iii TABELLENVERZEICHNIS 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 Potenzialdiagramm verschieden edler Metalle . . . . . . . . . . 73 Schema einer Redoxreaktion und einer galvanischen Zelle . . . 77 Die Standardwasserstoffelektrode . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Schematischer Aufbau einer Wasserstoffelektrode . . . . . . . 82 Konzentrationskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Mehrzähnige Liganden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Makrozähnige Liganden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Schema für kationische Komplexe am Beispiel von [Ag(NH3 )2 ]Cl.107 Schema für anionische Komplexe am Beispiel von Na[Ag(CN)2 ].108 Komplexe mit einzähnigen Liganden . . . . . . . . . . . . . . 111 Beispiele für Chelatkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cis-trans Isomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Facial- und Meridionalisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Spiegelisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Optische Isomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Drehung der Polarisationsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Beispiele für die Bindungsisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Titrationskurve von HF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Titrationskurve von Glycin und mit Cu . . . . . . . . . . . . . 119 Titrationskurve von Glycin und mit Ni . . . . . . . . . . . . . 120 Einzelgleichgewichte von Cyanidionenkomplexen . . . . . . . . 121 Tabellenverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Anhydride, ihre Säuren, Basen und Wertigkeit . . . . . . . . . 23 Umschlagintervalle einiger Säure–Base–Indikatoren . . . . . . 29 Gleichgewichtskonstanten für die Protonenabspaltung . . . . . 31 Selbstprotonierung von Supersäuren . . . . . . . . . . . . . . . 34 Redoxreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Standardreduktionspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Komplexbildungskonstanten einiger Komplexe in Wasser . . . 99 Einige gebräuchliche Liganden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Strukturformeln einiger komplizierterer Liganden . . . . . . . 106 Beispiele für die Bezeichnung von Liganden . . . . . . . . . . . 107 Räumliche Anordnung der Liganden . . . . . . . . . . . . . . . 110 Löslichkeitsprodukte einiger schwerlöslicher Salze . . . . . . . 128 Gleichgewichtskonzentrationen in verd. N H3 (M) . . . . . . . 132 Äquivalentleitfähigkeiten (Scm2 mol−1 ) in H2 O bei 25o C . . . 135 Ionengrenzleitfähigkeiten (Scm2 mol−1 ) in H2 O bei 25o C . . . 135 Weitere Beispiele molarer Grenzleitfähigkeitswerte [Scm2 ·mol−1 ]136 iv • Literatur – D.W.Oxtoby, N.H. Nachtrieb, Principles of Modern Chemistry, Saunders College Publishing, San Diego, 1996 – E. Riedel, Anorganische Chemie, W. de Gruyter, Berlin 1994 • Weiterführende Literatur – Hollemann-Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, de Gruyter 1995 1 Woraus besteht die Welt? Diese Frage wurde von den griechischen Naturphilosophen (Thales, Anaximander, Anaximenes, Parmenides und Heraklit) eingehend untersucht. Sie vermuteten einen universellen Urstoff hinter allen Veränderungen in der Natur. Empedokles (494-434 v.Chr.) begründete die Vorstellung von den vier Urstoffen Erde, Feuer, Luft und Wasser. Ausserdem unterschied er zwischen Stoff und Kraft. Nach heutiger naturwissenschaftlicher Sicht gibt es Grundstoffe (Physik: sechs Quarks(?), Chemie: ca.108 Elemente). Demokrit (460-370 v.Chr.) schliesslich stellte die These von kleinsten, unsichtbaren und unteilbaren Teilchen auf, die er Atome nannte. Diese seien in allen Stoffen in verschiedenen Kombinationen enthalten. Durch genaue Naturbeobachtungen und klares logisches Denken haben die griechischen Philosophen eine erstaunlich gute Vorstellung von den Stoffen unserer Welt erlangt, die erst etwa 2300 Jahre später als grundsätzlich richtig bestätigt werden konnte (Rutherford – Rückstreuung von α–Teilchen, 1911; von Laue – Röntgenbeugung, 1911). Die buddhistischen Philosophen haben vor etwa 2000 Jahren die Vorstellung einer kleinsten Zeiteinheit (Darma), also einer Art Quantelung der Zeit, entwickelt. Die Quantelung von Energiezuständen wurde von Planck (1901) begründet und von Bohr (1913) zur Erklärung der verschiedenen Atome und ihrer Ei1 1 WORAUS BESTEHT DIE WELT? genschaften benutzt. > Wasserelektrolyse, Flammenfärbungen p d f s n=6 n=5 n=4 n=3 n=2 n=1 Abbildung 1: Schematische Darstellung entarteter Energiezustände der Elektronen im Wassterstoffatom (“Schalenmodell”) Im Jahre 1805 stellte Dalton folgende Postulate auf: 1. Materie besteht aus Atomen. 2. Atome sind weder erzeugbar noch zerstörbar. 3. Alle Atome eines Elementes sind gleich, sie sind verschieden von denen anderer Elemente. 4. Chemische Verbindungen werden gebildet zwischen ganzzahligen Mengen in definierten Zahlenverhältnissen. Das zweite Postulat gilt im Rahmen chemischer Energieumsetzungen, nicht aber für Kernreaktionen (-Kernphysik). Postulat 4 wird als Regel von den konstanten Massenverhältnissen bezeichnet. Heute weiss man, dass nicht die Massen sondern die relativen Atomzahlen (Molzahlen) in vielen Verbindungen konstant sind. Solche Verbindungen werden als Daltonide bezeichnet (H2 O, CH4 , KIO4 , etc.). 2 Es gab aber von verschiedener Seite Zweifel daran, dass Postulat 4 für alle chemischen Verbindungen gilt, was zu einem lebenslänglichen Streit zwischen Dalton und Berthollet führte. Heute weiss man, dass auch auf der Basis von Molzahlen in vielen Verbindungen keine konstanten Molverhältnisse auftreten. Solche Verbindungen wurden als Berthollide bezeichnet. Man spricht hierbei von Phasenbreiten, die häufiger bei Verbindungen zwischen Metallen (Legierungen) auftreten. 3 2 WAS IST CHEMIE 2 Was ist Chemie Die Chemie befasst sich mit den Wechselwirkungen, chemisch ausgedrückt, den Reaktionen von Atomen. Chemische Reaktionen liefern Energieumsätze, die nicht zu Kernprozessen, also z.B. zu Elementumwandlungen, führen können. Wesentlich für chemische Umsetzungen sind die folgenden Gesetze: • Lavoisier, Ende des 18. Jahrhunderts: Gesetz von der Erhaltung der Masse: X (Edukte) = m X (P rodukte) m • Dalton und Berzelius: Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen: Jede Verbindung definierte Verbindung (Phase) enthält die zugehörigen Elemente in immer ein und demselben Verhältnis. Konstante Proportionen: H2 O (Südpol) = H2 O (Zürichsee) = H2 O (Mars) Multiple Proportionen: ABx , ABy , ABz x : y : z = Verhältnis ganzer Zahlen z.B. H2 O, H2 O2 ; N2 O, N O, N2 O3 , N O2 , N2 O5 . • Gay-Lussac, A. v. Humboldt: Volumengesetz Die Molvolumina verschiedener Gase sind gleich, d.h. nur durch die Teilchenzahl und nicht durch die Masse bestimmt. Volumina miteinander reagierender Gase verhalten sich zueinander wie einfache ganze Zahlen. 4 2.1 Die chemische Reaktion • Avogadro, Loschmidt: Gleiche Volumina enthalten gleiche Teilchenzahlen NA (= NL ) = 6.022 · 1023 Teilchen · mol−1 Alle Elemente mit Ausnahme von Wasserstoff und Helium weisen mehrere Elektronenschalen auf. Jede dieser Hauptschalen kann nur bestimmte Zahlen von Elektronen aufnehmen. Solche Hauptschalen sind noch einmal in Unterschalen energetisch aufgegliedert, die wiederum nur ganz bestimmte Elektronenzahlen zulassen. Die Unterschalen heissen, unabhängig von der Hauptschale, in der sie sich befinden, s-, p-, d- und f-Schalen bzw. -Orbitale. Jedes Element hat eine definierte Zahl von Kernladungen (Z) und dieselbe Zahl von Elektronen. Damit sind seine isolierten Atome neutral (ungeladen). Obwohl die Elektronen die Kernladung neutralisieren, können sie diese in der Regel nicht vollständig abschirmen (Ausnahme: Edelgase). Deshalb haben mit wenigen Ausnahmen nahezu alle Elemente das Bestreben weitere Elektronen aufzunehmen - sogar die Alkalimetalle! Elemente mit komplett gefüllten Hauptschalen wie die Edelgase sind chemisch äusserst schwierig (Xe- bzw. Kr-Verbindungen) oder gar nicht oxidativ, d.h. unter Elektronenentzug, anzugreifen. Sie haben auch kein Bestreben zusätzliche Elektronen aufzunehmen (Reduktion). Im Normalfall reagieren Elemente untereinander, indem sie Elektronen austauschen, und bilden damit chemische Verbindungen. 2.1 Die chemische Reaktion Chemische Verbindungen werden in Form von chemischen Formeln dargestellt. Chemische Reaktionen, also chemische Stoffumsetzungen, werden als Gleichungen zwischen chemischen Verbindungen dargestellt. 5 2 WAS IST CHEMIE 2.1.1 Formel und Struktur von Verbindungen Die Formel gibt die Summe der in einer Verbindung enthaltenen chemischen Elemente an. Dabei wird nach steigender Elektronegativität sortiert. Es gibt Fälle, in denen eine Formel für eine bestimmte Verbindung angegeben wird, welche wenig mit der tatsächlichen Struktur zu tun hat. Als Beispiel sei hier Borax genannt, dessen Formel Na2 B4 O7 · 10H2 O oder besser Na2 B4 O7 (H2 O)10 nichts über die Zusammensetzung des in dieser festen Verbindung vorliegenden Tetraboratanions [B4 O6 (OH)2 ]2− aussagt. Die Formel für Borax sollte also besser N a2 [B4 O6 (OH)2 ](H2 O)9 lauten. Die Formel AsO2 F6 lässt vermuten, dass zehnwertiges Arsen vorliegt, was unmöglich ist. Eine gute Beschreibung für diese Verbindung, in der das Dioxygenylkation O2+ vorliegt, ist [O2 ]+ [AsF6 ]− . Die Mennige, P b3 O4 , enthält kein Blei in der Oxidationsstufe 38 , sondern wird besser als [P bO]2 [P bO2 ] beschrieben. Wichtige chemische Gruppierungen von Atomen (Moleküle, Komplexe, Cluster bzw. spezielle Teilstrukturen) können separat geklammert werden. 2.1.2 Die Chemische Gleichung Mit der chemischen (Reaktions-)Gleichung werden Ausgangsstoffe (Edukte) und Endstoffe (Produkte) quantitativ miteinander in Beziehung gesetzt: Edukt A + Edukt B −→ Produkt C + Produkt D Die Reaktion von Schwefelwasserstoff (H2 S ) mit Schwefeldioxid (SO2 ) z.B. liefert Schwefel (S8 , Kronenschwefel) und Wasser ( H2 O): 3 2H2 S + SO2 S8 + 2H2 O 8 16H2 S + 8SO2 3S8 + 16H2 O 6 2.1 Die chemische Reaktion > Der Claus-Prozess Die Molzahlen (Stöchiometriezahlen) der beteiligten (Elemente und) Verbindungen müssen so gewählt werden, dass jede Atomsorte gleichhäufig auf der linken und auf der rechten Seite der Gleichung auftritt. Das gilt auch für Ladungen, sodass deren Summen auf der linken und und der rechten Seite gleich sind. 4K + + Cr2 O72− + H2 O 4K + + 2CrO42− + 2H + . Die meisten Reaktionen können in Halb- oder Teilgleichungen aufgespalten werden, wie Cr2 O72− + H2 O 2CrO42− + 2H + , die einen oder mehrere wesentliche Aspekte der Gesamtreaktion beschreiben. > Das Chromat – Dichromat-Gleichgewicht Die Teilreaktion Cu◦ + Ag + −→ Cu2+ + Ag ◦ der Silberbaum- Reaktion muss vollständig lauten: Cu◦ + 2Ag + −→ Cu2+ + 2Ag ◦ (1) oder Cu◦ + 2AgN O3 −→ Cu(N O3 )2 + 2Ag ◦ . > Silber- und Bleibaum Man spaltet z.B. in Teilreaktionen auf, um den Erhalt von Atomen und Ladungen leichter überprüfen zu können. 7 2 WAS IST CHEMIE 16 S 2− + 8 S 4+ 32 H + + 16 O2− 3 S8 16 H2 O 16 H2 S + 8 SO2 3 S8 + 16 H2 O Ausserdem können quasi unabhängig zu betrachtende Prozesse, wie z.B. Elektrodenreaktionen separat formuliert werden. Die Teilreaktionen können addiert werden. Treten keine Ladungen auf, so spricht man von Stoffgleichungen, sonst von Ionengleichungen. In letzteren werden nur die reagierenden Spezies aufgeführt. In derselben Weise können die im nächsten Kapitel angeführten Reaktionen in Ionengleichungen umgeschrieben werden: N H3 (aq) + H + (aq) −→ N H4+ (aq) N i2+ (aq) + 6N H3 (aq) −→ [N i(N H3 )6 ]2+ aq N i2+ (aq) + EDT A4− (aq) −→ [N iEDT A]2− aq 5F e2+ (aq) + M nO4− (aq) + 8H + (aq) −→ 5F e3+ (aq) + M n2+ (aq) + 4H2 O HgCl2 + Hg(l) −→ Hg2 Cl2 (s) Cu2+ (aq) + S 2− (aq) −→ CuS(s) ↓ Ag + (aq) + Cl− (aq) −→ AgCl(s) ↓ Das Ausfallen einer festen Phase wird gewöhnlich durch Einführung von (s) für solidus gekennzeichnet. Dem Chemiker stehen somit bei der Diskussion von Reaktionen mehrere Schreibweisen für ein und dieselbe Reaktionsgleichung zur Verfügung. 8 2.1 Die chemische Reaktion Die Neutralisation von Salzsäure mit Natronlauge in wässriger Lösung z.B. kann man wie folgt formulieren: H + + OH − H2 O. Andere Möglichkeiten sind: H3 O+ + OH − 2H2 O H + (aq) + OH − (aq) H2 O Welche Notation man wählt, wird davon abhängen, welchen Teilaspekt der Reaktion man näher herausheben möchte. Durch die Schreibweise H3 O+ wird betont, dass das Wasserstoffion in Wasser hydratisiert vorliegt. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass alle Teilchen in wässriger Lösung hydratisiert vorliegen, womit die dritte Formulierung die eigentlich sinnvollste ist. In allen drei Gleichungen wurden die Natrium- und die Chloridionen weggelassen, weil diese durch die Reaktion nicht betroffen sind. 2.1.3 Arten von chemischen Reaktionen Man unterscheidet zwei Grenzfälle: 1. Atom A zieht weniger stark Elektronen an als B, dann findet ein Elektronenübertrag von A nach B statt. 2. Atom A ist von derselben Sorte wie Atom B, dann teilen sich die zwei Atome einige ihrer Elektronen. Man kann dies wie in den Abbildungen 2 veranschaulichen. Beispiele: 9 2 WAS IST CHEMIE Heliumkonfiguration H : H Heliumkonfiguration |Cl : Cl | |N ::: N| H: O : H Argonkonfiguration Neonkonfiguration Neonkonfiguration Abbildung 2: Durch die gemeinsame Nutzung von Elektronen erreichen alle Atome eines Moleküls eine Edelgaskonfiguration Dabei wird klar, dass es zwischen den Grenzfällen eines kompletten Übertrags von Valenzelektronen zwischen den äusseren Schalen der Atome A und B, nämlich dem ideal ionischen Fall, A + B Am+ B m− z.B. bei 1 N a + Cl2 N a+ Cl− 2 (m = 1) eine grosse Zahl von intermediären Fällen geben kann, bei denen ein unvollständiger Ladungsübertrag δ stattfindet: A + B Aδ+ B δ− 10 (δ ≤ m) 2.1 Die chemische Reaktion Abbildung 3: Bindung im Ethen, C2 H4 . a) Lewisformel. b) Valenzelektronenkonfiguration des angeregten C-Atoms. Drei Valenzelektronen bilden sp2 -Hybridorbitale. c) Jedes C-Atom bildet mit seinen drei sp2 -Hybridorbitalen drei σ-Bindungen. d) Die p-Orbitale, die senkrecht zur Molekülebene stehen, bilden eine π-Bindung. Die wahren Ladungen, man spricht von effektiven Ladungen, in NaCl sind etwa bei δ=0.75. Also liegen N a0.75+ und Cl0.75− –Ionen vor. Ein positiv geladenes N aδ+ -Ion kann also genauso stark Elektronen anziehen wie ein negativ geladenes Clδ− –Ion, nämlich wenn δ = 0.75 ist. 11 2 WAS IST CHEMIE Ionenradius Cl− Ionenradius Na+ Elektronendichte a) Cl− Na+ Abbildung 4: (a) Schematischer Verlauf der Elektronendichte bei der Ionenbindung. Die Na+ - und Cl− -Ionen im NaCl-Gitter berühren sich, die Elektronenhüllen durchdringen sich nicht. Die Elektronendichtesinkt daher an der Berührungsstelle der Ionen auf annähernd null. (b) Röntgenographisch bestimmte Elektronendichten in einem NaCl-Kristall. Die Linien verbinden Stellen gleicher Elektronendichte (die Zahlen bedeuten Elektronen/10−30 m3 ). Sie nimmt mit der Entfernung vom Atomkern rasch ab. Auf der Verbindungslinie zwischen Na+ - und Cl− -Ionen nimmt sie auf nahezu null ab. Integriert man die Elektronendichte in den dadurch abgegrenzten kugelförmigen Ionenvolumina, erhält man für Na+ 10,05, für Cl− 17,70 Elektronen. dies beweist den Aufbau des Gitters aus Ionen. Die fehlenden 0,25 Elektronen befinden sich in Zwischenräumen ausserhalb der Kugeln. Verbindungen, bei denen der Ladungsübertrag relativ gross ist, werden nach dem Konzept der formalen Ladungen behandelt. Man nennt sie Ionenverbindungen. Es gibt keine Verbindung mit vollständigem effektiven Ladungsübertrag. Der vollständige Ladungsübertrag ist ein formales Konzept (formale Ladungen), das sich aber als überaus erfolgreich erwiesen hat. 12 2.1 Die chemische Reaktion Dieser Erfolg ist nicht zufällig, sondern er kann heute auf quantenmechanischer Basis erklärt werden. Verbindungen, bei denen der effektive Ladungsübertrag relativ klein ist, werden als kovalente Verbindungen bezeichnet, auch wenn der effektive Ladungsübertrag nicht gleich null ist. Man spricht im letzteren Fall von polarisierten kovalenten Bindungen. Obwohl es also keine wirkliche Grenze zwischen kovalenten und ionischen Verbindungen gibt, hat sich die Einteilung als sehr wirksames Klassifikationsund Arbeitskonzept bewährt. Um die Vielfalt der möglichen chemischen Reaktionen überblicken zu können, teilt man diese in Gruppen ein. Man unterscheidet dabei zwischen folgenden Reaktionstypen: • Säure–Base–Reaktionen HCl + N aOH H2 O + N aCl HCl + N H3 N H4 Cl > Darstellung von Ammoniumchlorid • Komplexbildungsreaktionen N iCl2 + 6N H3 [N i(N H3 )6 ]Cl2 N iCl2 + N a4 EDT A N a2 [N iEDT A] + 2N aCl 13 2 WAS IST CHEMIE > Nickelkomplexe • Redoxreaktionen 5F eSO4 + KM nO4 + 4H2 SO4 M nSO4 + 52 F e2 (SO4 )3 + 4H2 O + 12 K2 SO4 HgCl2 + Hg(l) Hg2 Cl2 > Redoxreaktionen von Kaliumpermanganat • Fällungsreaktionen CuCl2 + H2 S CuS(s) + 2HCl AgN O3 + N aCl AgCl(s) + N aN O3 > Sulfid und Silberniederschläge Wenn die Reaktion der zwei Ausgangsstoffe (Edukte) A und B unter sehr grossem Energiegewinn ∆G◦ stattfindet, z.B. 14 2.1 Die chemische Reaktion 1 H2 + O2 −→ H2 O, 2 dann kann sie unter denselben Bedingungen nicht umgekehrt werden, was man durch die Richtung des Reaktionspfeiles angibt. Reaktionen, die spontan bei gegebenem Druck und gegebener Temperatur in die gewünschte Richtung ablaufen können, zeigen eine negative Reaktionsenergie ∆G◦ < 0 und werden als exergonisch bezeichnet. Solche, für die das Umgekehrte gilt, werden als endergonisch bezeichnet (∆G◦ > 0). Obwohl bei 600◦ C eine Boltzmannverteilung von heisseren und kälteren H2 O– Molekülen vorliegt, ist die Chance, dass eines davon so heiss wird, dass es wieder dissoziiert 1 H2 O −→ H2 + O2 2 äusserst gering. Bei 2000◦ C hingegen treten beide Reaktionsarten mit recht grosser Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit auf - es entsteht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Teilreaktionen, was durch einen Doppelpfeil angegeben wird: 1 H2 + O2 H2 O 2 Allgemein bezeichnet man diese Situation als chemisches Gleichgewicht A + B AB oder wenn man mit A und B keine Elemente sondern Moleküle aus mehreren Atomen bezeichnet: Edukte (Verbindungen) Produkte (Verbindungen) A+B C +D 15 2 WAS IST CHEMIE Die Lage des Gleichgewichtes hängt also von der Temperatur, aber auch vom Druck ab. Theoretisch ist jede chemische Reaktion (Hinreaktion) umkehrbar (Rückreaktion). Man bezeichnet dies als Prinzip der mikroskopischen Reversibilität. Sinnvollerweise wird dies jedoch nur dann berücksichtigt, wenn beide Teilreaktionen mit genügend grosser Häufigkeit auftreten. Das dynamische Gleichgewicht von zwei chemischen Reaktionen führt zu keinem Nettostoffumsatz, und es wird deshalb keine Reaktionsenergie gebildet. Pro Zeiteinheit gebildete HI-Moleküle Hinreaktion (Bildungsreaktion) H2 + I2 −→ 2 HI Pro Zeiteinheit zerfallene HI - Moleküle Gleichgewicht H2 + I2 2 HI Rückreaktion (Zerfallsreaktion) H2 + I2 ←− 2 HI Zeit Abbildung 5: Bei der Reaktion von H2 mit I2 zu HI werden nicht nur HI-Moleküle gebildet, sondern gleichzeitig zerfallen auch gebildete HI-Moleküle wieder. Vor erreichen des Gleichgewichtszustandes bilden sich pro Zeitintervall aber mehr HIMoleküle als zerfallen, die Bildungsreaktion ist schneller als die Zerfallsreaktion. Im Gleichgewichtszustand ist die Anzahl sich bildender und zerfallender HI-Moleküle gleich gross geworden. 16 2.1 Die chemische Reaktion Bildung von HI Gleichgewicht Zerfall von HI H2 + I2 −→ 2 HI H2 + I2 2 HI H2 + I2 ←− 2 HI 490◦ C 1 Mol H2 1 Mol I2 0,228 Mol I2 0,228 Mol H2 1,544 Mol HI 490◦ C 2 Mol HI 2 2 HI HI HI Mol 1 1 Mol H2 , I2 0 Zeit H2 · I2 H2 · I2 Zeit Zeit 0 Abbildung 6: Gleichgewichtskonzentration im dynamischen Gleichgewicht der Bildung und des Zerfalls von Iodwasserstoff. Für alle chemischen Gleichgewichte gilt ∆G = 0. > Das Iod – Wasserstoff-Gleichgewicht Werden bei einer ungestörten Reaktion die Edukte scheinbar komplett verbraucht, so ist kein nennenswertes Gleichgewicht vorhanden. Die Konzentrationen von Edukten ([A], [B]) und Produkten ([C], [D]) können also dafür benutzt werden, den Grad des chemischen Gleichgewichtes zu definieren: [C] · [D] =K [A] · [B] Diese Gleichung wird als Massenwirkungsgesetz bezeichnet und wurde erstmals von dem norwegischen Mathematiker C. M. Guldberg und dem norwegischen Chemiker P. Waage im Jahre 1867 aufgestellt. Man sieht leicht ein, dass die Lage des chemischen Gleichgewichtes und damit die Grösse von K von der Temperatur abhängt (s. Gl. 2 auf Seite 18 ). Die Gleichgewichtskonstante K hat für gegebenen Druck und gegebene Temperatur für jede Reaktion, allgemein 17 2 WAS IST CHEMIE aA + bB + cC + . . . lL + mM + . . . einen charakteristischen Wert [L]l · [M ]m · . . . Πi [P rodukt]ei = Kc = [A]a · [B]b · [C]c . . . Πj [Edukt]ej Für jede Reaktion besteht also ein Konzentrationsverhältnis, das bei unveränderten Zustandsvariablen Druck und Temperatur unabhängig ist von Einzelkonzentrationen. Der Index c steht für Konzentration. Werden Drucke (p) in das Massenwirkungsgesetz als Konzentrationsangabe eingesetzt, so heisst die Konstante Kp . Zwischen der freien Reaktionsenthalpie und der Massenwirkungskonstanten besteht ein einfacher Zusammenhang: ∆G◦ = −RT ln K (2) Ausserdem hängen Druck und Konzentration bei Gasreaktionen wie folgt zusammen: c= p RT und damit Kp = Kc · (RT )(l+m+... )−(a+b+... ) Da die K-Werte sich über viele Grössenordnungen erstrecken können, verwendet man häufig die sogenannten pK-Werte, die dem negativen Logarithmus zur Basis 10 von K entsprechen. pK = − lg K Insgesamt hängt also jede chemische Reaktion ab von: • den beteiligten Stoffen, 18 2.1 Die chemische Reaktion • den Konzentrationen der beteiligten Stoffe, • der Temperatur und • dem Druck. Ausserdem wirkt das Prinzip des kleinsten Zwanges nach Le Chatelier und Braun: • Temperaturerhöhung fördert endotherme Reaktion • Temperaturerniedrigung fördert exotherme Reaktion • Druckerhöhung bewirkt Volumenabnahme • Druckerniedrigung bewirkt Volumenzunahme > 2.1.4 Das Gleichgewicht NO2 - N2 O4 Berechnung der Konzentrationen aller Spezies in Lösung Angenommen eine Lösung von F e2+ (aq) wird mit einer bekannten Menge einer KM nO4 –Lösung bei gegebenen pH-Wert versetzt. Es können nun Fragen wie die folgenden gestellt werden: • Ist die angegebene Reaktion spontan (d. h. verläuft sie freiwillig in die gewünschte Richtung)? • Verläuft die Reaktion quantitativ? • Kann sie z.B. als Grundlage für die quantitative Bestimmung von F e2+ verwendet werden? • Wie gross sind die Gleichgewichtskonzentrationen von M nO4− , M n2+ , F e2+ und F e3+ ? Einfachshalber wird die Reaktionsgeschwindigkeit nicht berücksichtigt und angenommen, dass sich das System in chemischem Gleichgewicht befindet. Zur Lösung dieses Problems benötigen wir die Kenntnis der Gleichgewichtskonstanten folgender Reaktion: 19 2 WAS IST CHEMIE M nO4− (aq) + 8H + (aq) + 5F e2+ (aq) M n2+ (aq) + 5F e3+ (aq) + 4H2 O K= [F e3+ ]5 [M n2+ ] [M nO4− ][H + ]8 [F e2+ ]5 Die Gleichgewichtskonstante lässt sich aus den Standardreduktionspotenzialen berechnen. Standardreduktionspotenziale sind tabellierte Werte, mit deren Hilfe entschieden werden kann, ob und unter welchen Bedingungen eine Redoxreaktion abläuft. Ähnliche Fragestellungen findet man bei Säure–Base–, Komplexbildungs– und Fällungsreaktionen. Die benötigten Gleichgewichtskonstanten für diese Reaktionen sind oft bekannt. Andernfalls können die oben erwähnten Standardreduktionspotenziale entsprechenden Tabellen entnommen werden. Das heisst, eine quantitative Berechnung ist fast immer möglich. 2.1.5 Konzentrationseinheiten Bei der Angabe der Konzentrationen können verschiedene Einheiten verwendet werden, welche bezogen auf wässrige Systeme nachfolgend eingeführt werden: • Massenprozente (Gramm Substanz pro 100 g Lösung) • Molarität (Mol Substanz in 1 Liter Lösung) • Molalität (Mol Substanz in 1 kg Lösungsmittel) • Molenbruch (Der Quotient der Stoffmenge in mol einer Komponente und der Summe der Stoffmengen aller Komponenten eines Gemisches) Löslichkeitsangaben werden oft auf 100 g Wasser bezogen. Dies ist ein Beispiel dafür, dass die Verwendung bestimmter Einheiten nicht selten von ihrer speziellen Anwendung abhängt. 20 3 Säuren und Basen Schon sehr früh versuchte man, Ursache und Wirkung von Säuren und Basen zu erforschen. A. L. Lavoisier (1743 - 1794) hielt noch den Sauerstoff (Oxygenium = Säurebildner) für die Ursache der sauren Wirkung eines Stoffes, da beim Auflösen vieler Nichtmetalloxide (vgl. Tabelle 1 Säureanhydride) in Wasser saure Lösungen (Säuren) entstehen. Später wiesen dann H. Davy (1779 - 1829) und vor allem J. Liebig (1803 1873) dem durch Metalle ersetzbaren Wasserstoff die säurebildende Rolle zu. Unser heutiges Verständnis der Säurewirkung in wässrigen Lösungen geht auf S. Arrhenius (1859 - 1927) zurück, der die sauren Eigenschaften einer Verbindung nicht auf das Wasserstoffatom, sondern auf das Wasserstoffion (Proton, H+ ) zurückführte. Im folgenden seien einige Eigenschaften von Säuren und Basen zusammengefasst: Säuren: – saurer Geschmack – färben manche blauen Pflanzenfarbstoffe rot (Indikator) – lösen Marmor – enthalten Sauerstoff (Lavoisier) – enthalten Wasserstoff, der durch Metalle ersetzt werden kann (Liebig) Basen: – schmecken unangenehm scharf und seifig – laugenartiges Gefühl – enthalten OH–Gruppen – OH ist durch Säurereste ersetzbar Säuren und Basen neutralisieren sich gegenseitig, wenn auch nicht notwendigerweise komplett. 21 3 SÄUREN UND BASEN 3.1 Die Theorien von Arrhenius, Brönsted und Lewis Arrhenius (1883): • Säuren: Wasserstoffverbindungen, die in wässriger Lösung H + –Ionen abgeben (z.B. HX (X = Cl, Br, I), H2 SO4 , HN O3 , H3 P O4 , HAc aber auch N H4 Cl ). Kleine, hochgeladene, elektronegative (Nichtmetall-)Kationen bilden mit Sauerstoff i.d.R. Säureanhydride oder saure Oxide y E + O2 EOy 2 bzw. S + O2 SO2 , die sich mit Wasser zu Säuren umsetzen. (Formulieren Sie einige solcher Umsetzungen). • Basen: Hydroxylverbindungen, die in wässriger Lösung OH − –Ionen bilden (z.B. M OH (M = Li, N a, K, Rb, Cs), M 0 (OH)2 (M 0 = Ca, Sr, Ba )) Grosse, niedriggeladene, elektropositive Kationen bilden mit Sauerstoff i.d.R. Basenanhydride oder basische Oxide y M + O 2 M Oy 2 bzw. 1 2N a + O2 N a2 O, 2 22 3.1 Die Theorien von Arrhenius, Brönsted und Lewis Tabelle 1: Anhydride, ihre Säuren, Basen und Wertigkeit Anhydrid Säure Wertigkeit N2 O 5 HN O3 1 P2 O 5 H3 P O 4 3 SO2 H2 SO3 2 CO2 H2 CO3 2 I2 O7 = ˆ I2 O5 + O2 H5 IO6 = ˆ HIO4 (H2 O)2 1 N a2 O CaO Al2 O3 Base N aOH Ca(OH)2 Al(OH)3 1 2 3 die sich mit Wasser zu Basen umsetzen. (Formulieren Sie einige solcher Umsetzungen). • Neutralisation: Bildung von Wasser und Säure–Base–Paaren (= Salze) H + + OH − H2 O ∆H 0 N aOH + HCl N aCl + H2 O ∆H 0 (3) (4) Arrheniussäuren und -basen dissoziieren in H2 O mehr oder weniger stark: M OH M + + OH − HXOy H + + XOy Die Stärke von Säuren und Basen (Säurestärke, Basenstärke) wird durch die Dissoziationskonstanten bestimmt. Die Neutralisationswärme geht im wesentlichen auf die Bildung von undissoziiertem H2 O zurück (s. Gleichung 3 und 4) . Die Arrheniusdefinition ist auf Wasser als Lösungsmittel beschränkt. 23 3 SÄUREN UND BASEN Brönsted (1923): • Protonen werden von Säuren abgegeben und von Basen aufgenommen. HA H + + A− Säure H + + konjugierte Base H + + B HB + H + + Base konjugierte Säure Zwischen Säuren und Basen entsteht eine Konkurrenz um das Proton, das sogenannte Protolysengleichgewicht: HA + B HB + + A− N H3 + H2 O N H4+ + OH − > Ammoniak-Springbrunnen • Ampholyte (amphotere Stoffe) können je nach Reaktionspartner oder nach Lösungsmittel als Säuren oder Basen wirken: H2 O, N H3 , Al(OH)3 , . . . > Protolyse eines Aluminiumsalzes Die Brönsted–Definition ist nicht mehr auf Wasser als Lösungsmittel beschränkt. Sie gilt für alle protischen, d.h. H + -liefernden Lösungsmittel. Lewis (1923): 24 3.1 Die Theorien von Arrhenius, Brönsted und Lewis • Säuren sind Elektronenpaarakzeptoren > Bestimmung der Akzeptorfähigkeit (Lewis-Säure-Charakter) von Lösungsmitteln • Basen sind Elektronenpaardonatoren > Bestimmung der Donorfähigkeit (Lewis-Base-Charakter) von Lösungsmitteln • Säure-Base-Reaktion: Bildung einer Bindung zwischen einer Säure und einer Base über ein Elektronenpaar. BF3 + N H3 −→ BF3 N H3 > Lewissäureverhalten der Borsäure gegenüber Mannit SnCl4 + Cl− −→ SnCl5− SnCl5− + Cl− −→ SnCl62− Cu2+ + N H3 −→ CuN H3 2+ (Machen Sie sich klar welche Spezies Säuren und welche Basen sind). Die Theorie von Lewis (1875 - 1946) hat den Säure-Base-Begriff nochmals erweitert und vom Proton bzw. vom Hydroxidion völlig unabhängig gemacht. 25 3 SÄUREN UND BASEN 3.2 Protolysengleichgewicht im Wasser und pH-Wert Die Messung der elektrischen Leitfähigkeit von reinem Wasser zeigt, dass dieses in geringem Masse Ionen enthält. Diese Ionen entstehen aus der sogenannten Eigendissoziation des Wassers (Autoprotolyse). Die Konzentrationen der beiden entstehenden Teilchen H + (aq) und OH − (aq) betragen jeweils 1.0 · 10−7 mol · l−1 bei 25◦ C . Im Protolysengleichgewicht kann Wasser als Ampholyt formuliert werden H2 O + H2 O H3 O+ + OH − (aq) =⇒ S1 + B1 B2 + S2 oder einfacher als H2 O H + (aq) + OH − (aq). Danach ist das sogenannte Ionenprodukt des Wassers [H + ] · [OH − ] = Kw = 1.0 · 10−14 M 2 (25o C) Die eckigen Klammern [ ] bezeichnen Konzentrationsangaben. In einer sauren Lösung ist [H + ]>[OH − ], in einer alkalischen dagegen [OH − ]>[H + ]. Bei [H + ] = [OH − ] spricht man von einer neutralen Lösung. Es ist üblich zur Charakterisierung einer wässrigen Lösung den pH-Wert anzugeben pH = − log[H + ] und pH + pOH = 14, zu dessen Berechnung näherungsweise die Konzentration anstelle der Aktivität (Wirkkonzentration) der Wasserstoffionen eingesetzt wird. Der pH-Wert einer Lösung kann mit Hilfe einer galvanischen Zelle und einem pH-Meter gemessen werden. Sein Wert liegt in wässrigen Lösungen in einem Bereich zwischen pH = 0 ([H + ] = 1 M; stark saure Lösung), pH = 7 (neutral) und pH = 14 ([H + ] = 10−14 M und [OH − ] = ˆ 1 M; stark alkalische bzw. basische Lösung). 26 3.2 Protolysengleichgewicht im Wasser und pH-Wert Saurer Bereich cH3 O+ > cOH − pH < 7 pH 0 1 2 3 4 Basischer Bereich cOH − > cH3 O+ pH > 7 Neutralität cH3 O+ = cOH − pH = 7 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 cH3 O+ 1 10−1 10−2 10−3 10−4 10−5 10−6 10−7 10−8 10−9 10−10 10−11 10−1210−13 10−14 cOH − 10−14 10−13 10−12 10−11 10−10 10−9 10−8 10−7 10−6 10−5 10−4 10−3 10−2 10−1 1 Zunehmende Acidität Zunehmende Basizität Abbildung 7: Acidität wässriger Lösungen. Für wässrige Lösungen gilt das Ionenprodukt des Wassers. Es beträgt bei 25◦ C : cH3 O+ · cOH − = 10−14 mol2 l−2 . Anmerkung: Der pH-Wert einer 1 · 10−4 M HCl ist 4, der einer 1 · 10−10 M HCl jedoch nicht 10 sondern etwa 7. 3.2.1 Indikatoren Der pH–Wert kann elektrochemisch oder über Indikatoren bestimmt werden. Indikatoren sind Farbstoffsäuren oder Farbstoffbasen, die stark gefärbte Lösungen haben und deren Überführung zur konjugierten Base oder Säure von einer deutlichen Farbänderung begleitet wird. (s. Tabelle 2 für die Säuren: HMO, HMR und HBTB). > Farbreaktionen des Phenolphthaleins Indikatoren können daher sowohl zur Abschätzung als auch zur genauen Messung des pH-Wertes einer Lösung verwendet werden, wobei im zweiten Fall nicht mehr das Auge, sondern ein Spektralphotometer oder ein Kolorimeter zur Farbbestimmung eingesetzt wird. Indikatoren werden oft zur Anzeige von pH-Änderungen bei Säure-BaseTitrationen eingesetzt. Dabei sollte die beigefügte Menge Indikator möglichst klein sein, sodass die Titration durch ihn nicht verfälscht wird. Eine entsprechende Kontrolle ist immer empfehlenswert. 27 3 SÄUREN UND BASEN Für eine Farbstoffsäure H(Ind) gilt: H(Ind) + H2 O (Ind)− + H3 O+ KHInd = [H + ][Ind− ] [HInd] Wenn HInd und Ind− unterschiedlich gefärbt sind, lässt sich zeigen, dass mit dem Auge ein Farbumschlag im pH-Intervall pH = pK(HInd) ± 1 wahrgenommen werden kann. 28 3.3 Schwache Säuren und Basen 0 1 2 3 4 rot 1,2-2,8 rot 1,3-3,2 rot 6 7 8 9 10 violett 0,1-3,2 gelb 5 12 13 14 pH Methylorange gelb Thymolblau gelb 2,94,0 Tropäolin 00 gelb Dimethylgelb gelb 3,0-4,6 violett Bromphenolblau rot 3,13,3 orange Methylorange gelb 4,0-5,6 rot Bromkresolgrün blau 4,4-6,2 farblos gelb 5,0-7,0 gelb 6,27,6 p-Nitrophenol blau 6,88,0 gelb Kresolrot Mehtylrot gelb rot Neutralrot Thymolblau Bromthymolblau gelb 7,2-8,8 rot 8,0-9,6 gelb farblos Phenolphthalein blau 8,0-10.0 farblos Thymolphthalein Tropäolin 0 rot 9,410,5 gelb Alizaringelb blau 10,0-12,0 gelb Lackmus rot 11,0-13,0 farblos Sym. Trinitrobenzoesäure 0 11 orangebraun 12,013,5 orange 4,5-8,3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 pH Tabelle 2: Umschlagintervalle einiger Säure–Base–Indikatoren bei Raumtemperatur 3.3 Schwache Säuren und Basen Arrhenius hat gezeigt, dass bei schwachen Säuren und Basen Dissoziationskonstanten definiert werden können nach: 29 3 SÄUREN UND BASEN HA(aq) H + (aq) + A− (aq) als KS = [H + ][A− ] [HA] und nach B(aq) + H2 O BH + (aq) + OH − (aq) als KB = [BH + ][OH − ] . [B] Ausserdem gilt pKB (B) = pKw − pKS (HB + ) KS und KB werden als Aciditäts– und Basizitätskonstante bezeichnet. Schwache Säuren werden durch KS -Werte charakterisiert, die wesentlich kleiner als 10−1 sind. Entsprechendes gilt für schwache Basen. Starke Säuren und Basen haben KS - bzw. KB -Werte grösser als 100. Ihre Bestimmung ist in diesem Falle schwierig, da die Konzentrationen von H + bzw. OH − nahezu identisch mit der eingesetzten Säure– oder Basekonzentration sind. Anstelle der KS - bzw. KB -Werte werden oft ihre negativen Dezimallogarithmen verwendet, die sogenannten pKS - bzw. pKB -Werte. Eine Liste häufig gebrauchter pKS -Werte ist in der Tabelle 3 zu finden. 30 3.3 Schwache Säuren und Basen Tabelle 3: Gleichgewichtskonstanten für die Protonenabspaltung einiger Säuren in wässriger Lösung. pKs −Werte einiger Säure-Base-Paare bei 25◦ C (pKs = - lg Ks ) Säure Base pKs − HClO4 ClO4 -10 − HCl Cl -7 − - 3,9 H2 SO4 HSO4 + H3 O H2 O - 1,74 − HNO3 NO3 - 1,37 − 2− HSO4 SO4 + 1,96 − H2 SO3 HSO3 + 1,90 − H3 PO4 H2 PO4 + 2,16 3+ 2+ [Fe(H2 O)6 ] [Fe(OH)(H2 0)5 ] + 2,46 − HF F + 3,18 − CH3 COOH CH3 COO + 4,75 Stärke der 3+ 2+ [Al(OH)(H2 O)5 ] + 4,97 Säure nimmt [Al(H2 O)6 ] y zu CO2 + H2 O HCO− + 6,35 3 x [Fe(H2 O)6 ]2+ [Fe(H2 O)5 OH]+ + 6,74 Stärke der − H2 S HS + 6,99 Base nimmt HSO− SO2− + 7,20 zu 3 3 H2 PO− HPO2− + 7,21 4 4 2+ + [Zn(H2 O)6 ] [Zn(H2 O)5 OH] + 8,96 − HCN CN + 9,21 + NH3 + 9,25 NH4 − 2− CO3 +10,33 HCO3 − H2 O2 HO3 +11,65 2− 3− HPO4 PO4 +12,32 − 2− HS S +12,89 − H2 O OH +15,74 − 2− OH O +29 31 3 SÄUREN UND BASEN In der Tabelle 3 werden auch zwei- und dreiprotonige Säuren aufgeführt. Deren pKS -Werte wurden durch Extrapolation der pKS -Werte bei gegebenen Konzentrationen der Komponenten und unter Berücksichtigung der P entsprechenden Ionenstärken I, für I −→ 0 erhalten ( I = 12 ci zi2 , wobei ci die molare Konzentration und zi die Ladung der Komponente i in der Lösung darstellt). Dieses Vorgehen ist notwendig um den Einfluss der interionischen Wechselwirkungen auf die Konstanten zu eliminieren, die proportional zur Ionenstärke sind. Es ist bei potentiometrischen Messungen üblich alle Lösungen mit dem gleichen Inertsalz der gleichen molaren Konzentration zu versehen, um durch die Aktivitätskoeffizienten wie auch die Diffussionspotenziale an den Phasengrenzen der verwendeten Messzellen konstant halten zu können. Zwischen der Aktivität a und der Konzentration c eines Ions gilt, wie schon erwähnt, folgende Beziehung a = fc · c wobei der Aktivitätskoeffizient fc mit der Ionenstärke variiert nach √ zi2 I √ lg fc = −0.5 1+ I für Ionenstärken < 0.1. Die Konstanten KS und KB lassen sich mit verschiedenen Methoden bestimmen: • pH-Messungen • Leitfähigkeitsmessungen • kolligative Eigenschaften (Gefrierpunktserniedrigung,...) • spektrophotometrisch 32 3.3 Schwache Säuren und Basen Eine Bestimmung der Dissoziationskonstanten KS der Säure HA lässt sich leicht durch Messung des pH-Wertes einer wässrigen Lösung bekannter Konzentration c durchführen. Durch Einstellung des Gleichgewichts werden die für die verschiedenen Spezies angegebenen Konzentrationen erreicht. HA H + + A− Anfang: c 0 0 + + Gleichgewicht: c − [H ] [H ] [A− ] = [H + ] Die Berechnung von KS erfolgt dann leicht durch Einsetzen: KS = [H + ][A− ] [H + ]2 [H + ]2 = = [HA] [HA] − [H + ] c − [H + ] (5) Aus dem gemessenen pH-Wert erhält man die Wasserstoffionenkonzentration [H + ], die zusammen mit c, der Menge der zugegebenen Säure, die Berechnung von KS erlaubt. Diese Methode kann zu wesentlich genaueren Werten führen, wenn man die Ausgangslösung mit starker Base titriert und damit die Säure neutralisiert. Man erhält dann eine sogenannte Titrationskurve, deren Auswertung den Wert für KS ergibt. Man kann in etwa folgende Einteilung der Säuren treffen: • Starke Säuren: pKS ≤ 0 • Mittelstarke Säuren: 0 ≤ pKS ≤ 4 • Schwache Säuren: 4 ≤ pKS ≤ 9 • Sehr schwache Säuren: pKS ≥ 9 Verdünnte Lösungen haben Konzentrationen von cs /cb ≤ 1M. Damit ersteckt sich der pH-Bereich auf 0 ≤ pH ≤ 14. Vollständige Protonierung von H2 O Reines Wasser —- 55.55M pH zwischen -1 und -2 33 3 SÄUREN UND BASEN Tabelle 4: Selbstprotonierung von Supersäuren Säure Formel x saurer Dischwefelsäure H2 S2 O7 1015 Fluoroschwefelsäure HSO3 F 1015 Magische Säure (HSO3 F )3 (SbF5 ) 1021.5 Starke Säuren und Supersäuren protonieren sich selbst Konz. H2 SO4 ist ca 1012 mal saurer als 1M H2 SO4 Alle Säuren, die noch stärker sind heissen Supersäuren Superlewissäuren erniedrigen die Konzentration der konjugierten Base. Supersäuren können extrem schwache Basen protonieren: HCOOH + HA+ HCOOH2+ HCHO + HA+ HCHOH + D2 + HA+ DH + DS + Spaltung von D2 HN O3 + H2 SO4 H2 N O3+ + HSO4− > Nitriersäure Darstellung und Verbrennung von Schiessbaumwolle (CH3 )3 CH + HS + −→ (CH3 )3 C + + H2 + S Hydridabspaltung Ausserhalb des (normalen) pH-Bereiches (0-12) können die Spezies H3 O+ und OH − nicht mehr vollständig von H2 O hydratisiert sein. Zusätzlich können sie auch direkt von der Säure bzw. Base geliefert werden. Damit sind die normalen pH-Messungen gestört. 34 3.3 Schwache Säuren und Basen 3.3.1 Trends Bei Arrheniussäuren und –basen hängt der jeweilige Charakter von der gegenseitigen Stärke der Bindungen M n+ − − −O2− − − −H + ab. • Je kleiner das Kation M n+ desto stärker die M—O–Bindung (Polarisation von O2− ). • Je höher geladen das Kation desto stärker die M—O–Bindung (CoulombWechselwirkung). • Je elektronegativer das Kation desto stärker die M—O–Bindung (kovalenter Anteil). • Je stärker die M—O–Bindung desto höher der Säurecharakter. Säurestärke in einer Gruppe: Be(OH)2 > M g(OH)2 > Ca(OH)2 > Sr(OH)2 > Ba(OH)2 Säurestärke in einer Periode: N a(OH) < M g(OH)2 < Al(OH)3 < Si(OH)4 < OP (OH)3 = ˆ (H3 P O4 ) < O2 S(OH)2 = ˆ (H2 SO4 ) < O3 Cl(OH) = ˆ (HClO4 ) 35 3 SÄUREN UND BASEN 3.3.2 Aciditätsregeln nach Pauling Für Säuren der Form On E(OH)m hat L.Pauling folgende Regeln angegeben: 1. Für eine stufenweise Dissoziation solcher Säuren gilt mit Kl = [On E(OH)m ] + [H ]l [On+l E(OH)m−l ] K2 K1 ' ' 105 K2 K3 bzw. pKS ' 8 − 5m. 2. Damit erhält man folgende Klassifizierung: n 0 1 2 3 pK1 Art der Säure ' 7 sehr schwach ' 2 schwach ' -3 stark ' -8 sehr stark Ladung von E E m+ E (m+2)+ E (m+4)+ E (m+6)+ In anderen Lösungsmitteln als Wasser treten andere pKS - und pKB -Werte auf. pKs -Werte einiger Säuren in Wassser und flüssigem Ammoniak als Lösungsmittel Säure pKs in Wasser pKs in flüssigem Ammoniak + NH4 9,3 -1,62 H2 N–CN 10,4 0 PH3 27 16 36 3.4 Abhängigkeit des Säure-Base-Gleichgewichts vom pH-Wert > Neutralisation in flüssigem Ammoniak Der Bereich der Säurestarken, der in einem Lösungsmittel untersucht werden kann ist umso grösser, je geringer die Autoprotolyse des Lösungsmittels ist. (vgl. Zunahme der Säurestärke von HCl in Alkoholen). NH3 H2 O HCOOH CH3 COOH H2 SO4 (C2 H5 )2 O -20 -15 -10 -5 0 +5 +10 +15 +20 +25 +30 pKs Abbildung 8: pKs -Bereiche für verschiedenen Lösungsmittel, innerhalb derer eine Differenzierung nach Säurestärken möglich ist. 3.4 Abhängigkeit des Säure-Base-Gleichgewichts vom pH-Wert Aus der Definition von KS (s. Gl. 5) erhält man durch Logarithmieren pKS = pH − lg [A− ] [HA] (Henderson-Hasselbalch-Gleichung) (6) Diese Gleichung kann zur Berechnung der sogenannten Pufferkurve im Neutralisationsgrad–pH–Diagramm verwendet werden. Der Neutralisationsgrad ist wie folgt definiert: g= [A− ] [A− ] + [HA] 37 3 SÄUREN UND BASEN Wie der Name Neutralisationsgrad schon sagt, stellt dieser den Anteil der Säure dar, der neutralisiert wurde. Das bedeutet, dass sein Wert nur zwischen 0 und 1 liegen kann und dass ausserdem g [A− ] = [HA] 1−g gilt. Eine Änderung des pKS führt wegen Gleichung 6 zu einer entsprechenden Verschiebung der Pufferkurve, deren Form aber erhalten bleibt. Aus der graphischen Darstellung der Pufferkurve kann man für beliebige pHWerte entnehmen, welcher Neutralisationsgrad erreicht wurde. Abbildung 9: Pufferkurve einer einprotonigen Säure mit pKS = 5 Die Abbildung 9 zeigt die Pufferkurve einer Essigsäure-Acetat-Pufferlösung. Die beste Pufferwirkung hat eine 1:1 Mischung (pH =4,75). H3 O+ -Ionen werden von CH3 COO− -Ionen, OH − -Ionen von CH3 COOH gepuffert: Pufferung von OH− −−−−−−−−−−−−→ CH COO− + H O+ CH3 COOH + H2 O ← 3 3 −−−−−−−−−−−− − + Pufferung von H3 O Solange dabei das Verhältnis CH3 COOH/CH3 COO− im Bereich 0,1 bis 10 bleibt, ändert sich der pH-Wert nur wenig. 38 3.4 Abhängigkeit des Säure-Base-Gleichgewichts vom pH-Wert Aus dieser Abbildung können also die Konzentrationen der vorhandenen Säure und ihrer konjugierten Base ermittelt werden. Sie eignet sich hervorragend zur anschaulichen Darstellung der Überführung einer Säure in die konjugierte Base. Man erkennt, dass bei einem Neutralisationsgrad von 0.5 der pH-Wert nur minimal mit der Basenzugabe steigt. Dieser Bereich ist also der günstigste zur Verwendung des konjugierten SäureBase-Paares als Puffer. > Das Puffersystem Essigsäure - Natriumacetat Eine Pufferlösung verhält sich so, dass ihr pH-Wert sich, auch bei Zugabe erheblicher Mengen starker Säuren oder Basen, nur unwesentlich ändert. Dies gilt besonders im Bereich pH = pKS ± 0.5. Als Beispiel betrachten wir eine Essigsäure-Natriumacetat–Pufferlösung ( pH = pKS = 4.75) mit [HOAc]◦ = 0.5 M und [N aOAc]◦ = 0.5 M. In 100 ml einer solchen Lösung werden 0,05 mol HCl gegeben. Wie gross ist die resultierende pH-Änderung? HCl, als starke Säure, wird vollständig dissoziieren. Die dadurch entstehenden Protonen werden quantitativ mit dem aus Natriumacetat entstandenen Acetatanion reagieren und es entsteht Essigsäure. Daher wird also die Essigsäurekonzentration um diesen Betrag erhöht, die Acetationenkonzentration jedoch um denselben Betrag verringert. Die neuen Gleichgewichtskonzentrationen der relevanten Komponenten in Lösung sind also: 39 3 SÄUREN UND BASEN [HOAc] = 0.5 + 0.05 = 0.55M [OAc− ] = 0.5 − 0.05 = 0.45M Der pH-Wert der Lösung kann dann mit Hilfe der Gleichung 6 berechnet werden: [OAc− ] 0.45 pH = pKS + = 4.75 + log = 4.66 HOAc] 0.55 Die berechnete pH-Änderung beträgt also 0.09. Ohne Puffer wäre die Lösung am Anfang neutral und nach der Reaktion hätte sie mit [H + ] = 0.05 M einen pH-Wert von 1.30, was einer Änderung um 5.7 pH-Einheiten entspräche. Bei Pufferlösungen ist aber nicht nur der pH-Wert, sondern auch die Konzentration der Komponenten wichtig. Dies wird deutlich, wenn wir für die oben betrachtete Reaktion eine verdünntere Pufferlösung verwenden. Bei einer 5mal verdünnteren Lösung seien folgende Anfangskonzentrationen gegeben: [HOAc]◦ = 0.1M und [OAc− ]◦ = 0.1M Die neuen Gleichgewichtskonzentrationen und der pH-Wert sind dann [HOAc] = 0.15M und [OAc− ] = 0.05M sowie pH = 4.75 − 0.48 = 4.27, d.h. die pH-Änderung wäre also in diesem Fall ca. 5mal grösser. 40 3.4 Abhängigkeit des Säure-Base-Gleichgewichts vom pH-Wert Der Stoffwechsel von Organismen beruht auf Säure-Base-Reaktionen und viele dieser Reaktionen reagieren sehr empfindlich auf pH-Änderungen. So sind z. B. Enzyme der meisten Lebewesen nur in einem eng begrenzten pH-Bereich katalytisch wirksam. Hydrogencarbonat- und Phosphatpuffer sind Puffersysteme, die in Organismen häufig anzutreffen sind. Sie zeigen eine grosse Pufferwirkung, die auch nötig ist, wenn man z.B. nur den weiten pH-Bereich der eingenommen Nahrungsmittel betrachtet. > Das Puffersystem Essigsäure - Natriumacetat, Hydrogencarbonat - Carbonat Gleichgewicht 41 3 SÄUREN UND BASEN 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen Der pH-Wert ist das Bindeglied zur Ermittlung aller Gleichgewichtskonzentrationen in wässriger Lösung. Man geht so vor, dass man so viele Gleichgewichtsbedingungen formuliert, wie Unbekannte (Konzentrationen) ermittelt werden müssen. Wir betrachten folgende Konzentrationen: [HA] Konzentration an nicht dissoziierter Säure [H+ ] Wasserstoffionenkonzentration [A− ] Konzentration der Säureanionen [OH− ] Hydroxidionenkonzentration. Die folgenden vier Grundbedingungen können nun immer aufgestellt werden: 1. Massenwirkungsgesetz KA = [H + ][A− ] [HA] 2. Massenerhaltung [HA]0 = [HA] + [A− ] 3. Elektroneutralität [H + ] = [OH − ] + [A− ] 4. Ionenprodukt des Wassers KW = [OH − ][H + ] Durch Kombination dieser Gleichungen erhält man: KW [H + ]([H + ] − [H +] ) [H + ][A− ] [H + ]([H + ] − [OH − ]) KA = = = KW [HA]0 − [A− ] [HA]0 − ([H + ] − [OH − ]) [HA]0 − ([H + ] − [H +] ) und damit die Gleichung 3. Grades in [H + ] 42 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen [H + ]3 + KA · [H + ]2 − (KW + KA · [HA]0 )[H + ] − KW KA = 0, (7) die mit x = 10lg x als [HA]0 = 10pKA −2pH + 10−pH + 10pKA −pKW = 10pH−pKW formuliert werden kann. Jede Säure bzw. Base hat einen eigenen pKA - bzw. pKB -Wert; deren Werte können über den gesamten pH-Bereich streuen. Stellt man entsprechende [HA0 ] / pH -Abhängigkeiten dar, so ergibt sich die Abbildung 10. Abbildung 10: [HA0 ]/pH-Abhängigkeiten für verschiedene pKA - Werte. [B0 ]/pH-Abhängigkeit für verschiedene pKB -Werte. 43 3 SÄUREN UND BASEN Was kann man über kleine bzw. grosse Konzentrationen [HA0 ] aussagen? Abbildung 10 kann direkt zum Abschätzen von pH-Werten benutzt werden. 3.5.1 Logarithmische pH-Diagramme In logarithmischen pH-Diagrammen wird der pH-Wert gegen den Logarithmus der Konzentration (lg[ ] ) einer eingesetzten Substanz (Säure, Base, Salz) aufgetragen. In Abbildung 11 ist das für eine 0.01M-Lösung von Benzoesäure (pKA = 4.19) dargestellt. Abbildung 11: Logarithmisches pH-Diagramm der Benzoesäure für die Konzentration [HA]0 = 0, 01M Daraus können zunächst viele prinzipielle Details entnommen werden (Je nach Situation können Vereinfachungen angebracht werden, bei denen Teilbedingungen vernachlässigt werden können): • Bei niedrigen pH-Werten liegt die Säure praktisch undissoziiert vor. 44 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen • Bei P1 ist immer noch [HA] ' [HA]0 = [H + ]. Das entspricht einer Mischung einer starken und einer schwachen Säure. • Die Benzoesäure als schwache Säure erreicht bei dieser Konzentration nur den Wert pH1 (P2). Es gilt: [A− ] = [H + ] > [HA] ' [HA]0 [OH − ] Genauso wie mit reiner Benzoesäure kann dieser pH-Wert aber auch mittels einer äquimolaren Mischung von K-Benzoat und HCl eingestellt werden, da die HCl die A− -Anionen komplett protoniert unter Bildung von HA und gelöstem KCl. • Bei P3 knicken die [HA] und [A− ]-Geraden ab; das zeigt, dass hier starke Abhängigkeiten auftreten. Mit pH = pKA gilt auch: [HA] = [A− ] > [H + ] [OH − ] Diesen Punkt ( pKA / lg[HA]0 − 0.3010 ) erreicht man immer dann, wenn man äquimolare Mengen von einer schwachen Säure und ihrem Salz mit einer starken Base vorlegt (Pufferlösung). • P4 bezeichnet KW in reinem Wasser. • P5 wird eingestellt durch eine Lösung eines Salzes der schwachen Säure (mit einer starken Base), z.B. K-Benzoat. Folgende Reaktionen sind zu berücksichtigen A− + H2 O OH − + HA und 2H2 O OH − + H + woraus [OH − ] = [HA] + [H + ] folgt. Ausserdem ist aber im alkalische Bereich [HA] [H + ] 45 und damit 3 SÄUREN UND BASEN [OH − ] ' [HA]. Natürlich kann dies auch erreicht werden, indem das Salz in situ gebildet wird; z.B. aus äquimolaren Mengen von HA und einer starken Base wie KOH. • Bei P6 liegt analg zu P1 eine Mischung einer starken Base (z.B. KOH) mit einer schwachen Base vor. Dabei ist dann die schwache Base vollständig deprotoniert, und der pH-Wert wird ausschliesslich durch die Konzentration der starken Base bestimmt. 3.5.2 Lösungen starker Säuren HA bzw. Basen MOH Bei starken Säuren lässt sich der pH-Wert direkt berechnen mit pH = − lg[HA]0 ; (8) pH = 14 + lg[M OH]0 . (9) bei starken Basen gilt (Der Index 0 steht wieder für die zugegebene Menge Verbindung bzw. für Zeitpunkt t=0). Die Gleichungen 8 und 9 gelten aber nur für Konzentrationen von [HA]0 bzw. [M OH]0 > 10−5 M. Unterschreitet die Konzentration der zugegebenen Säure bzw. Base diese Grenze so muss die Autoprotolyse des Wassers berücksichtigt werden. Beispiel: starke Säure: [HA]0 = 1 · 10−7 M 46 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen HA −→ H + + A− 10−7 + 10−7 schwache Säure: H2 O −→ H + + OH − x + x Wir wollen die beiden Teilsysteme, Wasser und Säure, getrennt betrachten. Wir wissen, dass die starke Säure vollständig dissoziiert. Dabei entstehen Protonen und Anionen. Bei der Dissoziation des Wassers entstehen ebenso viele OH − - wie H + -Ionen. Die Konzentrationen hängen von KW und [HA]0 ab. Damit können die folgenden Zusammenhänge abgeleitet werden: [H + ] = [HA]0 + x (10) [OH − ] = x (11) Mit Hilfe der Ionenproduktgleichung des Wassers, [H + ] · [OH − ] = 10−14 , die in wässrigen Systemen für 0 ≤ pH ≤ 12 immer gilt, und mit Gl. 10 folgt ([HA]0 + x) · [OH − ] = 10−14 , Ersatz von x mit Gl. 11 ergibt ([HA]0 + [OH − ]) · [OH − ] = 10−14 , und mit [HA]0 = 10−7 erhält man (10−7 + [OH − ]) · [OH − ] = 10−14 47 3 SÄUREN UND BASEN sowie [OH − ]2 + 10−7 · [OH − ] − 10−14 = 0, Dann ist [OH − ] = −0.5 · 10−7 + r 10−14 + 10−14 = 6.18 · 10−8 M, 4 pOH = 7.209 sowie pH = 14 - pOH = 14 - 7.209 = 6.791 und [H + ] = 1.618 · 10−7 Von der letzteren Konzentration stammen 1 · 10−7 aus [HA] und 0.618·10−7 aus H2 O. Zeigen Sie in Abbildung 10, wie sich der pH-Wert ändert in Abhängigkeit von der Konzentration einer starken Säure zwischen 1 M und 10−14 M . Die pH-Wertberechnung für die Mischung einer starken (HA2 ) und einer schwachen Säure (HA1 ) kann auch auf einfache Weise gleich als Funktion der Protonenkonzentration geschrieben werden. Dabei ist der Korrekturfaktor vor der Wurzel nun positiv, weil [H + ] um diesen Betrag grösser ist (um den [OH − ] kleiner ist): r [HA ] [HA2 ]20 2 0 [H + ] = + + KHA1 · [HA1 ]0 2 4 Die Differenz zwischen [H + ] und [OH − ] ist also [HA2 ]0 , die Ausgangskonzentration der starken Säure. 48 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen 3.5.3 Lösungen schwacher Säuren bzw. Basen Wir haben bereits besprochen, wie aus der pH-Messung einer Lösung einer schwachen Säure HA die Dissoziationskonstante dieser Säure erhalten werden kann. Ist die Dissoziationskonstante KA einer solchen Säure bekannt, so kann man aus Gl. 5 den pH-Wert für eine Lösung der Gesamtkonzentration c bestimmen. Die stöchiometrischen Gleichungen lauten wie folgt: c = [HA]0 = [HA] + [A− ] In dieser Bilanz liegt die zugegebene Säure in Form eines dissoziierten Anions (A− ) und eines nicht dissoziierten Anteils HA in Lösung vor. c = [H + ]t = [HA] + [H + ] − [OH − ] (12) Diese Gleichung beschreibt die Protonenbilanz des Systems. Alle zugegebenen Protonen [H + ]t können entweder als H + oder als HA vorliegen. Die aus der Dissoziation des Wassers entstehenden Protonen müssen noch abgezogen werden. Ihre Konzentration ist mit [OH − ] identisch. Des weiteren gelten die bekannten Beziehungen [H + ] · [OH − ] = 10−14 und KA = [H + ][A− ] . [HA] 49 3 SÄUREN UND BASEN Abbildung 12: Logarithmisches pH-Diagramm einer Säure mit pKA = 6.8 für die Konzentration [HA]0 = 10−6.5 M Insgesamt müssen wir hier ein System von vier Gleichungen mit vier Unbekannten ([H + ], [HA], KA und [OH − ]) berücksichtigen. Dies führt zu einer Gleichung dritten Grades in [H + ]. [H + ]3 + KA [H + ]2 − (KW + KA · [HA]0 )[H + ] − KW · KA = 0 (13) – vgl. Gl. 7 . In den meisten Fällen ist eine der Konzentrationen [H + ] oder [OH − ] gegenüber der anderen vernachlässigbar klein und kann aus der zweiten stöchiometrischen Gleichung (12) eliminiert werden. Das gilt für die in Abbildung 13 dargestellte Situation. 50 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen Abbildung 13: Logarithmisches pH-Diagramm einer Säure mit pKA = 6.8 für die Konzentration [HA]0 = 10−4 M Damit gilt [A− ] [OH − ] [H + ]2 = KA [HA] und [H + ] = [A− ]. Hieraus folgt [H + ]2 = KA ([HA]0 − [H + ] bzw. und [H + ]2 + KA · [H + ] − KA · [HA]0 = 0 sowie schliesslich [H + ] = r KA · [HA]0 + KA2 KA − 4 2 (14) Diese Gleichung liefert in weiten Konzentrationsbereichen genaue Ergebnisse. Liegt eine Situation wie in Abbildung 11 vor, so kann auch noch die Abnahme der Konzentration der undissoziierten Säure ([HA] = [HA]0 ) vernachlässigt werden, und es gilt näherungsweise 51 3 SÄUREN UND BASEN [H + ] = p KA · [HA]0 (15) oder pH = pKA − log[HA]0 . 2 (16) Abbildung 14: Logarithmisches pH-Diagramm einer Säure mit pKa =4.2 für die Konzentration [HA]0 =10−4 M . Die Gleichungen 15 (16), 14 und 13 gelten also für zunehmende Verdünnung. Wird die Lösung aus der schwachen Säure HA und dem Salz N aA hergestellt, so müssen die stöchiometrischen Gleichungen wie folgt geändert werden: [HA]◦ + [N aA]0 = [HA] + [A− ] 52 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen Die Bilanz des Anions verändert sich hier, weil nun nicht nur die Säure, sondern auch das eingesetzte Salz Anionen liefern. Wenn dieses das Salz mit einer starken Base (z.B. N aOH/N a+ wie im vorliegenden Fall) ist, so dissoziert es vollständig. Die möglichen Spezies, nämlich dissoziiert oder nicht dissoziiert, bleiben natürlich gleich (nicht aber deren Konzentrationen) [H + ]t = [HA]0 = [HA] + [H + ] − [OH − ] (Da N a+ nicht mit dem Wasser reagiert, beeinflusst es diese Beziehungen nicht und taucht deshalb nicht auf). In der Protonenbilanz ändert sich gegenüber dem ersten Fall nichts, da nach wie vor Protonen nur aus der Säure und der Eigendissoziation des Wassers entstehen können. Allerdings geht nun die geänderte [A− ]-Konzentration in das Massenwirkungsgesetz (KA ) ein. Es resultiert die Henderson-Hasselbalch-Gleichung 6. 3.5.4 0.01M Praktische Beispiele zur Berechnung des pH-Wertes CH3 COOH Aufstellen der Gleichungen (1) [OAc− ]t = 0.01 = [HOAc] + [OAc− ] Acetat kann entweder als Essigsäure HOAc oder als Acetatanion OAc− vorliegen. Die Summe beider Komponenten ergibt die Gesamtmenge: (2) [H + ]t = 0.01 = [HOAc] + [H + ] − [OH − ]. [OH − ] aus der Dissoziation des Wassers ist vernachlässigbar, weil bei einer Säurekonzentration von 0.01 M im allgemeinen [H + ]>>[OH − ] ist. Natürlich hängt das vom pKA -Wert der Säure und deren Konzentration ab (wieso?). Aus (1) und (2) folgt [H + ] = [OAc− ]. Dies ist vernünftig, da ja die Eigendissoziation des Wassers keine Rolle spielen soll und damit alle Protonen und alle Acetatanionen aus der Essigsäure entstehen. Nun können wir die oben gewonnenen Beziehungen in die Gleichung für die Dissoziationskonstante einsetzen : (3) KA = [H + ][OAc− ] [HOAc] = [H + ]2 0.01−[H + ] = 10−4.75 Nach Auflösung von (3) erhält man: 53 3 SÄUREN UND BASEN [H + ]2 + 10−4.75 · [H + ] − 10−6.75 = 0 und (4) (5) [H + ] = 21 [10−4.75 + = 4.13 · 10−4 M √ 10−9.5 + 4 · 10−6.75 ] pH = 3.38; [OAc− ] = 4.13 · 10−4 M; [HOAc] = 9.587 · 10−3 M Kontrolle der Annahme [H + ]>>[OH − ]: [OH − ] = 10−10.62 M <<[H + ]! 2. 0.01M CH3 COOH und 0.01M CH3 COONa (1) [OAc− ]t = 0.02 = [HOAc] + [OAc− ] Im Gegensatz zu Beispiel 1 wird hier ein Teil des Anions als Salz zugegeben. [H + ]t = [HOAc]o = 0.01 = [HOAc] + [H + ] − [OH − ] (2) Die Gesamtkonzentration der Protonen bleibt unverändert, da ja auch die Säuremenge konstant bleibt. Wie wir vorher gesehen haben, beträgt der pH-Wert der reinen Säurelösung etwa 3.4. Da durch die Zugabe des Salzes der pH-Wert sich sicher erhöhen wird (versuchen Sie dies anhand des Ausdrucks für die Dissoziationskonstante zu verifizieren!), können wir annehmen, dass die Säurekonzentration durch die Dissoziation nur in geringem und deshalb vernachlässigbarem Rahmen verändert wird. Es gilt daher: [H + ]<<[HOAc] [HOAc] ' [OAc− ]. und damit Mit dem Ausdruck für die Dissoziationskonstante KA = [H + ]·[A− ] HA] = 10−4.75 ergibt sich dann [H + ] = 10−4.75 M = 1.78 · 10−5 M << 0.01 M Kontrolle: [OH − ] = 10−9.25 M <<[H + ] 3. 0.1M NH3 54 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen N H3 kann in wässriger Lösung wie folgt reagieren: N H3 + H2 O −→ N H4 + + OH − Wir können also folgende Bilanzgleichungen aufstellen: (1) [N H3 ]t = 0.1 = [N H3 ] + [N H4 + ] (2) [H + ]t = 0 = [N H4 + ] + [H + ] − [OH − ]. Es wurde also keine Säure zugegeben. Für diesen Fall wird die Basizitätskonstante benutzt: (3) Kb = [N H4 + ]·[OH − ] [N H3 ] = 10−14+9.245 = 10−4.755 Die Beziehung pKb = pKW − pKA gilt für jedes System. Durch Einsetzen in Gleichung (3) werden folgende Ausdrücke erhalten: 10−4.755 = [OH − ]2 0.1−[OH − ] und [OH − ]2 + 10−4.755 [OH − ] − 10−5.755 = 0 [OH − ] = 21 [−10−4.755 + Damit ist pOH = 2.88; −→ ([H + ]<<[OH − ]) [N H4+ ] = [OH − ]; √ sowie 10−9.510 + 4 · 10−5.755 ] = 1.317 · 10−3 M. pH = 14 - 2.88 = 11.12; [N H3 ] = 9.868 · 10−2 M Zusammenfassend gilt für diesen Fall 1 pH = 7 + (pKA + log[B]) 2 55 3 SÄUREN UND BASEN 3.5.5 Schwache Säure und schwache Base In Abbildung 15 sind die Konzentrationsverhältnisse für Lösungen von N H3 und CH3 COOH (HAc) angegeben. Es treten prinzipiell die drei Reaktionen auf: HAc + H2 O Ac− + H3 O+ N H3 + H2 O N H4+ + OH − HAc + N H3 Ac− + N H4+ (17) Zunächst sieht man, dass bei einer Säure-Base-Titration eines Gemisches zweier schwacher Säuren, zuerst die stärkere und dann die schwächere deprotoniert wird. Abbildung 15: Logarithmisches pH-Diagramm einer Lösung von N H4+ und CH3 COOH Im Punkt P (pH=7) gilt [N H4+ ] = [Ac− ], was man auch durch Auflösen von Ammoniumacetat (N H4 Ac) erreichen kann. 56 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen (Warum ist die Lage von P bei pH=7 rein zufällig?) Generell gilt für P 1 pH = (pKA1 + pK[A2 ) 2 (18) und für alle anderen pH-Werte mit KA1 = KA2 [H + ][Ac− ] [HAc] [H + ][N H4 ] = [N H4+ ] schliesslich [H + ] = KA1 · KA2 [HAc][N H4+ ] . [Ac− ][N H3 ] (19) In Abbildung 15 ist klar zu erkennen, dass [H + ] und [OH − ] zwischen P1 und P2 vernachlässigt werden können. Damit wird der Bruch in Gl. 19 gleich eins, weil nur noch Reaktion 17 gilt. Es resultiert dann Gl. 18. Ersetzt man noch pKA2 durch pKB2 , so wird Gl. 18 zu 1 pH = 7 + (pKA1 − pKB2 ) 2 Damit kann man leicht sehen, dass 1. die Lösung sauer reagiert, wenn Säure 1 stärker ist als Base 2 2. die Lösung basisch reagiert, wenn Base 2 stärker ist als Säure 1. 3.5.6 Zweiprotonige Säuren Im Falle der zweiprotonigen Säure H2 SeO3 gibt es drei wichtige Gleichgewichtsreaktionen HSeO3− + H2 O SeO32− + H3 O+ , (20) HSeO3− + H2 O H2 SeO3 + OH − (21) 57 3 SÄUREN UND BASEN und HSeO3− + HSeO3− H2 SeO3 + SeO32− . (22) Abbildung 16: Logarithmisches pH-Diagramm der selenigen Säure (0.1M) Wir analysieren Abbildung 16: 1. Im Bereich pKA1 = 2.6<pH<pKA2 = 7.2 liegt überwiegend der Ampholyt HSeO3− vor und nur Gl. 22 ist von Bedeutung, da in diesem Bereich einerseits [OH − ]<<[H2 SeO3 ] andererseits [H + ]<<[SeO32− ] ist. Dann sollte im gesamten Bereich [H2 SeO3 ] ' [SeO32− ] sein. Damit wird der explizite Ausdruck KA1 KA2 = [HSeO3− ][H + ] [SeO32− ][H + ] · [H2 SeO3 ] [HSeO3− ] zu [H + ]2 = KA1 KA2 oder 1 pH = (pKA1 + pKA2 ) 2 58 (23) 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen Die letzten beiden Gleichungen gelten auch für Lösungen eines entsprechenden Salzes, z.B. Natriumhydrogenselenit N aHSeO3 . 2. Handelt es sich um Salze von starken Säuren, so sind die Gln. 20 und 21 nicht mehr von untergeordneter Bedeutung und die Näherung 23 stimmt nicht mehr. Aber auch dann gibt 23 noch den Punkt an, an dem die Konzentration des Ampholyten (z.B. HSO4− ) maximal ist. Hier ist das Ausmass der Säurereaktion des Ampholyten HA− (Gl. 20) gleich dem der Basenreaktion (Gl.21), und man spricht vom isoelektrischen Punkt. 3. Liegen die pKA -Werte mindestens 4 pH-Einheiten auseinander, so kann man die steilen Äste für H2 A und A2− ganz vernachlässigen. Damit liegt praktisch eine Mischung zweier schwacher Säuren vor (vgl. Gl. 18). 3.5.7 Titrationskurven Titrieren heisst, die unbekannte Menge eines gelösten Stoffes dadurch zu ermitteln, dass man ihn durch Zugabe einer geeigneten Reagenzlösung mit genau bekanntem Gehalt (Wirkungsgrad, Titer) quantitativ von einem chemisch definierten Anfangszustand in einen ebenso gut bestimmten Endzustand überführt. Man misst dabei die verbrauchte Menge Reagenzlösung. 59 3 SÄUREN UND BASEN Abbildung 17: Links: Titration von 0.1N Säuren mit einer 0.1N Base; Rechts: Titration von jeweils zwei Konzentrationen einer starken und einer schwachen Säure. Gesucht wird der Äquivalenzpunkt, bei dem gerade die zugegebene Menge des Titers der der Säure entspricht; an diesem Punkt ist der Titrationsgrad eins. τ= [Base] , [Base]0 wobei [Base]0 der Erwartungswert für den Titer darstellt. Für eine Base ist der Titer natürlich eine starke Säure. Die folgenden Angaben für Titrationen gelten für Raumtemperatur, da sich das Verhalten chemischer Stoffe mit der Temperatur verändern kann: • der Wert des Äquivalenzpunktes kann auch aus den logarithmischen Diagrammen entnommen werden (vgl. P5 in Abbildung 11, • starke Säure / starke Base — Äquivalenzpunkt fällt mit dem Neutralpunkt zusammen, 60 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen • schwache Säure / starke Base — Äquivalenzpunkt liegt im alkalischen Bereich, • starke Säure / schwache Base — Äquivalenzpunkt liegt im sauren Bereich, • schwache Säure / schwache Base — Äquivalenzpunkt liegt am oder nahe des Neutralpunktes, ist aber nur schwer festzustellen, • die pH-Wertberechnung für schwache Säuren wird nach [A− ] pH = pKA + lg [HA] durchgeführt, • die Kurven der schwachen Säuren zeigen bei τ = 0.5 einen Wendepunkt, und hier liegt die grösste Pufferwirkung vor. 3.5.8 Titrationskurven und logarithmische pH-Diagramme Die folgenden drei Abbildungen zeigen Zusammenhänge zwischen Titrationskurven und logarithmischen pH-Diagrammen an: Abbildung 18: Titrationskurven (rechte Teile) und logarithmische pHDiagramme (linke Teile) der Ameisensäure (links: 0.1M = ˆ 0.1N; rechts: 0.001M = ˆ 0.001N) 61 3 SÄUREN UND BASEN Abbildung 19: Titrationskurve (rechts) und logarithmisches pH-Diagramm (links) von Salzsäure und Essigsäure (jeweils 0.1M = ˆ 0.1N) Abbildung 20: Titrationskurve (rechts) und logarithmisches pH-Diagramm (links) von 0.1M N H4 Cl bzw. von 0.1M N H3 62 3.5 Berechnungen von pH-Werten für wässrige Lösungen von Säuren oder Basen Abbildung 21: Titrationskurve (rechts) und logarithmisches pH-Diagramm (links) von Phosphorsäure ( 0.1M = ˆ 0.3N) Die Konzentration einer starken Base, die in Wasser zu einer schwachen Säure HA zugegeben wird, lässt sich wie folgt ausdrücken: [OH]t = [A− ] + [OH − ] − [H + ] und der Neutralisationsgrad τ damit auch als a= [A− ]t [OH − ] − [H + ] [OH − ] − [H + ] [OH − ]t = + =g+ [HA]t [HA]t [HA]t [HA]t Wenn [OH − ] − [H + ] vernachlässigbar klein ist, dann ist die Titrationskurve (τ , pH) mit der Pufferkurve (g, pH) identisch. Bei tiefen oder hohen pH-Werten ist dagegen [H + ] gegenüber [OH − ]t nicht mehr vernachlässigbar. Die zwei Kurven fallen nicht mehr zusammen. Wir betrachten den Fall, bei dem die Grössen τ bzw. g verschieden sind, wie z.B. bei pKA (HA) = 3. Bei einer totalen Konzentration [HA]o = 1 · 10−2 M berechnet man die folgende Wertetabelle pH vs.([OH − ] − [H + ])/[HA]o : pH 5 4 3 2 1 0 [OH − ]−[H + ] [HA]0 −10−3 −10−2 −10−1 -1 -10 -100 63 3 SÄUREN UND BASEN Es zeigt sich, dass es bei den vorliegenden Bedingungen durch eine starke Säurezugabe praktisch unmöglich ist, eine Lösung der undissozierten Säure HA zu erhalten. Und zwar deshalb, weil die Zugabe der starken Säure keine weitere Protonierung von A− ermöglicht, sondern nur zur Herabsetzung des pH-Wertes der Lösung beiträgt. 64 4 Redoxreaktionen Der Begriff Redoxreaktion geht auf Lavoisier zurück, der für Vorgänge, bei denen sich eine andere Substanz mit Sauerstoff verbindet, den Ausdruck Oxidation einführte, wie z.B. bei 2N i + O2 −→ 2N iO 2M g + O2 −→ 2M gO 3F e + SO2 −→ F e3 O4 und S + O2 −→ SO2 Die Bezeichnung Reduktion wurde entsprechend für den Entzug von Sauerstoff verwendet (vgl. Gewichtsreduktion): CuO + H2 −→ Cu + H2 O > Pyrophore Eigenschaften des Raney-Nickels, Oxidation von Eisen, Reduktion von Kupfer(II)-oxid F e2 O3 + 3C −→ 1F e + 3CO (24) Die Reaktion 24 beschreibt den wesentlichen Vorgang beim Hochofenprozess zur Darstellung von Roheisen. Viele Oxide lassen sich mit elementarem Aluminium reduzieren (−→aluminothermische Reaktionen, Thermitversuch) unter Bildung von Aluminiumoxid: 3SiO2 + 4Al −→ 3Si + 2Al2 O3 65 4 REDOXREAKTIONEN > Die Aluminothermische Darstellung von Silicium bzw. F e2 O3 + 2Al −→ 2F e + Al2 O3 Reduktion und Oxidation gehen immer miteinander einher. Deshalb nennt man solche Reaktionen Redoxreaktionen. Heute versteht man unter diesem Begriff ganz allgemein Reaktionen, bei denen Elektronen zwischen den Komponenten übertragen werden. 4.1 Die Oxidationszahl Der Formalismus der Oxidationszahlen ist besonders bei der Beschreibung von Redoxvorgängen wichtig. Die Oxidationszahl gibt an, wieviele Elektronen ein neutrales Atom innerhalb einer Verbindung aufgenommen (+e− ) bzw. abgegeben (−e− ) hat. Die Oxidationszahl lässt sich leicht mit Hilfe folgender Regeln herleiten: • Jedes Atom im elementaren Zustand hat die Oxidationszahl Null. Dies gilt auch für die Elemente, die als Moleküle oder Polymere (z.B. Graphit, Silicium, etc.) vorliegen. • Bei Ionenverbindungen ist die Oxidationszahl eines Elementes identisch mit seiner Ionenladung. 66 4.1 Die Oxidationszahl 8 7 6 Ordnungszahlen 5 4 3 2 1 0 −1 −2 −3 −4 H He 1.Periode Li Be B C N O F Ne Ne Mg Al Si P S Cl Ar 3.Periode 2. Periode Abbildung 22: Wichtige Oxidationszahlen der Elemente der ersten drei Perioden • Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome einer mehratomigen Verbindung ist gleich Null. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome eines mehratomigen Ions ist gleich der Gesamtladung dieses Ions. • Bei kovalent (mit Lewis-Bindestrichen) formulierten Verbindungen wird die Verbindung formal in Ionen aufgeteilt. Dabei wird angenommen, dass die an jeder Bindung beteiligten Elektronen vom elektronegativeren Atom vollständig übernommen werden. 67 I 4 REDOXREAKTIONEN J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z [ \ ] ^ _ ` a b c d e f g h i j k l m n ¬ o z { | } ~ ­ . v w x y ³ 3 ¶ 5 · 6 7 ¸ ² µ 4 u t 0 2 ´ s ¯ ± 1 r / q ® ° p ¹ º 8 » 9 : ! % ¼ ½ ¾ ¿ ; " # À < Á = > $ & ( Â , ? @ A B ' - * Ã Ä Å Æ Ç + C D ¡ ¢ £ ¤ ¥ ¦ § ¨ © ª E F G H « ) • Die positive Oxidationszahl eines Elementes kann nicht grösser sein als die Gruppennummer dieses Elementes (Das gilt für die alte und die neue Gruppeneinteilung). • Die maximale negative Oxidationszahl eines Elementes ist nach der alten Gruppeneinteilung: Gruppennummer - 8; nach der neuen Gruppeneinteilung : Gruppennummer - 18. • Die höchsten bisher beobachteten Oxidationstufen sind +8 in OsO4 und -5 in Verbindungen mit E13 (E13=Elemente der Gruppe 13 nach der neuen Einteilung; B, Ga). Die grösste Spanne von Oxidationszahlen ist bisher mit ∆OZ=10 bei schwereren Übergangsmetallen wie Os 68 4.1 Die Oxidationszahl (Os2− bis Os8+ ) gefunden worden. Bei den Maximalwerten kommt das Konzept an seine Belastungsgrenze. • Die meisten Elemente treten in mehreren Oxidationsstufen auf. > Oxidationsstufen In der chemischen Formel wird die Oxidationszahl über dem zugehörigen Elementsymbol als arabische oder als römische Zahl geschrieben. Früher wurden auch oft römische Zahlen in () hinter das Elementsymbol geschrieben. Das Vorzeichen steht vor der Zahl, im Gegensatz zu dem der Ladungszahl. Einige Oxidationszahlen ausgewählter Elemente in Verbindungen: III −I III III III F ; Alkalimetalle(I); Erdalkalimetalle(II); Al, Sc, Y , La II O (mit Ausnahmen). Früher war es üblich römische Zahlen zu benutzen; heute wählt man überwiegend arabische, weil man auch die 0 und gebrochene Zahlen zur Verfügung hat. Einige weitere Beispiele: +1 −1 +1 −1 N aCl : N aCl HCl : H Cl +1 −2 +2 −1 Cl2 O : Cl2 O OF2 : O F 2 +1 +7 −2 +1−2 +1 HOCl : H O Cl HClO4 : H ClO4 +1 +6 −2 +1 −1 H2 SO4 : H 2 S O4 + 83 N aH : N aH −2 F e3 O4 : F e3 O4 Oxidationszahlen (OZ) sind zur systematischen Klassifizierung von Verbindungen nützlich, dienen zur Interpretation bestimmter Eigenschaften von Verbindungen (z.B. magnetischer Eigenschaften) und sind hilfreich beim Formulieren von Redoxgleichungen. Das Ausgleichen der Halbreaktion (27) lässt sich problemlos durchführen, wenn die OZ angegeben werden. +7 +2 M n−→M n 69 4 REDOXREAKTIONEN Die Differenz der OZ von oxidierter und reduzierter Form ergibt die benötigte Anzahl Elektronen. +7 +2 M n + 5e− −→M n 4.2 Grundsätzliches Man kann bei Redoxreaktionen immer Teilreaktionen formulieren, die jeden der Einzelvorgänge separat beschreiben: 1. Bei der Oxidation werden von der betrachteten Komponente Elektronen abgegeben, und die Oxidationszahl erhöht sich. 0 +z − A−→ A +z · e 0 (25) +2 F e−→F e +2e− 0 +1 N a−→N a +e− 2. Bei der Reduktion werden von der betrachteten Komponente Elektronen aufgenommen, und die Oxidationszahl erniedrigt sich. −z 0 − B +z · e −→ B −1 0 Cl2 +2e− −→ 2 Cl +3 +2 F e +e− −→F e 70 (26) 4.2 Grundsätzliches > Redoxreaktionen mit Phosphor Oxidierte und reduzierte Form einer Komponente bilden ein Redoxpaar 0 +1 +2 +3 −1 0 (z.B. N a / N a+ , F e / F e, 2 Cl− / Cl2 ). An jeder Redoxreaktion sind immer zwei Redoxpaare beteiligt. Redoxpaar 1 Redoxpaar 2 Red1 Ox1 + e− Red2 Ox2 + e− Redoxreaktion: Red1 + Ox2 Ox1 + Red2 > Silber- und Bleibaum Je stärker bei einem Redoxpaar die Tendenz der reduzierten Form ist, Elektronen abzugeben, um so schwächer ist die Tendenz der oxidierten Form, Elektronen aufzunehmen. Man kann die Redoxpaare nach dieser Tendenz in einer Redoxreihe oder Spannungsreihe anordnen. Je höher in der Redoxreihe ein Redoxpaar steht, um so stärker ist die reduzierende Wirkung der reduzierten Form. Weit oben stehende Spezies werden als Reduktionsmittel bezeichnet, weit unten stehende als Oxidationsmittel. Metalle, die ein positives Normalpotenzial haben heissen edel, die anderen unedel. Jede reduzierte Form einer Spezies kann auf eine unter ihr stehende oxidierte Form einer anderen Spezies Elektronen übertragen. Nur solche Redoxreaktionen laufen freiwillig ab. 71 4 REDOXREAKTIONEN Tabelle 5: Redoxreihe x Zunehmende Tendenz der Elektronenabgabe; zunehmende reduzierende Wirkung reduzierte Form Na Zn Fe H2 + 2 H2 O 2 I− Cu Fe2+ 2 Br− 2 Cl− oxidierte Form + e− Na+ +1 e− Zn2+ +2 e− Fe2+ +2 e− 2 H3 O+ +2 e− I2 +2 e− Cu2+ +2 e− Fe3+ +1 e− Br2 +2 e− Cl2 +2 e− Zunehmende Tendenz der Elektronenaufnahme; zunehmende oxidierende Wirkung y Nicht möglich ist z.B. das Auflösen von Kupfer in wässrigen Lösungen (nichtoxidierender) Säuren Cu + 2H3 O+ 6−→ Cu2+ + H2 + 2H2 O > Reaktion von Säuren mit Metallen Beispiele für in ws̈sriger Lösung ablaufende Redoxreaktionen: Zn + Cu2+ −→ Zn2+ + Cu F e + Cu2+ −→ F e2+ + Cu 2N a + 2H3 O+ −→ 2N a+ + H2 + 2H2 O 2I − + Br2 −→ I2 + 2Br− 2Br− + Cl2 −→ Br2 + 2Cl− 72 4.3 Ausgleichen von Redoxreaktionen E(V) -3 E◦N a 6 -2 unedle Metalle E◦Al 6 6 E◦Zn -1 6 E◦H = 0 ? ? ? E◦W asser 6 E◦Cu E◦Ag ? 6 ? 6 ? +1 ? edle Metalle Abbildung 23: Potenzialdiagramm verschieden edler Metalle > 4.3 Oxidationsreaktionen, Der Silber- und Bleibaum Ausgleichen von Redoxreaktionen Bei der Formulierung von Redoxgleichungen stellt sich oft das Problem der Vervollständigung der Gleichung. Dabei wird verlangt, dass die freiwerdenden Elektronen vollständig verbraucht werden. Da es keine feststehenden Regeln für die zahlenmässige Vervollständigung dieser Gleichungen gibt, erfolgt diese meist empirisch. Grundsätzlich ist es aber empfehlenswert sich zunächst die Frage zu stellen, ob überhaupt eine Redoxreaktion vorliegt. Die Reaktion 2+ Cu2+ aq + Zn(s) −→ Znaq + Cu(s) besteht aus den zwei Halbreaktionen − Cu2+ aq + 2e −→ Cu(s) Reduktion − Zn(s) −→ Zn2+ aq + 2e Oxidation 73 4 REDOXREAKTIONEN Hier ist das Ausgleichen der Reaktion trivial, es gibt aber Fälle, bei denen etwas mehr Vorsicht angebracht ist. Wie kann man z.B. die Oxidation von F e2+ zu F e3+ mit KM nO4 in saurer Lösung formulieren, wenn man weiss, dass M n2+ entsteht? Man beginnt, die Halbgleichungen zu formulieren, indem man die darin vorkommenden Komponenten auflistet. Die Reduktion lautet dann +7 K M n O4 + H + + e− −→ M n2+ + . . . , (27) und die Oxidation wird, wie folgt, formuliert: F e2+ −→ F e3+ + e− . Die erste Halbreaktion kann durch folgende Überlegungen vervollständigt werden: • Aus O-Atomen kann mit H + H2 O gebildet werden. (Auf der linken Seite der Halbgleichung können, sofern die Reaktion in saurer Lösung stattfindet, soviele H + −Ionen, wie benötigt, eingesetzt werden). • Ausgleichen der Ladungen, indem 5e− zur Kompensation der fünf überschüssigen positiven Ladungen auf der linken Seite eingesetzt werden. +7 K M n O4 + 8H + + 5e− −→ M n2+ + 4H2 O + K + Ladungen : 3+ −→ 3+ • Durch Kombination der beiden Halbreaktionen verschwinden die Elektronen aus der resultierenden Gleichung. KM nO4 + 8H + + 5e− −→ M n2+ + 4H2 O + K + 5F e2+ −→ 5F e3+ + 5e− • Addition der beiden Halbgleichungen ergibt die vollständige Redoxgleichung: 7+ K M n O4 + 8H + + 5F e2+ −→ 5F e3+ + M n2+ + 4H2 O + K + 74 4.3 Ausgleichen von Redoxreaktionen > Redoxreaktionen von Kaliumpermanganat Ein anderes Beispiel ist das Auflösen von Kupfer in einer oxidierenden Säure: Cu −→ Cu2+ + 2e− Redoxsystem 1 Redoxsystem 2 Redoxgleichung > 4H3 O+ + N O3− + 3e− −→ N O + 6H2 O x3 x2 3Cu + 8H3 O+ + 2N O3− −→ 3Cu2+ + 2N O + 12H2 O Darstellung von NO Man kann also folgendes Schema zur Vervollständigung von Redoxgleichungen angeben: • Stellen Sie aus den Ausgangsstoffen und Reaktionsprodukten eine Gleichung auf, in der die Elemente, die ihre Oxidationsstufe wechseln, enthalten sind. • Bestimmen Sie die Halbreaktion, in welcher die Oxidation bzw. die Reduktion auftritt. • Vervollständigen Sie die Halbreaktion so, dass die Zahl der einzelnen Elemente auf beiden Seiten gleich wird. Die Sauerstoffbilanz ist dabei als erstes auszugleichen (Nötigenfalls H2 O, H + oder OH − hinzufügen, niemals jedoch O2 oder H2 (!), sofern dies keine Reaktanden sind). In saurem Milieu können begreiflicherweise nur H + und H2 O, in alkalischem Milieu nur H2 O und OH − als Reaktanden eingesetzt werden! • Nachdem die Erhaltung der Atome gewährleistet ist, wird durch Einführung von Elektronen für die Ladungserhaltung gesorgt. • Multiplizieren Sie die Halbreaktionen mit entsprechenden Zahlenfaktoren derart, dass die Gesamtzahl der vom Reduktionsmittel abgegebenen Elektronen derjenigen vom Oxidationsmittel aufgenommenen entspricht. 75 4 REDOXREAKTIONEN • Addieren Sie beide Halbreaktionen. • Prüfen Sie die Richtigkeit der Endgleichung durch Abzählen der Atome jedes Elements auf beiden Seiten der Gleichung, und kontrollieren Sie die Ladungserhaltung. > Reaktionsverhalten von Metallen Ein Redoxprozess kann durch Mischen der nötigen Edukte auftreten. Die Reaktion liefert dann eine bestimmte Wärmemenge, die von der gewählten Zusammensetzung und der Enthalpie der Reaktion abhängt. Dieser Prozess kann auch in galvanischen Zellen durchgeführt werden. > Redoxreaktionen 76 4.4 Galvanische Zellen 4.4 Galvanische Zellen Die Abscheidung von Silber aus Silbernitratlösung an metallischem Kupfer ist bereits in Gleichung 1 formuliert worden. Eine weitere, lange bekannte Redoxreaktion ist die Abscheidung von Kupfer aus einer Kupfersalzlösung auf metallischem Zink. Abbildung 24: Schematische Darstellung einer Redoxreaktion (links). Schematische Darstellung einer galvanischen Zelle (rechts, sogenanntes Daniell-Element). > Das Daniell Element In der Versuchsanordnung in Abbildung 24 rechts ist der Reaktionsraum in zwei Halbzellen, Halbelemente bzw. Halbräume aufgeteilt. Diese Anordnung wird als Kette, Zelle, galvanische Zelle, Galvanisches Element oder Volta– Element bezeichnet. Entscheidend ist, dass die beiden Halbelemente so getrennt werden, dass die reagierenden Komponenten nicht direkt in Lösung miteinander zur Reaktion kommen (innerer Kurzschluss). Das wird durch eine halbdurchlässige Membran oder eine semipermeable Membran (Diaphragma) bzw. durch eine Salzbrücke (Stromschlüssel) gewährleistet. Dabei muss aber eine Ionenwanderung möglich bleiben, da sonst kein Stoffumsatz und kein Ladungstransport möglich ist. Bei der Oxidation werden die freiwerdenden Elektronen an die Anode abgegeben und über einen elektrischen Leiter, der an ein Messgerät oder einen 77 4 REDOXREAKTIONEN Verbraucher angeschossen ist, zur Kathode überführt, wo sie für den Reduktionprozess verbraucht werden. Der Fluss der Elektronen wird durch die Wanderung von Anionen kompensiert, sodass die Elektroneutralität gewährleistet ist. In diesem Fall liefert die chemische Reaktion also direkt elektrische Energie, deren Menge von der Zahl der überführten Elektronen und von der freien Enthalpie der Reaktion, ∆G, abhängt. Durch letztere wird auch die Spannung zwischen den beiden Elektroden bestimmt. Diese wird auch als Elektromotorische Kraft EMK bezeichnet. Auf Grund der EMK kann das galvanische Element Arbeit leisten und zwar entsprechend ∆G der zugrundliegenden chemischen Reaktion. Redoxpaar 1 (Halbelement1) Redoxpaar 1 (Halbelement1) 2+ − Zn −→ Zn + 2e Cu2+ + 2e− −→ Cu Gesamtreaktion Zn + Cu2+ −→ Zn2+ + Cu Redoxpotenzial 1 ◦ + 0,059 lg cZn2+ EZn = EZn 2 Redoxpotenzial 2 ◦ ECu = ECu + 0,059 lg cCu2+ 2 Gesamtpotenzial ◦ ◦ ∆E = ECu − EZn = ECu − EZn + 0,059 2 c 2+ lg cCu2+ Zn Die in Abbildung 24 dargestellte Reaktion verläuft spontan. Diese Aussage kann entweder bei Kenntnis von ∆G oder der bekannten Potenziale der beiden Elektroden machen. Es gilt nämlich ∆G◦ = −nF E ◦ = −96487 nE ◦ (28) ∆G◦ = −RT lnK = −5.707 lgK (29) und mit der Faradaykonstante F=96487 Asmol−1 und der Gaskonstanten R=8.314 JK −1 mol−1 . K ist die Gleichgewichtskonstante und n die Zahl der bei der Reaktion beteiligten Elektronen in mol. Die Potenziale erhält man durch Anwendung der Nernstschen Gleichung, die für eine Halbzelle wie folgt zu formulieren ist E1 = E1◦ − RT [Red1 ] ln nF [Ox1 ] 78 (30) 4.4 Galvanische Zellen und für die Reaktionsgleichung Red1 −→ Ox1 + n1 e− gilt. Beim Vertauschen von [Ox] und [Red] ändert sich das Vorzeichen vor dem konzentrationsabhängigen zweiten Glied. E1◦ heisst Normal- oder Standardpotenzial der Halbzelle 1 für den Fall, dass die Aktivitäten von Red1 und Ox1 eins betragen. Diese Werte sind für viele Halbreaktionen tabelliert, so dass nach Gleichung 30 viele Halbzellenpotenziale für beliebige Aktivitäten der Reaktionspartner berechnet werden können. Eine ähnliche Gleichung gilt für die zweite Halbzelle: E2 = E2◦ − RT [Red2 ] ln nF [Ox2 ] Für eine spontane Reaktion sind E1 und E2 so zu kombinieren, dass die Differenz der beiden Werte positiv ist. Im speziellen Fall E1 = E2 ist die Differenz der beiden Werte Null, und das System befindet sich im Gleichgewicht. Nur eine Kombination der Halbreaktionen ergibt eine spontane Reaktion. Bei Anwendung der Nernstschen Gleichung werden nur die Komponenten, die als Ionen in Lösung oder als Gase auftreten, berücksichtigt. Für feste Stoffe und Wasser ist die Aktivität eins. Der Umsatz von Permanganat mit Eisen(II)–Salzen wurde bereits besprochen: +7 M n O4− + 8H + + 5e− −→ M n2+ + 4H2 O [M n2+ ] RT ln E=E − 5F [M nO4− ][H + ]8 ◦ Galvanische Zellen bestehen immer aus zwei Halbzellen. Als Beispiel sei noch einmal das Daniellelement angeführt: Hier bestimmt das grössere Bestreben von Kupfer, Elektronen aufzunehmen, die Richtung des Elektronenflusses. 79 4 REDOXREAKTIONEN Abbildung 25: Bestimmung von Standardpotenzialen mit einer Standardwasserstoffelektrode als Bezugselektrode > Potenzialmessungen mit der Normalwasserstoffelektrode Die Bestimmung von Standardpotenzialen: Als Bezugselektrode dient eine Standardwasserstoffelektrode. Die Standardwasserstoffelektrode hat das Potenzial null, da ihr Standardpotenzial willkürlich mit null festgesetzt wird. Die gesamte EMK der Anordnung a) ist also gleich dem Elektrodenpotenzial der Zn-Elektrode: ◦ ∆E = EZn = EZn + 0,059 lg aZn2+ . Beträgt die Aktivität von Zn2+ 2 eins (aZn2+ = 1, ) so ist die EMK gleich dem Standardpotenzial von Cu. Standardpotenziale sind Relativwerte bezogen auf die Standardwasserstoffelektrode. Das Standardreduktionspotenzial E ◦ einer Halbzelle wird durch Messung der 80 4.5 Die Standardwasserstoffelektrode Spannung zwischen dieser Halbzelle und einer Standardelektrode Standardwasserstoffelektrode unter Standardbedingungen (25◦ C , 1 bar H2 und Aktivitäten aller Reaktanden gleich eins) erhalten. Das Standardreduktionspotenzial der Standardwasserstoffelektrode wird definitionsgemäss gleich Null gesetzt. Das Vorzeichen von E ◦ ist nur dann positiv, wenn die Halbzelle bei obiger Reaktion als Kathode wirkt (vgl. Tab. 6). Die E ◦ -Werte von Halbreaktionen sind wichtige Grössen, weil sie die Berechnung der freien Enthalpie ∆G (kJ/mol) und der Gleichgewichtskonstanten K mit Hilfe der Gleichungen 28 und 29 erlauben. Gleichung 28 ergibt bei einem spontanen Prozess (E ◦ >0) einen negativen Wert für ∆G, wie es die Thermodynamik verlangt. Aus den Gleichungen 28 und 29 folgt: E◦ = RT 0.0592 lnK = lgK nF n (31) Damit kann aus dem E ◦ −Wert die zur Reaktion gehörende Gleichgewichtskonstante K berechnet werden. Diese ist besonders wichtig, weil sie es erlaubt, die jeweiligen Gleichgewichtskonzentrationen für einen Redoxprozess zu berechnen und zu entscheiden, ob z.B. eine volumetrische Titration für eine quantitative Bestimmung herangezogen werden kann. > 4.5 Das Daniell Element Die Standardwasserstoffelektrode Die Standard– oder Normalwasserstoffelektrode ist eine Halbzelle. Sie besteht aus einer Elektrode, die mit fein verteiltem Platin beschichtet ist und die bei 25◦ C von Wasserstoffgas unter einem konstantem Druck von 1 bar umspült wird. Diese Elektrode ist in eine wässrige Lösung einer Säure (pH = 0 bzw. [H + ] = 1 mol · l−1 oder besser aH + = 1) eingetaucht. Die zugehörigen Gleichungen lauten 1 H + + e− H2 (g) 2 und 1/2 RT aH + 0.0592 pH2 E=E + ln 1/2 = E ◦ − lg . F 1 aH + pH ◦ 2 81 4 REDOXREAKTIONEN Abbildung 26: Schematischer Aufbau einer Wasserstoffelektrode Redoxsystem H2 + 2H2 O 2H3 O+ + 2e− a2 + ◦ Redoxpotenzial EH = EH + 0.059 lg HpH3 O 2 2 Das Standardpotenzial einer Wasserstoffelektrode wird willkürlich null gesetzt. Für die Standardwasserstoffelektrode ist daher EH = 0 . > 4.6 Die Normalwasserstoffelektrode Anwendung der Nernstschen Gleichung In den folgenden Beispielen wird gezeigt, wie man mit Hilfe der Nernstschen Gleichung das Potenzial E einer Halbzelle für beliebige Konzentrationen der beteiligten Reaktanden berechnet. a) E ◦0 einer Elektrode unter Standardbedingungen, aber bei einem von 0 verschiedenen pH-Wert : Das Standardreduktionspotenzial einer H2 -Elektrode bei pH = 7. a 1/2 E = E ◦ − 0.0592 lg [HH+2 ] 1/2 = −0.0592 · pH − 0.0592 lg aH2 1/2 = −0.414 − 0.0592 lg aH2 = −0.414V 82 4.7 Faradaysches Gesetz mit aH2 = 1. Unter Standardbedingungen und pH = 7 ist das Auflösen von Ni unter H2 −Entwicklung nicht mehr möglich (E ◦ (N i2+ /N i) = -0.25 V!). b) E bei gegebener Konzentration bzw. Aktivität: Das Potenzial einer H2 −Elektrode bei pH = 2 und aH2 = 0.1 beträgt: E = 0 − 0.0592 lg 4.7 0.11/2 = −0.89V 10−2 Faradaysches Gesetz Das Faradaysche Gesetz beschreibt den quantitativen Zusammenhang zwischen elektrischer Ladung und der an einer Elektrode abgeschiedenen Stoffmenge. Man erhält die durch die Strommenge Q abgeschiedene Masse m des Stoffes mit der Molmasse M und der Ladung n nach: m= MQ nF F ist die sogenannte Faradaykonstante, ihr Wert beträgt 96485 Cmol−1 . 83 4 REDOXREAKTIONEN Tabelle 6: Standardreduktionspotenziale, gültig bei 25◦ C und 1 bar, in saurer Lösung. reduzierte Form Li K Ba Ca Na Mg Al Mn Zn Cr S2− Fe Cd Co Sn Pb Fe H2 + 2 H2 O Sn2+ Cu+ SO3 + 6 H2 O Cu Cu 2 I− H2 O2 + 2 H2 O Fe2+ Ag Hg NO + 6 H2 O 2 Br− 6 H2 O 2 Cr3+ + 21 H2 O 2 Cl− 2+ Pb + 6 H2 O Au Mn2+ + 12 H2 O 3 H2 O + O2 2 F− e− oxidierte Form Li+ K+ B2+ Ca2+ Na+ Mg2+ Al3+ Mn2+ Zn2+ Cr3+ S Fe2+ Cd2+ Co2+ Sn2+ Pb2+ Fe3+ H3 O+ Sn4+ Cu2+ + SO2− 4 + 4 H3 O 2+ Cu Cu+ I2 O2 + 2 H3 O+ Fe3+ Ag+ Hg2+ + NO− 3 + 4 H3 O Br2 O2 + 4 H3 O+ + Cr2 O2− 7 + 14 H3 O Cl2 PbO2 + 4 H3 O+ Au3+ MnO− 4 + 8 H2 O O3 + 2 H3 O+ F2 84 +1 +1 +2 +2 +1 +2 +3 +2 +2 +3 +2 +2 +2 +2 +2 +2 +3 +2 +2 +1 +2 +2 +1 +2 +2 +1 +1 +2 +3 +2 +4 +6 +2 +2 +3 +5 +2 +2 e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− e− Standardpotenzial E ◦ in V -3,04 -2,92 -2,90 -2,87 -2,71 -2,35 -1,68 -1,19 -0,76 -0,74 -0,48 -0,41 -0,40 -0,28 -0,14 -0,13 -0,036 0 +0,15 +0,15 +0,17 +0,34 +0,52 +0,54 +0,68 +0,77 +0,80 +0,85 +0,56 +1,07 +1,23 +1,33 +1,36 +1,46 +1,50 +1,51 +2,07 +2,87 4.8 Einige Beispielaufgaben zu Standardreduktionspotenzialen 4.8 4.8.1 Einige Beispielaufgaben zu Standardreduktionspotenzialen Die EMK der Kette Zn/0.1 M ZnSO4 //0.5 M CuSO4 /Cu Es gilt zunächst E ◦ (Zn2+ /Zn) = -0.763 V und E ◦ (Cu2 + /Cu) = 0.340 V. Für die Anode erhalten wir mit Gl. 30 EA = −0.763 − 1 0.0592 RT · ln = −0.763 − · lg 10 = −0.793V nF [Zn2+ ] 2 und für die Kathode 0.0592 · lg 0.5−1 = 0.331V. 2 Die Zellspannung (stromlos gemessen) ist dann EK = +0.340 − EM K = EK − EA = 1.124V. 4.8.2 Berechnng von Gleichgewichtskonzentrationen Es sollen Gleichgewichtskonzentrationen berechnet werden, die man erhält, wenn man eine 0.1 M CuSO4 −Lösung mit Zn−Pulver versetzt. Cu2+ + Zn Zn2+ + Cu K= [Zn2+ ] [Cu2+ ] Die EMK dieser Kette unter Standardbedingungen beträgt: E ◦ = 0.340 + 0.763 = 1.103V Die Gleichgewichtskonstante K kann dann nach Gl. 31 berechnet werden: 1.103·2 K = 10 0.0592 = 1037.26 Die Konzentration von Zn2+ beträgt 0.1 M (es wird angenommen, dass nahezu das gesamte Cu2+ durch Zn umgesetzt wird). Die verbleibende Konzentration von Cu2+ lässt sich dann mit dieser Annahme wie folgt berechnen: [Zn2+ ] [Zn2+ ] = 37.26 = 10−38.26 M K 10 Dieses Ergebnis rechtfertigt auch die Annahme, dass die Zn2+ −Konzentration am Ende etwa gleich 0.1 M sei. [Cu2+ ] = 85 4 REDOXREAKTIONEN +2 4.8.3 +4 Titration einer F e −Lösung mit Ce −Lösung +2 +4 100 ml 0.01 M F e −Lösung sollen mit 0.100 M Ce −Lösung titriert werden. Die Titration soll in 1 M H2 SO4 erfolgen. +3 +2 +4 E ◦ (F e / F e) = 0.77V +3 E ◦ (Ce / Ce) = 1.44V +3 Die Messkette enthält eine Platinelektrode zur Messung des Potenzials E(F e +2 / F e). Mit Gl. 30 erhält man +3 +2 E = E ◦ (F e / F e) − 0.24 − 0.0592 lg [F e2+ ] . [F e3+ ] Als Referenzelektrode wird eine Kalomelelektrode mit E ◦ = +0.24 V verwendet. Die Potenziale E sollen berechnet werden: +2 a) nach Oxidation der Hälfte der F e −Lösung, +2 +4 b) nach Zugabe der zu F e äquivalenten Menge Ce, +4 +4 +3 c) für einen Überschuss an Ce, so dass gilt: [Ce] = [Ce]. Wir gehen nach folgendem Schema vor: Zuerst wird die Gleichgewichtskonstante der Reaktion ermittelt: +2 +4 +3 +3 F e + Ce F e + Ce K = 10 1.44−0.77 0.0592 = 1011.3 Daraus folgt, dass die Reaktion praktisch vollständig abläuft. Wir können nun die Gleichgewichtskonzentrationen berechnen. +4 (a) In diesem Fall sind 5 ml 0.1 M Ce −Lösung notwendig. Berücksichtigt man die zugehörige Volumenänderung, so wird die Aus+2 gangskonzentration von F e: 86 4.8 Einige Beispielaufgaben zu Standardreduktionspotenzialen +2 [F e]o = 0.01 · 100 = 0.00952M 100 + 5 +4 und die eingesetzte Ce −Konzentration +2 [F e]o = 0.00476M. [Ce]o = 2 +4 Da die Reaktion, wie schon erwähnt, praktisch vollständig verläuft, folgt: +3 +3 +2 1 +2 [F e] = [Ce] = [F e] = [F e]o 2 und E = 0.53V. +4 Die tatsächliche Ce −Konzentration ergibt sich aus: +3 +3 +4 [Ce] = [F e][Ce] +2 [F e]·K +3 = [Ce] · 10−11.3 = 2.38 · 10−14 M +4 (b) Für diese Aufgabe sind 10 ml 0.1 M Ce −Lösung notwendig. Die ur+2 sprüngliche Konzentration an F e ergibt sich damit zu: +2 [F e]o = 0.01 · 100 = 0.00909M. 100 + 10 +2 +4 +3 Da laut Aufgabenstellung das gesamte F e durch Ce zu F e oxidiert werden soll, folgt +3 +3 +2 [F e] = [Ce] = [F e]o . +4 +2 Mit [Ce] = [F e] gilt weiter 87 4 REDOXREAKTIONEN +4 +2 +2 √ [Ce] = [F e] = [F e]o 10−11.3 = 2.03 · 10−8 M. Mit Hilfe des Massenwirkungsgesetzes (K) ergibt sich +2 [F e] = 2.24 · 10−6 +3 [F e] und E = 0.53 − 0.0592 · lg 2.24 · 10−6 = 0.864V +4 (c) In diesem Fall werden 20 ml 0.1 M Ce −Lösung benötigt. Man erhält weiter: +4 [Ce]o 0.1 · 20 [Ce] = = = 8.33 · 10−3 M 2 (100 + 20)2 +3 Mit Hilfe der Massenwirkungskonstante K ergibt sich wieder +2 [F e] +3 +3 +2 = 10−11.3 , [F e] = 8.33 · 10−3 , [F e] = 4.17 · 10−14 . [F e] und E = 0.53 − 0.0592 · lg 10−11.3 = 1.19V. 4.9 Konzentrationsketten Nach Gleichung 30 hängt das Elektrodenpotenzial von der Ionenkonzentration in einer elektrochemischen Zelle ab. Das heisst, dass man mit ein und demselben Elektrodentyp aber mittels Konzentrationsunterschieden in den Halbzellen ein galvanisches Element aufbauen kann. 88 4.9 Konzentrationsketten In der folgenden Abbildung ist eine Silberkonzentrationskette als Beispiel angegeben. Auch die EMK dieser Kette ist gleich der Differenz der Potenziale der beiden Halbelemente: ∆E = EAg (1) − EAg (2) = 0, 059 lg Reaktion im Halbelement 1 Ag + + e− −→ Ag cAg+ (1) cAg+ (2) Reaktion im Halbelement 2 Ag −→ Ag + + e− Redoxpotenzial 1 Redoxpotenzial 2 ◦ ◦ EAg (1) = EAg + 0, 059 lg cAg+ (1) EAg (1) = EAg + 0, 059 lg cAg+ (1) Abbildung 27: Konzentrationskette: Ag-Elektroden tauchen in Lösungen mit unterschiedlicher Ag + -Konzentration. Lösungen verschiedener Konzentration haben das Bestreben, ihre Konzentrationen auszugleichen. Im Halbelement 2 gehen daher Ag + -Ionen in Lösung, im Halbelement 1 werden Ag + -Ionen abgeschieden, Elektronen fliessen vom Halbelement 2 zum Halbelement 1. Mit Konzentrationsketten lassen sich sehr kleine Ionenkonzentrationen messen und Löslichkeitsprodukte bestimmen. Beispiel: Löslichkeitsprodukt von AgI 89 4 REDOXREAKTIONEN Versetzt man eine AgN O3 -Lösung mit I − -Ionen, fällt AgI aus. Es gilt das Löslichkeitsprodukt cAg · cI = LAgI Verwendet man eine I − -LÖsung der Lonzentration 10− 1mol/l, so kann durch Messung der Ag + -Konzentration das Löslichkeitsprodukt bestimmt werden. Man erhält die Ag + -Konzentration durch Messung der EMK einer Konzentrationskette, die aus einem Halbelement Ag|AgI|Ag + und dem Referenzelement besteht ∆E = 0, 059 lg cAg + (R) − 0, 059 lg cAg+ lg cAg+ = ∆E + lg cAg+ (R) 0, 059 Beträgt die Ag + -Konzentration der Referenzelektrode cAg+ = (R) = 10−1 mol/l und ∆E = 0, 832V, ist CAg+ = 8 · 101 6 mol/l und lAgI = 8 · 10−17 mol2 /l2 . 4.10 Elektroden zweiter Art Setzt man einem Ag + /Ag−Halbelement Anionen zu, die mit Ag + −Ionen ein schwerlösliches Salz billden, so wird die Ag + −Ionenkonzentration durch das Löslichkeitsprodukt des Salzes bestimmt. Das Potenzial einer solchen Elektrode erhält man also mit E = E ◦ + 0.059 lg[Ag + ] und [Ag + ][Cl− ] = L. zu ◦ E = EAg + 0.0592 lg L . [Cl− ] Elektroden zweiter Art eignen sich sehr gut als Vergleichselektroden. • Sie lassen sich leicht herstellen. • Ihr Potenzial ist gut reproduzierbar. 90 4.11 Elektroden für EMK-Messungen > Potenzialmessungen an Elektroden Eine in der Praxis häufig gebrauchte Vergleichselektrode ist die Kalomelelektrode, die aus einem Pt-Draht, Quecksilber, Quecksilberchlorid, und einer gesättigten Kaliumchloridlösung besteht: P t/Hg/Hg2 Cl2 /KCl(ges.) E ◦ = +0.24V Der Pt-Draht dient nur als Zuleitung. 4.11 Elektroden für EMK-Messungen Bei jeder Halbreaktion wird immer ein System zur Übertragung der Ladungen bzw. zur Abscheidung oder Auflösung eines Reaktanden benötigt. Diese Funktionen werden durch geeignete Elektroden realisiert. Durch Anwendung sehr kleiner Strommengen treten i.d.R. vernachlässigbar kleine Änderungen der Konzentrationen der Ionen in Lösung auf. Das heisst zugleich, dass die gemessene EMK zeitlich praktisch unverändert bleibt. Bei vielen Messungen sind Phasengrenzen zwischen zwei Lösungen unvermeidlich (pH-Messung, Anwendungen von Referenzelektroden, etc.).Diese verursachen sogenannte Diffusionspotenziale, die eine genaue EMK-Messung erschweren. Alle Teile einer Messkette können die Messergebnisse beeinflussen, weil auch sie mitgemessen werden. Die folgende Überlegungen müssen bei der Auswahl von Elektroden angestellt werden: • Wenn bei der Halbreaktion ein Metall und seine Ionen auftreten, dann wirkt das Metall als Elektrode (z.B. Cu, Zn, Ag, etc.) • Platinschwarz oder Platinschwamm kann sehr grosse Mengen an H2 aufnehmen und abgeben. Es kann daher als Basismaterial für eine Wasserstoffelektrode verwendet werden. • Elektroden für Anionen erhält man, indem man ein Metall, mit einem schwerlöslichen Salz des betreffenden Anions beschichtet. So erlauben die Elektrodensysteme Ag/AgX, Hg/Hg2 X2 die Messung von X − −Anionen (X = Cl− , Br− , I − ). 91 4 REDOXREAKTIONEN • Bei Halbreaktionen zwischen löslichen Reaktanden mit verschiedenen Oxidationszahlen können inerte Metallelektroden verwandt werden, zum Beispiel Pt oder Au für die Redoxpaare +3 +2 +2 +7 +2 F e / F e, Hg /Hg22+ , CrO24− /Cr+3 und M n O4− / M n • Das Potenzial zwischen zwei Lösungen gegebener Wasserstoffionenkonzentration, getrennt durch eine geeignete Membran (z.B. ionendurchlässiges Spezialglas), kann mittels Glaselektroden gemessen werden. Man verlangt dabei, dass eine Elektrode ein Verhalten aufweisst, das die Nernstsche Gleichung der entsprechenden Halbzelle erfüllt. Zusätzlich ist für die Praxis ein rasches Einstellen der entsprechenden Gleichgewichte erforderlich. Diese Bedingungen sind nicht immer erfüllt. 4.12 Potenzialdiagramme Für Elemente, die in mehreren Oxidationsstufen stabil auftreten, können in einem Diagramm alle E ◦ −Werte angegeben werden. Anhand dieser sogenannten Potenzialdiagramme können Disproportionierungen und andere Redoxprozesse diskutiert werden. 0,158 V Cu 2+ 0,522 V - Cu+ - 1) Cu (saure Ls.) 2) 0,340 V Aus obigem Diagramm ist auch ersichtlich, dass das Standardpotenzial keine Zustandsgrösse ist, wohl aber die freie Enthalpie ∆G◦ (E1◦ +E2◦ 6= E3◦ ; ∆G1 + ∆G2 = ∆G3 ) : 0.158 + 0.522 = 0.680 = 2 · 0.340. Für die Disproportionierung gilt: 2Cu+ −→ Cu2+ + Cu und E ◦ = 0.522 - 0.158 = 0.364 < 0! Danach ist klar, dass diese Reaktion spontan abläuft. 92 4.12 Potenzialdiagramme Eine Disproportionierung von Teilchen tritt dann auf, wenn das Redoxpotenzial für die Reduktion zum nächstniedrigeren Oxidationszustand positiver ist als das Redoxpotenzial für die Oxidation zum nächsthöheren Oxidationszustand. Die Disproportionierung von F e2+ , hingegen, ist nicht spontan: 0,770 V Fe3+ -0,440 V - Fe2+ - 1) Fe (saure Ls.) 2) -0,037 V Als Beispiel für ein komplizierteres Potenzialdiagramm wird das von Chlor in saurer Lösung wiedergegeben: +1,47 ClO− 4 -1,19 - ClO− 3 +1,21 +1,65 - HClO2 +1,63 - HOCl +1,358 - Cl2 - Cl− +1,49 +1,43 Diese Daten erlauben die Berechnung der E ◦ −Werte beliebiger Redoxpaare zwischen den beteiligten Spezies. Im Falle der Dissoziation von schwachen Säuren (HClO und HClO2 ) ist die Kenntnis der zugehörigen Dissoziationskonstanten unerlässlich. Das entsprechende Potenzialdiagramm in alkalischer Lösung erhält man, wenn man als Reaktanden die in diesem Medium stabilen Teilchen einsetzt. Als Beispiel sei hier die Berechnung von E ◦ (ClO4− /ClO3− ) aufgeführt: Die Gleichung der Halbzelle in sauerem Milieu lautet: 2H + + ClO4− + 2e− −→ ClO3− + H2 O E ◦ = 1.19V und die zugehörige Nernstsche Gleichung ist: E = 1.19 − [ClO− ] 0.0592 lg + 3 − . 2 [H ][ClO4 ] 93 (32) 4 REDOXREAKTIONEN Die Anionen ClO3− und ClO4− sind auch im alkalischen Milieu stabil, und die zugehörige Gleichung für E ◦ erhält man durch Substitution von [H + ] mit Hilfe des Ionenproduktes des Wassers Kw /[OH − ] = 10−14 /[OH − ]: E = 1.19 − = 1.19 − = 0.36 − [ClO3− ][OH − ]2 10−28 [ClO4− ] [ClO3− ][OH − ]2 0.0592 0.0592 · 28 − lg 2 2 [ClO4− ] − − ]2 [ClO ][OH 0.0592 3 lg 2 [ClO4− ] 0.0592 2 lg Die letzte Gleichung entspricht dem Gleichgewicht H2 O + ClO4− + 2e− −→ ClO3− + 2OH − mit E ◦ = 0.36V. Natürlich kann die Berechnung von E ◦ für beliebige pH-Werte durchgeführt werden. Für pH = 5 erhält man mit Gl. 32 [ClO− ] E = 1.19 − 0.0592 2 3 lg (10−5 )2 [ClO − ] = 1.19 − 0.0592 2 · 10 − 4 0.0592 2 [ClO− ] lg [ClO3− ] . 4 Das heisst, E ◦ =0.894 V für diese Halbkette bei pH=5. 4.13 Gleichgewichtslage bei Redoxprozessen Bei einem Redoxprozess liegt Gleichgewicht vor, wenn die Potenziale der beiden Redoxpaare gleich gross sind. E1◦ + RT [Ox1 ] RT [Ox2 ] ln = E2◦ + ln zF [Red1 ] zF [Red2 ] E2◦ − E1◦ = RT [Ox1 ][Red2 ] RT ln = ln K zF [Red1 ][Ox2 ] zF Für 25o C erhält man (E2◦ − E1◦ ) z = lg K. 0.0592 Je grösser die Differenz der Standardpotenziale, um so weiter auf einer Seite liegt das Gleichgewicht. 94 4.14 pH-E-Diagramme 4.14 pH-E-Diagramme Für jede Halbkette kann man E ◦ −Werte in Abhängigkeit vom pH-Wert berechnen und erhält durch Auftragen von E ◦ gegen pH pH-E-Diagramme. Mit Hilfe solcher Darstellungen können ermittelt werden: 1. Die Richtungen von Redoxreaktionen beim beliebigen pH-Werten. Man vergleicht hierzu resultierenden E-Werte der zwei Halbketten. 2. Die stabilste Komponente eines galvanischen Elementes bei gegebenen Bedingungen (pH,E ◦ ). Dabei soll beachtet werden, dass das Diagramm einer Halbkettenreaktion die pH / E-Wertepaare angibt, bei denen die Konzentrationen von Red und Ox 1 M betragen: Ox + ne− −→ Red E = E◦ − 0, 059 Red lg n Ox Je positiver der E-Wert, desto stabiler ist die oxidierte Form, und je negativer der E-Wert, desto stabiler ist die reduzierte Form der Verbindung. Bemerkung: Aussagen über den Verlauf einer Reaktion mittels Standardreduktionspotenzialen gelten für Systeme, die im Gleichgewicht stehen. Sehr oft lässt sich das aus kinetischen Gründen nicht realisieren! Anwendungsbeispiele: > Elektrolyse, Brennstoffzelle, Das Kupfer – Eisen-Element, Oxidation von Zink 95 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN 5 Komplexverbindungen 5.1 Aufbau und Eigenschaften Komplexverbindungen werden oft auch als Koordinationsverbindungen bezeichnet. Ein Komplex besteht aus einem Koordinationszentrum und der Ligandenhülle. Zum Zentrum können ein oder mehrere Zentralatome oder Zentralionen gehören. Die Liganden sind Ionen oder Moleküle bzw. Molekülionen. Koordinationszentrum Al3+ Cr3+ Fe3+ Ni Ag+ Ligand Komplex F− NH3 H2 O CO CN− [AlF−]3− [Cr(NH3 )6 ]3+ [Fe(H2 O)6 ]3+ Ni(CO)4 [Ag(CN)2 ]− KZ 6 6 6 4 2 Die Zahl der an das Zentrum gebundenen Liganden heisst Koordinationszahl (Abkürzung: KZ bzw. CN). Komplexionen werden in [ ] gesetzt. Die Gesamtladung ist die Summe aller Einzelladungen im Komplex. Komplexe können oft an ihren typischen Eigenschaften erkannt werden: • Komplexionen zeigen häufig charakteristische Farben. 2− Cu2+ aq + SO4 schwachblau F e2+ aq schwachgelb +4N H3 −→ [Cu(N H3 )4 ]2+ + SO42− tiefblau +6CN − −→ [F e(CN )6 ]4− gelb • Lösungen von Komplexen haben charakteristische elektrolytische Eigenschaften. Die gemessene Leitfähigkeit kann nicht nach der folgenden Gleichung K4 [F e(CN )6 ] −→ 4K + + F e2+ + 6CN − 96 5.1 Aufbau und Eigenschaften sondern nur nach K4 [F e(CN )6 ] −→ 4K + + [F e(CN )6 ]4− erklärt werden (vgl. auch Kap. 5.11 Doppelsalze). • Die für die freien Ionen typischen Ionenreaktionen werden häufig nicht beobachtet, weil viele Komplexe in wässriger Lösung in nur geringem Masse dissoziieren. Solche Komplexe sind also recht stabil bzw. robust, und ihre Zentralionen sind maskiert: Ag + + Cl− −→ AgClf est LAgCl = 10−10 [Ag(N H3 )2 ]+ + Cl− ←− AgClf est,weiss + 2N H3 > (33) Fällung und Auflösung von Silberniederschlägen aber [Ag(N H3 )2 ]+ + I − −→ AgIf est,gelblich + 2N H3 LAgI = 10−16 F e2+ + S 2− −→ F eSf est,schwarz [F e(CN )6 ]4− + S 2− ←− F eSf est,schwarz + 6CN − (34) In den Gln. 33 und 34 sind die Silber- bzw. die Eisenionen maskiert. Der Komplex [F e(CN )6 ]4− reagiert aber in typischer Weise mit F e3+ −Ionen zu Berliner Blau bzw. Turnbulls Blau. [F e(CN )6 ]4− + F e3+ ←− F e4 [F e(CN )6 ]3,f est tiefblau Bei Ligandenaustauschreaktionen bildet sich immer der stabilere Komplex. Beispiele: [Cu(H2 O)4 ]2+ +4N H3 −→ [Cu(N H3 )4 ]2+ +4H2 O hellblau tiefblau [Ag(N H3 )2 ]+ +2CN − −→ 97 [Ag(CN )2 ]− +2N H3 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN > 5.2 Darstelung von “Berliner Blau”, Komplexreaktionen Gleichgewichte In wässriger Lösung sind Metallionen von einer gewissen Zahl von Wassermolekülen in der ersten Koordinationssphäre umgeben. Darum wird für diese z+ Ionen oft die Bezeichnung Maq verwendet. Ist die Anzahl der koordinierten H2 O-Moleküle bekannt, dann kann dies in der Formel explizit angegeben werden. Beim Aluminiumaquaion sind sechs H2 O-Liganden vorhanden, so dass [Al(H2 O)6 ]3+ geschrieben werden kann. Das Zentralion Al3+ hat also die Koordinationszahl KZ=6 bzw CN=6. Schon Alfred Werner (1866 - 1919) konnte zeigen, das die Koordinationszahl sechs häufig von einer oktaedrischen Anordnung der Ligandatome begleitet wird. In Wasser können sogenannte Ligandaustauschreaktionen auftreten. Dabei werden koordinierte H2 O-Moleküle gegen andere Liganden ausgetauscht. Dieser Prozess tritt in der Regel schrittweise auf, wie es in der folgenden Reihe von Gleichungen dargestellt ist von [Al(H2 O)6 ]3+ + F − [Al(H2 O)5 F ]2+ + H2 O über [Al(H2 O)7−n Fn−1 ](4−n) + F − [Al(H2 O)6−n Fn ](3−n) + H2 O n = 2, 3, 4, 5 zu [Al(H2 O)F5 ]2− + F − [AlF6 ]3− + H2 O. > Maskierung eines Aluminiumsalzes mittels Fluorid Bei F − -Zugabe werden also sukzessive sechs verschiedene Fluorokomplexe gebildet. Es handelt sich dabei um Gleichgewichte mit den zugehörigen Stabilitätskonstanten Kn : Kn = [Al(H2 O)6−n Fn ] [Al(H2 O)7−n Fn−1 ][F − ] 98 n = 1, 2, . . . , 6 5.2 Gleichgewichte Tabelle 7: Komplexbildungskonstanten einiger Komplexe in Wasser Komplex lg β Komplex lg β + 2+ [Ag(NH3 )2 ] 7 [Cu(NH3 )4 ] 13 3− 3− [Ag(S2 O3 )2 ] 13 [Fe(CN)6 ] 44 − 4− [Ag(CN)2 ] 21 [Fe(CN)6 ] 35 − 2− [Au(CN)2 ] 37 [Ni(CN)4 ] 29 2+ 2+ [Co(NH3 )6 ] 5 [Zn(NH3 )4 ] 10 3+ − [Co(NH3 )6 ] 35 [Cu(CN)4 ] 27 (In der Literatur sind z.T. sehr unterschiedliche Werte angegeben.) und den Brutto-Komplexbildungskonstanten βn : n Y [Al(H2 O)6−n Fn ] βn = = K · K · . . . · K = Ki 1 2 n [Al(H2 O)6 ][F − ]n i=1 (35) In Gleichung 35 wurden die Ladungen weggelassen. Die Bruttokonstanten βn können experimentell ermittelt werden. Je grösser die Komplexbildungskonstanten sind, um so beständiger ist ein Komplex. Das Einstellen der Gleichgewichte kann bei labilen Komplexen sehr rasch (t < 1s), bei robusten, inerten Komplexen sehr langsam (t > 1s, Minuten, Tage, u.m.) erfolgen. Labile Komplexe eignen sich besser für Gleichgewichtsstudien, robuste hingegen für präparative Arbeiten. Für die Katalyse mit Übergangsmetallionen werden labile Komplexgleichgewichte benötigt. Auch für Komplexe können quantitative stöchiometrische Beziehungen aufgestellt werden. Die Beziehungen für Aluminiumkomplexe, die durch Mischen einer Al(ClO4 )3 mit einer HF −Lösung (teilweise durch starke Base neutralisiert) erhalten werden, sind wie folgt zu formulieren: 3+ [Al ]t = 6 X 3−n [{Al(H2 O)6−n Fn } 3+ ] = [{Al(H2 O)6 } ] · (1 + n=0 6 X βn [F − ]n ) n=1 (36) − − [F ]t = [F ] + [HF ] + 6 X n=1 99 n · [{Al(H2 O)6−n Fn }3−n ] 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN [OH − ]t = [F − ] + 6 X n · [{Al(H2 O)6−n Fn }3−n ] + [OH − ] − [H + ] n=1 (Wegen der Koinzidenz von Konzentrations- und Komplexbezeichnungen werden hier die Komplexe in { } angegeben). Die zwei letzten Gleichungen lassen sich unter Berücksichtigung von Gl. 36 und von Kw umformen zu: [F − ]t = [F − ] · (1 + Ks−1 [H + ]) + [{Al(H2 O)6 }3+ ] · (1 + 6 X nβn [F − ]n ) (37) n=1 − − 3+ [OH ]t = [F ] + [{Al(H2 O)6 } ] · (1 + 6 X nβn [F − ]n ) + Kw [H + ]−1 − [H + ]. n=1 (38) Man erhält also ein System von drei Gleichungen 36, 37 und 38 mit den drei Unbekannten [{Al(H2 O)6 }3+ ], [F − ] und [H + ]. Für bekannte Konzentrationen von [Al3+ ]t , [F − ]t und [OH − ]t kann man die Gleichgewichtskonzentrationen aller Spezies ermitteln, sofern die Konstanten βn (n = 1,2,...,6), Ks und Kw bekannt sind: Ks = 5.3 [H + ][F − ] . [HF ] Liganden In Wasser können Liganden für die Metallkomplexbildung eingesetzt werden, die in der Lage sind, die am Metallatom koordinierten H2 O−Moleküle zu ersetzen. Man kennt sehr viele solcher Liganden, wie z.B. die einfach koordinierenden, einzähnigen F − , Cl− , Br− , I − , OH − , CO32− , N H3 , S 2− , u.a. 100 5.3 Liganden . ! " # $ % & ' ( ) * + , 0 1 2 / 3 4 > 5 6 7 8 Eisenkomplexe die zweizähnigen Ethylendiamin, Oxalatanion, Glycinat, Mercaptoacetat, Acetylacetonat, Iminodiacetat und 2,2’Dipyridyl F G < > ? @ C D E A ( ) * % & ' = ! " # $ B H + , - . / 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ; J x M N O P Q R S q o s ] ^ _ ` a b c d e f g h i j k l m 101 p t z \ L Y r [ K y n X Z I { u | } ~ v w T U V W 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN > Ni-Komplexe sowie die mehrzähnigen Diethylendiamin (dreizähn.), Nitriloacetat (vierzähn.), Bis-(2,2’Dipyridyl) (vierzähn.), Anion der Ethylendiamintriessigsäure (fünfzähn.) und Ethylendiamintetraacetat (EDTA4− , sechszähn.). > Komplexierung 102 5.3 Liganden ! " # $ % O P Q R S T U = V W > ? X Y Z @ [ A \ ] ^ _ ` B C < D E F G H I J K L M N & õ æ ç ' ö ( ) ÷ ø * + ù , ú - . û ü / ý 0 þ 1 2 3 ÿ 4 5 6 7 8 9 : ; a å é Û Ü Ý Þ ß à á ê ð " # $ % & ' ( ñ g h i ¡ j ¢ í î ô m ¤ n o ¥ p ¦ q § r s t ¨ u © v ª « w ¬ x ­ y z ® { | ¯ ~ ± Æ Ç ² È É ³ ´ Ê Ë µ Ì ¶ Í · Î Ï ¸ Ð ¹ Ñ º Ò » Ó ¼ Ô ½ ¾ Õ ° ) l ó k £ } ì ! f ë ò e â * d ï ä c è ã b ¿ Ö À × Á Â Ø Ã Ù Ä Å Ú Abbildung 28: Mehrzähnige Liganden Die Pfeile deuten die freien Elektronenpaare an, die die Koordinationsstellen besetzen. Weitere Beispiele sind sogenannte makrozyklische Liganden, von denen hier nur 18-Krone-6, Cryptand C222 sowie C221 (jeweils sechszähn.) genannt seien, die in Wasser stabile Komplexe mit einigen Alkali- und Erdalkalimetallenionen bilden. 103 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN ' ! " ( + , - . ) * # / F 0 G 1 2 H I 3 J 4 K 5 L 6 M 7 8 N 9 O P : ; Q < R S = T > U ? @ V A W B X C Y D Z [ $ % & E \ ] ^ _ ` a b c Abbildung 29: Makrozähnige Liganden Ferner sind in lebenden Organismen Metallkomplexe mit sehr komplizierten Strukturen vorhanden, die als (Enzyme) wirken. Als Beispiel sei hier die Carboxypeptidase aufgeführt, ein Zinkkomplex der Summenformel C1561 H2352 O465 N465 S5 Zn (M = 34472amu) bestehend aus 307 Aminosäuren. Der Zn-Gehalt beträgt 0,19 %. Das Zn2+ −Ion ist mit zwei N-Atomen aus Histidin (69 und 196), einem O-Atom aus Glutaminsäure 72 und einem O-Atom eines H2 O-Moleküls koordiniert. 104 5.3 Liganden Tabelle 8: Zusammensetzung, Name und Kurzbezeichnung einiger gebräuchlicher Liganden 1 2 3 4 5 6 H I J K L M N O P Q R S 7 8 9 T F V : U ; W < = X ! > Y Z ? " # [ @ \ A $ % ] B ^ C _ & D ' ( ) * + , - . / 0 E ` a b c d e G g h i j k l s f m n o p t ¢ £ ¤ ¥ ¦ Î Ï Ð Ñ Ò Ó Ô Õ Ö ç è é ê ë ì í î ï ð ñ x y z { | } ~ © ª « ¬ ¯ Ø ò ó ô õ ö ° ± ² ³ ´ µ ¶ · ¸ ¹ º » ¼ ½ ¾ ¿ À Á Â Ã Ä Å Æ Ç ÷ ø ù ú Ù û Ú ) * + , - . / 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ü Û ý Ü þ Ý Þ ÿ ß à á â ã ä å æ ; " # $ % & ' È É K < = > ? ( L G D A _ t v a I M N O P Q R S T U V W X Y Z F u ` H E B b w c x d y e z f { g | h } i ~ j k l Ë C J Ê ­ × ! ¨ Í ¡ Ì w § ® v r u q m n o p q r s 105 ¡ ¢ £ ¤ ¥ ¦ § ¨ © ª [ \ ] ^ @ 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN Tabelle 9: Strukturformeln einiger komplizierterer Liganden % & ' ( ) ! " # $ * - . / 0 1 2 + , a ,a 3 @ 4 106 A 5 B C 6 D 7 E 8 9 : ; < = > ? 5.4 Nomenklatur von Komplexverbindungen 5.4 Nomenklatur von Komplexverbindungen Für einen Komplex wird zuerst der Name der Liganden und dann der des Zentralatoms angegeben. Anionische Liganden werden durch Anhängen eines o an den Stamm des Ionennamens gekennzeichnet: Tabelle 10: Beispiele für die F− fluoro − Cl chloro − OH hydroxo − CN cyano Bezeichnung von Liganden H2 O aqua NH3 ammin CO carbonyl Die Anzahl der Liganden wird mit vorangestellten griechischen Zahlen mono, di, tri, tetra, penta, hexa bezeichnet. Die Oxidationszahl des Zentralatoms wird am Ende des Namens mit in Klammern gesetzten römischen Ziffern gekennzeichnet. Di ammin Anzahl der Ligand Liganden silber ZentralTeilchen kationischer Komplex (I) Oxidationszahl chlorid Anion Anion Abbildung 30: Schema für kationische Komplexe am Beispiel von [Ag(NH3 )2 ]Cl. Weitere Beispiele [Cu(NH3 )4 ]2+ Tetraamminkupfer(II) [Ni(CO)4 ] Tetracarbonylnickel(0) [Cr(H2 O)6 ]Cl3 Hexaaquachrom(III)-chlorid (Die Zahl de Cl-Atome braucht nicht bezeichnet zu weren, sie ergibt sich aus der Ladung des Komplexes.) In negativ geladenen Komplexen endet der Name des Zentralatoms auf -at. Erwird in einigen Fällen vom lateinischen Namen abgeleitet. 107 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN Natrium di cyano argent at Kation Anzahl der Liganden Ligand Zentralteilchen at (I) Oxidationszahl anionischer Komplex Kation Abbildung 31: Schema für anionische Komplexe am Beispiel von Na[Ag(CN)2 ]. [CoCl4 ]2− Tetrachlorocobaltat(II) − Weitere Beispiele: [Al(OH)4 ] Tetrahydroxoaluminat(III) K4 [Fe(CN)6 ] Kalium-hexacyanoferrat(II) (Die Zahl der K-Atome wird nicht bezeichnet. Sie ergibt sich aus der Ladung – 4 des Komplexes). Bei verschiedenen Liganden ist die Reihenfolge alphabetisch. Beispiel: [Cr(H2 O)4 Cl2 ]+ 5.5 Tetraaquadichlorochrom(III) Zusammensetzung und Struktur von Komplexen Verbindungen wie CoCl3 (N H3 )6 , CoCl3 (N H3 )5 oder P tCl4 (N H3 )3 , die schon vor 100 Jahren bekannt waren, konnten nach der damals geltenden Valenzlehre nicht verstanden werden und wurden darum Verbindungen höherer Ordnung genannt. Es war z.B. schon bekannt, dass es in Lösungen von Chlorokomplexen nicht immer möglich war, alle enthaltenen Cl− −Ionen mit AgN O3 −Lösung zu bestimmen. So werden bei CoCl3 (N H3 )6 drei, bei CoCl3 (N H3 )5 nur zwei und bei P tCl4 (N H3 )2 kein Chloridion bestimmt. Diese Befunde konnten von A. Werner durch Einführung von Koordinationszuordnungen erklärt werden. 108 5.5 Zusammensetzung und Struktur von Komplexen 5 6 7 @ A r 3 4 ; < s t u v w x y z { | } ~ = B C D E F G H I J K L 8 9 O M : P ? W X > ! " # $ % & N Q T U V Y Z [ \ ] ^ _ ` a b c ' ( R S f d * + , - . / 0 ¡ ¢ g e j k l m n o p q ) 1 2 h i £ ¤ ¥ ¦ In den drei angegebenen Beispielen ist die Koordinationszahl immer sechs. III IV Bei robusten Komplexen (Co −, P t −) werden Liganden der ersten Koordinationssphäre nur sehr langsam ersetzt, und darum können bei der Titration mit Ag + nicht alle Cl− quantitativ erfasst werden. Die Untersuchungen von Werner haben gezeigt, dass besonders bei Verwendung von einzähnigen Liganden eine grosse Vielfalt von Komplexen gefunden werden kann. Dabei tritt die Koordinationszahl sechs sehr häufig, aber nicht aussschliesslich auf. Für viele Ionen gibt es bei wechselnden Liganden Komplexe mit unterschiedlicher Koordinationszahl. Für N i2+ sind oktaedrische, tetraedrische und quadratisch-planare Komplexe bekannt. Einige Ionen bevorzugen eine ganz bestimmte Koordinationszahl und Koordinationsgeometrie. 109 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN Tabelle 11: Räumliche Anordnung der Liganden 5 6 7 8 9 : ; < = > ? @ A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z [ \ ] ^ _ ` a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z { | } ~ ¡ ¢ £ ¤ ¥ ¦ § ¨ © ª « ¬ ­ ® ¯ ° ± ² ³ ´ µ ¶ · ¸ ¹ º » ¼ ½ ¾ ¿ À Á Â Ã Ä Å Æ Ç È É Ê Ë Ì Í Î Ï Ð Ñ Ò Ó Ô Õ Ö × Ø Ù Ú Û Ü Ý Þ ß à á â ã ä å æ ç è é ! " # $ % & ' ( ê ë ì í î ï ð ñ ò ó ô õ ö ÷ ø ù ú û ü ) ý þ # $ H I ÿ % & ' ( ) * + , - . / 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 : ; < = > ? @ A B C D E ! F " G o * > + , - . / 0 1 2 3 p J q K r L s M t u N v O P Q R S T U V W X Y Z [ \ ] ^ _ ` a b c d e f g h i j k l m n w 4 Kupfer-Cadmium-Trennung Die Koordinationszahl drei tritt sehr selten auf, Beispiele sind aber bekannt: [HgI3 ]− trigonal planar [SnCl3 ]− trigonal pyramidal [P t(P (C6 H5 )3 )3 ]− trigonal planar 110 5.5 Zusammensetzung und Struktur von Komplexen 9 : n o p j ; A B l = ) * + , - . / 0 1 2 3 4 ! 5 ? 6 C " # 7 $ % & ' ( J K L M N O P D Q E R F G S T H U V b c d e f g h I W t X Y Z [ \ ] ^ _ ` i Ù $ ë ì í î ï ð ñ ä ò å æ ó Ü z { | } ~ Ì Í Î Ï ¤ ¥ ¦ ç ô è õ ! & ö ÷ ) ø é ù ú û ü ý þ ÿ § ¨ * + , - ' . ¡ ¢ © ª « " ( / 0 1 2 3 4 ¬ ­ ® ¯ ° ± ² ³ ´ µ ¶ · 6 O y â 5 x % w Þ Û á ê v Ú ã u £ Ý Ø s à # × r m @ 8 a ß > q k < 7 P 8 Q 9 R : S T ; U < = > ? @ A B V C D E F G H I J K L M N ¸ ¹ Ð º » Ñ ¼ Ò Ó ½ ¾ Ô Õ ¿ À Á Â Ã Ä Å Æ Ç È É Ê Ë Ö Abbildung 32: Beispiele für Komplexe mit einzähnigen Liganden und verschiedener Koordinationszahl 111 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN $ & ( ) % ' ! " # * + , - . / 0 1 2 3 4 5 Abbildung 33: Beispiele für Chelatkomplexe 5.6 Isomerie von Komplexen Treten zwei chemische Spezies mit unterschiedlicher räumlicher Struktur aber mit derselben Summenformel und Ladung auf, so spricht man von Isomerie. Die Isomerie ist in den Komplexverbindungen ziemlich weit verbreitet, u.a. deshalb weil gewisse Liganden nicht nur in der ersten Koordinationssphäre auftreten können. 5.6.1 Konformationsisomerie +4 Im Falle der Komplexe von P t mit N H3 und Cl− sowie K + als Gegenion kennt man z. B. die ganze Reihe: [P t(N H3 )6 ]Cl4 , [P t(N H3 )5 Cl]Cl3 , [P t(N H3 )4 Cl2 ]Cl2 , [P t(N H3 )3 Cl3 ]Cl, [P t(N H3 )2 Cl4 ], K[P t(N H3 )Cl5 ] und K2 [P tCl6 ]. Dabei sind für den an der dritten und an der fünften Stelle stehenden Komplex je zwei Formen (Isomere, cis und trans - s. Abb. 34), 112 5.6 Isomerie von Komplexen & " # % $ ' ( ) ! * + , - . / 0 1 2 3 4 5 Abbildung 34: cis-trans Isomerie sowie für den an der vierten Stelle stehenden Komplex ebenfalls zwei Isomere (facial und meridional - s. Abb. 35) möglich. Beispiel [Rh(H2 O)3 Cl3 ] $ % & ' ) * + , ( # " - . / ! 0 1 Abbildung 35: Facial- und Meridionalisomerie Verhalten sich zwei Isomere wie Bild und Spiegelbild so spricht man von Spiegelbild– bzw. optischer Isomerie (Abb. 36). 113 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN ! " # $ % & ' ( Abbildung 36: Spiegelisomerie Optische Isomere oder auch Enatiomere zeigen identische physikalische Eigenschaften mit Ausnahme einer Drehung von linear polarisiertem Licht. ! " # Abbildung 37: Optische Isomerie Sie drehen die Schwingungsebene des polarisierten Lichtes um den selben Betrag aber in umgekehrter Richtung (optische Aktivität). Wird die Polarisationsebene des Lichts im Uhrzeigersinn gedreht, so bezeichnet man das Enatiomer als rechtsdrehend und kennzeichnet es durch das Symbol (+) vor der Formelbezeichnung, z.B. (+) − [Co(en)3 ]3+ . Bei Drehung gegen den Uhrzeigersinn heisst das Enatiomer linksdrehend und wird entsprechend gekennzeichnet, z.B. als (−) − [Co(en)3 ]3+ . Ein Enantiomerengemisch von 1:1 nennt man Racemat bzw. racemisches Gemisch. Die drei hier vorliegenden Isomerieformen fasst man unter dem Begriff Stereoisomerien zusammen. 114 5.6 Isomerie von Komplexen Abbildung 38: Drehung der Polarisationsebene einer gelösten Substanz in einem neutralem Medium Die Polarisationsebene wird im chiralen Medium zum verdrehten Band. Das Ausmass der Drehung ist proportional der Konzentration c der Lösung und der Schichtdicke l. Ausmass und Vorzeichen hängen ferner ab von der Art des Lösungsmittels, der Temperatur T und der Wellenlänge λ des verwendeten Lichts. Eine Substanz wird durch einen spezifischen Drehwert α charakterisiert: [α]Tλ = 5.6.2 αλT gemessen l[dm] · c[g/ml] Ionen– bzw. Ionisationsisomerie Verschiedene Ionen können als Liganden im Komplex oder als Gegenionen gebunden sein. [P t(N H3 )4 Cl2 ]Br2 und [P t(N H3 )4 Br2 ]Cl2 oder [Co(N H3 )5 Cl]SO4 und [Co(N H3 )5 SO4 ]Cl. Die Hydrat– bzw. Hydratationsisomerie ist eine spezielle Form: [Cr(H2 O)6 ]Cl3 und [Cr(H2 O)5 Cl]Cl2 (H2 O) und [Cr(H2 O)4 Cl2 ]Cl(H2 O)2 . 5.6.3 Koordinationsisomerie Diese Variation kann auftreten, wenn Anionen und Kationen in Form von Komplexen vorliegen: 115 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN [P t(N H3 )4 ][P tCl6 ] und [P t(N H3 )4 Cl2 ][P tCl4 ] oder [Cu(N H3 )4 ][P tCl4 ] und [P t(N H3 )4 ][CuCl4 ]. 5.6.4 Bindungsisomerie Sie tritt dann auf, wenn mehrkernige Liganden durch verschiedene Atome an das Zentrum gebunden sind. Bekannt hierfür sind die CN − − und N O2− −Anionen: Me − C ≡ N| Cyano-Komplex OL Me − N H HH O H Nitro-Komplex M e − N ≡ C| Isocyano-Komplex Me − O − N = O Nitrito-Komplex Abbildung 39: Beispiele für die Bindungsisomerie [Co(N H3 )5 N O2 ]Cl2 und [Co(N H3 )5 ON O]Cl2 5.7 Präparative Arbeiten mit robusten Komplexen III II Bei der Herstellung von Co −Komplexen wird oft der Umweg über Co −Verbindungen gewählt. Man profitiert dabei von der Labilität der letzteren, wodurch Ligandenaustauschreaktionen praktisch momentan verlaufen. III Den gewünschten Co −Komplex erhält man anschliessend durch Oxidation II des Co −Komplexes. Durch ähnliche Verfahren war es A. Werner in mehr als zwanzig Jahren Arbeit möglich gewesen, eine sehr grosse Zahl von KomIII III IV plexen von Co, Cr und P t zu synthetisieren. Damit konnte er seine Theorie bestätigen. Besonders hervorzuheben ist die Trennung der optischen Antipoden (Enatiomeren) von [Co(en)2 N H3 Br]Cl2 . > Cobalt(II)-Komplex 116 5.8 Bestimmung der Stabilitätskonstanten 5.8 Bestimmung der Stabilitätskonstanten Eine wichtige Methode zur Bestimmung der Stabilitätskonstanten besteht darin, für Lösungen bekannter Zusammensetzung (z.B. [Al3+ ]t , [F − ]t oder [OH − ]t ) den pH-Wert zu messen (vgl. hierzu Gln. 36, 37 und 38). Das ermöglicht die Berechnung von [H + ], die mit Hilfe einer Kombination der Gln. 37 und 38 die Gleichgewichtskonzentration [F − ] liefert. Diese ergibt + ][F − ] mit [H + ] und Ks die Konzentration [HF] ( Ks = [H[HF ). ] Somit kann man für beliebige P6 Gesamtkonzentrationen die am Aluminium gebundene Menge Fluorid n=1 n · [AlFn ] und den Komplexbildungsgrad P6 [AlFn ] n̄ = n=1 n [Al3+ ]t erhalten. Für die Ermittlung der Bruttostabilitätskonstanten βn wird Gl. 39 verwendet, die zu Systemen linearer Gleichungen in den gesuchten βn führt. 6 X (n̄ − n) · βn [F − ]n + n̄ = 0. (39) n=1 Für eine genaue Ermittlung aller βn werden ([F − ], n̄)-Wertepaare im ganzen n̄−Bereich 0 ≤ n̄ ≤ 6 benötigt. Die sich im Wasser abspielenden Gleichgewichte sind gekoppelt. Deshalb erlaubt die Messung nur einer Konzentration die Berechnung der Konzentrationen aller vorhandenen Spezies. Somit ist die Ermittlung von Stabilitätskonstanten verschiedenster Metallkomplexe möglich, wenn man die erforderlichen Titrationskurven aufgenommen hat. In der folgenden Abbildung sind die Titrationskurven von 100 ml 1. einer reinen Fluorwasserstoffsäurelösung (6 · 10−2 M) und 3+ (1 · 10−2 M) mit starker Base (1 M N aOH) 2. in Anwesenheit von Alaq angegeben. 117 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN Abbildung 40: Titrationskurve von HF allein ([F]t = 6·10−2 M) und mit Al3+ ([Al]t :[F]t = 1:6) Wie man leicht erkennt, ist die Lösung in Anwesenheit von Metallionen infolge Komplexbildung deutlich saurer. Ähnliche Titrationskurven für 100 ml protoniertes Glycin H2 L+ (5·10−3 ), allein und in Anwesenheit von Cu2+ bzw. N i2+ , bei verschiedenen Metall/LigandMolverhältnissen mit 0.1 M KOH sind in den nächsten zwei Abbildungen zu finden. 118 5.8 Bestimmung der Stabilitätskonstanten Abbildung 41: Titrationskurve von Glycin allein ([L]t = 5·10−3 M) und mit verschiedenen Mengen Cu ([Cu]t :[L]t = 1:1; 1:2; 1:3) Sie zeigen eindeutig Im ersten Fall ist ganz eindeutig die Bildung von zwei Komplexen, nämlich CuL+ und CuL2 festzustellen. Im zweiten Fall treten drei Komplexe auf, nämlich N iL+ , N iL2 und N iL3− . 119 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN Abbildung 42: Titrationskurve von Glycin allein ([L]t = 5·10−3 M) und mit verschiedenen Mengen Ni2+ ([Ni]t :[L]t = 1:1; 1:2; 1:3) Man erkennt dies daran, dass beim entsprechenden [M ]t /[L]t −Verhältnis eine pH-Erniedrigung des Puffergebietes HL/L− als Folge der Komplexbildung auftritt. Die Möglichkeit, aus den erhaltenen Titrationskurven mit sehr kleinem Aufwand eine sinnvolle Angabe der gebildeten Komplexe zu erhalten, ist eine grosse Hilfe bei der Ermittlung der Komplexbildungskonstanten. Für Cd2+ −Ionen in Cyanid-haltiger Lösung findet man sogar vier Einzelgleichgewichte: Cd2+ + CN − [Cd(CN )]+ + CN − [Cd(CN )2 ] + CN − [Cd(CN )3 ]− + CN − [Cd(CN )]+ [Cd(CN )2 ] [Cd(CN )3 ]− [Cd(CN )4 ]2− 120 K1 K2 K3 K4 = 105.5 = 105.2 = 104.6 = 103.5 β4 = 1018.8 5.9 Komplexometrische Titration 1,0 0 12 0,5 Stoffmengenanteil 0 4 3 lg cCN − Abbildung 43: Auftragung der Gleichgewichtskonzentration von Cd2+ und der Komplexe [Cd(CN)]+ , [Cd(CN)2 ], [Cd(CN)3 ]− und [Cd(CN)4 ]2− in abhängigkeit von der CN− Konzentration. Die Ziffern an den Kurven geben die Anzahl der Liganden an (0 bedeutet Cd2+ , 4 bedeutet [Cd(CN)4 ]2− ). Mit steigender CN− -Konzentration wird zunächst der Komplex [Cd(CN)]+ gebildet, dann [Cd(CN)2 ] usw. Die Konzentrationen der Komplexe [Cd(CN)]+ , [Cd(CN)2 ] und [Cd(CN)3 ]− durchlaufen ein Maximum. auf ihre Kosten bildet sich [Cd(CN)4 ]2− ), der schliesslich der allein vorhandene Komplex ist. Die hier angegeben, sehr einfache Beschreibung der Bildung von einkernigen Komplexen M Ln (n = 1, ..., n) ist oft deutlich erschwert, wenn Teilchen Mq Hp Ln mit q > 1 und p ≥ 1 auftreten (die elektrische Ladung ist nicht angegeben). Dann gilt z.B. die Gleichung 39 nicht mehr. Neben der pH-Methode, existieren noch weitere Verfahren, mit denen auch andere Grössen experimentell erfasst werden können wie [M z+ ], [M L], [L], ... (die elektrischen Ladungen der Teilchen werden oft weggelassen; L steht als Abkürzung für Ligand). Über die Anwendung von EMK-Messungen wurde im letzten Kapitel berichtet. 5.9 Komplexometrische Titration Einzähnige Liganden bilden mit wenigen Ausnahmen schwache, labile Komplexe mit kleinen Komplexbildungskonstanten. Dagegen bilden mehrzähnige Liganden (Chelatliganden) stabilere Komplexe. Diesen Befund nennt man Chelateffekt, welcher sich auf entropische Gründe zurückführen lässt. N i2+ + 6N H3 [N i(N H3 )6 ]2+ N i2+ + 3en [N i(en)3 ]2+ 121 β ' 109 β ' 1018 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN > Ni(II)-Komplexbildungsgleichgewichte Da Metallionen sehr oft die Koordinationszahl sechs aufweisen, ist EDTA mit sechs Ligandatomen, die fünf Chelat-Fünfringe bilden, ein günstiger Komplexbildner. Die mit EDTA erhaltenen Stabilitätskonstanten zeigen, dass bereits mit Erdalkalimetallionen die Werte zwischen 108 und 1011 liegen, während zweiwertige Übergangsmetallionen, wie auch dreiwertige Lanthanide, Werte von mehr als 1014 erreichen. In den meisten Fällen zeigt es sich, dass EDTA eine günstige Verbindung für die volumetrische Bestimmung von Metallionen ist. Bei dieser Methode wird ein Metallion mit einer EDTALösung titriert, wobei sich folgendes Gleichgewicht einstellt: M z+ + H2 EDT A2− M EDT A(4−z)− + 2H + Ein Puffersystem sorgt für die Aufnahme der freigesetzten H + −Ionen. Bei einer genügend grossen Stabilitätskonstanten ist dann zu erwarten, dass am Endpunkt eine grosse Änderung der M z+− Konzentration stattfindet. Diese wird mit einem angezeigt, dessen Farbe sich ändert (Farbumschlag). Der Metallindikator Hi F I bildet mit M z+ −Ionen einen M F (z−i)+ −Komplex, dessen Farbe sich wesentlich von der des protonierten Indikators Hi F I bei gleichem pH-Wert unterscheidet. Der Komplex M F (z−i)+ ist unter den verwendeten Bedingungen weniger stabil als M EDT A(4−z)− , womit am Endpunkt die folgende Reaktion eintritt: H2 EDT A2− + M F I (z−i)+ −→ M EDT A(4−z)− + Hi F I Beispiele sind: M z+ − F I Zn2+ − ErioT Hi F I rot Ca2+ − M urexid rot Arbeitspunkt M F I (z−i) pH = 10 blau pH = 12 violett Da Metallindikatoren auch pH-Indikatoren sind, müssen die pH-Bedingungen strikt eingehalten werden. Die verwendeten Puffersysteme enthalten oft Liganden (z.B. N H3 ), die durch teilweise Komplexbildung die Hydrolyse von Metallionen und damit die Bildung von schwerlöslichen Hydroxiden verhindern. EDT A4− ist eine Base, die bei pH ' 10.2 ein Proton, bei pH ' 6.2 das zweite, bei pH ' 2.6 das dritte und bei pH ' 2 das vierte Proton aufnimmt: H4 EDT A H3 EDT A− + H + 122 pK = 2.0 5.10 Beeinflussung des Standardreduktionspotenzials durch Komplexbildung H3 EDT A− H2 EDT A2− + H + pK = 2.67 H2 EDT A− HEDT A3− + H + pK = 6.16 HEDT A− EDT A4− + H + pK = 10.26 Damit nimmt die Konzentration an EDT A4− durch Verringerung des pHWertes stark ab: [EDT A]t = [EDT A4− ] + [HEDT A3− ] + [H2 EDT A2− ] +[H3 EDT A3− ] + [H4 EDT A] [EDT A]t = [EDT A4− ](1 + [H + ]1010.26 + [H + ]2 1016.42 +[H + ]3 1019,09 + [H + ]4 1021.09 [EDT A]t = αH · [EDT A4− ] pH 11 10 9 lg αH 0.07 0.45 1.3 8 7 6 5 4 2.3 3.3 4.7 6.5 8.4 3 10.6 Bei pH = 4 ist die Konzentration von EDT A4− durch Protonierung 8.4 Grössenordnungen kleiner als bei pH = 11. Bei einem pH-Wert von vier findet also bei Ca2+ (lgK1 = 10.7) schon eine teilweise Dissoziation des Komplexes statt, während bei Zn2+ (lgK1 = 16.4) eine komplexometrische Titration immer noch zu korrekten Ergebnissen führt, sofern ein geeigneter Indikator verwendet wird. Zn2+ titriert man oft bei pH = 5 komplexometrisch, wobei Xylenolorange als Indikator verwendet wird. 5.10 Beeinflussung des Standardreduktionspotenzials durch Komplexbildung Die Standardreduktionspotenziale werden durch die Anwesenheit von Komplexbildnern in der Messlösung stark verändert. Das Potenzial einer Metallelektrode M z+ + 2e− −→ Ms E = E◦ − 1 RT ln 2F [M z+ ] 123 5 KOMPLEXVERBINDUNGEN wird negativer durch die Abnahme der Konzentration von [M z+ ] durch die Komplexbildung. > Das Daniell Element, Redoxsystem Co(III) / Co(II) Beispiel: AlF63− + 3e− −→ Als + 6F − E◦ = −2.07V (E◦Al3+ = −1.66V) [Zn(N H3 )4 ]2+ + 2e− −→ Zns + 4N H3 E◦ = −1.04V (E◦Zn2+ = −0.763V) [Zn(CN )4 ]2− + 2e− −→ Zns + 4CN − E◦ = −1.26V (E◦Zn2+ = −0.763V) aq aq aq Die E ◦ −Werte zur Berechnung der Bruttokomplexbildungskonstanten benutzt werden: E◦ = 3·0.41 β6 (AlF6 3− ) = 10 0.0592 = 1020.8 0.0592 lgK n 9.36 β4 (Zn(N H3 )2+ 4 ) = 10 16.8 β4 (Zn(CN )2− 4 ) = 10 Im Falle von Redoxpaaren zwischen Ionen verschiedener Oxidationsstufen können gegenüber dem Fall der Aquaionen E ◦ -Werte erwartet werden, die positiver oder negativer sind. Das hängt davon ab, ob die reduzierte oder die oxidierte Form stärkere Komplexe bildet. Ox + ze− −→ Red E = E◦ − RT [Red] ln 2F [Ox] Beispiele: F e(phen)33+ + e− −→ F e(phen)2+ 3 E◦ = 1.10V F e(EDT A)− + e− −→ F e(EDT A)2− E◦ = 0.12V 124 5.11 Doppelsalze 5.11 Doppelsalze Doppelsalze wie KAl(SO4 )2 (H2 O)12 oder KM gCl3 (H2 O)6 müssen aufgrund ihrer Eigenschaften von den Komplexen unterschieden werden. Solche Salze dissoziieren nämlich in wässriger Lösung in die einfachen Einzelionen, und es entsteht kein beständiger Sulfato– bzw. Chlorokomplex. 125 6 FÄLLUNGSREAKTIONEN 6 Fällungsreaktionen Die Zustandsform von Stoffen (Aggregatzustand, Reaktivität, usw.) wird durch die Gibbsche Freie Energie bestimmt, wenn sich Gleichgewichte einstellen können (keine kinetische Hinderung). Feste Stoffe lösen sich auf, wenn die in ihnen enthaltenen Teilchen (Ionen, Moleküle) in Lösung einen energetisch niedrigeren Zustand erreichen können. Das kann z.B. durch Bindungskräfte zwischen den Stoffteilchen und den Lösungsmittelteilchen oder durch (entropische) Verteilungseffekte, i.d.R. durch beides, bewirkt werden. Umgekehrt fällt ein Feststoff aus einer Lösung aus, wenn der feste Zustand denjenigen der niedrigsten Gesamtenergie liefert. In der Realität treten zwischen den idealen Grenzfällen, fest und komplett gelöst, immer Zwischenzustände auf. 6.1 Löslichkeitsprodukt und Löslichkeit von Festkörpern Das Gleichgewicht zwischen einem Feststoff und seinen Ionen in Lösung kann durch das Löslichkeitsprodukt KL bzw. LAB charakterisiert werden. Ist eine schwerlösliche Verbindung auch in Lösung vorhanden, so wird dies durch Angabe der entsprechenden Konstanten berücksichtigt. Für AgCl findet man folgendes Gleichgewicht: − − + + ] mit dem Löslichkeitsprodukt: KL = [Agaq ][Claq AgCls Agaq + Claq + − und entsprechend für ein komplizierteres Salz: A2 B3,s 2Aaq + 3Baq ; mit 2 − 3 dem Löslichkeitsprodukt: KL = [A+ aq ] [Baq ] Man unterscheidet drei verschiedene Fälle von Lösungsgleichgewichten: 1. Gesättigte Lösung in einer solchen Lösung von AgCl in H2 O ist bei 25o C √ [Ag + ] = [Cl− ] = KL = 10−5 mol · l−1 . 2. Übersättigte Lösung + − KL < [Agaq ][Claq ]; in diesem Fall wird festes AgCl ausfallen bis die Lösung gesättigt ist. 3. Ungesättigte Lösung + − KL > [Agaq ][Claq ]; 126 6.1 Löslichkeitsprodukt und Löslichkeit von Festkörpern das Salz ist vollständig gelöst, und weiteres festes Salz (AgCl) kann sich auflösen. Oft kann die Konstante KL experimentell (z. B. durch EMK-Messungen) ermittelt werden. Manchmal ist KL mit gewissen Kationen besonders klein, so dass diese aus einer Lösung in Form von schwerlöslichen Verbindungen abgetrennt werden können. Calciumphosphat in den Knochen oder Calciumcarbonat in der Schale einer Muschel sind Beispiele von Fällungen, die für Lebewesen von grosser Bedeutung sind. Die Metallionen (Cu2+ , Cd2+ , Hg 2+ , P b2+ , Bi3+ , As3+ , Sb3+ , Sn2+ ) können mit H2 S leicht als Sulfide aus einer Lösung gefällt werden. Zn2+ , N i2+ , Co2+ werden mit N H4 HS bzw. N H4 Sx als feste Sulfide und F e3+ , Al3+ , Cr3+ , M n2+ mit N H3 als feste Hydroxide in der qualitativen Analyse abgetrennt. Schwerlösliche Metallsulfide, Kristallisation von Natriumacetat aus einer übersättigten Lösung In photographischen Prozessen werden die Silberhalogenide, die durch das Licht nicht verändert wurden (unbelichtete Filmbereiche), mit Natriumthiosulfat (Fixiersalz) entfernt. S2 O23− bildet dabei lösliche Silberkomplexe. > In Tabelle 12 ist eine Liste von KL -Werten angegeben. Beim Vergleich der Löslichkeiten (in M) dieser Verbindungen können die angegebenen Werte nur dann direkt verwendet werden, wenn die betrachteten Verbindungen die gleiche Zahl von Ionen in Lösung bilden. Dagegen lässt sich zeigen, dass z. B. Ag3 P O4 eine grössere Löslichkeit in mol · l−1 aufweisst (1.60 · 10−5 M) als AgCl (1.33 · 10−5 M), obwohl KL für die erste Verbindung wesentlich kleiner ist als für die zweite (KL = 1.8 · 10−18 bzw. 1.79 · 10−10 ). Die Löslichkeit von schwerlöslichen Verbindungen kann auf unterschiedliche Art und Weise verändert werden: 1. Durch Zugabe eines Inertsalzes, das nicht direkt am betrachteten Gleichgewicht teilnimmt. KL = aAg+ · aCl− = [Ag + ][Cl− ] · fAg+ fCl− 127 6 FÄLLUNGSREAKTIONEN Tabelle 12: Löslichkeitsprodukte einiger schwerlöslicher Salze in H2 O bei 25o C Halogenide MgF2 CaF2 BaF2 PbF2 PbCl2 PbI2 CuCl CuBr CuI AgCl AgBr AgI AgCN Hg2 Cl2 Hg2 I2 Sulfide 6·10−9 2·10−10 2·10−6 4·10−8 2·10−5 1·10−8 1·10−6 4·10−8 5·10−12 2·10−10 5·10−13 8·10−17 2·10−14 2·10−13 1·10−23 Chromate BaCrO4 PbCrO4 Ag2 CrO4 8·10−11 2·10−14 4·10−12 Sulfate 1·10−26 3·10−28 7·10−16 1·10−21 4·10−19 8·10−45 5·10−51 1·10−24 1·10−28 2·10−54 SnS PbS MnS NiS FeS CuS Ag2 S ZnS CdS HgS Carbonate Li2 CO3 Mg2 CO3 Ca2 CO3 Sr2 CO3 Ba2 CO3 Pb2 CO3 Zn2 CO3 Ag2 CO3 128 2·10−3 3·10−5 5·10−9 2·10−9 2·10−9 3·10−14 6·10−11 6·10−12 CaSO4 SrSO4 BaSO4 PbSO4 2·10−5 8·10−7 1·10−9 2·10−8 Hydroxide Be(OH)2 Mg(OH)2 Ca(OH)2 Ba(OH)2 Al(OH)3 Pb(OH)2 Mn(OH)2 Cr(OH)3 Ni(OH)2 Fe(OH)2 Fe(OH)3 Cu(OH)2 Zn(OH)2 Cd(OH)2 3·10−19 1·10−12 4·10−6 4·10−3 2·10−33 4·10−15 7·10−13 7·10−31 3·10−17 2·10−15 5·10−38 2·10−19 2·10−17 2·10−14 6.1 Löslichkeitsprodukt und Löslichkeit von Festkörpern Durch Änderung der Aktivitätskoeffizienten variiert der Wert von KLc . Gewöhnlich werden bei Zugabe von Inertsalzen die Aktivitätskoeffizienten kleiner als eins, wobei diese Veränderung von der Ionenstärke und vom verwendeten Salz abhängt. 2. Durch Zugabe eines Reaktanden, z.B. eines komplett löslichen Salzes mit mindestens einem identischen Ionentyp. Damit wird die Löslichkeit des schlecht löslichen Salzes deutlich weiter verkleinert. Beispiel: Zugabe von NaCl zum System AgCls /AgClgelöst [Cl− ] = 10−2 und [Ag + ] = 10−9.75 −7.75 10 M [Cl− ] So kann man die Konzentration einer Komponente in Lösung stark verringern und gleichzeitig eine quantitative Bestimmung des Feststoffes durchführen. Andere typische Beispiele sind: • Fällung der Metallhydroxide • Fallung der Metallsulfide, wobei neben einer Zugabe von H2 S die Konzentration von S 2− auch durch pH-Änderung variiert werden kann. Schwerlösliche Sulfide werden besonders von d9 − und d10 −Kationen gebildet. Auch bei anderen schwachen Säuren (H3 P O4 , H2 CO3 , HSO4− , HCrO4− ) ist die Bildung von schwerlöslichen Salzen pH abhängig. 3. Durch Zugabe von Komplexbildnern kann die Löslichkeit stark erhöht werden. > Al(OH)3 + OH− schwerlösl. −→ [Al(OH)4 ]− löslich AgCl + Cl− schwerlösl. −→ [AgCl2 ]− besser löslich Fällungsreaktionen 129 6 FÄLLUNGSREAKTIONEN 6.2 Berechnung der Löslichkeit von AgCls in N H3 -Lösungen In Anwesenheit von N H3 nimmt die Löslichkeit von AgCls deutlich zu. > Fällung und Auflösung von Silberniederschlägen AgCls + 2N H3 [Ag(N H3 )2 ]+ + Cl− (40) Dabei werden zwei Komplexe, [AgN H3 ]+ und [Ag(N H3 )2 ]+ gebildet. Aus dem Vergleich der zwei Konstanten, K1 = K2 = [Ag(N H3 )+ ] = 103.37 [Ag + ][N H3 ] [Ag(N H3 )2+ ] = 103.85 [Ag(N H3 )+ ][N H3 ] kann man entnehmen, dass für [N H3 ] = 0.1 M die Konzentration des 1:2Komplexes 700mal grösser ist als diejenige des 1:1-Komplexes und dass letztere wiederum 234mal grösser ist als diejenige des Silberions [Ag + ]. Unter diesen Umständen kann man für die Berechnung der Löslichkeit von AgCls die Konstante des Gleichgewichts 40 verwenden: [Ag(N H3 )2 ]+ [Cl− ] = 107.22 · 10−9.75 = 10−2.53 K3 = 2 [N H3 ] Für [N H3 ] = 0.1 M ergibt sich dann, [Ag(N H3 )2+ ] = [Cl− ] = 10−4,53/2 M = 10−2.265 M = 5.43 · 10−3 M , d. h. eine im Vergleich zu einer gesättigten AgCl−Lösung (1.33 · 10−5 M) 400mal grössere Löslichkeit. Da N H3 immer teilweise hydrolysiert wird, können wir noch die N H4 + Konzentration berücksichtigen: KB = [N H4+ ][OH − ] = 10−4.755 [N H3 ] 130 6.2 Berechnung der Löslichkeit von AgCls in N H3 -Lösungen Einsetzen von [N H3 ] = 0.1 M ergibt: [N H4+ ] = [OH − ] = 10−5.755/2 = 10−2.878 = 1.32 · 10−3 M pH = 14 − pOH = 14 − 2.88 = 11.12 Es folgt weiter [N H3 ]t = [N H3 ] + [N H4+ ] + 2 · [Ag(N H3 )+ 2] = 0.1 + 0.00132 + 0.01086 = 0.11218 M Für niedrige N H3 −Konzentrationen müssen auch die Beiträge der anderen Gleichgewichte betrachtet werden: AgCls + N H3 Ag(N H3 )+ + Cl− AgCls Ag + + Cl− , wobei die folgende Komplexbildungskonstanten benützt werden: K4 = [Ag(N H3 )+ ][Cl− ] = 103.37 · 10−9.75 = 10−6.38 2 [N H3 ] K5 = [Ag + ][Cl− ] = 10−9.75 Da in allen Gleichgewichten die Konzentration des Chloridions erscheint, gilt auch: − [Ag + ] + [Ag(N H3 )+ ] + [Ag(N H3 )+ 2 ] = [Cl ], oder anders ausgedrückt: Für jedes freiwerdende Cl− −Ion muss auch ein Ag + −Ion in irgendeiner Form in Lösung gehen. Die Summe der Konzentrationen aller möglichen Teilchen, die Ag + enthalten können, muss also gleich der Cl− −Konzentration sein. Es folgt dann mit Hilfe von K1 und K2 , [Ag + ](1 + 103.37 [N H3 ] + 107,22 [N H3 ]2 ) = [Cl− ] 131 6 FÄLLUNGSREAKTIONEN Tabelle 13: Gleichgewichtskonzentrationen in verd. N H3 (M) NH3 -Konzentration 0,01 M 0,001 M 0,0001 M 0,00001 M + −7 [Ag ] 2,90·10 2,71·10−6 1,13·10−5 1,32·10−5 [Ag(NH3 )+ ] 6,49·10−6 6,06·10−6 2,53·10−6 2,96·10−7 [Ag(NH3 )+ 6,06·10−4 5,66·10−5 1,81·10−6 2,19·10−8 2] [Cl− ] 6,13·10−4 6,55·10−5 1,57·10−5 1,35·10−5 woraus sich durch Ersetzen von [Ag + ] mit 10−9.75 /[Cl− ] die Cl− −Konzentration berechnen lässt: [Cl− ] = p 10−9.75 (1 + 103.37 [N H3 ] + 10.7.22 [N H3 ]2 ) Anschliessend werden mit den vorausgegangenen Gleichungen [Ag + ], [Ag(N H3 )+ ] und [Ag(N H3 )+ 2] erhalten. In dieser Rechnung wurde der pH-Wert der Lösung nicht berücksichtigt. Seine Angabe würde es erlauben, mit der Dissoziationskonstanten Ks von N H4+ , die N H4+ −Konzentration zu ermitteln. Man kann aber auch umgekehrt für eine bekannte Gesamtkonzentration [N H3 ]t mit Hilfe des pH-Werts die [N H3 ] berechnen. Eigentlich liegen hier Pufferlösungen vor, die eine genauere Festsetzung der gewünschten Konzentrationen erlauben. 6.3 Standardreduktionspotenziale von Lösungen in Anwesenheit von Feststoffen Für die Halbzellenreaktion AgCls + e− Ags + Cl− erhält man ein Standardreduktionspotenzial E ◦ = 0.222 V. Dies lässt sich kombinieren mit dem Wert für E ◦ = 0.799 V von Ag + + e− Ags . 132 6.3 Standardreduktionspotenziale von Lösungen in Anwesenheit von Feststoffen Damit erhält man für AgCls ←− Ag + + Cl− die Konstante KL = 10−0.577/0,0592 = 10−9.75 . Diese Zahl stimmt mit dem Wert in Tabelle 12 nicht überein, weil in dieser der Unterschied zwischen Aktivität und Konzentration noch nicht berücksichtigt ist. Extrapoliert man auf unendliche Verdünnung, so erhält man genau diesen Wert. Entsprechende Werte sind auch für andere Systeme bekannt. Also können Löslichkeitsprodukte durch Messungen an galvanischen Zellen bestimmt werden. > Potenzialmessungen zwischen Silberelektroden Andere Beispiele: (a) CuIs + e− ←− Cus + I − Cu+ + e− ←− Cus E ◦ = −0.185V E ◦ = +0.522V CuIs ←− Cu+ + I − E ◦ = −0.707V KL = 10−0.707/0.0592 = 10−11.94 (b) Hg2 Cl2,s + 2e− ←− 2Hgf l + 2Cl− Hg22+ + 2e− ←− 2Hgf l E ◦ = 0.268V E ◦ = 0.798V Hg2 Cl2,s ←− Hg22+ + 2Cl− E ◦ = −0.530V KL = 10−0.530/0.0296 = 10−17.90 133 6 FÄLLUNGSREAKTIONEN 6.4 Leitfähigkeitsmessungen Für Elektrolytlösungen gilt das Ohmsche Gesetz U =R·I und für den elektrischen Widerstand einer Lösung, gemessen zwischen zwei Elektrodenflächen mit dem Abstand d d R=ρ . A ρ ist der spezifische Widerstand [Ωcm] und sein reziproker Wert die spezifische Leitfähigkeit κ [Ω−1 cm−1 ] = [Scm−1 ]. Üblicherweise ist es sinnvoll, die Leitfähigkeiten von Elektrolyten zu vergleichen, wenn die Lösungen gleiche Stoffmengenkonzentrationen bezogen auf Ionenäquivalente haben. Man definiert als Äquivalentleitfähigkeit Λ die Leitfähigkeit einer Lösung bezogen auf die Äquivalentkonzentration 1 c( z∗ X) als Λ= κ 1 c( z∗ X) [cm2 Ω−1 mol−1 ] Die molare Grenzleitfähigkeit Λ∞ bzw. Λ0 erhält man durch Extrapolation: Λ∞ = lim Λc c→0 Die molaren Grenzleitfähigkeiten Λ∞ zeigen, dass die Ionen unabhängig voneinander wandern (Gesetz von Kohlrausch, 1879) und für einen Elektrolyten Aa Bb aufgeteilt werden können: − Λ∞ = a · λ+ ∞ + b · λ∞ − Dabei bedeuten λ+ ∞ und λ∞ die Ionengrenzleitfähigkeiten der Kationen und der Anionen. Die Tabelle 14 zeigt sehr schön, dass die Äquivalentleitfähigkeiten stark von den Ionenkonzentrationen abhängen. Leitfähigkeitsmessungen werden u.a. dazu verwandt, die Zusammensetzungen von Komplexsalzen zu bestimmen. Auch die Endpunkte von Fällungstitrationen können mit ihrer Hilfe erkannt werden. Für die Deutung der Daten in Tabelle 15 müssen folgende Überlegungen − berücksichtigt werden, wobei λ+ ∞ und λ∞ als Mass für die Geschwindigkeiten der Ionen im äusseren elektrischen Feld verstanden werden: 134 6.4 Leitfähigkeitsmessungen Tabelle 14: Äquivalentleitfähigkeiten (Scm2 mol−1 ) in H2 O bei 25o C Äquivalenzleitfähigkeit in mol/l 0,0001 0,0010 0,0100 0,1000 Äquivalenzleitfähigkeit in cm2 /(Ω mol) NaCl BaCl2 CuSO4 126,5 140,0 133,0 123,7 134,3 115,2 118,5 123,9 83,3 106,7 = ˆ 0,84 Λ∞ 105,2 = ˆ 0,75 Λ∞ 50,5 = ˆ 0,38 Λ∞ Tabelle 15: Ionengrenzleitfähigkeiten (Scm2 mol−1 ) in H2 O bei 25o C H3 O+ LI+ Na+ K+ NH+ 4 349,8 38,7 50,1 73,5 73,4 Mg2+ Ba2+ Fe3+ OH− Cl− 135 53,1 63,6 68,0 198,0 76,3 Br− I− NO− 3 SO2− 4 CO2− 3 78,4 76,8 71,4 79,8 70,0 6 FÄLLUNGSREAKTIONEN Tabelle 16: Weitere Beispiele molarer Grenzleitfähigkeitswerte [Scm2 · mol−1 ] N aCl CsI 126.5 154.0 M gSO4 M gCl2 266 258.8 LaCl3 428.2 1. Zur Beurteilung der Daten sollen die solvatisierten Ionen betrachtet werden. 2. Die hohe Ionenleitfähigkeit von H2 O kommt dadurch zustande, dass nur Platzwechselvorgänge der Protonen über die Wasserstoffbrücken des Wassers stattfinden (Grothus–Mechanismus) und keine echte Wanderung von H3 O+ und OH − . 3. Innerhalb einer Ladungsklasse sind die Unterschiede klein. 4. Die Grenzleitfähigkeit hängt vorwiegend von der Ladung ab. Man erkennt deutlich, wie sich Ladung und Zahl der Ionen pro Formeleinheit auf die Leitfähigkeit auswirken. Mit Hilfe von Leitfähigkeitsmessungen kann man darum die Gesamtzahl der Ionen pro Formeleinheit bestimmen, eine Methode, die in der präparativen Komplexchemie oft zur Charakterisierung der erhaltenen Komplexsalze benutzt wird. Ferner wurde diese Methode ausgiebig zur Bestimmung der Dissoziationskonstanten von schwachen Säuren und Basen verwendet (W. Ostwald, 1889). Weitere Anwendungen sind die Messungen von Gefrierpunktserniedrigung, Siedepunktserhöhung und osmotischem Druck. 6.4.1 Konduktometrie Wenn eine wässrige, chloridhaltige Lösung mit einer AgN O3 −Lösung titriert, wird findet eine sukzessive Abscheidung von AgCls statt. Dabei wird ein in Lösung befindliches Cl− −Ion durch durch ein Nitrat-Ion ersetzt. Das bewirkt eine nur sehr kleine Abnahme der Leitfähigkeit (siehe Tab. 15). Die graphische Darstellung von ml AgN O3 −Ls. gegen die Leitfähigkeit ergibt eine Gerade. Diese setzt sich bis zur vollständigen Fällung von AgCls , d.h. bis zum Endpunkt der Chloridausscheidung, fort. 136 6.5 Gravimetrie Anschliessend trägt die zugegebene Menge AgN O3 , die ja vollständig in Lösung geht, zur stetigen Erhöhung der Leitfähigkeit bei. Da diese Zunahme direkt proportional zur zugegebenen Menge Titrierlösung ist, bilden die Leitfähigkeitwerte in diesem Bereich eine neue, steilere Gerade. Der Schnittpunkt der beiden Geraden ergibt die Menge AgN O3 Lösung, die zur Titration des Cl− -Ions nötig war. 6.5 Gravimetrie Eine weitere Anwendung von Fällungsreaktionen ist die Gravimetrie. Es handelt sich hierbei um eine quantitative Analysenmethode zur Bestimmung der in einer Lösung vorhandenen Kationen und Anionen. Man nutzt dabei die Schwerlöslichkeit gewisser Verbindungen aus. Die betreffende Fällungsreaktion muss selektiv für die zu bestimmenden Ionen sein und unter den gewählten Bedingungen quantitativ ablaufen. Das gefällte Produkt soll möglichst leicht filtrierbar sein und eine grosse Molmasse besitzen. Man kennt verhältnismässig viele Verbindungen, die schwerlöslich sind, aber trotzdem nicht für gravimetrische Bestimmungen verwendet werden können, weil die Trennung des kristallinen Niederschlags oder die Überführung zu einem leicht wägbaren Produkt mit konstanter Zusammensetzung nicht gelingt. Aus diesem Grund werden z.B. die meist schwerlöslichen Sulfide und Hydroxide sehr selten in der Gravimetrie verwendet. Das Nickel-Ion wird z.B. mit Dimethylglyoxim bestimmt. Die Gravimetrie erlaubt Bestimmungen mit einer wesentlich höheren Genauigkeit als die Volumetrie (Titration). Sie wird daher oft zur Kontrolle der anderer Methoden verwandt, auch wenn sie relativ zeitraubend ist. 137 Index Äquivalenzpunkt, 61 Arrhenius, S., 23, 24 Brönsted, 24, 26 Davy, H., 23 Faraday, 86 Gay-Lussac, 7 Grothus, 138 Guldberg, C. M., 20 Humbold, A. von, 7 Kohlrausch, 136 Lavoisier, A. L., 7, 23, 66 Le Chatelier und Braun, 21 Lewis, 24, 27 Liebig, J., 23 Nernst, 86 Ostwald, W., 138 Waage, P., 20 Werner, A., 100, 110 Borax, 9 Brönsted -Base, 26 -Säure, 26 Chelatligand, 124 chemische Reaktionen, Arten, 12 chemisches Gleichgewicht, 17 chirales Medium, 117 Daltonide, 5 Daniell Element, 78 Diaphragma, 78 Disproportionierung, 95 Doppelsalz, 127 EDTA, 124 Edukt, 9 effektive Ladung, 13 Elektrode für EMK Messungen, 93 Elektroden -reaktion, 11 Auswahl, 93 Elektroden zweiter Art, 92 Elektronenübertrag, 12 Elektronenschalen, 8 Elektroneutralität, 44 EMK, 79, 87, 129 Messung, 93 enantiomer, 116 endergonisch, 17 endotherme Reaktion, 21 Enzym, 106 Essigsäure, 55 exergonisch, 17 exotherme Reaktion, 21 Aktivität optische, 116 Aktivitätskoeffizient, 131 ampholyte, 26 Analyse konduktometrische, 138 Autoprotolyse, 28 Base, 23 Basenanhydride, 24 Benzoesäure, 46 Berliner Blau, 99 Berthollide, 6 Bestimmung volumetrische, 124 Bindung kovalente, 15 polarisierte, 15 Bindungsisomerie, 118 Fällungsreaktion, 128 138 INDEX Faradaykonstante, 79 Faradaysches Gesetz, 86 Festkörper Löslichkeitsprodukt, 128 freie Enthalpie, 82 -bildungskonstante, 101, 126 Isomerie, 115 Nomenklatur, 109 Struktur, 110 Zusammensetzung, 110 Komplexbildner, 131 Komplexe Präparation, 120 komplexometrische Titration, 124 Komplexverbindung, 98 Konduktometrie, 138 Konformationsisometrie, 115 konstante Proportionen, Gesetz, 7 Konzentrationseinheiten, 22 Konzentrationsketten, 91 Konzept der formalen Ladungen, 15 Koordination -sisomerie, 118 -szahl, 98 -szentrum, 98 Koordinationsverbindung, siehe Komplexverbindung Koordinationsverbindungen, 98 Koordinationszahl, 98 Koordinationszentrum, 98 kovalente Bindung, 15 Kp, 20 Kronenschwefel, 9 galvanische Zelle, 78 Gefrierpunktserniedrigung, 138 Gemisch racemisches, 117 gesättigte Lösung, 128 Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen, 7 Gibbsche Freie Energie, 128 Gleichgewicht, 100 Gleichgewichtskonstante, 20, 82 Gleichgewichtskonzentration, 87 Gravimetrie, 139 Halbzelle, 78 Hauptschalen, 8 Hinreaktion, 18 Hydratationsisomerie, 118 Hydratisierung, 12 Indikatoren, 29 Inertsalz, 129 Ionengleichungen, 11 Ionenprodukt des Wassers, 28, 44 Ionenverbindungen, 15 Ionenwanderung, 78 isoelektrischer Punkt, 61 Isomerie Bindungs-, 118 Hydrat-, 118 Hydratations-, 118 Ionen-, 118 optische, 116 Löslichkeit Berechnung, 132 Löslichkeitsprodukt, 128 Lösung übersättigte, 128 gesättigte, 128 ungesättigte, 128 Ladung, formale, 15 Ladungsübertrag, 13 Leitfähigkeit, 136 Messung, 136 Lewis Kalomelelektrode, 88, 93 Kernladung, 8 Komplex 139 INDEX -Base, 27 -Säure, 27 Licht, 117 polarisiertes, 116 Ligand, 98, 100, 102 -austauschreaktion, 100 Chelat-, 124 einzähniger, 102 makrozyklischer, 105 mehrzähniger, 104 zweizähniger, 103 -Messung, 51 -Wert, 28, 44 Berechnung, 50, 55 Diagramm, 46 Phasenbreite, 6 photografischer Prozess, 129 pK-Wert, 21, 45 polarisierte kovalente Bindung, 15 polarisiertes Licht, 116 Potenzialdiagramme, 94 Prinzip des kleinsten Zwanges, 21 Produkt, 9 Proportionen konstante, 7 multiple, 7 protische Lösungsmittel, 26 Protolyse Gleichgewicht, 28 Puffer, 121, 124, 134 Pufferkurve, 39 Maskierung, 99 Massenerhaltung, 44 Gesetz, 7 Massenprozente, 22 Massenwirkungsgesetz, 20, 44, 90 Medium chirales, 117 Metallindikator, 124 Metallion volumetrische Bestimmung, 124 Metallkomplex -bildung, 102 mikroskopische Reversibilität, 18 Molenbruch, 22 Multiple Proportionen, 7 Rückreaktion, 18 Racemat, 117 Reaktion Fällung, 16, 128 Gas, 20 Komplexbildung, 16 Redox, 16 Säure-Base, 15 Teil-, 10 Reaktionsenergie, 17 Reaktionsenthalpie, 20 Reaktionsgeschwindigkeit, 22 Reaktionsgleichung, 9 Redox -reaktion, 16, 66 ausgleichen, 71, 74 -reihe, 73 Gleichgewichtslage, 96 Reduktion, 66 Reduktionsmittel, 73 Nernstsche Gleichung, 79, 86, 87 Neutralisation, 11 Nomenklatur Komplexverbindungen, 109 Normalpotenzial, 80 Orbital, 8 osmotischer Druck, 138 Oxidation, 66, 78 Oxidationsmittel, 73 Oxidationszahl, 67 pH -E-Diagramm, 97 140 INDEX Reversibilität mikroskopische, 18 Valenzelektronen, 13 Volta-Element, 78 Volumengesetz, 7 Säure, 23 einprotonige, 40 mehrprotonige, 32 schwache, 58 zweiprotonige, 59 Säureanhydride, 24 Schwefel, 9 Schwefeldioxid, 9 Schwefelwasserstoff, 9 semipermeable Membran, 78 solidus, 11 Spannungsreihe, 73 Stöchiometriezahlen, 10 Stabilitätskonstante, 100 Bestimmung, 120 Brutto-, 120 Standardpotenzial, 80 Bestimmung, 82 Standardreduktionspotenzial, 22 Beeinflussung, 126 Beispielaufgaben, 87 Lösung mit Festkörper, 134 Standardwasserstoffelektrode, 82, 85 Stereoisomerie, 117 Stoffgleichungen, 11 Xylenolorange, 125 Teilreaktion, 10 Titration, 88 komplexometrische, 124 Titrationskurve, 36 Stabilitätskonstante, 120 Titrieren, 61 Turnbulls Blau, 99 Umschlagsintervalle, 31 ungesättigte Lösung, 128 Unterschalen, 8 Urstoff, 4 141