Lösungsblatt 5

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Lösungen zum Aufgabenblatt 5
Logik und modelltheoretische Semantik
Universität München, CIS, SoSe 2015
Hans Leiß
Abgabe: Di, 2.6.2015, 16 ct in der Vorlesungsstunde (Do 4.6. Feiertag)
Aufgabe 5.1 Zeige, daß für beliebige Formeln ϕ(x) und ψ(x) die Aussage
(∀xϕ ∨ ∀xψ) → ∀x(ϕ ∨ ψ)
allgemeingültig (in jeder Struktur A wahr) ist, aber nicht die umgekehrte“ Aussage
”
∀x(ϕ ∨ ψ) → (∀xϕ ∨ ∀xψ).
Gib für den zweiten Teil ein Gegenbeispiel an! Können Sie die Sequenz
⊲ (∀xϕ ∨ ∀xψ) → ∀x(ϕ ∨ ψ)
mit den Regeln des Gentzen-Kalküls für die Prädikatenlogik (vgl. Folien) herleiten?
Lösung von Aufgabe 5.1 Erster Teil: Sei A eine Struktur mit A |= ∀xϕ ∨ ∀xψ. Dann ist
mindestens eines der Disjunktionsglieder in A wahr, etwa A |= ∀xϕ. Für beliebiges a ∈ A ist
also [[ϕ]]A
[x/a] = 1 und damit auch
A
A
[[(ϕ ∨ ψ)]]A
[x/a] = max{[[ϕ]][x/a] , [[ψ]][x/a] } = 1.
Da das für alle a ∈ A gilt, ist [[∀x(ϕ ∨ ψ)]]A = min{ [[(ϕ ∨ ψ)]]A
[x/a] | a ∈ A } = 1, also
A |= ∀x(ϕ ∨ ψ).
Damit ist gezeigt, daß (∀xϕ ∨ ∀xψ) → ∀x(ϕ ∨ ψ) in jeder Struktur A wahr ist.
Zweiter Teil: Sei P ein einstelliges Relationszeichen, und ϕ(x) := P (x), ψ(x) = ¬P (x). Sei
A = (A, P A ) mit ∅ =
6 P A 6= A, etwa a, b ∈ A mit a ∈ P A , b ∈
/ P A . Offenbar ist
A |= ∀x(ϕ ∨ ψ), d.h. A |= ∀x(P (x) ∨ ¬P (x)),
aber
A 6|= ∀xϕ
wegen b ∈
/ P A,
und
A 6|= ∀xψ
wegen a ∈ P A .
Also ist A eine Struktur, in der ∀x(ϕ ∨ ψ) → ∀xϕ ∨ ∀xψ nicht wahr ist.
Herleitung der Sequenz mit den Beweisregeln:
ϕ(x/x), ∀xϕ ⊲ ϕ, ψ
∀xϕ ⊲ ϕ, ψ
ψ(x/x), ∀xϕ ⊲ ϕ, ψ
(∀L)
∀xϕ ⊲ ϕ, ψ
(∀xϕ ∨ ∀xψ) ⊲ ϕ, ψ
(∀xϕ ∨ ∀xψ) ⊲ (ϕ ∨ ψ)
(∀xϕ ∨ ∀xψ) ⊲ ∀x(ϕ ∨ ψ)
(∀L)
(∨L)
(∨R)
(∀R)
⊲ (∀xϕ ∨ ∀xψ) → ∀x(ϕ ∨ ψ)
(→ R)
Da ϕ(x/x) = ϕ und ψ(x/x) = ψ sind, sind die obersten Sequenzen Axiome.
Aufgabe 5.2
(a) Zeige, daß folgende Aussagen logisch äquivalent sind, d.h. bei jeder L-Struktur A =
(A, RA , . . . , f A , . . .) und Belegung g : Var → A denselben Wert haben:
(∃xϕ → ψ) und ∀x(ϕ → ψ), sofern x ∈
/ frei (ψ).
Können Sie Beispiele angeben, die zeigen, daß die Nebenbedingung x ∈
/ frei (ψ) nötig ist?
(b) Beweise die Sequenz (∃xϕ → ψ) ⊲ ∀x(ϕ → ψ) mit den Regeln des Gentzen-Kalküls, unter
der Voraussetzung x ∈
/ frei (ψ).
Lösung von Aufgabe 5.2
(a) Seien A und g : Var → A gegeben, und x ∈
/ frei (ψ). Wir zeigen
A
[[(∃xϕ → ψ)]]A
g = [[∀x(ϕ → ψ)]]g
indem wir zeigen, daß wenn eine Seite der Gleichung den Wert 1 hat, auch die andere
A
A
den Wert 1 hat. Sei also [[(∃xϕ → ψ)]]A
g = 1, also (a) [[ψ]]g = 1 oder (b) [[∃xϕ]]g = 0. Um
A
[[∀x(ϕ → ψ)]]A
g = min{ [[ϕ → ψ]]g[x/a] | a ∈ A } zu berechnen, sei a ∈ A. Im Fall (a) ist
A
1 = [[ψ]]A
g = [[ψ]]g[x/a] ,
weil x ∈
/ frei (ψ), und daher
A
A
[[ϕ → ψ]]A
g[x/a] = max{[[¬ϕ]]g[x/a] , [[ψ]]g[x/a] } = 1.
Da das für alle a ∈ A so ist, haben wir [[∀x(ϕ → ψ)]]A
g = 1. Im Fall (b) gibt es kein a ∈ A
A
mit [[ϕ]]g[x/a] = 1. Daher ist für jedes a ∈ A
A
A
[[ϕ → ψ]]A
g[x/a] = max{1 − [[ϕ]]g[x/a] , [[ψ]]g[x/a] } = 1
A
wegen [[ϕ]]A
g[x/a] = 0. Da das für jedes a ∈ A so ist, gilt auch im Fall (b) [[∀x(ϕ → ψ)]]g = 1.
A
Analog muß man zeigen, daß, wenn [[∀x(ϕ → ψ)]]A
g = 1, dann auch [[(∃xϕ → ψ)]]g = 1.
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Für ein Beispiel, warum die Bedingung x ∈
/ frei (ψ) nötig ist, wähle ϕ = P (x), ψ = Q(x)
A
A
A
und A = (A, P , Q ) mit A = {a, b}, P = {a}, QA = {b}. Dann ist
[[∃xϕ → ψ]][x/b] = [[¬∃xϕ ∨ ψ]][x/b] = max{[[¬∃xP (x)]][x/b] , [[Q(x)]][x/b] } = max{0, 1} = 1,
aber
[[∀x(ϕ → ψ)]][x/b] = min{ [[ϕ → ψ]][x/b][x/c] | c ∈ A }
= min{ [[P (x) → Q(x)]][x/c] | c ∈ A }
≤ [[P (x) → Q(x)]][x/a]
= max{1 − [[P (x)]][x/a] , [[Q(x)]][x/a] }
= max{0, 0}
= 0,
also [[∃xϕ → ψ]][x/b] 6= [[∀x(ϕ → ψ)]][x/b] .
(b) Sei x ∈
/ frei (ψ). Wir machen folgende Anwendungen der Beweisregeln (von unten nach
oben):
ψ, ϕ ⊲ ψ
ϕ ⊲ ψ, ϕ(x/x)
ϕ ⊲ ψ, ∃xϕ
(∃R)
(∃xϕ → ψ), ϕ ⊲ ψ
(→ L)
(∃xϕ → ψ) ⊲ (ϕ → ψ)
(∃xϕ → ψ) ⊲ ∀x(ϕ → ψ)
(→ R)
(∀R, x!)
Wegen ϕ(x/x) = ϕ ist die rechte obere Sequenz ein Axiom. (Es ging ziemlich automatisch!)
Das x! bei (∀R, !x) (und (∃L, !x) in anderen Fällen) soll darauf hinweisen, daß die Nebenbedingung, daß x nicht frei in der Untersequenz auftritt, erfüllt ist. Das heißt, über x wird
nichts anderes angenommen oder behauptet
Bem. Eine Regelanwendung betrifft immer den äußersten Junktor oder Quantor, nicht
den einer Teilformel. Man kann daher z.B. auf (∃xϕ → ψ) ⊲ ∀x(ϕ → ψ) zwar (→ L) oder
(∀ R) anwenden, aber nicht (∃ L) oder (→ R).
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