test Gestaltungshandbuch Gartenstadt Hüttenau Hattingen-Welper Impressum Herausgeber Stadt Hattingen Der Bürgermeister Baudezernat Hüttenstraße 43; 45525 Hattingen Bearbeitung sds_utku Büro für Städtebau, Denkmalpflege, Stadtforschung Am Knappenberg 32; 44139 Dortmund Yasemin Utku, Alexandra Apfelbaum, mit Unterstützung von Kathrin Nentwich www.sds-utku.de unter Mitwirkung von bauplus Architekten und Ingenieure Prof. Nolte und Partner Diepensieper Weg 6; 40882 Ratingen Marcus Oetzel www.baupluspartner.de Idee I Konzept I Redaktion Stadt Hattingen Fachbereich Stadtplanung und Stadtentwicklung Projektleitung Regine Hannappel unter Mitwirkung von Jürgen Uphues, Svea Sokoll Tel.: 0 23 24 - 204 - 5210 Fax: 0 23 24 - 204 - 5209 www.hattingen.de [email protected] Hattingen, Mai 2016 Gestaltungshandbuch Gartenstadt Hüttenau Hattingen-Welper Gefördert durch: Inhalt Vorwort 7 Einführung 9 Historie 11 Entstehung der Gartenstadt Hüttenau 11 Einbindung in den regionalen Kontext17 Merkmale der Siedlung 19 Erschließung 19 Hausformen21 Freiräume und Grünflächen 23 Raumstrukturen25 Gebäudebestände 29 Bauphasen 29 Haustypen 33 Weiterentwicklung des Bestandes 53 Fassaden 55 Sonderthema Sockel 57 Fassadenöffnungen: Hauseingänge 59 Fassadenöffnungen: Fenster 61 Dächer 63 Bauliche Ergänzungen 67 Farbkonzept 69 Ruhender Verkehr 71 Vorgärten 73 Verbindungs- und Karrenwege 75 Grünanlagen und Schmuckplätze 77 Öffentliche Räume 79 Energetische Sanierung 82 Anforderungen der Energieeinsparverordnung 83 Gebäudebestand aus energetischer Sicht 85 Gebäudeanalyse - Bestand 87 Sanierungsmaßnahmen und Empfehlungen 88 Solarenergie 92 Heizungstechnik 92 Kontrollierte Wohnungslüftung 93 Thermografieuntersuchung 94 Beratung / Förderung 96 Glossar 98 Quellen 103 Luftbild von Welper 1930 (Gartenstadt Hüttenau eG) Vorwort Sehr geehrte Eigentümerinnen und Eigentümer in der Gartenstadt Hüttenau, sehr geehrte Damen und Herren, mit der Gartenstadt Hüttenau besitzt die Stadt Hattingen ein herausragendes Zeugnis der sich wandelnden Wohn- und Lebensverhältnisse im Arbeitersiedlungsbau des 20. Jahrhunderts. Durch das Stadtumbauprojekt soll der Stadtteil Welper aufgewertet werden und daher rückt gerade die historische Gartenstadt Hüttenau mit ihren besonderen Qualitäten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dieses Gestaltungshandbuch ist das Ergebnis einer fast einjährigen Untersuchung. Es soll dazu beitragen, die Bedeutung der Gartenstadt bewusst zu machen und eine am historischen Vorbild orientierte Weiterentwicklung anzuregen. Es beinhaltet Vorschläge, wie Sie konkret vorgehen können bei Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen. An drei Siedlungshäusern wird beispielhaft aufgezeigt, welche energetischen Maßnahmen sinnvoll sind. Erfreulich viele Eigentümerinnen und Eigentümer haben bei den Veranstaltungen mit dem Büro sds_utku und der Stadtverwaltung diskutiert und sich engagiert eingebracht. Das Thema begeistert mehr und mehr Menschen. Ihre Mitarbeit und ihr Engagement für die Gartenstadt Hüttenau waren für die Herausgabe des Gestaltungshandbuches unentbehrlich. Das Gestaltungshandbuch macht nicht nur Vorschläge, sondern bildet außerdem die Grundlage für ein kommunales Förderprogramm, das Fassadenprogramm. Im Rahmen des Stadtumbauprojektes kann für fünf Jahre (voraussichtlich ab 2017) ein Zuschuss gewährt werden, wenn sich die Gestaltung der Straßenfassade an den Vorschlägen des Gestaltungshandbuches orientiert. Ab Herbst 2016 berät Sie gerne ein Quartiersarchitekt, der über das Stadtteilmanagement Welper erreichbar sein wird. Wir wünschen Ihnen, dass Sie sich von den Vorschlägen und Untersuchungsergebnissen in dem Gestaltungshandbuch anregen lassen und sich Ihre Gartenstadt Hüttenau hochwertig und zukunftsfähig weiterentwickelt. Jens Hendrix Baudezernent Dirk Glaser Bürgermeister test - - - - - Gartenstadt Hüttenau: Abgrenzung Siedlungsbereich Einführung Ein Gestaltungshandbuch für die Gartenstadt Hüttenau Die Gartenstadt Hüttenau befindet sich im Hattinger Stadtteil Welper und erstreckt sich auf einer Fläche von rund 38 Hektar. Gefasst wird die Siedlung im Westen von den Grundstücken entlang der Bogenstraße, im Süden von den Grundstücken entlang des Fritz-Ebert-Rings sowie des Grundstücks an der Sportfläche zur Horstschule. Im Osten begrenzen die äußeren Grundstücksgrenzen entlang der Erzbergerstraße und im weiteren Verlauf der Rathenaustraße in Richtung Norden den Siedlungsbereich. Im Norden schließlich wird der Siedlungsbereich durch die äußeren gartenseitigen Grundstücksgrenzen entlang der Bogenstraße definiert. Die genaue Fassung der Gartenstadtsiedlung Hüttenau ist in nebenstehender Karte mit einer Umrandung gekennzeichnet. Durchzogen wird die Gartenstadt Hüttenau von der Marxstraße, an der sich diverse Wohn- und Geschäftshäuser sowie weitere Sonderbauten befinden, die ebenfalls Bestandteil der Gartenstadt sind. Die Siedlung selbst wurde in mehreren Bauabschnitten zwischen 1910 bis in die 1940er Jahre mit zahlreichen Haustypen realisiert; sie ist jedoch nach einem einheitlichen städtebaulichen Grundmuster entstanden, das von dem berühmten Architekten Georg Metzendorf entwickelt wurde. Von ihm wurden auch acht (von insgesamt elf) Haustypen sowie einige Sonderbauten in der Gartenstadt entworfen. Bis heute ist die gestalterische Idee der Gartenstadtanlage Hüttenau, die regionale und lokale Bezüge von der Topographie bis hin zur Materialität aufgreift, ablesbar und anschaulich. Daher verwundert es nicht, dass diese bedeutende Gartenstadtsiedlung Standort der Themenroute „Arbeitersiedlungen“ der „Route Industriekultur“ des Regionalverbands Ruhr ist. Zudem ist sie aktuell in das regional angelegte Projekt „Siedlungskultur Ruhr“ aufgenommen worden, in dem die Siedlungsbestände im Ruhrgebiet nach ihrer kulturellen Bedeutung untersucht werden. Auch auf lokaler Ebene hat die Gartenstadt einen hohen Stellenwert; die Bewohner identifizieren sich stark mit „ihrer“ Siedlung und wissen um die hohe Alltags- und Gebrauchsqualität des Siedlungsbereichs. Um dieser Bedeutung auch künftig gerecht werden zu können, wurde die Gartenstadt Hüttenau mit in das Programm „Stadtumbau West“ aufgenommen. Ziel ist es, mithilfe des Programms eine solide und abgestimmte Grundlage für die gestalterische Weiterentwicklung der baulichen und freiräumlichen Substanz der Gartenstadt Hüttenau zu erarbeiten. Mit dem vorliegenden Gestaltungshandbuch wurde die wesentliche Basis dafür geschaffen; nächste Schritte werden mit dem darauf aufbauenden Fassadenprogramm der Stadt Hattingen sowie den individuellen Beratungsangeboten durch einen Quartiersarchitekten erfolgen. Historie Historische Karte: Hüttengelände und Welper 1921 (Stadt Hattingen) 10 Historie Entstehung der Gartenstadt Hüttenau Noch im Jahre 1830 bestand Welper aus sieben Bauernhöfen und 20 Kotten. Die Gründung der Henrichshütte im Jahre 1854 änderte daran wenig, da die Beschäftigten der Henrichshütte Wohnraum in Hattingen oder in den neu errichteten Unterkünften auf dem Werksgelände im Lohfeld fanden. Doch schon bald entstanden auf dem Haidchen die ersten Siedlungshäuser im Harzer Baustil, um die hochgeschätzten Hüttenfachleute aus dem Harz an das Werk zu binden. 1904 erwarb schließlich die Lokomotivfabrik Henschel & Sohn aus Kassel das Hüttenwerk in Hattingen. Der folgende wirtschaftliche Aufschwung des Werks schlug sich auch in den Belegschaftszahlen nieder, die von 1300 Beschäftigten im Jahre 1904 auf 6000 im Jahre 1910 anstieg. Zur Linderung der Wohnungsnot ließ die Firma Henschel sechs dreigeschossige Mietskasernen am Hang des Welper Berges (Henschelstraße) errichten, die trotz der unzureichenden Sanitäreinrichtungen schnell völlig überbelegt waren. Das noch landwirtschaftlich geprägte Welper war bald mit der Lebensmittelversorgung der Neu-Bürger überfordert. Daher wurden beim Bau der 1906/07 von Henschel errichteten Siedlung Müsendrei um das stillgelegte Schachtgebäude der gleichnamigen Zeche Gartenflächen zur Selbstversorgung ihrer Bewohner eingeplant. 1909 wurde Karl Thiel Amtmann des Amtes Blankenstein mit den Gemeinden Blankenstein und Welper. Thiel befürchtete angesichts der grassierenden Wohnungsnot die Entfremdung der Menschen von der Natur in einer industrialisierten Welt: „Die räumliche Abtrennung der Familien von der Scholle, der nur der wohlhabende Mensch unseres Zeitalters noch entgehen kann, läuft der naturhaften Freude geradezu entgegen. Da die kosmischen Gesetze aber für alle Menschen bindend sind, gilt das Prinzip des freien Menschen auch für alle - die Minderbemittelten wie die Begüterten.“ * *Zitat aus: Gartenstadt Hüttenau eG (Hg.): Mehr als Wohnen. 1909-1984. 75 Jahre Gartenstadt Hüttenau eG. Hattingen 1984, S. 8 Amtmann Thiel war der Auffassung, ein Arbeiter könne nur im Einfamilienhaus die Naturverbundenheit und Freude am Leben wiedergewinnen. So entwickelte er einen Plan zur Errichtung bezahlbarer Eigenheime auf dem Welper Berg nach dem Konzept einer Gartenstadt; nahe genug an der Henrichshütte mit der potentiell größten Anzahl an Interessenten, aber weit genug entfernt von den direkten Emissionen. Das Konzept der Gartenstadt umfasst neben den städtebaulichen auch soziale Aspekte. Die Gartenstadtidee war Teil umfassender Reformbewegungen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Aufgrund der politischen und sozioökonomischen Veränderungen während und nach der Industrialisierung startet man den Versuch, 11 Historie (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, S. 115 / 116) 12 Historie auch das Wohnungsbauwesen zu erneuern. Das vorherrschende Wohnungselend in den Städten durch Überfüllung und mangelnde Hygiene führt zur Suche nach neuen städtebaulichen Modellen. Im Vordergrund steht dabei die Verbindung von Stadt und Land, der Gemeinschaftsgeist und die Naturverbundenheit. Auf dieser Grundlage entstehen um 1900 erste Gartenstadtkonzepte in England (GardenCity-Modell von Ebenezer Howard) und Deutschland. Es handelt sich dabei meist um Siedlungen im Grünen mit Selbstversorgungsmöglichkeiten wie Gärten und Ställe für jede Familie und einer guten Infrastruktur mit Gemeinschaftseinrichtungen. Zu diesen neu entstandenen Siedlungen zählt neben vielen bekannten auch die Gartenstadt Hüttenau in Hattingen. Es gelingt Amtmann Thiel, den Leiter der Landesversicherungsanstalt Westfalen, Geheimrat Dr. Dr. Hermann Althoff, die Firma Henschel sowie eine Interessengemeinschaft der Gemeinden Welper und Blankenstein zur Finanzierung des Projektes zu gewinnen. Am 31.Oktober 1909 wird in Welper in einer stark besuchten Versammlung eine Genossenschaft mit beschränkter Haftung unter dem Namen „Gartenstadt Hüttenau“ gegründet. Der Genossenschaftsanteil beläuft sich auf etwa die Höhe des Monatslohns eines Hüttenarbeiters. Spekulationen werden durch das Mietkaufsystem verhindert. Nur acht Monate später erfolgt der erste Spatenstich. Das Besondere und Gelungene dieser Siedlung ist vor allem auf ihren Architekten zurückzuführen. Der städtebauliche Entwurf der Gartenstadt stammt von dem Architekten Georg Metzendorf (1874-1934). Metzendorf hatte sich im Vorfeld bereits 1908 durch die Planungen für die Margaretenhöhe in Essen einen Namen gemacht, die heute als Meilenstein der deutschen Architekturgeschichte gilt. Beide Siedlungen, in Hattingen und in Essen, unterscheiden sich jedoch in ihrer Planung und Gestaltung. Das Siedlungsgelände in Hattingen-Welper liegt auf einem bewegten Hügelplateau begrenzt von bewaldeten Steilhängen und zerklüfteten Siepen, wodurch die Siedlung eine unregelmäßig begrenzte Umrissform aufweist. Metzendorf gelang es dennoch, eine zusammenhängende Siedlungsstruktur zu erschaffen, die besonders durch ihre einzelnen Bauabschnitte geprägt ist. Die wesentliche Grundlage der Planung sind zweigeschossige, teils freistehende, teils in Gruppen angeordnete Einfamilien-Doppelhäuser mit unterschiedlich großen Nutzgärten von 200 bis 700 Quadratmetern. Bis 1916 hatte die Genossenschaft auf dem großzügigen Gelände in vier Bauabschnitten bereits die ersten Wohnungen errichtet, so dass die Gartenstadt zehn Jahre nach ihrer Gründung 1919 knapp 2000 Einwohner zählte, die zum größten Teil im nahegelegenen Hüttenwerk arbeiteten. Ein weiterer fünfter Bauabschnitt 13 Historie Gartenstraße ca. 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) 14 Historie musste aufgrund des Ersten Weltkriegs zurückgestellt werden. 1919 trennten sich Vorstand und Aufsichtsrat der Gartenstadt von Metzendorf als künstlerischem Oberleiter. Man schrieb für den nächsten geplanten Bauabschnitt einen Architektenwettbewerb aus, den der Berliner Architekt Fritz Schopohl (1879-1948) gewann. In diesem fünften Bauabschnitt zu Beginn der zwanziger Jahre wurden von Schopohl die Bebauung des Bebelplatzes, Ergänzungen der Siedlungshäuser an Erzberger- und Rathenaustraße, sowie die Volksschule mit Beamtenhäusern auf der Straße „Lange Horst“ realisiert. Bei diesen Planungen hielt Schopohl sich zwar an die städtebauliche Konzeption Metzendorfs, setzte bei den Häusern allerdings andere Grundrisstypen ein, was sich auch in der Gestaltung der Häuser niederschlug. Nach Unzufriedenheiten seitens der Gartenstadt in der Abwicklung der Aufträge kehrten die Verantwortlichen für den sechsten Bauabschnitt 1928 wieder zu Metzendorf als Architekten zurück. Dieser Bauabschnitt umfasste neben Einfamilien- und Zweifamilienhäusern auch eine Geschäftshausreihe an der Marxstraße mit Läden und Mietwohnungen. In den Jahren zwischen 1935 und 1940 folgten noch zwei kleinere Bauabschnitte. Der Zweite Weltkrieg hinterließ auch in Welper seine Spuren. Nachdem die Kriegszerstörungen weitestgehend behoben waren, fand in den Jahren bis 1967 eine Expansionsphase mit der Genossenschaft als Bauherrin statt. Während dieser regen Bautätigkeit verließ man endgültig das ursprüngliche Planungskonzept Metzendorfs und ging aus Gründen der Wohnungsnot teilweise zum mehrgeschossigen, meist dreigeschossigen, Mietwohnungsbau über. Von 1950 bis 1959 wurde der Bestand um knapp 700 Wohneinheiten vergrößert. Dieser Bereich westlich der Bogenstraße zählt daher nicht mehr zur eigentlichen Gartenstadtsiedlung. Der Siedlungsgrundriss der ursprünglichen Planung ist heute zwar immer noch erhalten und erkennbar, allerdings haben die Privatisierung der Einzelhäuser und die damit verbundene Individualisierung sowie zahlreiche An- und Umbauten das äußere Erscheinungsbild der Siedlung stark beeinflusst. Bemühungen, die von Metzendorf geplanten Bauabschnitte unter Denkmalschutz zu stellen, scheiterten 1987. Bei der Gartenstadt Hüttenau handelt es sich nicht um ein typisches Arbeiterquartier des beginnenden 20. Jahrhunderts, sondern um eine in sich geschlossene Wohnsiedlung mit einem hohen städtebaulichen und baukünstlerischen Wert. Sie ist neben der Margaretenhöhe in Essen ein bedeutendes gebautes Zeugnis der Gartenstadtbewegung in Deutschland und ihres berühmten Vertreters, dem Architekten Georg Metzendorf. 15 Historie Historie 16 Route Industriekultur, Themenroute Arbeitersiedlungen (Regionalverband Ruhr) Einbindung in den regionalen Kontext Die Bedeutung der Gartenstadt Hüttenau zeigt sich auch in ihrer Berücksichtigung im regionalen Kontext. So ist sie eingebunden in das interkommunale Handlungskonzept Siedlungskultur im Ruhrgebiet wie auch in die Route Industriekultur. Das interkommunale Handlungskonzept Siedlungskultur im Ruhrgebiet, das derzeit für das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen erarbeitet wird, umfasst 90 Siedlungen in 20 Kommunen des Ruhrgebietes. Sein Ziel ist das bedeutende siedlungskulturelle Erbe der Arbeiter- und Werkssiedlungen, die vor allem in Zusammenhang mit der Montanindustrie bis in die 1920er Jahre hinein entstanden sind, zu erhalten und weiterzuentwickeln. An diesem Projekt ist die Stadt Hattingen mit der Gartenstadt Hüttenau sowie den Harzer Häusern und der Siedlung Müsendrei beteiligt. Die Route Industriekultur ist ein regional angelegtes Tourismus-Projekt des Regionalverbandes Ruhr und erschließt auf einem 400 Kilometer langen Straßenrundkurs das industriekulturelle Erbe des Ruhrgebiets. Zum Netz der ausgeschilderten Straßenroute zählen 25 Ankerpunkte sowie 16 Aussichtspunkte der Industrielandschaft und derzeit 30 Themenrouten innerhalb der Region. Die Themenrouten der Route der Industriekultur bilden abseits der Ankerpunkte weitere Ebenen der Information und des Erlebens. Die einzelnen Standorte der Themenrouten bilden ein ergänzendes Netz, das die industrielle Kulturlandschaft des Ruhrgebiets in allen Facetten widerspiegelt. Die Themenrouten vermitteln dem Interessierten die räumliche und historische Entwicklung der Region auf spannende Weise. Die baulichen und technischen Zeugnisse als lesbare Spuren in der Stadtlandschaft sind die Symbole dieser Geschichte. Sie sollen dazu dienen, die sozialgeschichtlichen, stadtentwicklungsgeschichtlichen und ästhetischen Phänomene zu thematisieren und begreifbar zu machen. Die Gartenstadt Hüttenau ist Bestandteil der Themenroute 19 „Arbeitersiedlungen“, die 50 Siedlungen im Ruhrgebiet umfasst. Alle Siedlungen dokumentieren die Einwanderung in die Region zur Zeit der Industrialisierung und stellen bauliche Zeugnisse dar, mit denen die Belegschaften in den Industriebetrieben sesshaft gemacht werden sollten. Wünschenswert wäre die Aufstellung einer entsprechenden Stele der Route Industriekultur mit kurzen Hinweisen auf Entstehung und Bedeutung der Siedlung. Vorstellbar wäre ein Standort auf dem Bebelplatz am östlichen Eingang der Siedlung, aber auch an der Gartenstraße, dem ursprünglichen Kern der Siedlung. Weitere Informationen unter: www.route-industriekultur.de/themenrouten/19-arbeitersiedlungen/gartenstadt-huettenau.html 17 18 Merkmale der Siedlung Erschließung Das Rückgrat der Siedlung ist die Marxstraße, eine von Osten nach Westen durch das Gelände der Gartenstadt verlaufende ehemalige Landstraße, die die beiden Ortsteile Welper und Blankenstein miteinander verbindet. Die Haupterschließung der Gartenstadt erfolgt von dieser Straße aus, da auf sie alle wichtigen Straßen zulaufen bzw. von ihr ausgehen. Ursprünglich als Hauptstraße geplant, trennt sie die Gartenstadt allerdings auch in zwei Teile. Der nördliche, zur Ruhr gerichtete Teil wird über diese Hauptstraße erschlossen, während der südlichen Teil der Siedlung vor allem durch die Bogenstraße erschlossen wird. Eine Vielzahl von kleineren Zufahrtsmöglichkeiten ergänzt diese Erschließung. Die Hauptverkehrsstraßen sind ebenso wie die zur Ruhr ausgerichteten Ringstraßen in ihrem Verlauf gebogen, da sie sich der bewegten Topographie anpassen. Die südlich der Marxstraße liegenden Gebiete werden hingegen zumeist von kurzen und gerade verlaufenden Wohnstraßen erschlossen, die eine zweckmäßige und sparsame Parzellierung ermöglichten. Über das gesamte Siedlungsgebiet verteilen sich zahlreiche Garten- bzw. Karrenwege, die das vorhandene Straßensystem ergänzen, in dem sie fußläufige Abkürzungen schaffen oder die privaten Gärten erschließen. Luftaufnahme Luisenplatz mit Ringstraße von Norden um 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) Blick in die Marxstraße von Osten ca. 1950 (Gartenstadt Hüttenau eG) 19 20 Hausformen Die Gartenstadt Hüttenau ist geprägt durch eine aufgelockerte, zu Hausgruppen zusammengefasste Bebauung. Als architektonischer Baustein der Siedlungsstruktur kann das ein- bis zweigeschossige Kleinwohnhaus bestimmt werden. Dieser Baustein wurde in zahlreichen Variationen zu unterschiedlichen Gruppen-, Reihen- und Doppelhausarchitekturen zusammengefügt. Um innerhalb des Baukastensystems Monotonie zu vermeiden, wurde durch individuelle Details die Gestaltung variiert. So konnte in der Siedlung ein abwechslungsreiches Bild von Häusern in Verbindung mit Gärten und Plätzen entstehen. Die Siedlung wird im Wesentlichen durch eineinhalbgeschossige Doppelhäuser bestimmt, die entweder giebelständig oder traufständig zum Straßenraum gelegen sind. Im Zusammenschluss mehrerer Häuser entstanden als Dreier- oder Vierertyp eine Art Gruppen- oder Reihenhäuser, die etwa zu gleichen Teilen in der Siedlung vertreten sind. Als eine besondere Form treten an der Rathenaustraße drei freistehende Einfamilienhäuser in Erscheinung, die auch als Beamtenhäuser bezeichnet werden. giebelständige Doppelhäuser (Bogenstraße) um 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) traufständige Doppelhäuser (Ringstraße) um 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) Viererhaus (Gartenstraße) um 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) 21 22 Freiräume und Grünflächen Dem Ideal einer Gartenstadt folgend wurde in der Siedlung einer großzügigen Grüngestaltung Rechnung getragen. Die Anlage privater und öffentlicher Vorgärten, großer privater Hausgärten sowie öffentlicher Grünflächen in Form von Schmuckplätzen sind elementarer Bestandteil der Siedlungsplanung. Innerhalb der Siedlung sind etliche öffentliche Freiflächen bzw. Spielplätze vorhanden. Neben dem Bebelplatz gibt es zahlreiche platzartige Straßenaufweitungen wie beispielsweise am Luisenplatz oder dem Fritz-Ebert-Ring, die mit kleinen Zierplätzen oder -flächen versehen wurden und zur Auflockerung des Straßenraumes beitragen. Vor- und Rücksprünge der Fassadenflucht durch Schaffung von Vorgärten sind dagegen eher selten zu finden. Die meisten Straßenzüge waren mit Baumreihen versehen, so wie es heute beispielsweise noch bei der Marxstraße zu sehen ist, um den malerischen, grünen Charter der Siedlung zu unterstützen. Einige Straßen innerhalb des Siedlungsgefüges waren einheitlich mit einer Baumbzw. Pflanzenart bepflanzt, was ihnen einen eigenständigen Charakter verlieh, der sich auch in den ursprünglichen Straßennamen widerspiegelte (Lindenstraße, heute Starenstraße oder Rosenweg, heute Meisenweg). Bebelplatz, Einweihung des Karl-Thiel-Brunnens am 28.10.1928 (Stadt Hattingen) Starenstraße um 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) 23 Merkmale der Siedlung 24 Raumstrukturen Der Entwurf der Siedlung orientiert sich an der Idee der Gartenstadt. So wurden alle Straßenzüge planvoll an den Geländeverlauf angepasst. Der Verlauf dieser Straßen mit den Platzsituationen und die Position der Häuser folgen einem städtebaulichen Gesamtkonzept. Ziel war es, möglichst abwechslungsreiche, malerische Straßenverläufe zu erhalten. So konnten überlange Perspektiven in den Straßen vermieden und besondere Blickachsen gebildet werden. Diese Blickachsen entstehen häufig an Straßenkreuzungen oder -einmündungen, an denen Kopfbauten meist in Form von Viererhäusern oder giebelständigen Doppelhäusern positioniert wurden. Oft werden die Achsen von prägenden Grünkanten begleitet, die dadurch entstehen, dass die Vorgärten in der Bauflucht durchgängig und geschlossen erscheinen. Zum anderen können Blickachsen von prägenden Gebäudekanten begleitet werden, die durch eine nahezu geschlossene Bauflucht entstehen, in dem die Einzelbauten über Zwischenbauten miteinander verbunden werden. Am Ende dieser Blickachsen finden sich oftmals platzartige Aufweitungen des Straßenraums, um den malerischen Charakter zusätzlich zu betonen. Hier finden sich meist kleinere öffentliche Zierplätze oder private Vorgärten. Eine entscheidende, gartenstädtische Prägung erfährt die Siedlung durch eine „Grünspange“, die sich südlich vom Bebelplatz über die lange Horst und den Schulbereich bis hin zur Bogenstraße erstreckt. An diesem Ende sollte ursprünglich als Abschluss der Spange und Gegengewicht zum Bebelplatz ein Kreisverkehr entstehen, der nicht realisiert wurde. Zudem ergeben sich durch die Topographie der Siedlung im südlichen Teil vom Schulgelände aus und im Norden an der Rathenaustraße besondere Aussichtspunkte in die umgebende Landschaft. Ringstraße 1914 (Gartenstadt Hüttenau eG) Luisenweg / -platz um 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) 25 Ringstraße um 1920 (Gartenstadt Hüttenau eG) Gartenstraße 1911 (Gartenstadt Hüttenau eG) 26 Schrägluftbild Welper 1926 (Stadt Hattingen) 27 28 Gebäudebestände Bauphasen Die Entstehung der Gartenstadt Hüttenau lässt sich in drei Bauphasen gliedern, in denen jeweils unterschiedliche Architekten tätig waren: Der Kernbereich der Siedlung entstand in den 1910er Jahren (1910-1916), vor allem um die Gartenstraße herum, durch den Architekten Georg Metzendorf. In der Zeit erfolgte auch die Bebauung des Bereichs um den Luisenplatz und die Ringstraße ebenfalls durch Metzendorf, ebenso wie der Hauptteil der Bebauung an der Rathenaustraße und der Erzbergerstraße. In einer zweiten großen Bauphase in den Jahren 1922/23 errichtete zunächst der Architekt Fritz Schopohl die Häuser am Bebelplatz sowie einige Bauten zur Schließung von Baulücken an der Rathenau- und der Bogenstraße. Dann folgte in der Phase auch eine weitere Bebauung wiederum durch den Architekten Georg Metzendorf (ab 1927) am Fritz-Ebert-Ring. Die letzte Phase im Betrachtungszeitraum wurde dann durch den Architekten Wilhelm Stommel bestimmt, der in den 1930er und 1940er Jahren den größten Teil der Bebauung an der Marxstraße verantwortete sowie die Nachverdichtungen zu den Hauptstraßen (Lange Horst und Bogenstraße). In der Nachkriegszeit entstanden vereinzelt weitere Bauten, die zwar im Siedlungszusammenhang zu sehen sind, allerdings in ihrer architektonischen Gestaltung keine Bezüge zum ursprünglichen Siedlungskonzept aufweisen. Statistik zur Bautätigkeit in Hüttenau (Gartenstadt Hüttenau eG: 50 Jahre Gartenstadt Hüttenau e.G.m.b.H. Welper Ruhr. Hattingen 1959) 29 Historischer Stadtplan von Welper 1892 (aus: Robert Laube (Hrsg.): Die Henrichshütte Hattingen. Eine grüne Geschichte. Dortmund 1992, S. 22) 30 Historischer Stadtplan von Welper 1945 (aus: Robert Laube (Hrsg.): Die Henrichshütte Hattingen. Eine grüne Geschichte. Dortmund 1992, S. 22) 31 32 Haustypen In der Gartenstadt Hüttenau sind in den drei Bauphasen jeweils unterschiedliche Haustypen errichtet worden, die sich in bestimmte Gruppen einteilen lassen. So entstanden in den 1910er Jahren die Haustypen 1 bis 4 und in den 1920er Jahren die Haustypen 5 bis 7, alle durch den Architekten Georg Metzendorf. Die Haustypen 8 und 9 gehören ebenfalls in die 1920er Jahre, sind aber dem Architekten Fritz Schopohl zu zuordnen. Ergänzend fügen sich zum einen der Hausytp S aus den 1930er und 1940er Jahren durch den Architekten Wilhelm Stommel und der Hausytp E, das freistehende Einfamilienhaus von Georg Metzendorf ein. Die durchgehend vorhandene einheitliche Grundgestaltung der Wohnhäuser mit einem dreiteiligen Regelaufbau von Sockel-, Wand- und Dachzone wird durch einheitliche Baustoffe und die serielle Herstellung der einzelnen Bauelemente noch verstärkt. Dennoch erhält die Gleichförmigkeit einen Gegenakzent durch die individuelle Zusammensetzung der Fassadenöffnungen und der baulichen Details. Diese Gestaltung variiert zusätzlich in den jeweiligen Bauphasen. Dennoch erzeugen insgesamt schlichte und abwechslungsreiche Gebäudegliederungen eine differenzierte Wirkung in der Gesamtansicht der Straßenzüge. Mit einfach gehaltenen Putzelementen wie Bogenfeldern, Wandvorlagen oder horizontalen Bändern sind die Fassaden unterschiedlich geteilt, wobei korrespondierende Hausgruppen durch gleiche Muster zusammengefasst werden. 33 Gebäudebestände Lageplan Bereich um die Gartenstraße, Georg Metzendorf 1910 (Stadt Hattingen) 34 Gebäudebestände Lageplan Bereich Bebelplatz, Rathenaustraße und Erzbergerstraße, Georg Metzendorf 1914 (Stadt Hattingen) 35 Amselweg 10, 12, 14, 16, 19, 21 Haustyp 1 – traufständiges Doppelhaus der 1910er Jahre Bogenstraße 52, 54 Architekt: Georg Metzendorf Drosselweg 5, 7, 10, 12 Die zweistöckigen Doppelhäuser des Typs 1 erstrecken sich auf einem rechtwinkligen Grundriss und werden jeweils von einem hohen traufständigen, also mit der Traufe bzw. Regenrinne zur Straße gerichteten Dach abgeschlossen. Das Dach ist als Sattel-, Walm- oder Krüppelwalmdach ausgeführt, mit dunklen Pfannen gedeckt und ragt über die Flucht der Fassade hinaus. Die Längsseiten der Doppelhäuser verlaufen parallel zur Straße. Ihre frontalen Fassaden sind symmetrisch aufgebaut und weisen häufig eine deutliche Unterscheidung zwischen Erd- und Obergeschoss auf – etwa durch ein hervorspringendes oberes Geschoss oder ein Gesimsband. Diese horizontale Gliederung wird unterstützt durch eine Sockelzone aus Bruchstein, die auf Höhe des oftmals erhöhten Eingangsbereichs endet und sich vom rauen Putz der restlichen Geschosse optisch abhebt. Die Eingangstüren sind im oberen Teil des Türblatts mit einem Lichtausschnitt versehen; die meist hochformatigen, ein- oder zweiflügeligen Fenster – ehemals flankiert von Klappläden – sind zumeist durch Sprossen unterteilt. Erzbergerstraße 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 26, 28, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 38, 49, 51, 53, 55 Finkenstraße 6, 8, 10, 12, 22, 24 Gartenstraße 11a Rathenaustraße 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35, 45, 47, 49, 51, 53, 55, 57, 59, 61, 63 Ringstraße 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 16, 21, 23, 24, 26, 31, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 50, 51, 53, 61, 63, 65, 67, 69, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 78, 80, 82 Haus des Typs 1 ca. 1920er Jahre (aus: Rainer Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, S. 128) 36 Ansicht eines Hauses des Typs 1, Zeichnung 1912 (Stadt Hattingen) Haustyp 2 – giebelständiges Doppelhaus der 1910er Jahre Amselweg 7, 9 Architekt: Georg Metzendorf Bogenstraße 5, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 15, 17, 19, 22, 24, 26, 28, 36, 38, 48, 50 Die zweistöckigen Doppelhäuser des Typs 2 weisen jeweils einen rechtwinkligen Grundriss auf, ihre Giebelseite ist dabei der Straße zugewandt. Die Fassaden sind symmetrisch aufgebaut und werden von den im oberen Bereich verglasten Eingangstüren der erhöhten Eingangsbereiche sowie von meist hochformatigen, ein- oder zweiflügeligen und durch Sprossen unterteilten Fenstern mit Klappläden gegliedert. Gestaltungselemente wie Lisenen zwischen den Fenstern strukturieren die Fassade vertikal, Wandvorlagen im Obergeschoss oder Gesimsbänder zwischen den Öffnungen bilden hingegen horizontale Gliederungen und akzentuieren zusammen mit Details wie Bögen das Giebelfeld. In Einzelfällen sind die Fassaden im Bereich des Erdgeschosses mit Ziegelmauerwerk verkleidet, wodurch das besagte Geschoss betont wird. Überstehende Sattel-, Walm- oder Krüppelwalmdächer schließen die Doppelhäuser ab und sind mit Dachaufbauten wie Schmuckgiebeln ausgestattet. Haus des Typs 2 1920er Jahre (aus: Rainer Metzendorf: Georg Metzendorf. 1874-1934. Siedlungen und Bauten. Darmstadt 1994, S. 143, Abb. 141) Drosselweg 1, 3, 20, 22 Erzbergerstraße 25, 27, 29, 31 Finkenstraße 1, 2, 3, 4, 5, 7 Gartenstraße 13, 15, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 60, 62, 64, 66, 68, 70 Rathenaustraße 37, 39, 41, 43 Ringstraße 28, 30, 32, 34, 47, 49, 52, 54, 62, 64, 84, 86, 96, 98 Starenstraße 4a, 13, 22, 24, 26, 28, 29, 31, 33, 35, 37, 39 Ansicht eines Hauses des Typs 2, Zeichnung 1912 (Stadt Hattingen) 37 Bogenstraße 30, 32, 34 Haustyp 3 – traufständiges Dreierhaus der 1910er Jahre mit und ohne Schmuckgiebel Drosselweg 14, 16, 18 Architekt: Georg Metzendorf Erzbergerstraße 37, 39, 41, 43, 45, 47 Die zweigeschossigen, traufständigen Dreierhäuser des Typs 3 sind in der Siedlung seltener vertreten. Die Längsseiten ihrer rechteckigen Grundrisse erstrecken sich jeweils parallel zur Straße und weisen nahezu symmetrisch aufgebaute, dreigeteilte Fassaden auf. Durch eine Sockelzone aus Bruchstein sowie horizontale Gesimsbänder in Höhe der Fensterbänke der oberen Fenster wird die Erdgeschosszone klar abgegrenzt und optisch vergrößert, einzelne flache Erker im Obergeschoss durchbrechen dieses Schema jedoch. Erhöhte Eingangsbereiche mit sprossierten Lichtausschnitten sowie hochformatige, ein- oder zweiflügelige und durch Sprossen unterteilte Fenster mit Klappläden öffnen die Fassaden. Die mittlere Partie der Fassaden wird häufig durch einen Schmuckgiebel über die Traufe hinaus erweitert, wobei das Giebelfeld mit einem kleinen, meist quadratischen Fenster versehen ist. Hohe, überstehende und mit dunklen Pfannen gedeckte Sattel-, Walm- oder Krüppelwalmdächer ohne Dachaufbauten fassen die Dreiergruppen zu kompakten Gebäuden zusammen. Amselweg 1, 3, 5 Finkenstraße 9, 11, 13 Gartenstraße 7, 9, 11 Meisenweg 2, 4, 6, 8, 10, 12 Ringstraße 18, 20, 22, 25, 27, 29, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 66, 68, 70 Haus des Typs 3 1920er Jahre (Stadt Hattingen) 38 Ansicht eines Hauses des Typs 3 mit Schmuckgiebel am Rosenweg, Zeichnung 1910er Jahre (Stadt Hattingen) Haustyp 4 – traufständiges Viererhaus der 1910er Jahre mit und ohne Schmuckgiebel Am Spielplatz 1, 3, 5, 7 Architekt: Georg Metzendorf Bogenstraße 14, 16, 18, 20, 40, 42, 44, 46 Die zweigeschossigen Viererhäuser des Typs 4 erstrecken sich auf einem rechteckigen Grundriss mit langer, parallel zur Straße verlaufender Hauptfassade. Durch die Anordnung der Wandöffnungen weist die Fassade einen symmetrischen Aufbau auf, den architektonische Details wie etwa Erker, Gesimsbänder oder durch Wandvorlagen miteinander verbundene Eingangsbereiche untermalen. Häufig wird die mittlere Partie der Fassaden zudem von einem Schmuckgiebel überspannt. Die Eingangstüren der Viererhäuser sind mit einem Lichtausschnitt ausgestattet, die meist hochformatigen, ein- oder zweiflügeligen Fenster sind mit Sprossen sowie teilweise mit Klappläden versehen. Die Dächer sind als Sattel-, Walm- oder Krüppelwalmdächer mit Dachüberstand ausgebildet und mit dunklen Pfannen eingedeckt. Je nach Beschaffenheit des Geländes liegen die Eingangsbereiche teils ebenerdig, weshalb die Sockelzone in einigen Fällen entfällt. Drosselweg 2, 4, 6, 8 Haus des Typs 4 mit Schmuckgiebel 1920er Jahre (Stadt Hattingen) Amselweg 2, 4, 6, 8, 11, 13, 15, 17 Finkenstraße 14, 16, 18, 20 Gartenstraße 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 58 Luisenplatz 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 Luisenweg 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 Ringstraße 13, 15, 17, 19, 77, 79, 81, 83, 88, 90, 92, 94 Starenstraße 10, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 16, 18, 20, 21, 23, 25, 27, 30, 32, 34, 36 Ansicht eines Hauses des Typs 4, Zeichnung ca. 1910 (Stadt Hattingen) 39 Fritz-Ebert-Ring 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, 51, 53, 55, 56, 57, 58, 59, 67, 69, 71, 72, 73, 74, 75, 77, 85, 87, 89, 91, 93, 95 Haustyp 5 – traufständiges Doppelhaus der 1920er Jahre Architekt: Georg Metzendorf Die in den 1920er Jahren entstandenen, mit eineinhalb Geschossen recht niedrigen Doppelhäuser des Typs 5 befinden sich ausschließlich am Fritz-Ebert-Ring im südlichen Teil der Siedlung. Entsprechend ihrer späteren Entstehungszeit weisen sie Unterschiede zu den Haustypen der 1910er Jahre auf. So wirken die auf einem rechteckigen Grundriss errichteten, von der Straße zurückversetzten Gebäude mit symmetrisch aufgebauten, rau verputzten Fassaden durch ihre flachere Gesamtform sowie ihre hohen, überstehenden und mit Flachdachgauben ausgestatteten Satteldächer etwas gedrungener als die ältere Bebauung – quadratische, ehemals von Klappläden flankierte und sprossierte Fenster unterstützen diese Wirkung. Allen Häusern ist ein Gartenbereich mit gemauerter Einfassung vorgelagert, der je nach Gelände erhöht ist und unterschiedliche Größen aufweist. Die ebenfalls überwiegend erhöhten Eingangsbereiche mit teilverglasten Türen werden von einer niedrigen Bruchsteinmauer mit Geländern umschlossen. Haus des Typs 5 am Fritz-Ebert-Ring 1920er Jahre (Stadt Hattingen) 40 Ansicht eines Hauses des Typs 5 am Fritz-Ebert-Ring, Zeichnung ca. 1926 (Stadt Hattingen) Haustyp 6 – traufständiges Dreierhaus der 1920er Jahre Architekt: Georg Metzendorf Fritz-Ebert-Ring 22, 24, 26, 44, 46, 48, 50, 52, 54, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 68, 70, 76, 78, 79, 80, 81, 83 Die Dreierhäuser des Typs 6 befinden sich ausschließlich im Fritz-Ebert-Ring und erheben sich jeweils mit nur eineinhalb Geschossen auf einem rechteckigen, längs der Straße verlaufenden Grundriss. Ihre rau verputzten und meist von einer Sockelzone aus Bruchstein umfassten Fassaden sind gleichmäßig aufgebaut; die beiden äußeren Wohneinheiten sind dabei in der Regel achsensymmetrisch um den mittleren Eingangsbereich herum angelegt. Die ursprünglich sprossierten und größtenteils von Klappläden flankierten Fenster weisen überwiegend ein nahezu quadratisches Format auf; die Eingangstüren sind mit Lichtausschnitten ausgestattet. Hohe, überstehende und mit Flachdachgauben versehene Satteldächer schließen die Gebäude ab. In Anpassung an das Gelände liegen die Vorgärten und Eingangsbereiche der von der Straße zurückversetzten Dreierhäuser teils erhöht und sind nur über gemauerte Treppenaufgänge aus Bruchstein zu erreichen. Haus des Typs 6 am Fritz-Ebert-Ring 1950er Jahre (Stadt Hattingen) Ansicht eines Hauses des Typs 6, Zeichnung 1920er Jahre (aus: Rainer Metzendorf: Georg Metzendorf. 1874-1934. Siedlungen und Bauten. Darmstadt 1994, S. 145, Abb. 148) 41 Fritz-Ebert-Ring 21, 23, 25, 27, 36, 38, 40, 42 Haustyp 7 – traufständiges Viererhaus der 1920er Jahre Architekt: Georg Metzendorf Die einzigen zwei traufständigen Viererhäuser des Typs 7 stellen mit ihren eineinhalb Geschossen sowie ihren vier Wohneinheiten recht niedrige, längliche Gebäude dar und setzen sich aus zwei in ihrer Flucht leicht versetzten Doppelhäusern zusammen. Sie liegen oberhalb eines erhöhten, von einer Mauer eingefassten Vorgartens und weisen eine rau verputzte, symmetrisch strukturierte Fassade mit einer Sockelzone aus Bruchstein auf. Diese wird durch ehemals von Klappläden flankierte, sprossierte Fenster stehenden Formates sowie teilverglaste Eingangstüren durchbrochen. Mauern aus Bruchstein fassen die Treppenaufgänge zu den meist erhöhten Eingangsbereichen ein. Haus des Typs 7 am Fritz-Ebert-Ring 1950er Jahre (Stadt Hattingen) 42 Ansicht eines Hauses des Typs 7 am Fritz-Ebert-Ring, Zeichnung ca. 1926 (Stadt Hattingen) Haustyp 8 – traufständiges Doppelhaus der 1920er Jahre Architekt: Fritz Schopohl Die traufständigen Doppelhäuser des Typs 8 weichen in ihrer Gestaltung teilweise von den Haustypen 1-7 ab und verraten damit die Handschrift eines anderen Architekten. Fritz Schopohl schuf zweieinhalbgeschossige Gebäude mit steilen Satteldächern und rau verputzten, sparsam gestalteten Fassaden. Durch seitlich der Gebäude liegende Eingangsbereiche werden die zur Straße gelegenen Hauptfassaden nur von wenigen Wandöffnungen – meist in Form von quadratischen oder liegenden Fenstern – durchbrochen. Eine niedrige Sockelzone aus Bruchstein sowie ein mittig platziertes Fallrohr, das die Fassade optisch gemäß den beiden Wohneinheiten teilt, stellen jeweils die einzigen architektonischen Details der schlichten Fassaden dar. Haus des Typs 8 2016 (Stadt Hattingen) Bogenstraße 21, 23, 56, 58, 60, 62, 64, 66, (68, 70, 72, 74 Wiederaufbau) Erzbergerstraße 1, 3, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 54, 56, 57, 59, 61, 63, 65, 67, 69, 71 Finkenstraße 26, 28, 30, 32 Rathenaustraße 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 71, 73, 75, 77, 79, 81 Ansicht eines Hauses des Typs 8, Zeichnung 1921er Jahre (Stadt Hattingen) 43 Bebelplatz 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 Haustyp 9 – giebelständiges Doppelhaus der 1920er Jahre Lange Horst 7, 9, 11, 13 Architekt: Fritz Schopohl Die giebelständigen Doppelhäuser des Typs 9 sind zweieinhalb Geschosse hoch und weisen jeweils durch den zur Straßenseite gerichteten Giebel ihres Satteldachs sowie ihre relativ geringe Breite eine stehende Gesamtform auf. Der Eingangsbereich der Gebäude liegt seitlich, dennoch ist die zur Straße gerichtete Fassade aufwändiger gestaltet als die der traufständigen Doppelhäuser Schopohls. Das grundlegende Gestaltungsprinzip bilden dabei sechs sprossierte Fenster liegenden Formates, die gleichmäßig in zwei vertikalen Achsen mittig der Fassade angeordnet sind. Das Giebelfeld wird durch ein Gesimsband sowie ein kleines Rundfenster unterhalb des Firstes akzentuiert. Darüber hinaus werden die Fassaden unterhalb des Giebelfeldes teilweise von vertikalen gebänderten Streifen gesäumt. Die Doppelhäuser dieses Typs finden sich nur selten, jedoch stets an exponierten Stellen innerhalb der Siedlung: Sie flankieren die Volksschule und bilden einen Halbkreis um den Bebelplatz. Haus des Typs 9 an der Straße „Lange Horst“ 2015 44 Ansicht eines Hauses des Typs 9 an der Straße „Lange Horst“, Zeichnung ca. 1922 (Stadt Hattingen) Haustyp E – freistehendes Einfamilienhaus der 1910er Jahre („Beamtenhaus“) Rathenaustraße 65, 67, 69 Architekt: Georg Metzendorf Die drei freistehenden Einzelhäuser an der Rathenaustraße, die sogenannten Beamtenhäuser (für „Hüttenbeamte“ im Sinne von leitenden Angestellten), stellen einen Sondertyp innerhalb der Siedlung dar. Mit ihren zweieinhalb Geschossen weisen sie ein stehendes Format auf nahezu quadratischem Grundriss auf und werden von einem hohen Walmdach abgeschlossen, das wiederum jeweils auf einer Seite mit einer breiten Walmgaube versehen ist. Die zur Straße gerichtete Fassade der Beamtenhäuser ist in zwei vertikale Achsen gegliedert und im Obergeschoss mit zwei Fenstern, im Erdgeschoss hingegen mit einem Fenster sowie einem zu drei Seiten verglasten Erker versehen. Umlaufende Gesimsbänder betonen die oberen Grenzen von Erd- und Obergeschoss sowie der bis zur Sohlbank der Fenster reichenden Sockelzone aus Bruchstein. Dem seitlichen Eingangsbereich ist eine erhöhte, von einer Mauer eingefasste Plattform vorgelagert, die über eine kleine Treppe zu erreichen ist. Eine Haustür mit einem Rundbogenabschluss sowie ein im Obergeschoss gelegenes Rundbogenfenster heben sich von den ansonsten geradlinigen Wandöffnungen ab und markieren den Erschließungsbereich des Hauses. „Beamtenhäuser“ an der Rathenaustraße 1910er Jahre (aus: Rainer Metzendorf: Georg Metzendorf. 1874-1934. Siedlungen und Bauten. Darmstadt 1994, S. 143, Abb. 145) Ansicht eines sogenannten Beamtenhauses an der Rathenaustraße, Zeichnung 1910er Jahre (Stadt Hattingen) 45 Bebelplatz 1a, 2a, 3a, 13, 14, 15 Bogenstraße 2, 4, 6, 8, 10a, 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 76, 78 Erzbergerstraße 58, 60, 62, 73, 75, 77 Haustyp S - traufständiges Doppel- oder Dreierhaus der 1930er und 1940er Jahre Architekt: Friedrich Stommel Finkenstraße 15, 17 Fritz-Ebert-Ring 1, 1a, 1b, 2, 3, 3a, 3b, 4, 5, 5a, 5b, 6, 7, 7a, 7b, 8, 8a, 8b, 82, 84, 86, 88, 90, 92, 97, 99, 101 Lange Horst 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50 Marxstraße 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 62, 72, 74, 76, 78, 80, 81, 82, 83, 85, 87, 89, 91, 93, 95 Der Haustyp S umfasst einige vornehmlich an der Marxstraße und im Süden der Siedlung gelegene, traufständige Doppel- und Dreierhäuser, mit denen in den 1930er und 1940er Jahren die Lücken des ursprünglichen Siedlungsplans geschlossen wurden. Während sie städtebaulich dem Konzept Metzendorfs folgen, weichen die eineinhalb- bis zweieinhalbgeschossigen Gebäude dieses jüngeren Haustyps in ihrer Gestaltung teilweise von der restlichen Bebauung der Siedlung ab. Dennoch findet sich etwa in der Anbringung eines rauen Putzes ein typisches Element der Architektur der Siedlung, weitere Parallelen stellen architektonische Elemente wie Dachüberstände, Dachaufbauten, Klappläden und Sockelzonen dar. Mehrfamilien- und Doppelhaus des Typs S an der Marxstraße 1940 Jahre (Stadt Hattingen) 46 Ansicht eines Mehrfamilienhauses des Typs S, Zeichnung 1930er Jahre (Stadt Hattingen) Gebäudebestände Sonderbauten In der Siedlung finden sich einige Sonderbauten, die nicht vorrangig als Wohnhäuser konzipiert waren und sich folglich keinem der vorgestellten Haustypen zuordnen lassen. Dazu gehören ein Gemeindegasthaus an der Kreuzung von Marxstraße und Starenstraße, ein gegenüberliegender Werkskonsum, die Horstschule mittig des Siedlungsgebiets sowie eine Reihe von Geschäftshäusern an der östlichen Kreuzung von Marx- und Ringstraße. Gemeindegasthaus, 1911 und Werkskonsum Henschel & Co, 1914 Marxstraße 61 und 70 Architekt: Georg Metzendorf bzw. Baubüro Henschel / Metzendorf Das heute als Hotel und Gaststätte genutzte frühere Gemeindegasthaus und der ehemalige Werkskonsum erhalten durch architektonische Elemente einen repräsentativen Charakter. Das Gemeindegasthaus erinnert mit dem hohen, von vertikalen Wandvorlagen in drei Teile gegliederten Schmuckgiebel auf der zur Marxstraße gerichteten Hauptfassade an einen Theaterbau. Zudem untermalen die Arkaden des als Loggia angelegten Eingangsbereichs das eindrucksvolle Bild des Gebäudes. Hingegen schmücken vertikale, über zwei Stockwerke reichende Wandvorlagen den Werkskonsum und verleihen ihm Größe. Gemeindegasthaus Hüttenau 1920er Jahre (Stadt Hattingen) Ansicht des Gemeindegasthauses, Zeichnung (aus: Gartenstadt Hüttenau eG: Denkschrift über den Ausbau der Gartenstadt Hüttenau bei Blankenstein a. d. R.. Essen 1911, S. 31) 47 Lange Horst 10 Horstschule, 1923 Architekt: Fritz Schopohl Die dreiflügelige Anlage der Horstschule stellt einen für ihre Entstehungszeit typischen Schulbau dar. Ihren Kern bildet ein hoher Mittelbau auf längsrechteckigem Grundriss, dessen schmale Hauptseite durch zwei hohe Geschosse ein stehendes Format aufweist. Zu beiden Seiten dieser Mittelpartie schließt sich jeweils ein niedrigerer zweigeschossiger Seitenflügel liegenden Formates an. Vor der Schule findet sich ein großzügiges Schul- und Sportgelände, welches einen tribünenartigen Aufgang zum Schulgebäude formt. Horstschule ca. 1930 (Stadt Hattingen) Marxstraße 65, 67, 69, 71, 73, 75, 77, 79 Die Lage auf dem Höhenzug und damit an der markantesten Stelle der Gartenstadt betont diese Bildungsinstitution in der Arbeitersiedlung. Geschäfthäuser, 1910er bzw. 1920er Jahre Architekt: Georg Metzendorf Die Geschäftshäuser sind in ihrer Anlage als bis zu dreieinhalbgeschossige, geschlossene Randbebauung sowie mit der Mischnutzung aus Gewerbe und Wohnen einem städtebaulichen Leitbild zuzuordnen, das einen Kontrast zum aufgelockerten Prinzip der Gartenstadt darstellt. Dennoch sind sie Teil des ursprünglichen Konzeptes von Metzendorf und bilden durch ihre Lage sowie ihre Funktion ein wichtiges Element für den Siedlungszusammenhang, sozusagen das Rückgrat der Gartenstadt. Einzelne gestalterische Details, wie etwa die stark sprossierten Fenster, stellen einen Bezug zur restlichen Bebauung der Siedlung dar und verdeutlichen die konzeptuelle Zusammengehörigkeit. Geschäftshauser an der Marxstraße, Blick von Westen 1950er Jahre (Stadt Hattingen) 48 Ansicht der Geschäftshauser an der Marxstraße, Zeichnung (aus: Rainer Metzendorf: Georg Metzendorf. 1874-1934. Siedlungen und Bauten. Darmstadt 1994, S. 149, Abb. 153) Sonstige Bauten im Siedlungszusammenhang Neben den aufgeführten Haustypen finden sich einige Bauten in der Siedlung – meist Mehrfamilienhäuser und Wohn- und Geschäftbauten, die nach 1945 entstanden sind und in ihrer architektonischen Gestaltung größtenteils nicht dem ursprünglichen Konzept Metzendorfs folgen. Ebenso sind alle Bauten, die zukünftig im Geltungsbereich entstehen werden, zu den „Sonstigen Bauten“ zu zählen. Teilweise orientieren sich die nach 1945 errichteten Gebäude in ihrer Kubatur sowie ihren Proportionen an der älteren Bebauung der Siedlung und wahren in Teilen durch ihre Platzierung innerhalb des Siedlungsgefüges die städtebauliche Kontinuität – dies wäre auch für zukünftige Bauten wünschenswert. Sonderbauten außerhalb des Siedlungszusammenhangs Zur Infrastruktur der Siedlung gehören das katholische Gemeindezentrum St. Joseph mit der Kirche (1929), das evangelische Paul-Gerhard-Haus (1923) sowie das Gemeindeamt Welper (1928) mit der Gemeindeverwaltung und der Gesundheitsfürsorgestelle. Diese liegen außerhalb des Kernbereiches der Gartenstadt Hüttenau, stehen aber in engem funktionalen Zusammenhang. Gemeindeamt Welper 1950er Jahre (Gartenstadt Hüttenau eG) Kath. Gemeindezentrum St. Joseph 2015 (Stadt Hattingen) 49 50 51 Schrägluftbild Welper 2009 (Hans Blossey) 52 Weiterentwicklung des Bestandes Mit dem Ziel, den einheitlichen Charakter der historischen Gartenstadt Hüttenbau wieder stärker herauszustellen, werden im Folgenden anhand wichtiger Aspekte der Gebäude sowie des Siedlungsgefüges Empfehlungen für eine Weiterentwicklung des Bestandes ausgesprochen und veranschaulicht. Grundlegend ist dabei, dass sich diese Empfehlungen stets – auch im Falle von Doppel-, Dreierund Viererhäusern – auf das gesamte Gebäude beziehen und dieses folglich – in Einigung mit den Nachbarn – gestalterisch als EIN Gebäude zu behandeln ist. Aus Gründen der Einheitlichkeit beschränken sich die Empfehlungen zudem nicht auf den historischen Bestand, sondern schließen ebenfalls später errichtete oder zukünftig entstehende Bauten ein, die sich in Bezug auf Volumen und Kubatur am historischen Bestand orientieren sollten. Eine große Bedeutung für das einheitliche Bild der Siedlung kommt vor allem den Elementen zu, die vom Straßenraum aus sichtbar sind. Durch Themen wie „Fassaden“, „Dächer“ und „Farbgestaltung“ werden daher zunächst die Gebäude im Mittelpunkt stehen, bevor Aspekte der Umgebung der Häuser erläutert werden. 53 Schema des grundlegenden Fassadenaufbaus (anhand eines Hauses des Typs 1) (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, bearbeitet) Fassadenaufbau eines Hauses des Typs 2, Zeichnung 1912 (Stadt Hattingen) 54 Fassadenaufbau eines Hauses des Typs 1 1920er Jahre (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, S. 115 / 116) Fassaden Doppel- und Mehrfamilienhäuser sind unbedingt als „ein“ Gebäude zu behandeln. In Abstimmung mit den Nachbarn ist daher eine einheitliche Gestaltung aller Wohneinheiten anzustreben – hierzu sollten gleichartige Materialien sowie gleichförmige architektonische und akzentuierende Elemente gewählt werden. Die Anbringung einer Außendämmung ist mit der historischen Gestaltung nicht vereinbar. FASSADEN Der historische Aufbau der zum Straßenraum gewandten Fassaden ist – je nach Zustand – zu erhalten oder nach historischem Vorbild zu gestalten. Der historischen Einheitlichkeit halber sind die Fassaden in jedem Fall mit einem grobkörnigen Putz zu versehen. Architektonische Elemente und Akzentuierungen wie etwa Erker und Gesimsbänder sind maßgeblich für die Fassadengliederung und folglich zu erhalten; sie können dabei leicht farblich abgesetzt werden. Auch Rankgerüste – wo historisch belegt – sind als Gestaltungselemente geeignet; generell wäre eine Förderung des grünen Charakters der Siedlung wünschenswert. Empfehlung: Wenn sich die Fassaden der verschiedenen Haustypen auch in einigen architektonischen oder dekorativen Details wie etwa Erkern, Wandvorlagen, Gesimsen oder Rankgerüsten von einander unterscheiden, so basiert ihr Aufbau dennoch auf immer gleichen grundlegenden Merkmalen, die ein zusammenhängendes Erscheinungsbild der Gartenstadt fördern. In der Regel äußert sich dies in einem klaren Fassadenaufbau aus Sockelzone, Erd- und Obergeschossbereich sowie hoher Dachzone. Die Gliederung der Fassade durch Öffnungen wie Türen und Fenster ist dabei stets symmetrisch angelegt, bei Doppel- und Mehrfamilienhäusern sind die einzelnen Wohneinheiten durch diesen symmetrischen Aufbau ablesbar. Die ansonsten gleichmäßige Gestaltung der Fassaden sowie ein alle Wohneinheiten überspannendes Dach fassen die Doppel- und Mehrfamilienhäuser jeweils zu großen, zusammengehörigen Gebäuden zusammen. Die Verwendung eines einheitlichen, zementgrauen Rauputzes unterstützt die Behandlung der Mehrfamilienhäuser als „ein“ Gebäude. 55 Detailaufnahme eines Bruchsteinsockels 2015 Feuchte- und salzbelastetes Bruchsteinmauerwerk 2015 56 Kellermauerwerk eines Hauses an der Rathenaustraße, Putzschicht entfernt 2015 Fassaden – Sonderthema Sockel Der Bruchsteinsockel ist die Grundlage des dreigliedrigen Aufbaus der Siedlungshäuser. Als wichtiges, durchgängiges Motiv haben sich diese bei den Gebäude erhalten. Dieses traditionelle und für die Region typische Element trägt maßgeblich zum einheitlichen Bild der Gartenstadt bei. Durch fehlende äußere, vertikale Abdichtungen im Erdreich, vom Tausalz der Straße angegriffenes Sichtmauerwerk sowie in selteneren Fällen fehlende, das Mauerwerk vor der Feuchtigkeit des Bodens schützende Horizontalsperren können die erhaltenen Bruchsteinsockel mitunter erhebliche Schäden aufweisen. So finden sich im Außenbereich häufig aufgeplatzte, bröckelnde Mörtelfugen; im Inneren der Gebäude führen die genannten Mängel hingegen zu erhöhter Feuchtigkeit, Ausblühungen der in den Baustoffen enthaltenen Salze und Putzschäden. Darüber hinaus werden immer mehr der Bruchsteinsockel im Zuge energetischer Sanierungsmaßnahmen durch Dämmmaterialien teilweise oder komplett verdeckt, wodurch die Proportionen der gesamten Fassade und somit die ursprüngliche Gestalt des Hauses stark verändert werden. SOCKEL Als Sanierungsmaßnahmen empfehlen sich für den Innenbereich das Entfernen von Altputz und schadhaftem Fugenmörtel, der meist einen hohen Salzgehalt aufweist, sowie das Aufbringen eines Sanierungsputzes, der die Salzausblühungen verhindert. Die Luftfeuchtigkeit muss durch regelmäßiges Lüften abgeführt werden. Es besteht zudem die Möglichkeit zur Feuchtesperrung von innen durch eine Verkieselung des Kellermauerwerks. Diese Methode kann jedoch zu einer stärkeren Durchfeuchtung des Mauerwerks führen, die eine Horizontalsperre zum Erdgeschoss erforderlich macht. Im Außenbereich können die Fugen mit Kalkzementmörtel oder Trasskalkmörtel erneuert und einzelne Steine ausgetauscht werden. Reine Zementmörtel sind für die Sanierung ungeeignet. Empfehlung: Vorhandene Bruchsteinsockel sind in ihren ursprünglichen Maßen sowie Materialien unbedingt zu erhalten und sichtbar zu belassen. Generell ist es ratsam, bei Schäden am Sockel oder geplanten vorbeugenden Sanierungsmaßnahmen fachkundige Berater hinzuzuziehen. 57 Detail 1 eines möglichen Vordachs, Zeichnung Detail 2 eines möglichen Vordachs, Zeichnung Detailaufnahme eines Hauseingangs 2015 58 Schema des grundlegenden Aufbaus des Hauseingangs, Zeichnung (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, bearbeitet) Fassadenöffnungen: Hauseingänge Historische Zugangstreppen sind zu erhalten; neue Treppen sind in Blockstufen aus hellem Naturwerkstein oder einem optisch ähnlichen Material anzulegen. Denkbar wären etwa sandgestrahlte und hell eingefärbte Betonwerksteine. Geländer sollten aus dunkel gestrichenem Stahl bestehen. Ergänzende Vordächer sind als Stahl-Glas-Konstruktionen auszuführen, die sich aus einem Rahmen und Konsolen sowie einer mit geringer Neigung aufgelegten Glasplatte zusammensetzen. Rahmen und Konsolen der Vordächer sowie kleinere Ergänzungen im Eingangsbereich – etwa Briefkästen, Klingelanlagen und Außenleuchten – sollten matt silberfarben eingefasst sein. Als Materialien sind gestrichener, eloxierter oder gebürsteter Edelstahl oder Stahl wünschenswert. EINGÄNGE Haustüren sind in ihrer Dimensionierung sowie grundlegenden Gliederung an historische Vorbilder anzupassen. Sie sind aus Holz anzufertigen und in dunkelgrün (z.B. RAL 6005 oder 6028) oder dunkelbraun (z.B. RAL 8011 oder 8016) einzufassen. Eine Akzentuierung der Tür durch sprossierte, weiß abgesetzte Lichtausschnitte sowie Rahmungen ist wünschenswert. Die Lichtausschnitte sollten dabei in der oberen Hälfte der Tür liegen und nicht mehr als 50 Prozent des Türblatts einnehmen. Faschen sind weiß einzufassen. Empfehlung: Die Eingangsbereiche sind unabhängig vom Haustyp ähnlich gestaltet und folglich prägend für das einheitliche Gesamtbild der Siedlung. Die Haustüren sind ursprünglich aus Holz gefertigt und dunkelgrün oder -braun angestrichen. Ein mit weißen Sprossen versehener Lichtausschnitt in der oberen Hälfte des Türblatts und weitere weiß abgesetzte Rahmungen akzentuieren die Haustüren, weiße Faschen die Eingangsbereiche. Durch die Sockelzone sind viele Eingangsbereiche erhöht und nur über eine kleine Treppe mit Blockstufen aus hellem Naturwerkstein erreichbar. Einige dieser Treppenaufgänge werden von einer Mauer aus Bruchstein flankiert, die wiederum von einem – je nach Haustyp unterschiedlich gestalteten – Geländer aus gestrichenem Stahl abgeschlossen wird. 59 Schema des grundlegenden Fensteraufbaus, Zeichnung (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, bearbeitet) Detailaufnahme eines „klassischen“ Fensters 2015 60 Detailaufnahme von zwei Rundbogenfenstern 2015 Fassadenöffnungen: Fenster Die Fenster sollten von weißen Faschen gerahmt werden. Ist ein Haus mit horizontalen Gesimsbändern versehen, sind die Fensterbänke als Teil der Gesimse zu sehen und entsprechend in Form und Farbe an diese anzupassen. Geeignet sind Ausführungen aus Putz oder gestrichenem Leichtmetall. FENSTER Zur Straßenseite gewandte Fenster sind in ihrer Dimensionierung sowie grundlegenden Gliederung nach historischen Vorbildern zu gestalten. Es sind Holzfenster zu wählen, deren Rahmung idealerweise ein Kreuzformat mit Sprossierung im unteren Fensterbereich, mindestens aber eine Gliederung durch Kämpfer und unteren Pfosten aufweisen. Kleinere Fenster sind ohne Sprossierung denkbar. Die rückwärtigen Seiten der Häuser sind für das Gesamtbild der Siedlung von geringerer Relevanz, folglich sind dort „freiere“ Öffnungsmaße möglich. Empfehlung: Die Fenster weisen in ihrem ursprünglichen Zustand – je nach Haustyp – unterschiedliche Formen und Gestaltungen auf. Ehemals vorherrschend waren weiß gefasste, in der Form eines Kreuzes unterteilte Holzfenster stehenden Formates. Ein Kämpfer teilte die Fenster horizontal in ein hohes Unter- und ein weniger hohes Oberfenster bzw. Oberlicht; ein Setzholz bzw. ein Pfosten separierte in der Regel vertikal sowohl den unteren Fensterbereich wie auch das Oberlicht in zwei Flügel, die Flügel des unteren Fensterbereich wurden darüber hinaus durch Sprossen strukturiert. Des Weiteren finden sich in der Siedlung unterschiedliche kleine Fenster mit Sonderformaten, beispielsweise Rund- oder Rundbogenfenster. Insbesondere hochformatige Fenster wurden in der Regel von weißen Faschen gerahmt und von dunkelgrün oder dunkelbraun gestrichenen Klappläden aus Holz flankiert. Wo historisch belegt, ist eine Anbringung von dunkelgrün (z.B. RAL 6005 oder 6028) oder dunkelbraun (z.B. RAL 8011 oder 8016) gestrichenen Klappläden aus Holz wünschenswert. 61 Detailaufnahme Dachanschluss 2016 Detailaufnahme originale Dacheindeckung 2016 (Stadt Hattingen) Blick in die Gartenstraße 1911 (Stadt Hattingen) Blick in die Gartenstraße 2015 62 Dächer Die Dächer von Doppel- und Mehrfamilienhäusern müssen unbedingt jeweils als zusammengehöriges Dach behandelt werden und folglich – in Abstimmung mit den Nachbarn – eine in Material, Farbe und Form einheitliche Gestaltung erhalten. Dächer Die Dächer sollten sich in ihrer Form sowie ihrer Neigung an den historisch überlieferten Dächern orientieren und mit matten altfarbenen Hohlfalzziegeln eingedeckt werden. Glasierte Dachziegel sind völlig untypisch für die Siedlung! Wenn ausgebaute Dächer belichtet werden müssen, können ggf. Dachflächenfenster eingesetzt werden. Sollte eine Anbringung von Schneefanggittern erwogen werden, sollten sich diese farblich an der Dacheindeckung orientieren. Empfehlung: Die Dachlandschaft setzte sich ursprünglich aus mit dunklen, matten Hohlziegeln gedeckten Sattel-, Walm- oder Krüppelwalmdächern zusammen. Je nach Haustyp waren die Dächer unterschiedlich stark geneigt und mit Aufbauten wie etwa kleinen Gauben versehen. Auch heute noch allen Dächern gemein, ist ihre steile Ausführung sowie ihr traufseitiger Dachüberstand. Darüber hinaus finden sich im Zusammenhang mit den Dächern Details wie weiß gefasste Ortgänge, Konsolen oder Verbretterungen. 63 Visualisierung einer Indach-Anlage (www.vaillant.at) Detail Fensterachse mit Gaube 2015 64 Schema der Platzierung von Gauben in den Fensterachsen, Zeichnung (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, bearbeitet) Regenrinnen und Fallrohre sind aus Titanzink, Kupfer oder in der Farbe des Daches bzw. der Fassade auszuführen. Technische Anlagen wie Antennen- und Satellitenanlagen sind – sofern möglich – an den rückwärtigen Seiten der Dächer anzubringen und ansonsten farblich an die Dachdeckung anzupassen. Die Installation von Solaranlagen ist in Form von in die Dachflächen integrierten Anlagen (sogenannten Indach-Anlagen) auf den rückwärtigen Seiten der Häuser oder vorzugsweise auf den Dachflächen von Nebengebäuden denkbar. GAUBEN Von der Straße sichtbare historische Dachaufbauten sind in ihrer Positionierung, Größe und Form zu erhalten. Nachträgliche Aufbauten sind straßenwärtig nur in Form von Gauben und nur auf Dachflächen ohne historische Dachaufbauten denkbar. Die Positionierung dieser ist jeweils auf die Fensterachsen der Fassade zu beziehen; Form und Größe sind nach historischen Vorbildern zu wählen – gemäß des zweiten Rettungsweges nach der nordrhein-westfälischen Bauordnung ist jedoch eine Fenstergröße von mindestens 0,90 x 1,20 Metern erforderlich. Dacheinschnitte sind auf vom Straßenraum sichtbaren Dachflächen nicht möglich. Die Proportionalität muss gewahrt werden. Empfehlung: Einige Haustypen weisen Dachaufbauten in Form von Schmuckgiebeln oder kleinen Giebelgauben auf. Historische Aufbauten folgen in ihrer Positionierung den vertikalen Fensterachsen der Fassaden und betonen dadurch die (symmetrische) Gliederung dieser. Typisch für die in den 1920er Jahren entstandenen Haustypen fünf bis sieben sind Flachdachgauben. Diese sind nicht in Weiterführung der vertikalen Fensterachsen positioniert, sondern bilden oftmals die Mitte der Mehrfamilienhäuser überspannende, horizontale Bänder. Regenrinnen und Fallrohre ordnen sich ursprünglich in Material- und Farbwahl dem Gebäude unter. 65 Haus des Typs 1 mit Nebengebäude 1920er Jahre (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, S. 129, bearbeitet) 66 Haus des Typs 1 mit Nebengebäude 2015 Bauliche Ergänzungen ERGÄNZUNGEN Bauliche Ergänzungen jeglicher Art sind dem Hauptgebäude in Volumen und Höhe deutlich unterzuordnen und in Bezug auf Farbe, Material und Gestalt an dieses anzupassen. Die Errichtung von Wintergärten, Anbauten und Nebengebäude wie etwa Gartenhäuser und Schuppen ist auf die rückwärtigen Grundstücksflächen zu beschränken. Seitliche Nebengebäude wie etwa Garagen sind ebenfalls gestalterisch dem Hauptbau anzupassen und unterzuordnen sowie mindestens 30 cm hinter der Bauflucht des Hauptgebäudes zu positionieren. Die historischen Anbauten und Nebengebäude dienen dabei als gestalterischer Orientierungsrahmen. Empfehlung: Im historischen Bestand der Gartenstadt finden sich je nach Haustyp seitliche Nebengebäude, diese sind aus dem „gleichen Guss“ wie die Hauptgebäude und ordnen sich diesen in Volumen, Form und Ausgestaltung deutlich unter. Diese Anbauten dienen heute vielfach Wohnzwecken oder als Abstellräume oder Garagen. Infolge sich wandelnder Anforderungen an das Wohnen in der Siedlung wurden die Häuser im Laufe der Jahre aber immer wieder um seitliche Anbauten oder Nebengebäude ergänzt – so etwa im Zuge der Automobilisierung der Nachkriegszeit zur Unterbringung des ruhenden Verkehrs. Dem gewandelten Zeitgeist sowie dem oftmals neuen Bautyp der Garage entsprechend entstanden häufig Bauten, die in Form, Material und Farbe von der Gestaltung der Hauptgebäude stark abweichen oder diese durch vergleichbare Ausmaße oder Volumina stark überformen und letztlich das einheitliche Gesamtbild der Siedlung stören. 67 Farbschema als Orientierung zur Farbgestaltung Ausschnitt eines Hauses des Typs 4 2015 68 Ausschnitt eines Hauses des Typs 4 mit einheitlicher, historischer Farbgestaltung, Fotomontage Farbkonzept Farblich wies die historische Gartenstadt ein sehr einheitliches und harmonisches Gesamtbild auf. Das Farbspektrum beschränkte sich auf den ungestrichenen zementgrauen Rauputz sowie akzentuierende dunklere Töne wie das Dunkelgrün und Dunkelbraun der Holzteile oder die Anthrazittöne der Stahl- und Eisenteile. Einzelne Fassaden-Akzentuierungen wie beispielsweise Gesimsbänder wurden heller oder dunkler abgesetzt. Weiße Rahmungen, Sprossierungen und Faschen sowie dunkelgrüne oder -braune Klappläden bzw. Türblätter betonten die Fassadenöffnungen. FARBEN Falls ein Anstrich der Putzoberflächen gewünscht wird, sind neben dem ursprünglichen Zementgrau diffusionsfähige Mineralfarben in Farbtönen mit einem hohen Weißanteil – etwa Beige, Elfenbein, Creme- oder Grauweiß – zu wählen. Fensterprofile und Faschen sind in weiß auszuführen. Haustüren, Klappläden und gegebenenfalls Garagentore sind je Haus einheitlich in Dunkelgrün oder Dunkelbraun (s. S. 59 und 61) einzufassen. Akzentuierungen von Details wie etwa Gesimsbänder können einen helleren oder dunkleren Farbton als den der Fassade aufweisen. Ist ersteres der Fall, kann für die Faschen der Fenster und Eingangsbereiche der gleiche helle Ton verwendet werden. Eisen- und Stahl- bzw. Metallteile sollten im Falle von Geländern einen anthrazitfarbenen, ansonsten einen silbernen Farbton aufweisen. Empfehlung: Eine Fotomontage soll verdeutlichen, wie ein Haus bereits durch einen einheitlichen Anstrich der Fassade und farbliche Akzentuierungen nach dem historischen Farbschema ein stimmiges Gesamtbild erhält sowie vor allem sein historisches Gesicht zurückgewinnt. Doppel- und Mehrfamilienhäuser sind in Bezug auf die farbliche Gestaltung immer jeweils als „ein“ Gebäude zu behandeln. Es ist wünschenswert, dass sich Nachbarn gemeinsam auf jeweils eine Farbe für die verschiedenen Elemente ihres Hauses einigen. 69 Rückwärtige Garagen 2015 In historische Zwischenbauten eingefügte Garagen 2015 70 Rückwärtige Garagen 2015 Ruhender Verkehr Um möglichst viel Grün in den Vorgärten zu erhalten und damit den gartenstädtischen Charakter zu bewahren, sollten die Zufahrten aus schmalen gepflasterten Fahrstreifen gebildet werden. PARKEN Stellplätze sind – wenn möglich – in vorhandenen Zwischenbauten einzurichten. Sollen neue Stellplätze geschaffen werden, sind rückwärtige Erschließungsmöglichkeiten zu prüfen. Die Errichtung neuer straßensichtiger Garagen ist denkbar, sofern sich diese in Bezug auf Farbe, Material und Gestalt an den Hauptbau anpassen und sich diesem in Volumen und Höhe deutlich unterordnen sowie mindestens 30 cm hinter dessen Bauflucht positioniert werden. Die Errichtung straßensichtiger Carports oder ähnlicher Unterstellmöglichkeiten ist zu vermeiden. Empfehlung: Die Bewohner der historischen Gartenstadt besaßen in der Regel kein Auto, für den ruhenden Verkehr vorgesehene Stellmöglichkeiten, etwa in Form von Garagen, fanden sich in der ursprünglichen Siedlung daher keine. Besonders infolge der großen Automobilisierung nach 1945 stieg jedoch der Bedarf an Stell- und Erschließungsmöglichkeiten für den Autoverkehr. Viele Bewohner bauten daraufhin Garagen oder Carports seitlich an ihre Wohnhäuser an und schufen neue Zufahrten. So entstanden häufig Bauten, die in Form, Material und Farbe von der Gestaltung der Hauptgebäude stark abweichen oder den Blick auf die Wohnhäuser durch ihre Platzierung teils verdecken, wodurch wiederum das einheitliche, historische Gesamtbild der Siedlung gestört wird. Breite Zufahrten und weitere Stellplätze vor den Häusern verdrängen zudem immer mehr die für den grünen Charakter der Gartenstadt wichtigen bepflanzten Vorgärten. 71 Durch eine Bruchsteinmauer an den Geländeversprung angepasster Vorgarten 2015 Von einer Bruchsteinmauer eingefasster Vorgarten 2015 72 Von einer Bruchsteinmauer mit Stahleinsätzen eingefasster Vorgarten 2015 Vorgärten Die Vorgärten haben einen großen Anteil am grünen Charakter der Siedlung und sind wichtige bildgebende Bestandteile der historischen Gartenstadt. Je nach Bauphase bzw. Siedlungsbereich weisen die Vorgärten unterschiedliche Ausprägungen auf: Während beispielsweise im ersten Bauabschnitt entlang einer Seite der Gartenstraße eine breite Vorgartenzone angelegt wurde, sind in anderen Bereichen nur schmale Vorgartenstreifen vorhanden oder entlang des Fritz-EbertRings wird mit den erhöhten und durch Bruchsteinmauern gefassten Vorgärten der Geländeversprung aufgefangen. Die differenzierten Vorgartenstrukturen prägen die Siedlungsbereiche im Einzelnen ebenso wie in ihrer Gesamtheit den Gartenstadtcharakter. Zuwege sind in kleinformatigen grauen Pflastersteinen oder gemäß der Gestaltung des Bürgersteigs anzulegen. Mülltonnen sind durch Bepflanzung vom Straßenraum abzuschirmen. VORGÄRTEN Vorgärten sind gärtnerisch anzulegen und mit überwiegend niedriger Bepflanzung zu versehen, von Abdeckungen der Oberflächen mit Pflaster, Kies oder Ähnlichem ist grundsätzlich abzusehen. Als Einfriedungen sind niedrige Bruchsteinmauern oder Hecken mit heimischen Gehölzen zu wählen, dabei ist eine maximale Höhe von 1,40 Metern einzuhalten. Alternativ bzw. ergänzend zu den Hecken sind Vorgarteneinfassungen mit Rasenkantensteinen denkbar. Gartentore sind aus dunklem Eisenwerk anzufertigen. Empfehlung: Durch Pflasterungen und / oder Abdeckungen der Vorgartenflächen mit Kies geht dieser grüne Charakter verloren. Ebenso wird mit der Errichtung von hohen, „abschottenden“ Einfriedungen zum Straßenraum der grüne Zusammenhang gestört. 73 Blick auf das Ende eines Karrenweges 2015 Eingang zu einem Karrenweg 2015 74 In eine Zwischenmauer integrierter Eingang zu einem Karrenweg 2015 Blick in einen von Gärten flankierten Karrenweg 2015 Verbindungs- und Karrenwege Eine gemeinschaftliche, auf freiwilliger Basis geregelte Pflege der Verbindungs- und Karrenwege – etwa in Form von Patenschaften – wäre wünschenswert. KARRENWEGE Verbindungs- und Karrenwege sind zur Wahrung des ländlichen Charakters unbefestigt zu belassen bzw. wieder herzustellen. Sie können durch Hecken (ggf. mit integrierten Zäunen) oder begrünte Rankgerüste mit einer maximalen Höhe von 1,80 Metern begrenzt werden – Mauern oder sichtbare Zäune sind zu vermeiden. Ihre öffentliche Zugänglichkeit ist zu wahren, als Barrieren gegen die Nutzung durch Fahrzeuge sind daher nur Drängelgitter in dunklem Eisenwerk denkbar. Empfehlung: Die Verbindungs- und Karrenwege dienten ursprünglich vor allem zur Bewirtschaftung der rückwärtigen Gärten und sind folglich ein wichtiges Element der historischen Gartenstadt. Damals wie heute bildeten und bilden sie zudem alltägliche fußläufige Querverbindungen zwischen den Straßen, etwa zwischen Ringstraße und Luisenweg, oder stellen die Anbindung an den umgebenden Landschaftsraum sicher (z.B. Bebelplatz - Jugendbildungsstätte) und bilden somit ein alternatives Wegesystem (s. Karte zur Erschließung der Gartenstadt im Kapitel „Merkmale der Siedlung“, S. 18). Sie waren ehemals allesamt unbefestigt und meist von Hecken flankiert. Dass sie keineswegs durch Zufall oder durch stetige Nutzung entstanden sind, sondern Teil des ursprünglichen Konzeptes der Siedlung waren, zeigen auch ihre teils torartig in die Mauern zwischen jeweils zwei Gebäuden eingelassenen Zugänge. 75 Blick auf den Luisenplatz 1920er Jahre (aus: Georg Metzendorf: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920, S. 134, bearbeitet) 76 Bebelplatz 1970er Jahre (Gartenstadt Hüttenau eG) Grünanlagen und Schmuckplätze Aufenthaltsmöglichkeiten für Bewohner und Besucher der Siedlung sind zu schaffen bzw. zu qualifizieren. Hierzu zählen neben dem Mobiliar (Bänke, Müllbehälter, ggf. Fahrradständer) auch eine abgestimmte Beleuchtung. GRÜNANLAGEN Im Falle einer Neugestaltung der Platzanlagen sind diese an den historischen Vorbildern zu orientieren, Elemente wie etwa historische Wegeführungen sind dabei einzubeziehen. Die Bepflanzung an den Platzanlagen ist aus heimischen Gehölzen und Pflanzen vorzusehen. Gemäß historischer Anlage ist die Wiederaufstellung von Objekten, Skulpturen, Brunnen u.ä. wünschenswert. Dies gilt insbesondere für den Amtmann-Thiel-Brunnen auf dem Bebelplatz. Zudem wäre an einem zentralen Ort, beispielsweise an der Gartenstraße oder Gasthaus Hüttenau, die Aufstellung einer Stele der „Route Industriekultur“ mit Informationen zum Siedlungsbestand Hüttenau sowie Hinweisen zu den weiteren Siedlungen sinnvoll, um den Rang der Gartenstadt zu verdeutlichen. Empfehlung: In der Siedlung finden sich einige Grünanlagen sowie in Form des Luisenplatzes und des Bebelplatzes zwei historische Schmuckplätze, die eine große Bedeutung für das städtebauliche Gefüge und das Bild der durchgrünten Gartenstadt haben. So werden etwa die beiden Schmuckplätze jeweils unmittelbar von mehreren, zum jeweiligen Platz ausgerichteten Wohnhäusern eingerahmt. An diesen Gebäuden orientieren sich wiederum die Häuser in zweiter bis teils vierter Reihe in ihrer Disposition, sodass die beiden Plätze letztlich jeweils einen ganzen Teilbereich der Siedlung bestimmen und das Zentrum dieser „Nachbarschaften“ bilden. Sie fördern somit nicht nur den Charakter des gesunden Wohnens im Grünen, sondern unterstützen als zentrale öffentliche Aufenthaltsorte auch die Gemeinschaft der Gartenstadtbewohner – entsprechend aufwendig waren sie einst gestaltet: kleine Wege, Plätze flankiert von Hecken und Beeten sowie Rasenflächen mit Bäumen zierten beispielsweise den Luisenplatz. 77 Beispiel einheitlicher Straßenbeleuchtung in der Gartenstraße 2015 Blick in die Finkenstraße 2015 78 Blick in die nach dem Prinzip des „Shared Space“ gestaltete Finkenstraße, Fotomontage Öffentliche Räume Die aufwendig angelegten, oftmals geschwungenen oder zu kleinen Plätzen verbreiterten und auf einen Blickfänger zulaufenden Straßen bilden interessante Räume und zeugen auch heute noch davon, dass dem öffentlichen Raum in der Planung und Ausführung der Gartenstadt ein großer Wert beigemessen wurde. Die Straßen zeichnen sich durch eine deutliche Hierarchisierung anhand von Profilen aus; dabei ist die Fahrbahn der Straßen in den reinen Wohnbereichen oftmals verhältnismäßig schmal und wird zu beiden Seiten durch Bürgersteige flankiert, die durch einen Bordstein abgeteilt sind. Diese klare Trennung zwischen Fahrbahn und Gehweg wird teils durch an den inneren Rändern der Bürgersteige positionierte Bäume und Straßenbeleuchtungen optisch betont. Die mit ihren Geschäfthäusern eine Art Zentrum und zudem die Haupterschließung der Gartenstadt bildende Marxstraße weist mit einer zweispurigen Fahrbahn und im Verhältnis etwas schmaleren Bürgersteigen eine andere Hierarchisierung auf. Bei Erneuerungen von Straßenbelägen ist zu prüfen, ob eine Änderung von Profilen sinnvoll und möglich ist. So etwa wäre es in den sehr schmalen Straßenräumen denkbar, anstelle des Trennsystems „Bürgersteig – Straße“ „Shared Space“-Flächen oder ggf. Spielstraßen einzurichten. Zudem ist die Eignung ungenutzter Flächen als Stellplätze zu prüfen, um die Straßen vom ruhenden Verkehr zu entlasten. ÖFFENTL. RAUM Um auch im öffentlichen Raum das einheitliche Bild der Gartenstadt zu fördern, ist die Straßenbeleuchtung zu vereinheitlichen bzw. zu qualifizieren. Generell ist vor allem der grüne Charakter der Gartenstadt zu erhalten und zu verbessern; dazu zählt die regelmäßige Pflege der Bäume in den öffentlichen Räumen ebenso wie die Bepflanzung der Vorgärten – idealerweise mit heimischen Gehölzen und Pflanzen. Empfehlung: Die vielen, teils das Straßenbild dominierenden Bürgersteige verdeutlichen, dass die Straßen ehemals als öffentliche Aufenthaltsorte dienten. Die ursprünglich niedrig eingefriedeten Vorgärten spielten mit dem Verhältnis von privat und öffentlich und unterstützten den grünen Charakter der Siedlung. 79 80 81 Energetische Sanierung Eine wünschenswerte und notwendige energetische Ertüchtigung der Gebäude ist unter Berücksichtigung des erhaltenswerten Erscheinungsbildes der Bauten und der Siedlung grundsätzlich möglich. Für drei häufige Haustypen in der Gartenstadt Hüttenau wurden exemplarisch energetische Gutachten erstellt. Die Auswirkungen von Wärmedämmmaßnahmen und der Modernisierung der Gebäudetechnik auf den Heizenergiebedarf wurden unter Berücksichtigung der gestalterischen Aspekte untersucht und im Hinblick auf Kosteneinsparung und Wirtschaftlichkeit beurteilt. Die dargestellten Untersuchungen wurden mit der größtmöglichen Sorgfalt durchgeführt. Sie ersetzen jedoch nicht eine individuelle Gebäudebetrachtung und energetische Beratung. Insbesondere erwächst kein Rechtsanspruch auf zu erwartende Energieeinsparungen im Falle von Sanierungen. Die Betrachtungen sollen als Handlungsrahmen dienen und exemplarisch Einsparpotenziale aufzeigen. 82 Anforderungen der Energieeinsparverordnung Die Energieeinsparverordnung (EnEV) hat das Ziel, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Als Teil des Wirtschafts- und Baurechts gibt die EnEV verbindliche Standards für die Energieeffizienz bei Neubauten und der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden vor. Die derzeit gültige Energieeinsparverordnung von 2014 stellt Anforderungen an den Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von Außenbauteilen, die ausgetauscht, erneuert oder energetisch saniert werden. Die EnEV wurde zum 01.01.2016 erneut angepasst. Die Anforderungen an den Gebäudebestand und die Sanierung wurden jedoch - vorerst - nicht verschärft. Die in diesem Handbuch vorgestellten Maßnahmen erfüllen, soweit technisch und baulich möglich, diese Anforderungen. Weiterhin werden Anforderungen an die Nachrüstung von Anlagen und Gebäuden gestellt, die auch unabhängig von einer geplanten Modernisierung durchgeführt werden müssen. Die wichtigsten sind: • Gas- oder Ölheizkessel, die vor dem 01.10.1978 eingebaut wurden sowie bestimmte Typen von Heizkesseln, die älter als 30 Jahre alt sind, dürfen nicht mehr betrieben werden. • Bisher ungedämmte, zugängliche Wärmeverteilungs- und Warmwasserleitungen müssen gedämmt werden. • Ungedämmte, nicht begehbare, aber zugängliche oberste Geschossdecken müssen wärmegedämmt werden. Es gelten bestimmte Fristen und Ausnahmen. Genauere Auskunft hierüber können z.B. Energieberater, Schornsteinfeger und Fachhandwerker geben. 83 Gebäude Typ 1 1910er Jahre und Energieverbrauchswert Gebäude Typ 2 1910er Jahre und Energieverbrauchswert Gebäude Typ 6 1920er Jahre und Energieverbrauchswert 84 Gebäudebestand aus energetischer Sicht Die Gartenstadt Hüttenau zeigt eine Vielfalt an Haustypen und Varianten. Durch Erweiterungen und Umbauten in unterschiedlichem Umfang und zu unterschiedlichen Zeitpunkten sind die Häuser weiter verändert und individualisiert worden. Auch im Bezug auf bereits erfolgte energetische Sanierungen ist der Gebäudebestand differenziert zu betrachten, da je nach Erfordernis und Möglichkeit verschiedene Maßnahmen ergriffen wurden. Als Durchschnitt konnte folgendes festgestellt werden: • Die Außenwände sind in den meisten Fällen unverändert geblieben. • Die Decken zum unbeheizten Keller befinden sich – abgesehen vom Bodenbelag – zumeist im Originalzustand. • Fenster und Türen wurden zu einem großen Teil in den 1990er Jahren ausgetauscht. • Die Dächer wurden nahezu vollständig nachträglich mit Wärmedämmung in unterschiedlichen Stärken versehen. • Die Heizungskessel sind fast ausschließlich Gas-Brennwertkessel oder Niedertemperaturkessel. • Die Warmwasserbereitung erfolgt überwiegend dezentral mit Durchlauferhitzern oder Untertischgeräten. Für die Untersuchungen wurden drei Gebäude häufig vertretener Haustypen ausgesucht, die einen Querschnitt aus diesen Eigenschaften aufweisen. Die realen Energieverbräuche der betrachteten Gebäude sind im Hinblick auf das Gebäudealter moderat bis niedrig, wie an den beispielhaften Energieverbrauchsausweisen zu erkennen ist. Neben der Gebäudesubstanz spielt hierbei natürlich auch das individuelle Verhalten bei Heizung und Lüftung eine große Rolle. 85 Flächenanteile der Gebäudehülle für die Gebäudetypen Energiebilanz Gebäudetyp 1 86 Energiebilanz Gebäudetyp 6 Gebäudeanalyse - Bestand Zur Berechnung der Energiebilanz im Bestand und zur Beurteilung der Einsparpotenziale und Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen wurde für die betrachteten Gebäude von folgenden „Referenzannahmen“ und Grundsätzen ausgegangen: • Bei Doppelhaushälften bezieht sich die Untersuchung stets auf eine Doppelhaushälfte • Nachträgliche Anbauten werden nicht berücksichtigt • Dachgeschosse sind als Wohnfläche genutzt und beheizt, Spitzböden werden dem beheizten Volumen zugeschlagen • Kellerräume werden als unbeheizt angenommen • Außenwände und Kellerdecken befinden sich im Originalzustand • Das Baujahr der Fenster wird mit ca. 1995, als Variante mit 1980 angenommen • Die Dächer sind mit ca. 8 cm Wärmedämmung versehen worden • Zur Beheizung wird ein Gas-Brennwertkessel, als Variante ein durchschnittlicher Heizkessel von 1990 angesetzt • Die Warmwasserbereitung wird nicht berücksichtigt Im Fall des Gebäudetyps 6 erfolgt die rechnerische Betrachtung als „Mittelhaus“. Die Außenwände bestehen aus massivem Ziegelmauerwerk, zumindest bei einigen Haustypen sind sie zweischalig mit einer Luftschicht ausgeführt, was die Wärmedämmwirkung verbessert. Kellerdecken sind in der Regel sogenannte Kappendecken, d.h. einer Kombination von Stahlträgern und Beton sowie einer darauf befindlichen Holzbalkenlage mit Aschefüllung. Die nebenstehende Abbildung zeigt, wie unterschiedlich die Anteile der einzelnen Außenbauteile an der gesamten wärmeübertragenden Gebäudehülle sind. Entsprechend ist auch ihr Anteil an den Wärmeverlusten sehr unterschiedlich. Neben den Außenbauteilen, die Wärme an die Umwelt abgeben, wird der Energiebedarf durch die Lüftung des Gebäudes sowie Verluste der Heizungsanlage selber bestimmt. Solare Gewinne und innere Wärmequellen hingegen verringern den Heizenergiebedarf. Die Abbildungen zeigen den Anteil der einzelnen Gewinne und Verluste an der Gesamtenergiebilanz für die Haustypen 1 und 6. 87 Sanierungsmaßnahmen und Empfehlungen Folgende Sanierungsmaßnahmen wurden untersucht und im Hinblick auf das Einsparpotenzial sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis bewertet: 1. Optimierung der Heizungsanlage Exemplarisch wurden für eine bestehende Heizungsanlage die Maßnahmen hydraulischer Abgleich, der Einbau neuer Thermostatventile und einer elektronisch geregelten Heizungspumpe sowie die Dämmung der Heizungsrohre im Keller untersucht. Empfehlung: HEIZUNGSANLAGE Mit relativ geringem finanziellem Aufwand kann vorhandenes Einsparpotenzial genutzt werden. Hier ist die Begutachtung und Beratung durch eine Fachfirma oder unabhängigen Berater empfehlenswert. 2. Austausch des Heizkessels Unter der Annahme, dass das Baujahr des bestehenden Heizkessels vor 1992 liegt (Niedertemperaturkessel), wurde der Einbau eines neuen Gas-Brennwertkessels berechnet. Empfehlung: HEIZUNGSKESSEL Durch die effiziente Brennstoffnutzung kann der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden. Alter und technischer Zustand müssen hierzu untersucht und bewertet werden. Die Optimierungsmaßnahmen gemäß 1 sollten hierbei ebenfalls erfolgen! 3. Dämmung der Kellerdecke Durch die begrenzte Raumhöhe im Keller ist die Dämmung von der Unterseite nur in begrenztem Umfang möglich. Hier bieten sich hocheffizente Dämmstoffe wir Resolharz- oder Polyurethan-Platten an. Bei einer Sanierung des Fußbodens im Erdgeschoss kann der Hohlraum des Fußbodenaufbaus mit einer Schüttung aus wärmedämmendem Material aufgefüllt werden. Diese wurde für die Berechnung mit 8 cm Stärke angenommen. Es wurden nur die Kosten für die Dämmung, nicht eine – ohnehin vorgesehene – Erneuerung des Fußbodenaufbaus angesetzt. 88 Die Maßnahme führt zwar nur zur einer relativ geringen Einsparung, ist aber durch die verhältnismäßig niedrigen Kosten wirtschaftlich. Bereits eine Dämmschicht von wenigen Zentimetern unterhalb der Decke ist effektiv. Neben der Energieeinsparung verbessert sich die Behaglichkeit durch eine höhere Temperatur des Fußbodens. Empfehlung: KELLERDECKE 4. Austausch der Fenster Für den Fensteraustausch wurde davon ausgegangen, dass die Bestandsfenster bereits mindestens 30 Jahre alt sind. Beim Austausch kommen mehrfachverglaste Wärmeschutzverglasungen mit Holzrahmen (s. Empfehlungen zu Fassadenöffnungen) zum Einsatz. Zusätzlich zur Energieeinsparung verbessert sich die Behaglichkeit durch höhere Oberflächentemperatur der Verglasung und geringere Zugerscheinungen. Auch können beim Fensteraustausch eventuell vorhandene Rollladenkästen erneuert bzw. saniert werden, die insbesondere bei älteren Fenstern wärmetechnische Schwachpunkte darstellen. Durch die hohen Kosten für Fenster wird keine Wirtschaftlichkeit erreicht. Empfehlung: FENSTER 5. Dämmung des Daches Eine zusätzliche Dämmung der Dachflächen mit einer Aufdachdämmung ist aufgrund der entstehenden Höhenunterschiede nur als gemeinsame Maßnahme mit dem bzw. den Nachbarn denkbar. Sinnvoll ist sie nur dann, wenn eine neue Dacheindeckung erforderlich wird. Für die Dämmung des Daches wurde eine zusätzliche Aufdachdämmung von 8 cm angesetzt. Es wurden nur die Mehrkosten für die Wärmedämmung berechnet, nicht für die Dacheindeckung. Die Maßnahme stellt sich damit als wirtschaftlich dar. Durch eine zusätzliche Dämmung des Daches entstehen konstruktive Abhängigkeiten, die einer genauen Planung bedürfen und nur als gemeinsame Maßnahme mit den Nachbarn möglich ist. Empfehlung: DACH 89 6. Dämmung der Außenwände Für die Außenwanddämmung wurde von einem mineralischen Wärmedämmverbundsystem mit 16 cm Dämmstoffstärke ausgegangen. Zwar wird eine große Energieeinsparung erzielt, allerdings ist diese innerhalb des Betrachtungszeitraumes nicht wirtschaftlich, da durch die kleinen Flächen und aufwändigen Detailausbildungen hohe Kosten je Quadratmeter anzusetzen sind. Zusätzlich entstehen Probleme bei den Anschlusspunkten im Bereich des Sockels und der Traufe bzw. des Ortgangs. Empfehlung: AUSSENWAND Die Ausführung einer Außenwanddämmung ist aus gestalterischen Gesichtspunkten nur an den rückwärtigen Gebäudeseiten vertretbar. Die Maßnahme erfordert weitere Maßnahmen im Übergang zum Dach. Bei einigen Gebäuden sind in den ehemaligen Küchen noch Nischen im Mauerwerk vorhanden, die früher als „Kühlschrank“ verwendet wurden. Die in diesem Bereich nur dünn ausgeführte Außenmauer ist wärmetechnisch eine Schwachstelle, die mit einer geeigneten Wärmedämmung innenseitig verbessert werden kann. Nachfolgende Tabellen zeigen die Ergebnisse für alle Maßnahmen und Gebäude im Überblick. Für die Kosten wurden aktuelle Baupreise aus vergleichbaren Sanierungsprojekten angesetzt. Sie stellen Richtwerte dar und können je nach Marktlage und Eigenschaften des Gebäudes variieren. Den berechneten Heizkosten und Amortisationszeiten liegen der Gaspreis mit Stand November 2015 sowie eine mittlere jährliche Energiepreissteigerung von 3% zugrunde. Die berechnete Amortisationszeit für Fenster und Außenwanddämmung überschreitet den Betrachtungszeitraum von 30 bzw. 25 Jahren, der als maximale Nutzungsdauer der Elemente angenommen wurde. Diese Maßnahmen gelten somit als unwirtschaftlich. 90 91 Solarenergie Eine effektive Nutzung der Solarenergie stellen thermische Solaranlagen zur Warmwasserbereitung oder Heizungsunterstützung dar. Voraussetzung ist eine zentrale Warmwasserverteilung im Gebäude und ein entsprechend großer Warmwasserspeicher. Mit einer thermischen Solaranlage können ca. 50% der Energie für die Warmwasserbereitung und, je nach Wärmedämmung des Gebäudes, bis zu 20% der Energie zur Gebäudebeheizung erwirtschaftet werden. Auch der Einbau einer Photovoltaikanlage ist möglich. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantierte zum Dezember 2015 nur noch eine Einspeisevergütung von 12,31 Cent/kWh für 20 Jahre. Aus wirtschaftlicher Sicht sollte deshalb möglichst viel des produzierten Stroms im Haushalt selber genutzt werden. Die gestalterischen Empfehlungen für Solaranlagen sind im Abschnitt „Dächer“ dargestellt. Heizungstechnik Der Einsatz regenerativer Energien bei der Heizungstechnik ist beispielsweise durch die Nutzung von Holzpellets als Brennstoff möglich. Hierbei ist der notwendige Raum zur Brennstofflagerung zu berücksichtigen. Moderne Pelletkessel verfügen bereits über Brennwertnutzung und werden im Hinblick auf die Feinstaubbelastung weiter optimiert. Derzeit ist der Energiepreis von Holzpellets günstiger als Gas. Wärmepumpentechnik ist nur mit sogenannten Luft-Wasserwärmepumpen sinnvoll, da der Untergrund für Erdwärmenutzung in Hattingen Welper nicht geeignet ist. Auch die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung mit sogenannten Mini- oder Mikro-Blockheizkraftwerken, z.B. mit Gasantrieb, ist möglich. Sie werden jedoch nicht als alleiniger Wärmeerzeuger eingesetzt, sondern in der Regel mit einem konventionellen Heizkessel kombiniert. Um wirtschaftlich zu sein muss ein BHKW möglichst viele Stunden im Jahr in Betrieb sein - eine kompetente Planung ist hier unbedingt notwendig. 92 Kontrollierte Wohnungslüftung Lüftungsanlagen sorgen für eine kontrollierte Frischluftzufuhr in den Wohnräumen und können durch die Rückgewinnung der in der Abluft enthaltenen Wärme den Heizenergiebedarf für Lüftung reduzieren. Die nachträgliche Installation zentraler Lüftungsanlagen ist allerdings mit einem erheblichen baulichen Aufwand verbunden. Eine Alternative stellen dezentrale Geräte dar, die in die Außenwand eingesetzt werden und entweder mit getrennter Zu- und Abluft und einem Wärmetauscher ausgestattet sind oder abwechselnd Luft einblasen oder absaugen und dabei einen Wärmespeicher be- oder entladen. Holzpelletkessel mit Brennwertnutzung Dezentrales Lüftungsgerät mit Wärmespeicher (Quelle: LTM GmbH) 93 Thermografieuntersuchung Um exemplarisch Schwachpunkte an der Gebäudehülle zu erkennen, wurden an den untersuchten drei Gebäuden Thermografieaufnahmen durchgeführt. Trotz der eher ungünstigen wärmedämmenden Eigenschaften (teils einschaliges, teils zweischaliges Mauerwerk) sind die Wärmebilder der Außenwände durch die homogene Bauweise in der Fläche eher unauffällig. Im Bereich von Heizkörpern unter den Fenstern sind diese durch eine höhere Oberflächentemperatur an der Außenseite zu erkennen. Die Raumecken sind geometrische Wärmebrücken, die physikalisch bedingt innen geringere Oberflächentemperaturen aufweisen als die Wandflächen. Insbesondere bei wenig beheizten Räumen mit geringer Luftbewegung ist dieser Effekt sehr ausgeprägt. Die untersuchten Dachflächen sind von außen insgesamt unauffällig. Schwachpunkte stellen teilweise die Anschlüsse von Gauben und der Ortgang (Übergang von Dachschrägen zu Giebelwänden) dar. An diesen Punkten ist keine dichter Anschluss vorhanden oder es sind Fehlstellen in der Wärmedämmung vorhanden. Homogene Außenwand Heizkörper an der Außenwand 94 Raumecke im niedrig beheizten (Innenaufnahme) Gaube mit Wärmebrücke im Übergang zum Dach Die Einbausituation von Fenstern und Türen im Mauerwerk stellt generell eine Wärmebrücke dar. Eine höhere Oberflächentemperatur der Fensterleibung gegenüber der umgebenden Wandfläche und dem Fenster selber ist normal und nicht problematisch, sofern der Anschluss luftdicht ist. Der Bereich der Fensterbrüstung wird durch die wärmeleitende Wirkung der Fensterbänke und die Heizkörper unter den Fenstern zusätzlich erwärmt. Erhebliche Schwachpunkte stellen ältere Rollladenkästen dar. Die Abdeckungen sind häufig nur gering gedämmt und durch Undichtigkeiten gelangt kalte Luft in den Wohnraum. Die häufig anzutreffenden älteren Aluminium-Außentüren führen aufgrund der schlechten Wärmedämmeigenschaften zu sehr niedrigen Oberflächentemperaturen, so dass hier bei winterlichen Temperaturen Tauwasser an der Innenseite auftreten kann. Undichtigkeiten führen zusätzlich dazu, dass Fußboden und Fensterleibung auskühlen. Die Wärmebildaufnahmen der Gebäude zeigen bauart- und bauzeittypische Wärmebrücken und Schwachpunkte. Dächer weisen an den Übergängen zu Giebelwänden und Dachgauben Schwachstellen auf, die auf Undichtigkeiten und Fehlstellen der Wärmedämmung schließen lassen. Fenster und Außentüren, insbesondere Rollladenkästen, sollten je nach Alter auf Dichtigkeit und mögliche Maßnahmen überprüft werden. Undichtigkeit im Übergang von Giebelwand zum Dach (Innenaufnahme) Eingangstür mit niedriger Temperatur des Rahmens und der Umgebung (Innenaufnahme) Rollladenkasten mit Undichtigkeit (Innenaufnahme) Fensterbrüstung außen 95 Beratung I Förderung Aufbauend auf dem Gestaltungshandbuch wird die Stadt Hattingen ein Fassadenprogramm erstellen. Darüber hinaus soll in naher Zukunft ein Quartiersarchitekt zur Beratung zur Verfügung stehen. Ansprechpartner ist ab Herbst 2016 das Stadtteilmanagement. Weitere Informationen zu energetischen Optimierungsmöglichkeiten sowie zu Förderprogrammen bieten folgende Links (Auswahl, Stand 02/2016): Beratung und Förderprogramme zu energetischen Sanierungsmaßnahmen • „Gebäude-Check-Energie“ und Startberatung durch die EnergieAgentur NRW: http://www.energieagentur.nrw.de/themen/start-beratung-energie-2149.asp • Energieberatungen vor Ort durch die Verbraucherzentrale NRW: http://www.vz-nrw.de/energieberatung • Umfangreiche energetische Gebäudegutachten durch Energieberater sowie Informationen zu Förderungsmöglichkeiten: http://www.vor-ort-energieberatung-nrw.de • Förderung erneuerbarer Energien: http://www.bafa.de/bafa/de/energie/erneuerbare_energien/aktuelles/index. html 96 Förderprogramme für Sanierungen erhaltenswerter Bausubstanz • Förderungen der KfW-Bank: https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Bestandsimmobilien/ Energetische-Sanierung/ https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Bestandsimmobilien/ Barrierereduzierung/ • Gebäudesanierungsprogramm der NRW-Bank: http://www.nrwbank.de/de/foerderlotse-produkte/nrwbankgebaeudesanierung/15603/nrwbankproduktdetail.html • Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Richtlinien zur Förderung von investiven Maßnahmen im Bestand: http://www.mbwsv.nrw.de/service/downloads/Wohnen/Foerderung/index. php 97 Glossar Altfarben Ein Dachziegel-Farbton, der in etwa mit umbrafarben oder erdfarben gleichzusetzen ist. Bänderung Einzelne Gebäudeelemente oder auch ganze Fassadenflächen können durch waagerechte Streifen bzw. Bänder akzentuiert werden. Diese „gebänderten“ Partien setzten sich durch Material, Farbe oder Tiefe voneinander und vom restlichen Bauteil ab. Bauflucht Eine Bauflucht beschreibt die in einer geraden Linie verlaufende Platzierung von Gebäuden. Dachformen – Satteldach Klassische Dachform aus zwei entgegengesetzt geneigten Dachflächen, deren schräge Seiten zusammen mit dem oberen Wandabschluss das typische Giebeldreieck bilden. – Walmdach Im Gegensatz zum Satteldach weist das Walmdach vier geneigte Seiten auf; die zwei zusätzlichen Seiten ersetzen den Giebel. – Krüppelwalmdach Das Krüppelwalmdach ist eine Abwandlung des Walmdaches. Bei ihm sind die zwei zusätzlichen geneigten Seiten nicht vollständig gewalmt, d. h. nur ein oberer Teil ist geneigt, darunter befindet sich ein trapezförmiger Giebel. Endenergiebedarf Die Energiemenge, die für die Gebäudeheizenergie und die Energie für Warmwasser unter Berücksichtigung der Systemverluste aufgebracht werden muss. Die Endenergie bezieht die für den Betrieb der Anlagentechnik (Pumpen, Regelung, usw.) benötigte Hilfsenergie mit ein. Energiebilanz In einer Energiebilanz werden alle dem Gebäude in einem Jahr zugeführten Energiemengen allen das Gebäude verlassenden Energiemengen gegenübergestellt. Die aus der Energiebilanz resultierenden Ergebnisse wie Heizwärmebedarf, Heizenergiebedarf, Jahresenergieverbrauch, Primärenergiebedarf, Energiekennzahl etc. sind Ausgangspunkt aller weiteren Berechnungen und Bewertungen zur Energieeinsparung. 98 Erker Ein Erker ist eine geschlossene und mit Fenstern versehene Ausbuchtung an Fassaden oder Hausecken, die meist in den oberen Geschossen – teils geschossübergreifend – angelegt ist. Fasche Als Fasche wird ein in Struktur und / oder Farbe abgesetzter Streifen bzw. die gestalterische Rahmung um Fassadenöffnungen (Fenster, Türen) bezeichnet. Fensterelemente (und Türelemente) – Stulpfenster Zweiflügeliges Fenster, bei dem die Falze der aneinander schlagenden Flügel ineinander greifen. – Kämpfer Oft profiliertes Querholz bei vierflügeligen Fenstern zwischen Ober- und Unterlicht. – Sprosse Senkrechte meist aber waagerechte Unterteilung von Glasflächen. – Wetterschenkel Abgeschrägtes Querholz am unteren Flügel als Schutz der Sohlfuge gegen Schlagregen. – Mittelüberschlag / Schlagleiste Flache, schmale, oft profilierte Holzleiste an einem Fensterflügel zur Abdeckung der Fuge von aneinanderstoßenden Fensterflügeln. Dient gleichzeitig als Anschlag. First Der First ist die oberste Dachlinie bzw. der oberste, in der Regel horizontal verlaufende Dachabschluss bei geneigten Dachflächen. Gaube / Gaubenformen Als Gaube wird ein aus der Flucht des Hauses zurückversetzter Dachaufbau im geneigten Dach eines Hauses bezeichnet. Eine Gaube kann von verschiedenen Dächern abgeschlossen werden, die sich meist in der genauen Bezeichnung der Gaube widerspiegeln. Wird eine Gaube etwa von einem flachen Dach abgeschlossen, wird sie als Flachdachgaube bezeichnet. Ist sie mit einem Walmdach versehen, spricht man von einer Walmgaube. Weist die Gaube ein Satteldach und folglich einen Giebel auf, handelt es sich um eine Giebelgaube. 99 Gesims / Gesimsband Mit Gesims wird ein aus der Mauer hervortretender horizontaler Streifen, meist zur Gliederung von Gebäuden bzw. Gebäudeabschnitten, bezeichnet. Läuft das Gesims als schmaler Streifen um das ganze Gebäude herum, ist häufig von einem Gesimsband die Rede. Giebel / giebelständig Der obere Abschluss der Fassade, der im Bereich des Daches liegt, wird als Giebel bezeichnet. Bei einem Satteldach entsteht etwa zwischen den beiden entgegengesetzt geneigten Dachflächen eine Giebelfläche in Form eines Dreiecks. Ein Gebäude steht giebelständig, wenn es mit der Giebelseite parallel zur Straße platziert ist. Heizenergiebedarf Die Heizenergie ist die Energiemenge, die für die Gebäudebeheizung unter Berücksichtigung des Heizwärmebedarfes und der Verluste des Heizungssystems aufgebracht werden muss. In den Verlusten des Heizungssystems sind enthalten: Die Abgasverluste aus der Feuerung, Strahlungsverluste des Kessels an den Heizraum, Wärmeverluste der Verteilungsleitungen, sowie Verluste durch unzureichende Regelungseinrichtungen und hydraulische Abgleichmaßnahmen der Heizwasserverteilung. Heizwärmebedarf Der Heizwärmebedarf ist die Summe von Transmissionswärmeverlusten und Lüftungswärmeverlusten abzüglich der nutzbaren solaren und internen Wärmegewinne. Interne Wärmegewinne Im Inneren des Gebäudes entsteht durch Personen, elektrisches Licht, Elektrogeräte usw. Wärme. Diese steht als Heizwärme zur Verfügung. Konsole Eine Konsole ist ein aus der Fassade herausragender Vorsprung, der meist andere architektonische Elemente oder Akzentuierungen wie etwa Gesimse, Bögen oder Balken trägt und sowohl ein reines Gestaltungselement als auch ein Tragelement sowie eine Mischung aus beidem darstellen kann. Kubatur Die Kubatur bezeichnet das Volumen eines Gebäudes – unabhängig von Gestaltung oder Materialität. 100 test Lisene Mit Lisene wird ein senkrechter, leicht hervortretender Mauerstreifen zur Gliederung der Fassade bezeichnet. Loggia Die Loggia bildet einen überdachten Raum, der sich durch Bögen, Säulen oder andere halboffene Einfassungen zum Außenraum öffnet. Im Erdgeschoss schafft die Loggia einen Übergang zwischen Innen- und Außenbereich. Lüftungswärmeverluste Lüftungswärmeverluste entstehen durch Öffnung von Fenstern und Türen, aber auch durch Undichtigkeiten der Gebäudehülle. Die Undichtigkeit kann bei Altbauten insbesondere bei sehr undichten Fenstern und in unsachgemäß ausgebauten Dachräumen zu erheblichen Wärmeverlusten führen. Ortgang Mit dem Begriff Ortgang wird der seitliche Abschluss der Dachfläche am Giebel bezeichnet. Der Ortgang verbindet die Traufe mit dem First des Daches und ist häufig mit einem besonderen Schmuck versehen. Primärenergiebedarf Mit Primärenergiebedarf wird die Energiemenge eines Rohstoffes beschrieben, die zur Deckung des Energiebedarfs des Gebäudes benötigt wird. Dabei werden die Energieverluste, die für die Bereitstellung des Energieträgers (Gewinnung, Umwandlung und Verteilung, Transport, etc.) entstehen, berücksichtigt. Rankgerüst Rankgerüste sind an Hauswänden angebrachte oder im Gartenbereich angelegte Konstruktionen aus Metall oder Holz, an denen Kletterpflanzen emporwachsen können. Schmuckgiebel Als Schmuckgiebel (in der Fachterminologie meist „Zwerchhaus“) wird häufig ein Dachaufbau bezeichnet, der in der Flucht des Gebäudes steht (im Gegensatz zur Gaube, die zurückversetzt angeordnet ist) und vielfach einen gestalteten Giebel sowie einen quer zur Hauptfirstrichtung verlaufenden First aufweist. Shared Space Unter Shared Space versteht man ein Konzept, das eine Gestaltung des Straßenraums ohne Trennsysteme sowie Verkehrszeichen und Signalanlagen vorsieht. Stattdessen sollen durch individuelle Verkehrsraumgestaltungen Fuß-, Rad- und Autoverkehr sowie andere räumliche Funktionen miteinander verbunden und 101 alle Verkehrsteilnehmer zugunsten einer gegenseitigen Rücksichtnahme gleichberechtigt werden. Auf der Basis einer solchen freiwilligen Verhaltensänderung können der Verkehrsfluss sowie die Lebens- und Aufenthaltsqualität des Straßenraums verbessert werden. Solare Wärmegewinne Die solaren Wärmegewinne entstehen durch die Sonneneinstrahlung durch die Fenster eines Gebäudes, die im Innenraum in Wärme umgewandelt wird. Stehende Fenster / liegende Fenster Die Ausrichtung der Fensteröffnung wird in stehend (Hochformat) und liegend (Querformat) unterschieden. Thermografie Das Verfahren der Thermografie macht die Oberflächentemperatur von Gebäuden oder Bauteilen sichtbar und stellt sie in Farbabstufungen dar. Thermographieaufnahmen sollen nicht als präzise Wiedergabe der Temperaturen verstanden werden, sondern vor allem Temperaturdifferenzen und die dadurch zu erkennenden Schwachstellen und Wärmebrücken erkennbar machen. Traufe / traufständig Geneigte Dachflächen werden am unteren Rand in der Regel von einer Traufe mit einer Dachrinne abgeschlossen. Traufständig ist ein Gebäude dann, wenn es mit der Traufe parallel zur Straße steht. Der Dachfirst verläuft dann in der Regel ebenfalls parallel zur Straße. Transmissionswärmeverluste Als Transmissionswärmeverluste bezeichnet man die Wärmeverluste, die durch Wärmeleitung (Transmission) der wärmeabgebenden Gebäudehülle entstehen. Wärmeabgebende Bauteile sind: Außenwände, Fenster, Dächer, Decken und Bauteile gegen unbeheizte oder niedrig beheizte Räume. Die Größe dieser Verluste ist direkt abhängig von der Dämmwirkung der Bauteile. Diese wird mit dem U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient) in der Einheit [W/m²K] angegeben. U-Wert Maß zur Beurteilung der Wärmeleitfähigkeit bzw. des Wärmeverlustes von Bauteilen. Der U-Wert wird in der Einheit [W/m²K] angegeben. 102 Quellen Gartenstadt Hüttenau eG: Denkschrift über den Ausbau der Gartenstadt Hüttenau bei Blankenstein a. d. R.. Essen 1911. Gartenstadt Hüttenau eG: 50 Jahre Gartenstadt Hüttenau e.G.m.b.H. Welper Ruhr. Hattingen 1959. Gartenstadt Hüttenau eG: Mehr als Wohnen. 1909-1984. 75 Jahre Gartenstadt Hüttenau eG. Hattingen 1984. Laube, Robert (Hrsg.): Die Henrichshütte Hattingen. Eine grüne Geschichte. Dortmund 1992. Metzendorf, Georg: Kleinwohnungsbauten und Siedlungen. Darmstadt 1920. Metzendorf, Rainer: Georg Metzendorf. 1874-1934. Siedlungen und Bauten. Darmstadt 1994. Ollenik, Walter; Uphues, Jürgen: Hattingen - Ansichten zu einer Stadt. Essen 2007. Stadt Hattingen - Fachbereich Bauordnung und Baurecht - Bauaktenarchiv Stadt Hattingen - Fachbereich Ratsangelegenheiten, Wahlen und Logistik Stadtarchiv Wolf, Gustav: Der Architekt Fritz Schopohl in Berlin, in: Wasmuths Monatshefte für Baukunst & Städtebau, Ausgabe 14.1930, Heft 7, S. 306-314. Wenn nicht anders angegeben, stammen alle Abbildungen von sds_utku und bauplus. Titelbild: Stadt Hattingen Orthofoto S. 9: Stadt Hattingen Collage der verschiedenen Haustypen, historische und aktuelle Fotos S. 50 / 51: historische Fotos: Stadt Hattingen, Gartenstadt eG, Metzendorf 1994; aktuelle Fotos: Stadt Hattingen, sds_utku, bauplus Schrägluftbild S. 52: Hans Blossey Collage verschiedener Details der historischen Gebäude S. 80 / 81: historische Fotos: Stadt Hattingen, Gartenstadt eG, Metzendorf 1994 Die aktuelle Fassung des Gestaltungshandbuches ist beim Fachbereich Stadtplanung und Stadtentwicklung einzusehen. Die Veröffentlichung erfolgt im Internet unter www.hattingen.de/stadtumbau-welper 103 Kontakt: Stadt Hattingen Fachbereich Stadtplanung und Stadtentwicklung Regine Hannappel Tel. (0 23 24) 204 5210 E-Mail [email protected] Herausgeber: Stadt Hattingen - Der Bürgermeister - FB61 Titelgestaltung: Stadt Hattingen, S02 Druck: Stadt Hattingen, Stadtdruckerei, FB10 Alle Angaben ohne Gewähr Mai 2016 104