Sprache und Geschlecht

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Kommunikations- und Medienpsychologie
Antonia Abel und Anne Vache
Sprache und Geschlecht
Entwicklungsgeschichte
•
Die Kategorisierung von Menschen nach dem Geschlecht scheint ein weit verbreitetes starkes
Bedürfnis zu sein → neben dem Alter das wichtigste Merkmal zur Charakterisierung
•
Bei
der
Betrachtung
der
Menschen
und
ihres
Geschlechts
sind
seit
Jahrhunderten
Spannungsverhältnisse zu sehen:
„Natürliche Gleichheit aller Menschen und natürliche Ungleichheit zwischen den Geschlechtern
sind der paradoxe Kanon des 19. Jahrhunderts, der bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts
[Pasero, 1994]
noch selbstverständlich bleibt.“
•
In den 1970er Jahren wurde der Ruf nach „Gleichheit“ lauter und die Geschlechterdifferenz wurde
thematisiert
•
Die „Neue Frauenbewegung“ etablierte die Frauenforschung → die feministische Forschung öffnet
neue Disziplinen, die sich kritisch mit den bisherigen Ergebnissen zur geschlechtsbezogenen
Sprachforschung auseinandersetzen
1
Sprachgebrauch
Tonhöhe:
•
Sprechton ist abhängig von der Länge und Dicke der Stimmbänder sowie der Größe des
Resonanzraumes
•
Beide sind bei Männern dicker, länger und größer männliche Stimme ist tiefer
•
Tiefe Stimme wird als vertrauenswürdig und dominant, eine hohe als weniger kompetent und
potent eingeschätzt
Intonation:
•
Männer weisen eher eine monotone Intonation auf, während Frauen sich durch eine dynamische
Tonhöhenveränderung auszeichnen
Wortschatz:
•
In der Gebrauchshäufigkeit bestimmter Wörter gibt es deutliche Unterschiede
•
Frauen nutzen Wörter, die sich auf Emotionen und Gefühle beziehen
•
Männer weisen einen differenzierten Wortschatz im Bereich von Schimpfwörtern auf
Frauen und Männer nutzen je nach Interessen und Aktivitäten unterschiedliche Bereiche des
Wortschatzes
•
Frauen haben keinen geringeren Wortschatz
Redemenge:
•
Ist abhängig von Geschlechterzusammensetzung, Beziehung, sozialer Status, Gesprächsthema,
Gruppengröße
•
Redezeit ist kein zuverlässiges Maß für Gesprächsdominanz, da ein kurzer, aber strategisch
bedeutsamer Beitrag ein Gespräch wirksam kontrollieren kann
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Vgl. Klann-Delius, Gisela: Sprache und Geschlecht. J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart. 2005. S. 1-7
Kommunikations- und Medienpsychologie
Antonia Abel und Anne Vache
Unterbrechungen:
•
Gelten als Ausdruck von Unaufmerksamkeit oder mangelndem Respekt
•
Unterbrechungen sind Verletzungen des turn-taking-Systems
•
In Frauengesprächen sind Unterbrechungen oft unterstützend und ein Zeichen dafür, dass sie
einander mögen und involviert sind nicht jede Unterbrechung ist eine Verletzung des
Rederechtes
•
Oft beeinflusst die Sprechzeit und nicht das Geschlecht die Menge der Unterbrechungen
Themenwechsel:
•
Frauen führen häufiger neue Themen ein, aber nur wenige sind erfolgreich
•
Männer kontrollieren was wichtig und unwichtig ist, welche Themen diskutiert werden
•
Männer beteiligen sich nur insoweit an der Aufrechterhaltung des Gesprächs, wie das Thema sie
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selbst betrifft
Nonverbale Kommunikation
•
Mimik, Gestik, Intonation, Köperhaltung, -ausrichtung im Raum, Kleidung, Schminke
Dekodierungsleistungen (Entschlüsselung von Botschaften/Emotionen):
•
Frauen zeigen bessere Leistungen
•
Dabei ist es nicht relevant, von welchem Geschlecht das Verhalten produziert wird
•
Männer können am besten den Ärgerausdruck von anderen Männern und am schlechtesten den
Ärgerausdruck von Frauen entschlüsseln
Enkodierungsleistungen (Richtige Einschätzung des eigenen Ausdrucks):
•
Frauen zeigen bessere Leistungen
Es besteht ein korrelativer Zusammenhang zwischen Dekodier- und Enkodierleistungen
(präzisere Umsetzung = bessere Leistung)
Mimik:
•
Frauen sind ausdrucksstärker, sie lächeln häufiger und weisen auch ein häufigeres und längeres
Blicken auf
Gestik:
•
Frauen machen mehr Handgesten und zeigen öffentlich häufiger Umarmungen
•
Männer neigen eher zu aggressiver Berührung
Proxemik:
•
Bedeutet: Nähe bzw. Distanz in der sozialen Interaktion und Kommunikation
•
Männer halten größere Distanz
•
Ist stark von Persönlichkeitsfaktoren bestimmt
Körperhaltung:
•
Männer nehmen eher eine breite Stellung ein (z.B. nach außen gerichtete Fußspitzen)
•
Frauen zeigen genau das Gegenteil
•
Allein anhand der Kopfbewegung kann das Geschlecht einer Person erkannt werden
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Vgl. Klann-Delius, Gisela: Sprache und Geschlecht. J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart. 2005. S. 37-93
Kommunikations- und Medienpsychologie
Antonia Abel und Anne Vache
Erklärungsansätze
1. Sozialisations- und lerntheoretische Konzepte
•
Grundannahme: Kinder übernehmen ihre Verhaltensweisen von ihren Betreuungspersonen
•
Theorie des instrumentellen Lernens → Verhalten wird verstärkt oder nicht verstärkt
Konzept des Modelllernens → Verhalten via Imitation übernehmen
→ beide Varianten eher unzureichend
•
Mädchen und Jungen begeben sich ab ca. 3 Jahren in gleichgeschlechtliche peer-groups
► Mädchen: Sprache zum Zweck
► Jungen: Sprache zur Selbstbehauptung
2. Kognitionspsychologische Konzepte
•
Lawrence Kohlberg: Entwicklung als konstruktiver Aneignungsprozess
•
Das Kind treibt den Entwicklungsprozess selbst voran
•
Bei Jungen verläuft die Annahme von Verhaltensmustern unproblematischer und klarer als bei
Mädchen
3. Sozialpsychologische Erklärungsansätze
•
Frauen und Männer sind in einer Geschlechterhierarchie positioniert → Arbeitsteilung, soziale
Rollen, etc.
•
Die Ausbildung von Stereotypen wird durch eine Korrespondenz zwischen dem beobachtbaren
Verhalten einer Person und ihrer inneren Disposition angenommen
4. Biologische Erklärungsansätze
•
Menschliche
Physis
und
menschliches
Verhalten
ist
ein
evolutionsbiologischer
Entwicklungsprozess → evolutionäre Entwicklung ist auf natürliche Selektion angelegt
(Überlebens- und Reproduktionsvorteil)
•
Frauen treffen Partnerwahl danach, ob sie bei der Kinderaufzucht unterstützt werden können,
Männer wollen ihre Gene weitergeben → entwickeln wegen des Konkurrenzverhaltens ein
höheres Agressionspotential
•
Geschlechtsbezogene Arbeitsteilung begann schon in der Jäger- und Sammlergesellschaft
•
Frauen lernen und benötigen nonverbale Zeichen, um mit anderen Frauen konkurrieren zu
können und in anderen Gesellschaftsgruppen zu überleben
5. Evaluation der Erklärungsansätze
•
„Geschlecht“ ist nur ein Faktor unter vielen
•
Unterschiede im Sprachgebrauch und nonverbalen Verhalten auch in gleichgeschlechtlichen
Gruppen
•
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3
Differenz von Geschlechtern lässt sich nicht mit einem Modell erklären → multifaktorielles Modell
Vgl. Klann-Delius, Gisela: Sprache und Geschlecht. J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart. 2005. S. 93-106
Vgl. Klann-Delius, Gisela: Sprache und Geschlecht. J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung. Stuttgart. 2005. S. 140-180
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Kommunikations- und Medienpsychologie
Antonia Abel und Anne Vache
Sterotype für männliches und weibliches Erzählen
(Antworten aus einer Umfrage unter Studenten)
Männer:
Frauen:
- Kurze Sätze
- Lange Sätze
- Direkte Sprechweise
- Indirekte Sprechweise
(schweifen oft weit aus)
- Monotone Intonation
- Dynamik in der Betonung
- Verstärkende Handlungen, wie
- Verstärkende Gestik, wie Lächeln
mit der Faust auf den Tisch hauen
- Mehr derbes Vokabular
- Verniedlichungsformen
- Fachtermini im Bereich Fußball,
- Emotionale Sprache, können Gefühle
Autos und Computer
besser in Worte fassen
- Mit vielen Adjektiven, bildlicher
- Oft über ihre Meinungen und
Vermutungen
- Informationsgehalt wichtig
- Kommunikation/zwischenmenschliche
Beziehung wichtig
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