Grundfragen der christlichen Sexual

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INSTITUT FÜR
WELTKIRCHE
UND MISSION
Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen
Grundfragen der christlichen
Sexual- und Beziehungsethik
Dr. Markus Patenge
[email protected]
Warum überhaupt eine Sexualmoral?
„Der Grund könnte auch darin liegen, dass die Sexualität der
intimste Bereich von menschlichen Personen […] ist. Aber
was auch immer der Grund ist: Wenn wir in unserem
körperlichen Selbst so intim verletzt werden, können wir
einen besonders großen Schaden erleiden. “
(Farley,Verdammter Sex (2014), 262)
Zum Umgang mit ethischen Aussagen der Bibel
„Die Bibel ist grundlegend für alle moralischen Fragen. Sie ist
eine Autorität für alle, für die sie als heilige Schrift gilt.
Obwohl Gott nicht alles geoffenbart zu haben scheint, was
wir wissen wollen, weder in der Schrift noch auf anderen
Wegen, gehen wir davon aus, dass uns alles offenbart wurde,
was wir zum Leben brauchen. “
(Farley,Verdammter Sex (2014), 206)
Zum Umgang mit ethischen Aussagen der Bibel
„So bezieht sich beispielsweise die kirchliche Lehrverkündigung in
ihrer strikten Ablehnung der Homosexualität auf verschiedene
Stellen des Alten Testaments und Neuen Testaments (Gen 19,1-29;
Lev 18,22; 20,13; Röm 1,24-27; 1Kor 6,10; 1Tim 1,10). Andererseits
aber werden Vorschriften wie etwa die Verhängung der Todesstrafe
(Ex 21,12-17) oder die alttestamentlichen Speisegesetze (Lev 11),
aber auch das jesuanische Schwurverbot (Mt 5,33-38), die Weisung
Jesu, keine Ehrentitel anzunehmen (Mt 23,8-12), oder auch das
Redeverbot für Frauen in der Versammlung (1 Kor 14,33f) heute eher
als kulturabhängige Erscheinungen angesehen oder aus anderen
Gründen für nicht mehr verbindlich erachtet. “
(Ernst, Grundfragen theologischer Ethik. (2009), 51-52)
Zum Umgang mit ethischen Aussagen der Bibel
„25Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das
ewige Leben zu gewinnen?
26Jesus
sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort?
27Er
antwortete: Du sollst den
Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und:
Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. 28Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du
wirst leben.
30Darauf
29Der
Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?
antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie
plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen. 31Zufällig kam ein Priester
denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. 32Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. 33Dann
kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, 34ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf
seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. 35Am
andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn
brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. 36Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der
Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? 37Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig
an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso! “
(Lk 10, 25-37)
Zum Umgang mit ethischen Aussagen der Bibel
„Sind aber die ethischen Weisungen, die in der Heiligen Schrift
enthalten sind, bereits unabhängig von Offenbarung und Glaube
bekannt und begründbar, so können sie nicht einfach schon deshalb
übernommen werden, weil sie in der Heiligen Schrift stehen. Dass sie
im Rahmen des Glaubens und der Offenbarung aufgegriffen und zur
Geltung gebracht wurden, macht sie zwar zu einer wichtigen
Orientierungshilfe für die Erkenntnis, worin verantwortliches
Handeln besteht. Aber ihre Gültigkeit und Begründetheit muss – auch
im Rahmen einer theologischen Ethik – erst noch mittels der
Vernunft und der Erfahrung des Menschen überprüft und
rekonstruiert werden. “
(Ernst, Grundfragen theologischer Ethik. (2009), 94)
Zum Umgang mit ethischen Aussagen der Bibel
„Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig
angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in
Gott und Gott bleibt in ihm. Darin ist unter uns die Liebe vollendet,
dass wir am Tag des Gerichts Zuversicht haben. […] Furcht gibt es in
der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht.
Denn die Furcht rechnet mit Strafe, und wer sich fürchtet, dessen
Liebe ist nicht vollendet. Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt
hat “
(1Joh 4,16-19)
Zum Umgang mit ethischen Aussagen der Bibel
„Es ist deutlich geworden, dass ethische Weisungen […], auch wenn sie in der Heiligen
Schrift enthalten sind, nicht im eigentlichen Sinne als Offenbarung Gottes zu verstehen
sind. Sie sind nicht erst durch Offenbarung bekannt und gültig, sondern lassen sich
prinzipiell bereits im Vorhinein zur Offenbarung als gültig erkennen und begründen.
Aber sie werden – und dies im Alten und Neuen Testament – in den Kontext der
eigentlichen Offenbarung einbezogen, in der Gottes Gnade, also seine
voraussetzungslose und unbedingte Zuwendung zum Menschen, mitgeteilt wird […].
Mit dieser Offenbarung der Zuwendung Gottes ist zugleich für die, die sich im
Glauben darauf einlassen und aus der Zuwendung Gottes leben, eine völlige neue
Grundlage […] ihres Lebens gegeben, die sie bereit und fähig macht, sich dem
ethischen Anspruch […] zu stellen, ihn unverkürzt wahrzunehmen und zu erfüllen. “
(Ernst, Grundfragen theologischer Ethik. (2009), 93)
Zum Umgang mit ethischen Aussagen der Bibel
„Wenn Aussagen über das sittlich richtige oder falsche Handeln
Urteile der Vernunft und nicht das Glaubens darstellen, dann gehören
auch die ethischen Aussagen der Bibel in diese Kategorie, d.h. sie sind
keine Glaubensaussagen. “
(W. Wolbert, Ist es „gut für den Mann, keine Frau zu berühren“? (2011), 208.)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Die klassischen Beispiele für die Anwendung deontologischer
Schlussfiguren in der normativen Ethik liegen vielmehr im Bereich
des fünften, sechsten und achten Dekaloggebotes; sie betreffen vor
allem die Tötung eines unschuldigen Menschen, die Vorenthaltung der
geschuldeten Wahrheit durch die Lüge und sexuelle Verfehlungen. “
(Schockenhoff, Grundlegung der Ethik (2007), 411)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Daraus ergibt sich, dass wir im Reden über Gott zwar alles, was in
der Welt geschieht, vollständig auf ihn – als den tragenden Grund
alles Geschehenden – zurückführen können. Allerdings lässt sich aus
der Rückführung des gesamten Geschehens der Welt auf Gott nichts
in Bezug auf das, was in der Welt geschieht oder geschehen soll,
herleiten. “
(Ernst, Grundfragen theologischer Ethik. (2009), 42)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Wenn ohnehin alles, was überhaupt ist und geschieht, ausnahmslos
auf den Willen Gottes zurückzuführen ist, ist eine Begründung
einzelner ethischer Normen und Entscheidungen durch Verweis auf
bestimmte einzelne Fakten oder Ereignisse innerhalb der
Wirklichkeit der Welt, die ihrerseits als unmittelbarer Ausdruck eines
besonderen Willens Gottes ausgegeben werden nicht zulässig. “
(Ernst, Grundfragen theologischer Ethik. (2009), 47)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Gott als Schöpfer kann keine Ursache neben anderen Ursachen
innerhalb der Schöpfung sein, sondern muss stets gedacht werden als
tragender Grund aller Ursachen oder der Schöpfung. […] Das also,
was in der Lehre von der Schöpfung immer schon gesagt worden ist,
nämlich Gott sei keine Ursache neben anderen Ursachen, sondern
beständig andersartige Ursache aller Ursachen, wurde bei der
Formulierung dieses Arguments übersehen. Das heißt dann aber, aus
der Tatsache, dass Gott Schöpfer des Lebens ist, folgt, ethisch
gesehen, überhaupt nichts. Dieses und jedes theologische Argument
von ähnlicher Art ist ein bloßes Scheinargument. “
(Ginters, Werte und Normen (1982), 59)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Die Eheleute müssen sich also in allem nach den Normen des
göttlichen Gesetzes und des Naturgesetzes richten und sich
bemühen, den Willen des allweisen und allheiligen Schöpfers immer
mit großer Ehrfurcht vor Gottes Werk zu befolgen. “
(Pius XI., Casti connubii (1930), 22)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Erstrangiger Zweck der Ehe ist die Zeugung und Erziehung von
Nachkommenschaft; zweitrangiger die gegenseitige Hilfe und die
Heilung des Begehrens. “
(Can 1013 § 1 CIC / 1917)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Das natürliche Sittengesetz drückt die Ziele, Rechte und Pflichten
aus, die sich auf die leibliche und geistige Natur der menschlichen
Person gründen, und schreibt sie so zugleich vor. Deshalb kann es
nicht als Normativität des bloß Biologischen angesehen, sondern
muss als vernunftgemäße Ordnung definiert werden, der
entsprechend der Mensch vom Schöpfer gerufen ist, sein Leben und
seine Handlungen zu leiten und zu regeln und insbesondere den
eigenen Leib zu gebrauchen und über ihn zu verfügen. “
(Kongregation für die Glaubenslehre, Donum vitae (1987), 10)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Wie würde der Normalbürger in unserer Gesellschaft wohl auf
sexuelle Handlungen von Menschen an Tieren reagieren? Vermutlich
würden nicht wenige Leute durchaus sagen, solche Handlungen seien
moralisch »nicht in Ordnung« – mit der Begründung, es sei »nicht
normal«, es sei »unnatürlich«, wenn ein Mensch bei einem Tier
sexuelle Befriedigung sucht. “
(Hoerster, Wie lässt sich Moral begründen (2014), 25)
Zur Begründung ethischer Normen innerhalb der Moraltheologie
„Offenbar ist es der Mensch selbst, der kraft seines eigenes Einsichtsvermögens zwischen
Naturzusammenhängen unterscheidet, die nur im Sinne einer rein deskriptiv-biologischer oder
sonstiger Naturgesetzlichkeit zu deuten sind, und anderen, die zugleich auch normativ im Sinner einer
Wert-, Zweck- oder Sinnbestimmung interpretiert werden müssen. Falls eine Sinndeutung richtig ist,
hat er auch die Weisheit der >Natur< oder des hinter ihr stehenden Schöpfers, also >Natürliche<
oder >Naturgemäße< im definierten Sinn aufgedeckt. Er kann dann – wie bei der Deutung des
sittlich Geforderten als Wille Gottes – aufgrund seiner Definition von >naturgemäß< und
>natürlich< durchaus zu Recht sagen: Weil aus diesen oder jenen Gründen (logisch vorgängig) als
richtig erwiesen, darum auch >naturgemäß< oder >natürlich<. Er kann aber nicht zu Recht diesen
Satz auch umkehren und sagen: Weil >naturgemäß<, darum sittlich richtig. Denn damit würde er nur
äußern: weil sittlich richtig, darum sittlich richtig – und dies ist wahrhaftig kein Argument. “
(Ginters, Werte und Normen (1982), 59
Sexualmoral vs. Beziehungsethik
„Ihre Ordnung erhält die menschliche Sexualität nicht einfach aus
natural […] gegründeten Ge- und Verboten, sondern von den die
eigene Personalität, die Partnerschaft, die Gemeinschaft, die
Gesellschaft aufbauenden Werten und Gütern, wie Bindung,
Vertrauen, Geborgenheit, Zuwendung, Annahme, Verantwortung,
Anerkennung, Toleranz, Wahrhaftigkeit, Rücksichtnahme ,
Verlässlichkeit, Treue, die sich in konkreten Beziehungsformen von
Ehe und Familie, Freundschaften und Lebensgemeinschaften, aber
auch im freien und eigenverantwortlichen Verzicht auf manche dieser
Möglichkeiten ausdrücken können. “
(Merks, Von der Sexual- zur Beziehungsethik (2011), 32)
Sexualmoral vs. Beziehungsethik
„Die Ausdrucksweisen der vollen körperlichen Hingabe in der Ehe
sind mannigfaltig. Die Eheleute müssen die Formen suchen, die ihrer
konkreten Lebenssituation und ihrer körperlichen und seelischen
Befindlichkeit angemessen sind. Für die Gestaltung und Ausformung
der sexuellen Beziehungen können alle jene natürlichen Handlungen
als gut und richtig angesehen werden, die der Eigenart der beiden
Partner entsprechen und in gegenseitiger Achtung, Rücksichtnahme
und Liebe geschehen. Eheliche Liebe in ihren körperlichen
Ausdrucksformen muss in Geduld miteinander gelernt werden. Das
Bemühen, einander glücklich zu machen, darf nie aufhören. “
(Gemeinsame Synode, Christlich gelebte Ehe und Familie (1976), 2.2.1.3.)
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