„Stumme Andacht, Staunen und lauter Enthusiasmus“ So urteilte einst im Mai 1801 ein begeisterter Rezensent der „Allgemeinen Musik-Zeitung“ Wien über die Uraufführung des Oratoriums „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn (1732-1809). Seit Monaten bereiten sich Chorsänger, Solisten und Orchestermusiker intensiv darauf vor, um am Sonnabend, dem 12. Juni 2010, in der St.-Bartholomaei-Kirche Demmin und tags darauf in der Malchiner Stadtkirche St. Maria und St. Johannes ein ähnliches Konzerterlebnis mit Haydns Alterswerk zu ermöglichen. Kantor Thomas K. Beck baut für dieses Sommerkonzert 2010 auf die gemeinsame Arbeit der zwei leistungsstärksten Chöre der Region, der (übergemeindlichen) Demminer Kantorei und des gemischten Chores des Musikgymnasiums Demmin. In guter Tradition konnte auch dieses Mal wieder die „Baltische Philharmonie Danzig“ für den großen Orchesterpart gewonnen werden. Joseph Haydn kommt in der Musikgeschichte eine Brückenfunktion zwischen dem Barock und der Klassik zu. Geboren wird er 1732 als Sohn eines Handwerkers in Rohrau/Niederösterreich, nahe der ungarischen Grenze. Bereits als fünfjähriges Kind wird seine hohe Musikalität entdeckt, worauf er in Hainburg an der Donau und ab 1740 am Stephansdom in Wien als Chorsänger ausgebildet wird. Neben dem Gesangsunterricht erhält er auch Unterricht in Klavier und Violine. Sein musiktheoretisches Wissen und sein kompositorisches und kapellmeisterliches Können eignet er sich im Wesentlichen im fleißigen Selbststudium an. Sein Musikdirektor korrigiert lediglich Haydns erste eigene Kompositionen. 1749 beginnt Haydn seine zehn Jahre währende Tätigkeit als „freier Musiker“, arbeitet u.a. als Diener eines italienischen Komponisten, komponiert seine ersten Streichquartette und seine erste Oper, gibt (gegen freie Kost und Logis) Klavierunterricht in Wien und landet schließlich als gräflicher Musikdirektor in der Nähe des tschechischen Plzeň. Als sein Dienstherr wegen einer Finanzkrise seine Musiker entlassen muß, erhält Joseph Haydn 1761 die Anstellung seines Lebens bei der ungarischen Familie Esterházy, einer der wohlhabendsten und einflußreichsten Fürstenfamilien Europas. Er wird zweiter und schließlich erster Kapellmeister mit einem lebenslang garantierten festen Gehalt. Als Komponist, Kammermusiker, Kapellmeister und Operndirektor hat er ein immenses Arbeitspensum (allein 100 bis 150 Konzerte jährlich!), fühlt sich aber äußerst glücklich dabei. Weniger glücklich dagegen ist seine 1760 geschlossene, zu Haydns großem Bedauern kinderlos bleibende Ehe mit Maria Anna Keller. Seine Frau wird als streitsüchtig und mit wenig Verständnis für die Musik beschrieben. Als 1790 sein großer Gönner, Fürst Nikolaus I., stirbt, macht sich Haydn selbständig, geht mehrmals nach England und läßt sich schließlich 1797 in Wien fest nieder. Als ihn ab 1802 eine Erkrankung am weiteren Komponieren und an allen öffentlichen Auftritten hindert, tröstet er sich am Klavierspiel – täglich spielt er z.B. seine 1897 entstandene „Kaiserhymne“ (die Musik unserer heutigen deutschen Nationalhymne!). Nach seinem Tod 1809 wird Haydn vorerst in Wien bestattet, 1820 dann umgebettet in die Gruft der „Haydnkirche“ Eisenberg. Zu Lebzeiten wird Haydn geschätzt wegen seiner liebenswürdigen und stets fröhlichen Art. Sein Humor schlägt sich oft auch in seiner Musik nieder (z.B. in der „Abschieds-Sinfonie“ und der „Paukenschlag-Sinfonie“ und in den vielen köstlichen Lautmalereien seiner Kompositionen). Mit diesen Lautmalereien setzt er Maßstäbe, die in der späteren Musikgeschichte immer wieder aufgegriffen werden (als Beispiele seien genannt: Bedřich Smetanas „Die Moldau“, Richard Wagners „Der Fliegende Holländer“, Rimski-Korsakows „Hummelflug“, Krzysztof Pendereckis „Lukaspassion“ und „Auschwitz-Requiem“). Haydn ist ein frommer Katholik, der oft während seines Komponierens betet und der (ähnlich wie J.S.Bach) in der Regel ein „Ehre sei Gott!“ unter seine Notenmanuskripte schreibt. Haydn hinterläßt der Nachwelt ein umfangreiches Werk: 107 Sinfonien, 24 Opern, viele geistliche Werke (14 Messen und 6 Oratorien), 35 Solokonzerte, 83 Streichquartette, 52 Klaviersonaten und weitere Kammer- und Vokalmusik. In seinem genialen Alterswerk „Die Jahreszeiten“ besingt Joseph Haydn den Jahreslauf, beginnend mit dem Frühlingserwachen in der Natur – wetteifernd zwischen den drei Solisten („Hanne“ [Sopran] und „Lucas“ [Tenor] – zwei lebenslustige junge Leute, sowie „Simon“ [Baß] – ein Vater/Großvater mit viel Lebensweisheit), dem vier- bis achtstimmigen Chor und dem großen Orchester. Dann folgen farbige „musikalische Bilder“ von Sonnenschein und Unwetter im Sommer; von Erntefreude, Weinausschank, Reigentanz und Jagdvergnügen im Herbst; schließlich von Novembernebel, Spinnstube und Wintereinbruch. Zwischendurch wird immer wieder die Güte Gottes, des Schöpfers und Erhalters, besungen. Das Oratorium schließt mit einem innigen Gebet um das Geleit durch Gottes gnädige Hand bis hin zum Anbruch des „großen Morgen“ (der Ewigkeit). Wir wünschen allen Konzertbesuchern einen erlebnisreichen Konzertabend! Pfarrer i.R. Klaus Vogt, Demmin