16 Berlin-Kultur Sonnabend/Sonntag, 10./11. September 2016 u neues deutschland * Kunstauktion für Flüchtlinge und Migranten Die Evangelische Kirche in Berlin veranstaltet erneut eine Kunstauktion zugunsten von Migrantenund Flüchtlingsprojekten. Rund 130 der insgesamt 633 dafür gespendeten Kunstwerke können vom 12. September bis zum 12. Oktober in einer Ausstellung im Evangelischen Zentrum in Berlin besichtigt werden, kündigte die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz an. Zu sehen sei vorwiegend zeitgenössische Malerei und Grafik, darunter Werke von Kani Alavi, Elvira Bach, Achim Freyer, Johannes Grützke, Horst Janssen und Peter Berndt. Eröffnet wird die Ausstellung von dem Berliner Landesbischof Markus Dröge. Die präsentierten Kunstwerke werden am 16. Oktober bei der 21. Kunstauktion in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche versteigert. Schirmherren sind der deutsche Regisseur, Bühnenbildner und Maler Achim Freyer sowie Bischof Dröge. Ein Katalog für die Auktion und eine Liste der Kunstwerke für den Galerieverkauf ist ab Ende September erhältlich. Der Gesamterlös der Auktion kommt nach Angaben der evangelischen Kirche Projekten für Migranten und Flüchtlinge zugute, die von der evangelischen Landeskirche getragen oder unterstützt werden. Die letzte Auktion im Oktober 2015 erbrachte rund 33 000 Euro. Weitere 5000 Euro kamen durch einen Galerieverkauf zusammen. Die bisher 20 Auktionen seit 1996 erbrachten bislang einen Gesamterlös von knapp 640 000 Euro. epd/nd Historischer Blick auf die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße, um 1935 Foto: Abraham Pisarek Stolz und selbstbewusst mittenmang Die Neue Synagoge lädt zu ihrem 150. Geburtstag die Berliner und ihre Gäste zum gemeinsamen Feiern ein »Harold und Maude« mit Hallervorden Das Schlosspark Theater von Dieter Hallervorden bringt im November die Schwarze Komödie »Harold und Maude« auf die Bühne. Die Hauptrollen spielen Anita Kupsch (76) und Hallervordens 17jähriger Sohn Johannes, wie Theaterleiterin Evangelia Sonntag bei der Vorstellung der neuen Spielzeit ankündigte. Die Produktion nach der Erfolgsgeschichte von Colin Higgins über die ungewöhnliche Liebe zwischen einer exzentrischen, lebensfrohen alten Dame und einem introvertierten, von Beerdigungen und Friedhöfen faszinierten jungen Mann, entsteht in Zusammenarbeit mit der Komödie am Marquardt in Stuttgart. Insgesamt plant das Privattheater in der neuen Saison sechs Eigenproduktionen, die mit jeweils 40 Vorstellungen angesetzt sind. Zum Auftakt gibt es am 11. September die Uraufführung des Musicaldramas »Doris Day – Day by Day« mit Angelika Milster in der Hauptrolle. Marion Kracht wird in der Komödie »Einfach tierisch« von Jean Robert-Charrier erstmals am Schlosspark Theater zu sehen sein. Weitere Premieren im Frühjahr 2017 sind »Minna von Barnhelm«, »Oliver 2.0.« und »Funny Money«. Hallervorden nahm nach Angaben des Theaters wegen Dreharbeiten nicht an der Programmvorstellung teil. dpa/nd Von Karlen Vesper »Tuet auf die Pforten«, lautet die hebräische Inschrift über den Portalen der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße. Ein Ausspruch mit Anspruch. Die Juden Berlins verstanden und verstehen sich als der deutschen Gesellschaft zugehörig und zugleich weltoffen und tolerant. 150 Jahre hat die Neue Synagoge auf dem Buckel. Man sieht es ihr nicht an. Stolz und selbstbewusst, wuchtig und grazil zugleich, mit ihrer weithin strahlenden goldenen Kuppel ist sie die schönste Synagoge Deutschlands. Und zu Recht der Stolz der Jüdischen Gemeinde Berlins. Über Jahrzehnte indes bot sie einen traurigen Anblick. Es barmte einen, als man in den frühen 1980er Jahren auf dem Weg von der Studentenbude zur Humboldt-Universität täglich an ihr vorbeikam: eine traurige Ruine, gottund menschenverlassen. Aus Mauerritzen wucherte Unkraut, im Sommer lugten Gänseblümchen keck hervor. Das geschundene, enthauptete Bauwerk war einige Schritte lang vertrauter Wegbegleiter, der zu stillem Zwiegespräch einlud (»Hallo, altes Haus ...«) Eine Verneigung vor einem ehrwürdigen Zeitzeugen. Gern wäre man eingetreten. Jedoch: Betreten verboten. Einsturzgefahr. Im November 1943 ist die Synagoge Opfer eines alliierten Bombenangriffs auf die faschistische Reichshauptstadt geworden. Das bekannte Foto mit dem brennenden Gotteshaus ist damals aufgenommen worden. Und nicht, wie lange Zeit und teils noch heute in Medien suggeriert wird, in der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938. Zwar drang in jener Nacht wütender Mob auch in das Gotteshaus in der Oranienburger Straße ein, um sich auszutoben, sinnlose Zerstörung zu hinterlassen. SAMänner zündelten im Eingangsportal. Doch das Feuer konnte gelöscht werden. Dank beherzten Einschreitens des Polizeioberleutnants Wilhelm Krützfeld. So blieb der Neuen Synagoge in Berlin das Schicksal ihrer Schwestern in anderen deutschen Städten erspart, die in der »Reichskristallnacht«, wie die NS-Propaganda euphemistisch tönte, bis auf die Grundmauern niedergebrannt sind. Der mutige Reviervorsteher wurde von den Nazis abgestraft, versetzt und vor seiner Zeit pensioniert. Am 30. März 1940 fand in der Neuen Synagoge der letzte Gottesdienst statt. Die Neue Synagoge war steingewordener Ausdruck eines Mitte des 19. Jahrhunderts gestärkten Selbstvertrauens in Folge einer seit dem preußischen Judenedikt von 1812 sukzessiv zunehmenden, Zuversicht nährenden Emanzipation und Assimilation. Die Jüdischen Gemeinde Berlins erstarkte zahlenmäßig, die Große (Alte) Synagoge in der Heidereutergasse war alsbald zu klein für die wachsende Schar der Gläubigen. Auch ein Aus- und Umbau durch Eduard Knoblauch genügte schließlich nicht mehr dem regen Zuspruch. Der renommierte Architekt (nicht mosaischen Glaubens) wurde daher mit dem Bau einer neuen Synagoge beauftragt, die den »veränderten Verhältnissen, der Größe, der Bedeutung und dem Reichthum der Jüdischen Gemeinde Berlins« entsprechen sollte. Am 17. Mai 1859 erfolgte der erste Spatenstich. Zwei Jahre später wurde Richtfest gefeiert. Und am 5. September 1866 war es so weit. Das neue Gotteshaus wurde feierlich in Anwesenheit der städtischen Hono- ratoren, weltlicher und geistlicher, einschließlich des preußischen Potentatenpaars eingeweiht. Die Neue Synagoge war in einem von Juden seit Alters her dicht besiedelten Stadtteil erstanden, umringt von zahlreichen und vielfältigsten jüdischen Einrichtungen. Die Hauptstädter bewunderten den maurischen Baustil des imposanten Sakralbaus, für dessen Vollendung nach dem Tod von Knoblauch 1865 Friedrich August Stüler verantwortlich zeichnete. Orientalisches Ambiente, exotischer Habitus war dazumal schwer angesagt. Das prachtvolle, »Wir wollen mittenmang sein. Wir wollen uns einmischen, wir wollen zeigen, dass jüdisches Leben trotz aller Widrigkeiten möglich ist.« reich verzierte Gebäude, vor allem die hoch in den Himmel ragende, vom Davidstern gekrönte Goldkuppel empfanden nur eingefleischte Antisemiten als provokant. Die kriegsbeschädigte Kuppel wurde in den 1950er Jahren – aus Sicherheitsgründen – zum Einsturz gebracht. In den 1960er Jahren bat die kleine Ostberliner Gemeinde die DDR-Regierung, »das Gotteshaus als Erinnerung und Mahnung für alle Zeiten zu erhalten« und ein jüdisches Museum zu errichten. Es mussten jedoch noch zwei Dezennien verstreichen, ehe der Wunsch in Erfüllung ging. Im Juli 1988 wurde die Stif- tung »Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum« ins Leben gerufen. Und am 9. November 1988, ein halbes Jahrhundert nach dem Novemberpogrom, im Beisein von Erich Honecker symbolisch der Grundstein gelegt. Am gleichen Tag, als »Neues Deutschland« darüber auf Seite 1 und umlaufend berichtete, vermeldete das Organ des Zentralkomitees der SED auch einen Skandal in Bonn: Bundestagspräsident Philipp Jenninger hatte sich in seiner Rede zum Jahrestag des Pogroms in die Gefühlslage der Täter, Mittäter und Mitläufer unterm Hakenkreuz zu versetzen versucht, dabei Nazijargon nutzend. Am 11. November 1988 informierte ND außerdem ausführlich über die Konstituierung eines Internationalen Kuratoriums zur Förderung des Wiederaufbaus der Neuen Synagoge, mit Siegmund Rotstein an der Spitze, der als Kind das faschistische Konzentrationslager Theresienstadt erlitt. Inzwischen hat der Gründungsdirektor der Stiftung »Neuen Synagoge Berlin – Centrum Judaicum«, Hermann Simon, Sohn von Shoah-Überlebenden, das Haus in der Oranienburger Straße in eine erste Adresse, eine international renommierte Begegnungs-, Kultur- und Forschungsstätte verwandelt. Die bis dato über 80 dort gezeigten Ausstellungen wurden von mehr als drei Millionen Menschen aus In- und Ausland besucht. Im vergangenen Jahr legte der Historiker und Herausgeber u. a. der Publikationsreihen »Jüdische Miniaturen« und »Jüdische Memoiren« legte die Leitung der Stiftung in die Hände von Anja Siegemund. Selbstredend war Simon am vergangenen Montag dabei, als 150 Jahre Neue Synagoge mit der Eröffnung einer neuen Exposition – »mit- tenmang und tolerant« – begangen wurde. Die Tafeln vor den Portalen vermitteln einen knappen historischen Abriss bis in die Jetztzeit. »Wir wollen mittenmang sein«, erklärte Simon. »Wir wollen uns einmischen, wir wollen zeigen, dass jüdisches Leben trotz aller Widrigkeiten möglich ist.« Der akribische Chronist wusste an diesem strahlend schönen Spätsommermontag zudem mitzuteilen, dass es anno domini 1866 heftig regnete und hagelte. Das ungemütliche Wetter habe die Erhabenheit des Augenblicks, die feierliche Weihung der Neuen Synagoge jedoch nicht trüben können. Mittenmang und tolerant heißt auch, nicht einsam und allein zu feiern. Gemäß der Inschrift »Tuet auf die Pforten« lädt die Stiftung an diesem Sonntag die Berliner und ihre Gäste zu einem ganztägigen Fest ein, im Rahmen des Tages des offenen Denkmals. Und am Tag der Mahnung und Erinnerung. Geboten werden synagogale Musik von einst bis heute, interpretiert von Solisten und Chören aus Berlin und London sowie dem Abraham Geiger Kolleg. Es gibt Lesungen und Filmvorführungen (»Im Himmel, unter der Erde«; »Oma & Bella«; »Rabbi Wolff«). Erstmals gezeigt werden Dokumentaraufnahmen von der Ruine der Neuen Synagoge aus dem Jahr 1986. Kindern und Erwachsenen wird Rabbinerin Gesa Ederberg Fragen zur jüdischen Geschichte, Religion und Kultur beantworten. Der rote Teppich ist seit Montag ausgerollt. Neue Synagoge, Oranienburger Str. 2830, Mitte, 10 bis 20 Uhr, Eintritt frei; Zeit für Sicherheitskontrollen ist einzuplanen, es wird gebeten, keine großen Gepäckstücke mitbringen. Mozart: »Haffner-Sinfonie«* Kendlinger: Cellokonzert »Unser Vater« Beethoven: »Eroica« 12. K&K SINFONIEKONZERT WIENER KLASSIK KENDLINGER 119978 ANZEIGE Vaterohn &S K&K Philharmoniker Dirigat: Matthias G. Kendlinger, *Max Kendlinger Cellist: Friedrich Kleinhapl 17. 10. 2016 · KONZERTHAUS BERLIN ✆ 030/3 40 60 67 82 www.dacapo.at