Kapitalismuskritik als Ideologiekritik: Von Nils Goldschmidt

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Kapitalismuskritik als Ideologiekritik:
Der Freiburger Ansatz des „Ordo-Kapitalismus“ als
sozialwissenschaftliche Alternative zum Laissez-Faire-Approach
Von Nils Goldschmidt# / Bernhard Neumärker##
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Universität der Bundeswehr München
Abert-Ludwigs-Universität Freiburg
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1. Einleitung
In seinen Vorlesungen zur „Geschichte der Gouvernementalität“, die Michel
Foucault 1978/79 am College de France hielt und die seit 2004 ediert vorliegen, setzte sich der französische Philosoph eingehend mit dem deutschen Ordoliberalismus auseinander. So erstaunlich die Tatsache, dass ein französischer, eher linker Intellektueller sich mit den Ideen der Freiburger Schule um
Walter Eucken auseinandersetzt, bereits für sich genommen ist, umso mehr
überrascht die positive Rezeption, die Foucault dabei dem Ordoliberalismus
zukommen lässt. In folgender Weise qualifiziert Foucault das kritische Potential des ordoliberalen Ansatzes gegenüber früheren liberalen Ansätzen:
„[D]ie Ordoliberalen [brechen] mit der Tradition des Liberalismus des 18.
und 19. Jahrhunderts. Sie sagen: Aus dem Prinzip des Wettbewerbs als Organisationsform kann man nicht und soll man nicht das Laissez-faire ableiten. Warum? Weil, so sagen sie, wenn man aus der Marktwirtschaft das
Prinzip des Laissez-faire ableitet, man im Grunde in etwas gefangen ist,
das man ‚naturalistische Naivität‘ nennen könnte, d.h., daß man der Meinung ist, daß der Markt … auf jeden Fall eine natürliche Gegebenheit ist,
etwas, das sich spontan ereignet und der Staat insoweit achten muß, als es
sich um eine natürliche Gegebenheit handelt.“ (Foucault 2004, 172)
Ist in dieser Interpretation des Freiburger Denkens1 der Markt aber keine natürliche Gegebenheit, dann kommt auch dem Staat eine andere Aufgabe zu.
An die Stelle des „Nachtwächterstaates“ des Laissez-faire rückt der Staat als
notwendiger Akteur eines wettbewerblichen, marktwirtschaftlichen Systems:
„Er [der Markt, N.G./B.N.] kann nur das Ergebnis einer langen Bemühung
sein, und eigentlich wird der reine Wettbewerb niemals erreicht. … Der
1
Siehe hierzu Goldschmidt / Rauchenschwandtner (2007).
2
Wettbewerb ist also ein geschichtliches Ziel der Regierungskunst und keine
Naturgegebenheit, die es zu beachten gelte.“ (Foucault 2004, 173) Folgt man
Foucault, so ist somit der Ordoliberalismus2 sowohl aufgrund seiner Distanz
zu einer naiven naturalistischen und rein marktliberalen Position als auch
wegen seines anderen Staatsverständnisses hervorzuheben. In dieser doppelten Neuausrichtung des Liberalismus ist für Foucault die Freiburger Schule
nicht lediglich eine mögliche Variante des Liberalismus unter vielen, sondern
bedeutet „die Neuausarbeitung einer Reihe von grundlegenden Elementen in
der liberalen Doktrin“ (Foucault 2004, 149).
Die Kritik am Liberalismus des Laissez-faire gleichwie die Ausrichtung
auf die besondere Rolle des Staates als Regelsetzer für Markt und Wettbewerb im Rahmen einer Wirtschaftsverfassung sind freilich bekannte und oft
beschriebene Elemente des ordoliberalen Ansatzes. Der „Clou“ der Foucaultschen Überlegungen liegt in einem anderen Punkt. Foucault macht deutlich,
dass der Staat im Sinne der ordoliberalen Tradition selbst auf eine andere,
funktionale Basis der Legitimation gestellt wird. Der Staat ist nicht aufgrund
bestimmter Überzeugungen oder Werte („Ideologien“) aus sich heraus legitimiert, sondern nur durch seine funktionale, wiewohl notwendige Rolle für
Markt und Gesellschaft. In paralleler Weise wie der Markt in ordoliberaler
Sicht nicht als ein natürliches Ereignis, sondern als eine „staatliche Veranstaltung“ (z.B. Miksch 1947, 11) zu verstehen ist, so ist der Staat nicht aufgrund einer bestimmten Wertegemeinschaft o.ä. legitimiert, sondern wegen
der notwendigen Funktion für die Errichtung und Erhaltung wettbewerblicher
Strukturen: Kapitalismus und moderner Staat sind historisch wie systematisch als komplementär zu begreifen.
In diesem Verständnis liegt das ideologiekritische Potential des Ordoliberalismus bis heute: Einer anspruchsvollen Gesellschafts- wie Wirtschaftstheorie und -politik kann es nicht um die Zustimmung oder Ablehnung des
Marktes per se gehen, sondern um die Aufklärung der Verknüpfungen zwischen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen und (realen) Möglichkeiten der Gestaltung. „Der Markt“ ist nicht ein unausweichliches „Schicksal“, das es vorbehaltlos anzuerkennen (im Sinne des „laissezfaire“) oder zu bekämpfen gilt („Sozialismus“), sondern marktliche Strukturen sind bedingte Strukturen in dem Sinne, dass sie an gesellschaftliche Vorgaben geknüpft und deshalb (zumindest begrenzt) gestaltbar sind. Eine solche, integrative Perspektive auf Markt und Staat, die sich als Ordnung des
Marktes durch den Staat und in gleicher Weise auch als Ordnung des Staates
durch den Markt begreifen lässt, verdeutlicht die Bedeutung des Ordolibera2
Eine umfassende Charakterisierung der Freiburger Schule respektive des Ordoliberalismus kann hier nicht erfolgen. Siehe hierzu Goldschmidt / Wohlgemuth (2008).
3
lismus für die gesamte Wirtschaftsordnung. Es geht nicht nur um eine Akzentverschiebung im Verständnis des Liberalismus, sondern um die Ordnung
moderner, kapitalistischer Gesellschaften insgesamt: es geht um einen „OrdoKapitalismus“.3
Im Folgenden soll zunächst das Konzept des „Ordo-Kapitalismus“ näher
umschrieben werden. Als grundlegendes Merkmal lässt sich dabei seine ideologiekritische und so gegenüber gesellschaftlichen Interessengruppen neutrale Ausrichtung hervorheben (Abschnitt 2). Damit einher geht eine integrative
Gesellschaftspolitik, die weder einem Dualismus „Markt – Staat“ noch einem
Gegenüber von Wirtschafts- und Sozialpolitik das Wort redet, sondern versucht, die jeweiligen Spannungsfelder durch eine aufgeklärte, an den Interessen der Bürger ausgerichtete Gesellschaftsordnung zu überwinden (Abschnitt
3). Vor diesem Hintergrund lassen sich dann die in der öffentlichen Diskussion gleichwie in anderen sozialwissenschaftlichen Konzepten erkennbaren
Tendenzen sowohl zu einer „Privatisierung“ sozialer Belange als auch zu einer „Politisierung“ marktlicher Prozesse als verfehlt aufweisen (Abschnitt 4).
Der Beitrag schließt inhaltlich mit einem Versuch, andere sozialwissenschaftliche Konzepte anhand der ordokapitalistischen Position zu gruppieren (Abschnitt 5).
2. Realität statt Hypostasierung: Wider die Ideologisierung
Die sorgfältige sozialwissenschaftliche Analyse, mit dem Ziel, politische, gesellschaftliche und ökonomische Strukturen aufzudecken, steht einer unkritischen, d.h. unreflektierten, letztlich ideologischen Rechtfertigung von Markt
und Staat gegenüber. Diese Kritik an einer ideologischen Markt- wie Gesellschaftsapologie kann man – ganz im Sinne der Foucaultschen Interpretation –
im Werk Euckens selbst finden. Schon in seinem Aufsatz „Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus“ von 1932 sieht Eucken in
der Ideologisierung gesellschaftlicher Prozesse den wesentlichen Grund für
den offensichtlichen Niedergang der Weimarer Republik:
„Große historische Prozesse sind stets von Ideologien begleitet, die sie als
gut und sinnvoll zu erweisen suchen. … Mit diesen Ideologien hat es nun
aber eine eigentümliche Bewandtnis. Sie bejahen und befürworten nämlich
Bewegungen, die genau das Gegenteil von dem erreichen, was die Ideolo3
Vor dem Hintergrund der wirtschaftspolitischen Debatten seiner Zeit hat Eucken in
seinen späteren Schriften den Begriff „Kapitalismus“ abgelehnt (s.u.). Mit dem Zusatz „Ordo“ wollen wir – ganz im Sinne Euckens – dem Freiburger Verständnis von
Kapitalismus eine klare Bestimmung geben.
4
gien von ihnen erhoffen. … Auch die Zerstörung des liberalen Staates …
ist von Ideologien begleitet, die sie bejahen und zu befördern suchen, interventionistische Ideologien … als Zeitsymptome und Reflex der seelischen, geistigen, politischen und wirtschaftlichen Lage Deutschlands.“
(Eucken 1932, 319)
Diese interventionistische Ideologisierung, die – paradoxerweise – gerade
durch diese ungezügelte Ausdehnung der Staatstätigkeit und der damit einhergehenden Anfälligkeit für Sonderinteressen zu einer Schwächung des
staatlichen Autorität führt (in analoger Weise führt die marktliberale Ideologisierung des Laissez-faire zu einer Schwächung des Marktes), beruht letztlich auf der Vorstellung, dass es einen bestimmten Gedanken, eine bestimmte
Idee als gesellschaftliches Ideal zu verteidigen gebe, der geradezu mystische
Kräfte beigelegt werden, wie Eucken zwei Jahre später in seiner methodologisch wohl wichtigsten Abhandlung „Was leistet die nationalökonomische
Theorie?“, verfasst als Vorrede zu den „Kapitaltheoretischen Untersuchungen“, ausführt:
„Nicht selten werden Begriffe personifiziert, zu gestaltenden Kräften umgedeutet und aus deren Wirken das Zustandekommen konkreter Erscheinungen erklärt. … Häufig wird auch von dem Verwertungsstreben des Kapitals oder von dem Wirken des Imperialismus gesprochen. Ist in allen solchen Fällen nur eine sprachliche Abkürzung beabsichtigt, so ist dagegen
wenig zu sagen. Soll indessen durch die Personifikation des Begriffs, durch
seine Umgestaltung zu einem bewußt handelnden ‚Wesen‘, das bestimmte
Eigenschaft besitzt, eine Erklärung konkreter Erscheinungen versucht werden, dann verwandelt sich der Empirismus in Mystizismus.“ (Eucken
1934/1954, 49f.)
Diesen Prozess der Ideologisierung bzw. Verdinglichung eines allgemeinen
Begriffs zur treibenden Kraft gesellschaftlichen Handelns bezeichnet Eucken
(1940/1989, 62) als „Hypostasierung“, die durchaus charakteristisch für den
Kapitalismus selbst ist: „Man glaubt mit … Schilderungen von Taten des
‚Kapitalismus‘ modern zu sein und ist in Wahrheit in magischen Denken zurückgefallen.“ (Eucken 1940/1989, 63) Die fatale Wirkung einer solchen Hypostasierung für die sozialwissenschaftliche Analyse erscheint Eucken unausweichlich, da so das gesellschaftliche Ordnungsgefüge dem Blickfeld der
Analyse entschwindet: „Jeder legt in ihn [den Kapitalismus, N.G./B.N.] Ordnungsvorstellungen herein, die ihm persönlich passen: Anarchie aller Produktion oder Wettbewerbswirtschaft oder Laissez-faire oder Beherrschung des
wirtschaftlichen Lebens durch monopolistische Mächte oder Lenkung der
5
Wirtschaft durch einen von anonymen Kräften beherrschten Wirtschaftsstaat.“ (Eucken 1940/1989, 64) Auf diese Weise ist aber kaum noch eine Erfassung der tatsächlichen Geschehnisse zu erreichen.
Hiergegen fordert Eucken die nüchterne sozialwissenschaftliche Untersuchung, die bei der sorgfältigen Durchdringung der historischen Gegebenheiten zu beginnen hat: „Es fehlt der Sinn für geschichtliche Tatsachen, es fehlt
das strenge ökonomische Denken.“ (Eucken 1932, 321) In gleicher Weise
fordern im „Gründungmanifest“ der Freiburger Schule (dem unter dem Titel
„Unsere Aufgabe“ verfassten Prolog zu der 1936 gemeinsam begründeten
Schriftenreihe „Die Ordnung der Wirtschaft“) Franz Böhm, Walter Eucken
und Hans Großmann-Doerth, dass gegen „den Nebel frei schwebender Ideologien hindurch ... zu den Tatbeständen und zu den Erfordernissen der Sache
selbst vorgestoßen werden“ (Böhm, Eucken, Großmann-Doerth 1936/2008,
35) müsse. Nur wenn dies gelinge, könnten Rechts- und Wirtschaftswissenschaften wieder eine prägende Rolle für die Gestaltung gesellschaftlicher
Strukturen übernehmen.
3. Integrative Gesellschaftspolitik
Vor diesem Hintergrund der Ideologiekritik wird nun nicht nur klar, warum
Eucken (wissenschaftsimmanent) eine strenge und systematische, eben ideologiefreie Ökonomik fordert, sondern auch auf welchen drei Grundpfeilern
aus ordoliberaler Sicht eine moderne Gesellschaftstheorie beruhen muss: (1)
Starker Staat, (2) starker Markt und (3) die Integration von wirtschafts- und
sozialpolitischen Aufgaben.
(1) Gegen den „interventionistischen Wirtschaftsstaat“ (Eucken 1932,
308), der in letzter Konsequenz gegenüber Privilegien- und Sonderinteressen
und deren Ideologien Schwäche zeigt und damit seine eigene Autorität untergräbt4, fordern die Freiburger einen starken Staat, der gegen die Beeinflussung durch einzelne Gruppen, eine für alle Mitglieder vorteilhafte Gesamtordnung ermöglicht. Dies meint keine „Politisierung der Wirtschaft“ (Eucken
1932, 303), sondern die Festlegung einer weniger Prinzipien, die den Regelrahmen für die freie Entfaltung der Marktkräfte zu setzen wissen: „Der Staat
hat die Formen, in denen gewirtschaftet wird, zu beeinflussen, aber er hat
nicht den Wirtschaftsprozeß selbst zu führen.“ (Eucken 1951, 72) In klassischer Form findet sich dieser Gedanke in der Idee der konstituierenden Prin-
4
„Doch der weitaus wichtigste Wesenszug staatlicher Entwicklung im 20. Jahrhundert ist die Zunahme im Umfange der Staatstätigkeit und gleichzeitige Abnahme der
staatlichen Autorität.“ (Eucken 1952/2004, 327)
6
zipien, wie sie Eucken dann in den „Grundsätzen der Wirtschaftspolitik“
ausgeführt hat.5 Es geht um die Suche nach einer gefestigten Wirtschafts- und
Gesellschaftsstruktur, die der Freiheit und Würde aller Mitglieder der Gesellschaft verpflichtet ist. Ein solcher „starker Staat“ meint keinen totalen Staat6,
der (als Zielpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung) mehr und mehr in die
Lebensbereiche seiner Bürger eingreift und sie zu lenken sucht, sondern einen wirkmächtigen Staat, der den Zwecken der Gesellschaft (als Instrument)
dienlich ist. Ein solcher wirkmächtiger Staat unterwirft die Wirtschaft klaren
und allgemeinen Ordnungsregeln, um so die soziale Funktion des marktlichen Wettbewerbs als dezentralen Koordinationsprozess gleichberechtigter
Individuen zu sichern.7
(2) Anders als in einer libertären, staatlich unbegrenzten Marktordnung
will die auf klaren Regeln beruhende Wettbewerbsordnung im Sinne der
Freiburger Tradition tatsächlich „Leistungswettbewerb“ ermöglichen – d.h.
wirtschaftlicher Erfolg beruht nicht auf wirtschaftliche Macht, politischen
Einfluss oder Manipulation, sondern auf der Leistung, die der oder die Einzelne auf dem Markt erbringt: „In der Wettbewerbsordnung kann sich der
Leistungswettbewerb entwickeln; Schädigungs- und Behinderungswettbewerb (Monopolkampf) fehlen. Die private Initiative kann sich voll entfalten,
aber sie wird durch den Wettbewerb kontrolliert.“ (Eucken 1947/2008, 147)
Nur so ist der Markt tatsächlich „stark“ und kann mittels einer effizienten Allokation von Ressourcen und Gütern sowie mittels unverzerrter Preise seine
Vorteile im Wohle der Allgemeinheit hervorbringen.
(3) Indem der Staat die Spielregeln für den Markt setzt und indem der
Markt die Funktion des Staates legitimiert und dadurch bestimmt, sind beide
notwendigerweise miteinander verknüpft und aufeinander verwiesen. Ein
Primat wirtschaftlicher Effizienz, das dem politischen Handeln vorgeordnet
wird, ist aus dieser Perspektive ebenso verfehlt, wie der Versuch, marktliches
Handeln unter eine allein politische Prämisse der (wie auch immer verstandenen) sozialen Gerechtigkeit zu stellen. Oder anders formuliert: Der integra-
5
Siehe zur Einführung Goldschmidt (2008).
6
Ein Vorwurf, der sich fälschlicherweise bis heute hält, so z.B. bei Haselbach
(1991) und Ptak (2004), siehe dagegen Goldschmidt (2005).
7
Letztlich entspricht dies der Idee der Fairness, wie sie sich bereits in der „Theory
of Moral Sentiments“ findet: „In dem Wettlauf nach Reichtum, Ehre und Avancement, da mag er rennen, so schnell er kann und jeden Nerv und jeden Muskel anspannen, um all seine Mitbewerber zu überholen. Sollte er aber einen von ihnen niederrennen oder zu Boden werfen, dann wäre es mit der Nachsicht der Zuschauer
ganz und gar zu Ende. Das wäre eine Verletzung der ehrlichen Spielregeln, die sie
nicht zulassen könnten.“ (Smith 1759/1994, 124)
7
tive Freiburger Ansatz widersetzt sich sowohl einer Politisierung, d.h. das
Feld individueller (marktlicher) Beziehungen durch staatliche Vorgaben zu
überformen, wie auch einer Privatisierung, d.h. die Tendenz soziale Belange
und gemeinsame Anliegen auf die individuelle (marktliche) Ebene zu verlagern. Vielmehr geht es um eine ideologiefreie Analyse gesellschaftlicher Bezüge, die zur Lösung sozialer Konflikte beitragen will. Markt und Wettbewerb sind dabei Mittel, dieses Ziel zu erreichen und bedürfen der politischen
Rahmung. Eindrücklich findet sich diese Zielsetzung im Vorwort des ersten
Bandes des gemeinsam von Franz Böhm und Walter Eucken herausgegebenen Jahrbuchs „Ordo“: „Unsere Forderung beschränkt sich auf die Schaffung
einer Wirtschafts- und Sozialordnung, in der wirtschaftliche Leistung und
menschenwürdige Daseinsbedingungen gleichermaßen gewährleistet sind.
Weil der Wettbewerb diesem Ziel dienstbar gemacht werden kann, das ohne
ihn sogar unerreichbar bleibt, deshalb fordern wir ihn. Er ist Mittel, nicht
letzter Zweck.“ (Ordo 1948, XI) Aus dieser gegenseitigen Verwiesenheit von
Gesellschaft, Politik und Markt folgt konzeptionell die Forderung nach einer
Integration von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die sozialen Probleme sind
für Eucken nur mittels einer „Koordination aller Teile der Wirtschaftspolitik
und der Sozialpolitik aufeinander“ (Eucken 1949, 11) lösbar. Sozialpolitik ist
nicht der Korrekturbetrieb, kein Anhängsel der Wirtschaftsordnung, sondern
ein gleichwertiger und integraler Bestandteil des gesamtgesellschaftlichen
Ordnungskonzeptes. Die Koordination der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf
der Ebene der „Spielregeln“, d.h. auf der Ebene der Wirtschaftsverfassung,
ist die entscheidende Ordnungsaufgabe. Nur auf diese Weise kann einer modernen Sozialpolitik tatsächlich zur Geltung verholfen werden. „Diese punktuelle Behandlung der Probleme muss zurücktreten. Aber nicht, weil das Anliegen der Sozialpolitik (…) nebensächlich geworden wäre. Im Gegenteil.
Weil es so vordringlich ist, muss es für das gesamte Denken über die Wirtschaftsordnung mitbestimmend sein.“ (Eucken 1952/2004, 313)8 Die Zielpunkte der jeweiligen sozialen Arrangements sind dabei von den Individuen
normativ bzw. „sozial“ zu begründen und nicht aufgrund marktlicher Effizienz legitimiert noch durch eine (unhinterfragbare) politische Ideologie vorgegeben.9
8
9
Siehe hierzu ausführlich Blümle / Goldschmidt (2004).
Siehe hierzu, auch in Abgrenzung zur Ordnungsethik von Karl Homann, ausführlich: Goldschmidt (2007).
8
4. Ordo-Kapitalismus: Weder „Privatisierung“ noch „Politisierung“
Die Grundlinien des soeben skizzierten Ordo-Kapitalismus zielen im Gegensatz zum Kapitalismus des Laissez-faire auf einen Ausgleich der verschiedenen Interessenlagen in einer Gesellschaft. Anstatt einzelnen Strömungen innerhalb einer Gesellschaft in Richtung „Privatisierung“ oder „Politisierung“
wirtschaftlicher Tätigkeiten und gesellschaftlicher Anliegen nachzugeben,
fordert die Ordnungsökonomik ein „Gleichgewicht“ zwischen Politisierungsund Privatisierungstendenzen und in diesem Sinne eine staatliche Neutralität
gegenüber einzelnen Sonderinteressen.
Die ordnungsökonomische Neutralität hinsichtlich „Privatisierung“ und
„Politisierung“ und gegenüber einzelnen gesellschaftlichen Anspruchgruppen
kann zugleich als „Prüfstein“ für andere sozialwissenschaftliche Konzepte
und Argumente dienen. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise eine Tendenz zur starken Gewichtung des Politisierungsproblems im Konzept der
Konstitutionenökonomik von James Buchanan auszumachen, das vor allem
auf eine Begrenzung des Staates in einer sozialen Ordnung zielt (vgl. Buchanan 1985 und Buchanan/Vanberg 1988). Buchanan argumentiert, dass ein
unbegrenzter Staat systematisch die Politisierung der Privatsphäre, der Sphäre des privaten Tauschs und des privatwirtschaftlichen Geschehens betreibe.
Seine positive Analyse stützt sich dabei auf plausible Beispiele wie die staatliche Erfassung und „politische“ Definition von Externalitäten, die zu einer
Internalisierungswut des Staates führe. Ebenso könne aus jeder ungleiche
Verteilung von (Markt-)Einkommen ein Korrekturbedarf durch staatliche
Umverteilungsmaßnahmen abgeleitet werden, die zum Beispiel an dem Prinzip der Gleichheit orientiert sein könnten.
Prinzipielle Effizienzprobleme und Verteilungscharakteristika marktlichen
Tausches, die zu einem entsprechenden „Marktversagen“ führen können, böten dem Staat regelmäßig Zugriffs- und Regulierungspotential, das dieser
prinzipiell auch nutze. So käme es zu einer zunehmenden Politisierung der
Privatsphäre der Bürger und der Privatwirtschaft mit immer stärkeren
Staatseingriffen (vgl. Buchanan 1985, 40 ff.). Da Buchanan keine natürliche
Barriere gegen eine solche Politisierung identifizieren kann, sondern im Gegenteil das Interesse von Gruppen, einzelnen Individuen oder staatlichen
Handlungsträgern sieht, den öffentlichen Aktionsradius ständig auszuweiten,
so dass zunehmend vormals private Handlungen zu politischen Handlungen
gemacht werden, fordert er eine geeignete Begrenzung der Staatsmacht, so
dass „Politisierungsübergriffe“ unterbleiben. In dem Zusammenhang einer
Politisierung der Märkte und privater Sphären sieht er die zentrale Bedeutung von „Politik-“ oder „Staatsversagen“.
9
Dieser Marktpolitisierung kann allerdings im Sinne von GroßmannDoerths „Selbstgeschaffenem Recht der Wirtschaft“ (vgl. dazu GroßmannDoerth 1933/2005) eine umgekehrte Tendenz moderner Staatstätigkeiten mit
einem analogen Begründungsmuster zur sozialen Ordnung gegenübergestellt
werden. Demnach bestehe die Grundproblematik gesellschaftlicher Entwicklung in einer „Privatisierung“ sozialer Belange und Anliegen. Die gesellschaftliche Ordnung und der soziale Ausgleich dienten dann lediglich als
Funktion einer kapitalistischen (Privat-)Wirtschaft. Aspekte positiver Analysen, die diese Richtung unterstützen, sind die Globalisierung als Abbauinstrument üblicher Verteilungsstrukturen mit der Folge einer kapitalgelenkten
„neuen“ Umverteilung und Umverteilungsgerechtigkeit sowie der beobachtete Abbau staatlicher Umverteilungspolitik. Immer mehr klassische Sphären
staatlicher Aktivitäten werden staatlichem Handeln auf „natürliche Weise“
oder durch entsprechenden politischen Druck entzogen. Diese Privatisierung
sozialer Belange und kollektiver Anliegen bedinge die Entwicklung einer
konstitutionellen Logik zur Begrenzung der Privatwirtschaft. Statt einer Politisierung der Märkte wird eine Privatisierung kollektiver Anliegen befürchtet.
Politisierungsprobleme führen insgesamt zu einer Schwächung der Sicht
auf den Staat, da Staatsversagen und übermäßige Politisierung im Vordergrund der zugrundeliegenden positiven Theorie stehen und das normative
Grundproblem definieren. Privatisierungstendenzen, wie sie zum Beispiel
durch den „Laissez-faire“-Ansatz begünstigt werden, können zu einer Schwächung der bürgerlichen Sicht auf den Markt und seine Eigenschaften führen,
indem gemeinsame und nur in einem kollektiven Entscheidungsverbund zu
lösenden Probleme dem Markt überlassen bleiben.
Aus normativer Sicht sind beide Ansatzpunkte jeweils verzerrt, indem
dem Politisierungsargument zumindest implizit die Überschätzung von
Marktversagenstatbeständen unterlegt ist, womit das normative Politikproblem einseitig auf Staatsversagen bezogen wird, während das Privatisierungsargument wiederum auf der Überschätzung von Staatsversagenstatbeständen basiert, so dass das politische Problem in der übermäßigen Attrahierung sozialer Belange und gemeinsamer Anliegen durch den Markt und seine
Prozesse gesehen wird. Man könnte hier zwar analog von „sozialpolitischem
Marktversagen“ sprechen, nur ist klar, dass der Marktmechanismus mit seiner Ausrichtung auf bilateralen Tausch an sich schon ungeeignet für kollektive, d.h. multilaterale Tauschakte und Verträge ist.10 Der Verzerrungseffekt
beider Seiten ist in der Regel an der häufig einseitig, nahezu ideologisch aus10
Der Markt versagt in dieser Hinsicht nicht. Vielmehr wird ihm eine Attribut zugeschrieben (hier soziale Belange und gemeinsame Anliegen), für dessen Lösung er
naturgemäß nicht zuständig ist (vgl. dazu Neumärker 1995, 12).
10
gerichteten „positiven“ Analyse und Fundierung des normativen Standpunkts
zu erkennen. Grundsätzlich können beide Effekte der „natürlichen“ Tendenz
zu Politisierung oder Privatisierung auftauchen, und es ist je nach Stärke der
Effekte in integrierender Ausglich zu suchen.
Die auf Euckens integrativer Sicht aufbauende ordo-kapitalistische Position besteht hier eindeutig in einer ausgleichenden und somit letztlich neutralen Haltung. Argumente für Politisierungs- und Privatisierungstendenzen
müssen demnach abgewogen und letztlich zu einem integrierten und neutralen Gesellschaftskonzept zusammengefügt werden, aus dem sich die entsprechenden „konstituierenden Prinzipien“ für die praktische Politikumsetzung
ergeben. Das hier entwickelte ordo-kapitalistische Konzept erweitert Euckens
Ordoliberalismus um die wirtschafts- und sozialpolitische Schlüsselfrage der
Neutralität zwischen Privatisierungs- und Politisierungsverzerrungen, wie sie
auch in weiteren wirtschafts- und sozialpolitischen Grundkonzeptionen kapitalistischer Prägung aufzufinden sind.
5. Ordo-Kapitalismus im Feld der Grundkonzeptionen von Wirtschaftsund Sozialpolitik
Das Konzept des Freiburger Ordokapitalismus ist charakterisiert durch eine
Integration von Wirtschafts- und Sozialpolitik und einer Enthaltsamkeit in
der normativen Dominanz (beziehungsweise Verzerrung) einer Politisierungs- und Privatisierungs(gegen)steuerung. Mit diesen beiden Schlüsselfragen an gesellschaftspolitische Grundkonzepte können nun unterschiedlichste
Standpunkte eingeordnet und problematisiert werden. Zur Veranschaulichung
der Einordnung verschiedenerer Konzeptionen dient nachfolgende Graphik,
in der die drei zentralen Dimensionen, auf die sich das Konzept des OrdoKapitalismus bezieht, abgebildet sind.
11
1
Desintegration (DI)
gesellschaftlicher Aufgaben
„Laissez-Faire“
„Privatization“ (PR)
1
„Freiburger Optimum“
Integrative Wirtschafts- und
Sozialpolitik
Setzung der Rahmenordnung
Interventionismus
„Politicization“ (PO)
1
Abbildung:
Spannungsfeld zwischen Privatsierungs-, Politisierungs- und Desintegrationsausrichtung von Wirtschafts- und Gesellschaftskonzeptionen
Abweichungen von Integration und Neutralität ergeben sich bei einer Desintegration von Wirtschafts- und Sozialpolitik in der analysierten Konzeption
(DI), bei einer Tendenz zur Überbetonung der „Privatisierungspolitik“ (PR)
und/oder zur Überbetonung der „Politisierungspolitik“ (PO) als jeweiliger
Gegensteuerungsmaßnahme gegen „natürliche“ oder „ideologisch formulierte“ Politisierungs- bzw. Privatisierungstendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft. Entsprechend werden einzelne Konzeptionen am Grad der Abweichung zwischen Null und Eins in jeder Dimension gemessen.
Zunächst einmal nimmt der aus der Tradition der Freiburger Schule herrührende Ordo-Kapitalismus die Position des „Freiburger Optimums“ einer
integrierten Politikgestaltung durch die entsprechende Setzung der Rahmenordnung für wirtschaftliche und gesellschaftliche Tätigkeiten und Anliegen
ein. Selbstverständlich können prinzipiell auch andere normative Gesellschafts- und Wirtschaftskonzeptionen in diesem Punkt eingeordnet werden.
Dann wäre ein weitergehender Vergleich der gegebenenfalls unterschiedlichen Ausgangspunkte, d.h. der zugrundegelegten positiven Theorien zur Erklärung wirtschaftlichen und politischen Handelens, und der Ausgestaltung
12
politischer Mittel durchzuführen, um unterschiedliche inhaltliche Aspekte der
Neutralität und Integration herausstellen zu können. Der nachstehende Vergleich verdeutlicht allerdings, dass regelmäßige Abweichungen unterschiedlichen Grades in anderen Konzeptionen festgestellt werden können, so dass
solche Erörterungen als Objekt nachfolgender Untersuchungen zurückstellbar
sind.
Dem in den ersten Abschnitten geschilderten Anspruchdenken Euckens
folgend, kann der „klassische“ Ordoliberalismus ebenfalls im Optimum angesiedelt werden. Eucken stellt zwar Fragen der Politisierung und Privatisierung hinter die Problematik der Politikintegration zurück, verdeutlicht aber
zumindest implizit in den „Grundsätzen der Wirtschaftspolitik“ die Abwägungsproblematik zwischen Staats- und Marktversagen.
Anders gelagert ist, wie gesehen, die Situation im konstitutionellen Ansatz
von Buchanan. Auch hier wird nach einer integrierten Regelsetzung gesucht,
und Buchanan (1985, 42 f.) sieht auch einen Bereich ökonomischer Aktivitäten, in dem zwischen dem Potential leistungsstaatlicher Aktivitäten und der
Begrenzung staatlicher Eingriffsmöglichkeiten auf der konstitutionellen Ebene gerungen werden muss, er betont dabei aber stets die Problematik der Politisierung, in dem er einen Minimalstaat zum Schutz von Eigentums- und
Verfügungsrechten als Grundmaßstab staatlicher Tätigkeiten annimmt.11 Somit ergibt sich eine „Verzerrung“ hin zum Primat des Privaten und der Politisierungsproblematik. Zumindest gilt hier PO > PR, auch wenn durch den Bereich zwischen Minimalstaat und eindeutiger Illegitimität staatlicher Eingriffe in rein private Tätigkeiten die Problematik der Privatisierung nicht eindeutig ausgeschlossen wird.12
Angelsächsische Libertarians mit ihrer strikten Ausrichtung am „LaissezFaire“-Ansatz haben jeglicher Staatsintervention abgeschworen und sind
nicht auf der Suche nach einer universellen Gesamtordnung von Wirtschaft
und Sozialem. Gemeinsame Anliegen werden bei Ihnen regelrecht als Politikfeld ausgeklammert. Entsprechend kann man dieser Strömung den höchsten
Desintegrationsgrad und eine extreme Verzerrung hin zu Privatisierungsorientierung und an reinem Privatismus orientierten Ordnungsbestrebungen zuordnen.
Auch die gesellschaftspolitische Konzeption von Robert Nozick (1974)
hat durch ihre eindeutige Ausrichtung am Minimalstaat mit der folgerichtigen
Abtrennung sozialpolitischer Fragen ein desintegrierendes Moment. Nozick
11
Vgl. dazu auch die ausführliche konstitutionelle Erörterung der Buchananschen
Konzepts in Neumärker (1995, 103-136).
12
Vgl. in diesem Sinne Buchanan (1985, 43).
13
betont aber im Gegensatz zur Libertarian-Strömung sozialpolitische Komponenten des Minimalstaats wie zum Beispiel die Erhaltung des sozialen Friedens durch die staatliche Durchsetzung der Eigentums- und Verfügungsrechte und der Ermöglichung marktmäßiger Transaktionen. Dies schließt (freiwillige) Umverteilung zur Abwendung sozialer Konflikte und zum Selbsschutz
des Eigentums nicht aus. Insofern ist auch eine gewisse Integrationsargumentation vorhanden. Im Rahmen des Minimalstaats besteht auch wie bei Buchanan eine eindeutige Politisierungstendenz. Da sie aber auf Sicherheits- und
Marktfunktionsfragen begrenzt ist, erscheint sie um einiges kleiner als die
Privatisierungsausrichtung in allen anderen Fragen des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens. Das bedingt auch Nozicks ideologische, da nicht endogen
abgeleitete Überzeugung, dass Sozialvertragsfragen auf prozedurale Maßnahmen im Rahmen des Minimalstaats beschränkt sein sollten. Somit folgt
hier PR » PO.
Eine vergleichbare Grundstruktur findet sich im Werk von Hayek (1960,
2003) wieder. Das desintegrierende Moment seiner Konzeption rührt von einer strikten Ablehnung des Sozialstaatsarguments her. Insbesondere gemeinsame Anliegen auf der Grundlage einer Gerechtigkeitsüberlegung erteilt er
eine Absage. Im Gegensatz zu Nozick sieht er nicht prinzipiell die Gerechtigkeitsfrage im Minimalstaatsangebot gelöst, vielmehr macht er auf politischen Missbrauch, unklare Definierbarkeit und Manipulierbarkeit sowie auf
systematische Fehlklassifikationen dominanter Gerechtigkeitsvorstellungen
aufmerksam (vgl. Hayek 1973-79/2003). Vor diesem kritischen Hintergrund
ist Hayek wenig an einer integrativen Wirtschafts- und Sozialpolitik gelegen.
Auch die Einordnung des Hayekschen Entwurfs bedingt PR > PO, nur ist der
ausrichtungs- bzw. ideologiebedingte Abstand zwischen PR und PO nicht so
groß wie in Nozicks Liberalismuskonzept.
Völlig anders gelagert ist die Situation im Rawlsianischen Ansatz sozialer
Gerechtigkeit. Einerseits drängt Rawls (1975) auf der Basis seines Urzustandsmodells mit risikoaversen Sozialvertragspartnern wirtschaftspolitische
Probleme klar hinter die sozialpolitische Dimension zurück. Andererseits
sieht er durch seine Integration ökonomischer Anreizeffekte einen zentralen
Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, die
eher eine Konzeption aus einem Guss bedingen. So kann man dem Rawlsschen Ansatz mit DI→0 die Zielsetzung vollkommener Integration bescheinigen, die dann aber in punktuelle Maßnahmen aufgelöst wird, wenn – wie in
der Wohlfahrtsökonomik üblich – das Differenzprinzip mit der Maximierung
der ökonomischen Position des am schlechtest gestellten Individuums einer
Gesellschaft als exogene Soziale Wohlfahrtsfunktion auf jede wirtschaft- und
sozialpolitische Maßnahme einzeln angewandt wird (vgl. dazu z.B. Cullis/Jones 1998, 8 f.). Schließlich folgt durch die eindeutige Dominanz des so-
14
zialen Aspekts, nämlich der Verwirklichung von Gerechtigkeit durch konsequente Anwendung des Differenzprinzips in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, eine eindeutige Tendenz zur Politisierung vieler auch rein privat durchführbarerer Tätigkeiten. Dabei wendet Rawls das Gleichheitsprinzip als „natürlichen“ Ausgangspunkt an, von dem nur zum Wohle der Ärmsten abgewichen werden darf. Eine Privatisierung öffentlicher Anliegen sieht das Gerechtigkeitskonzept folgerichtig nur vor, wenn dadurch die Vergrößerung des zu
verteilenden Kuchens auch dem schwächsten Glied der Gemeinschaft dient.
Für den eindeutigen Nachweis einer entsprechenden Wirkung werden aber
häufig die Argumente fehlen. Insgesamt gilt im Verhältnis Politisierungs- zu
Privatisierungstendenzen PO » PR→0.
Eine extreme Verstärkung der Wirkungsrichtungen der Rawlsschen Theorie erfolgt stets in einem reinen „Sozialismus“-Konzept. Solche Konstrukte
verstehen sich regelmäßig als vollständig integriert, indem Wirtschafts- und
Sozialplanung ein und dasselbe sind und in einer „integrierten“ Planaufstellung simultan vollzogen werden sollen. Da dies augenscheinlich im völligen
Widerspruch zu einer dezentralen Koordination privater Tätigkeiten steht, ist
hier die Politisierung des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens maximal. Privatisierungsverzerrungen sind naturgemäß nicht auszumachen.
Recht eng mit dem Sozialismus und der Fehlspezifikation des Differenzprinzips in einer Sozialen Wohlfahrtsfunktion verbunden ist das analytische
Konstrukt des wohlwollenden Diktators. Auch er hat auf Unsicherheit, Unwissen und fehlender Koordinationsmöglichkeiten privater Akteure beruhende Versagenstatbestände der Privatwirtschaft planerisch einzugreifen und zu
koordinieren. Dabei werden für diese wohlfahrtsökonomische „Hilfsinstitution“ in der Regel exogene Wohlfahrtsfunktionen vorgegeben, nach denen der
wohlwollende Diktator das gesellschaftliche Treiben zu optimieren hat. Generelles Ziel ist dabei ein wie auch immer spezifiziertes Wohlfahrtsoptimum.
Privatisierungstendenzen existieren nicht, da das verteilungsmäßige oder effizienzbezogene „Fehlverhalten“ der privat agierenden Akteure korrigiert
werden soll. Da der wohlwollende Diktator je nach Problem fallweise optimiert und die Optimierung an sich stets ändernde Bedingungen (Präferenzen,
Restriktionen, Vermutungen über ökonomische Abläufe und Positionen) einzelfallgerecht anpassen muss, konvergiert der Grad an Desintegration gegen
seinen Maximalwert. Das stimmt konzeptionell um so mehr, wenn man überlegt, dass sehr unterschiedliche Soziale Wohlfahrtsfunktionen wie utilitaristische oder dem Differenzprinzip verhaftete zur Beurteilung sozialer Zustände
zugrunde gelegt werden können. Eigentlich findet ein wohlwollender Diktator stets Ansatzpunkte für Eingriffe, um Externalitäten zu internalisieren oder
andere Marktversagenspotentiale zu regulieren. Der Grad an Politisierung ist
damit Eins, während kein Ansatzpunkt für Privatisierungstendenzen auszu-
15
machen ist. Jedenfalls ist klar, dass in diesem idealtypischen Staatskonzept
Politikversagen und damit ein Ansatzpunkt für Privatisierungskorrekturen
keine Rolle spielen können.
Ein ganz anderer und mit einer positiven politisch-ökonomischen Handlungsrationalität unterlegter Diktator ist der Olsonsche Autokrat, der hier dem
wohlwollenden Diktator gegenüber gestellt sei (vgl. Olson 2002 und McGuire/Olson 1996). Auf der einen Seite liegt hier Desintegration erheblichen
Ausmaßes vor, da der Diktator selbstverständlich interventionistische Ideologisierung hin zu einem Personenkult betreibt. Der Staat wird im Interesse des
Autokraten übermäßig ausgedehnt und private Aktivitäten dabei in einer die
ökonomischen Renten des Gewaltherrschers optimierenden Art und Weise
unter die Kontrolle des autokratischen Regimes gestellt. An einer Integration
von Wirtschaftspolitik und sozialen Anliegen im Sinne gemeinsamer Interessen der Bürger ist der Olsonsche Diktator prinzipiell nicht interessiert; es sei
denn, die gemeinsame Interessenslage umfasst auch seine eigenen Interessen.
Folglich muss die Desintegration nicht hundertprozentig sein. Naturgemäß
hat dieser Autokrat durch sein extremes Kontrollinteresse eine starke Neigung zur Politisierung privater Bereiche, während sein politisches Konzept
Privatisierungstendenzen nur zulässt, wenn dadurch seine eigene ökonomische Rente gesteigert und/oder seine politische Macht gesichert wird.13 Dementsprechend ist die Politisierungstendenz in einem positiven Modell diktatorischer Staatsherrschaft interessanterweise geringer als beim wohlfahrtsökonomisch-normativen Idealtyp des wohlwollenden Diktators, der sich nicht
um die Verfolgung seines „eigenen“ Interesses kümmern muss, da seine in
dieser Hinsicht irrationale Zielfunktion ausschließlich aus den Wohlfahrtspositionen anderer Gesellschaftsmitglieder gespeist wird.14
Schließlich soll hier noch auf den Nirwana-Ansatz in der Tradition der
Untersuchungen von Demsetz (1969) und De Alessi (1983) Bezug genommen werden.15 Von grundlegender Bedeutung für dieses normative Konzept
13
McGuire / Oson (1996) zeigen, dass im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess
solche Autokratien häufig temporär stabil sind, und die Herrschaftsstruktur sich
dann wegen zunehmender gemeinsamer Anliegen von Autokrat, Regierungseliten
und gemeiner Bevölkerung immer mehr zur Demokratisierung der politischen Prozesse hin entwickelt (vgl. dazu teilweise abweichend Neumärker 1997 und Neumärker 2003).
14
15
Vgl. dazu ausführlich Neumärker (1995, 28 – 39).
Vgl. dazu auch die entsprechende Methode des Institutionenvergleichs für die Privatwirtschaft in Knott / McKelvey (1999). Wittmann (1995) verwendet dieses Konzept zur Herleitung einer äußerst positiven Effizienzeinstufung öffentlicher Aktivitäten.
16
ist hier der richtige Ansatzpunkt für einen Effizienzvergleich. Im Gegensatz
zur neoklassischen Effizienzanalyse und damit im Widerspruch zur wohlfahrtsökonomischen Konzeption des wohlwollenden Diktators als neoklassischem Referenzkonzept der Staatstätigkeit, die sich vornehmlich auf ParetoEffizienz beziehen, haben die Vertreter der institutionenökonomisch geprägten Nirwana-Argumentation Bedenken gegen den Einsatz des ParetoKriteriums zur Begründung von interventionistischen Staatseingriffen. Der
Grundvorwurf ist, dass man reale Vorgänge, Handlungen und Institutionen
nicht mit dem Ideal der Pareto-Effizienz vergleichen dürfe, da politische Interventionen auf diesem Vergleichsmaßstab übermäßige Staatsaktivität bedingen würde. Vielmehr müsse man reale Aktivitäten und Institutionen mit
realisierbaren institutionellen Alternativen vergleichen, und da schneide dann
im Rahmen eines komparativen Institutionenansatzes beispielsweise der institutionell realisierbare Staat mit seinen Entscheidungsträgern deutlich
schlechter ab als der utopistische Nirwana-Ansatz des wohlwollenden Diktators. Schon die Tatsache, dass ein wenngleich wohlwollender Alleinherrscher
stets seinen eigenen Nutzen mit einkalkulieren wird, zeigt, dass der wohlfahrtsökonomische Referenzpunkt eine notwendige, d.h. realtypisch vorliegende Restriktion individuell rationalen Handelns in seinem Konzept „optimalen“ staatlichen Entscheidungsverhaltens ignoriert.16 Effizienz ist aus dieser Sicht stets beschränkte Maximierung: „On this view, a system’s solutions
are always efficient if they meet the constraints that characterise it.“ (De
Alessi 1983, 69)
Unklar ist, inwieweit die Nirwana-Sichtweise die Desintegration im Konzept des wohlwollenden Alleinherrschers aufheben kann. Da dazu keine konzeptionellen Vorstellungen im Nirwana-Ansatz erkennbar sind, wird hier
ebenfalls von maximaler Desintegration ausgegangen. Allerdings zeigt der
realitätsbezogene Institutionenvergleich, dass keine Stoßrichtung hinsichtlich
Politisierung oder Privatisierung besteht. Fallweise und damit desintegriert
muss zwischen der Vorteilhaftigkeit politischer und privater Tätigkeiten in
wirtschaftapolitischen und sozialpolitischen Anwendungsfeldern entschieden
werden. Eine Integration im Rahmen einer Ordnungssetzung entfällt, da das
16
Diese Argumentation erfolgt analog zu Demsetz’ Argumentation über die Trennung von Eigentum und Management-Kontrolle, die als ineffizient im Vergleich zur
eigentümergelenkten Firma angesehen wird. Informationsbedingte Ineffizienzen seien in der realen Welt des Alleinunternehmers ebenso vorhanden wie in der durch
asymmetrische Informationsverteilung gekennzeichneten Teilung von Eigentum und
Kontrolle. Deshalb sei „optimale“ Allein-Unternehmernschaft niemals ein geeigneter Bezugspunkt zur Effizienzmessung (vgl. Demsetz 1969, 1). Mutatis mutandis gilt
dies für den Referenzpunkt des ‚optimalen’ Staatslenkers ebenso.
17
Effizienzkriterium der reinen Wohlfahrtslehre zwar angepasst wird, aber immer noch fallweise im institutionellen Vergleich anzuwenden ist.
Der Nirvana-Vorwurf könnte nun auf den ordo-kapitalistischen Referenzpunkt selbst angewandt werden mir der Begründung, der Null-Punkt sei auch
nur eine unrealistische Idealvorstellung. Aus ordnungspolitischer Sicht kann
dem dann konzeptionell entgegnet werden, daß das „Freiburger Optimum“
kein extern begründeter Konzeptpunkt ist, sondern ein intern hergeleiteter
Zielpunkt sinnvoller Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik. Wie bereits angedeutet wurde, sind viele Konzepte durch externe Kriterien tendenziell Ideologie-behaftet. Das betrifft den Wohlwollenden Diktator, der mit externen, also
nicht aus einer endogenen ökonomischen Logik kollektiven Handelns herleitbaren, Sozialen Wohlfahrtsfunktionen arbeitet ebenso wie den Ansatz Nozicks, der normativ-exogen auf dem Standpunkt aufbaut, lediglich prozedurale Beschränkungen könnten das Gemeinwesen leiten und beschränken, während interventionistische Ergebniskorrekturen prinzipiell unerwünscht seien.
Auch Rawls ist hier letztlich zu subsumieren, da er das Gleichheitspostulat
als unumstößlichen Ausgangspunkt unterstellt, aber nicht theorieintern ableitet.
Teilweise beruht die verzerrte Logik auch auf einem wenngleich intern, so
doch einseitig entwickelten Zielpunkt. Vor allem mit Bezug auf das Spannungsfeld Privatisierung – Politisierung sind hier die Abwägungen zwischen
übermäßiger Marktattrahierung sozialer Belange und Staatsversagen nicht
ganz neutral. Dies betrifft beispielsweise das Buchanansche Konzept, in dem
die Effekte der Übertragung bzw. Auslöschung sozialer Belange durch die
Dominanz der Marktallokation vor allem in Zeiten der Globalisierung nicht
thematisiert sind. In vergleichbarer Weise tangiert diese Problematik das
staatspositivistische Konzept des Olsonschen Diktators, das soziale Belange
aufgrund der Eigeninteressen des Diktators quasi von vorneherein aus der
normativen Betrachtung herausnimmt und implizit normativ verlangt, auf die
Formulierung sozialpolitischer Belange der Gemeinschaft zu verzichten, bis
sich der Autokrat durch die normative Kraft des Faktischen, nämlich die Umsturzgefahr oder die Übereinstimmung in der Bereitstellung öffentlicher Güter zwischen Diktator und Bevölkerung,17 dazu bequemt, auch die gemeinsamen Anliegen der Bevölkerung in seine Politik einzubeziehen.18
17
Z. B. in Fragen der Landesverteidigung, die sowohl den Diktator als auch die Bevölkerung vor der Ausplünderung durch ausländische Aggressoren schützt.
18
McGuire / Olson (1996) sprechen hier vom „Encompassing Interest“.
18
Die nachfolgende Tabelle bietet nun eine komprimierte Übersicht über die
Abweichungen der besprochenen Konzeptionen vom Idealfall des „Freiburger Optimums“ (DI,PO,PR) = (0, 0, 0).
Konzept
Euckens Ordoliberalismus
Buchanans konstitutionelle Logik
Libertarians
Nozicks Mimimalstaatskonzept
Hayeks freiheitliche Verfassung
Rawls Theorie sozialer Gerechtigkeit
„Sozialismus“
Wohlwollender Diktator
Olsons Diktator
Nirwana-Ansatz
DI
0
0
1
>0
>0
→0
0
→1
>0
→1
PO
0
>0
0
>0
>0
>>0
1
1
>>0
0
PR
0
>>0
1
>>0
>>0
→0
0
0
>0
0
Tabelle:
Abweichungen gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Grundkonzepte vom
„Freiburger Optimum“ des Ordo-Kapitalismus
Häufig wird aus denjenigen Konzepten heraus, die eine eindeutige Politisierungstendenz haben, die Kapitalismuskritik am freien Treiben in der nationalen wie internationalen Privatwirtschaft entwickelt. Diese Konzepte sind aber
hinsichtlich mehrerer, nicht selten aller Dimensionen der Abweichung von
ordnungsökonomisch optimaler Konzeptionierung verzerrt und müssen entsprechend kritisch hinsichtlich ihrer „Wahrhaftigkeit“ hinterfragt werden.
Zumindest kann aus ihnen nicht zweifelsfrei auf eine integrierte und politisch
ausgewogene Erörterung staatlichen Eingriffspotentials geschlossen werden.
Selbst wenn aus dem Nirwana-Ansatz heraus argumentiert werden könnte,
das Konzept des Ordokapitalismus sei selbst eine unrealisierbare „Optimalkonzeption“, zeigt die Darstellung der zentralen Merkmale des ordokapitalistischen Ansatzes die Desintegrations- und Verzerrungsprobleme anderer
Ansätze auf.
19
6. Schlussbemerkungen
Insgesamt verdeutlicht die vorliegende Analyse anhand der kritischen Untersuchung von Einzelbeispielen gesellschaftlicher Grundkonzeptionen also die
Anforderungen an ein integratives und verzerrungsfreies Politikkonzept sowie die Begründungsmuster für Abweichungen von einer optimalen Struktur
gesellschaftspolitischer Ansätze. Aus der Sicht der Autoren ist der dem Freiburger Ordoliberalismus verbundene, hier entwickelte Gedanke des OrdoKapitalismus ein geeigneter Ansatzpunkt, der ideologie- und verzerrungsfreie
Kapitalismuskritik in einem integrierten wirtschafts- und sozialpolitischen
Analysemodell zum Gegenstand haben muss. Kapitalismus schält sich dabei
als eine ökonomische Lebensform im Rahmen der sozialen Interessen der
Gemeinschaftsmitglieder heraus. Nur aus einem entsprechend formulierten
Blickwinkel ohne Desintegration und ohne Politisierungs- oder Privatisierunsgverzerrung bei der Ableitung des Konzept- oder Zielpunkts kann Kapitalismuskritik funktionieren. In diesem Sinne ist der Freiburger OrdoKapitalismus eine überlegene sozialwissenschaftliche Alternative zum Laissez-Faire-Ansatz und auch zu vielen kapitalismus-kritischeren Konzepten.
Wenngleich hier versucht wurde, normative Grundkonzepte der Wirtschafts- und Sozialpolitik durch die drei Dimensionen Desintegration, Politisierung und Privatisierung richtungsmäßig einzuordnen, müsste man das
Ausmaß der vom „Freiburger Optimum“ des Ordo-Kapitalismus abweichenden Effekte detaillierter spezifizieren. So könnte man beispielsweise argumentieren, dass Nozick hinsichtlich seiner Privatisierungsausrichtung näher
an Eins liegt als Hayek, während sein schwaches Politisierungsargument hinter der zunächst einmal prinzipiell vorhandenen Hayekschen Offenheit für
staatlich anzugehende soziale Fragen zurückbleibt. Auch hinsichtlich der
Desintegrationsdimension würde Hayek einen näher an Null liegenden Wert
bekommen, da er stärker sie Lösung sozialer Fragen über freiheitliche Markttransaktionen sieht, während Nozick soziale Aufgaben, die über die Verteilung von Eigentums- und Verfügungsrechten hinaus gehen, offensichtlich als
irrelevant ansieht. Man könnte so durch paarweise Vergleiche die Konzepte
mit Punktverortungen im dreidimensionalen Raum weiter relativeren.
Die sorgfältige Interpretation des Werkes von Walter Eucken verdeutlicht
die Notwendigkeit einer integrierten Gesellschaftspolitik und die Abneigung
der Freiburger Tradition sowohl gegen unbegründete Politisierungs- als auch
Privatisierungsneigungen. Mit dem hier entwickelten Konzept des OrdoKapitalismus soll diesen Aspekten nicht nur Rechnung getragen, sondern der
ordoliberale Ansatz überdies konkretisiert und in einen analytisch Bezug zu
20
anderen Konzepten gestellt werden. Dies dient nicht zuletzt einer Modernisierung des ordoliberalen Wirtschaftskonzepts, da der Ordo-Kapitalismus im
Vergleich zu anderen Ansätzen zweifelsohne seinen aktuellen, permanenten
und ideologiefreien Bezug auf eine sinnvolle Beantwortung von Fragen der
Politikgestaltung und der Setzung eines geeigneten Regelrahmens herausstellt. Kapitalismuskritik ist so nur in Fällen vorliegender Kapitalismusideologien mit Privatisierungsverzerrungen zu begründen.
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