Thesenpapier – Ist unsere Verwaltung unzulässig politisiert? Vorab: Zum deutschen Beamten historisch und in der Bundesrepublik Der Beamte leistete seinen Dienst ursprünglich für den König; schon damals jedoch Auswahl nach Leistung, das Verhältnis konnte nur durch einen einseitigen Hoheitsakt aufgenommen/beendet werden. Unter Friedrich II. von Preußen Einführung des Staatsdieners, der erstmalig in einem Treueverhältnis zum Staat stand, in dessen Rahmen ihm erstmalig gewisse Rechte zugesprochen wurden (z.B. bzgl. Kündigung; Rechte und Pflichten des Staatsdieners laut Preußischem Allgemeinen Recht 1794). Aufgaben nur noch gemäß Eignung übertragen; Entwicklung des Fachbeamtentums. Grundsätze dann der Weimarer Reichsverfassung u.a.: Anstellung auf Lebenszeit, Versorgungsregelung, Unverletzlichkeit der erworbenen Rechte, Beendigung des Beamtenverhältnisses nur durch die vorgeschriebenen Bestimmungen, Verpflichtung auf die Gesamtheit des Staates statt auf eine einzelne Partei, Einsichtsrecht in Personalakten, Vereinigungsfreiheit, etc. Staatsrechtlich ist ein Beamter heute eine von einem Dienstherrn in ein öffentlichrechtliches Dienst- und Treueverhältnis berufene Person mit grundsätzlich gleichen staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten wie jeder Deutsche. Die Beamten bilden gemeinsam mit den Beschäftigten („Angestellte“/„Arbeiter“), Soldaten und Richtern den öffentlichen Dienst. Dieses besondere Verhältnis ist in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder geregelt. Für die Beamtengesetze der Länder sind durch das Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) wesentliche Bestimmungen vorgegeben. Dieses Gesetz wird zum 1. April 2009 durch das Beamtenstatusgesetz abgelöst. Regelungen im Grundgesetz in Art. 33. 1. Zum Verhältnis Politik ↔ Verwaltung - Der politische Beamte: Leitfigur im administrativen Apparat (Abteilungsleiter, Staatssekretäre, Generale…), Durch Politik gesetzt und jederzeit zu entlassen (§ 36 BBG) - Die deutsche Verwaltung…: Gewaltenteilung „Policymaking“ als „Politics“ Erbhöfe-/ Verteilungstheorie Gegensatz von Kanzler- und Ressortverwaltung Politisierung von Verwaltung auf höchster Ebene gewollt - Rolle der Verwaltung in „Politics“: Verwaltung als Weber’scher Machtapparat und eigenes Rechtssubjekt mit den Handlungsfeldern >> Rechtsvorbereitung, Kommunikation, Querkommunikation, Netzwerk, Rechtssetzung, Evaluation und Selbstkorrektur Ersatzstaat / Parlamentsersatz ??? - Anforderungen (sinngemäß) an den Beamten gemäß §33 I Beamtenstatusgesetz: Beamte sollen dem ganzen Volk dienen (nicht einer Partei) und ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht erfüllen; bei der Amtsführung ist grundsätzlich das Wohl der Allgemeinheit zu bedenken >> daraus ableitend Vorwurf der „Ämterpatronage“ (hier Unterscheidung zwischen Herrschafts- und Versorgungspatronage, vgl. u.a. M. Weber), aber dieser Vorwurf wird seinerseits kritisiert und ist durchaus zu relativieren (vgl. u.a. J. Auf dem Hövel) - Ein empirisches Beispiel (Hamburg): Die Zahl der Parteimitglieder nimmt in „oberen“ Etagen definitiv zu (Fakt); eine Politisierung der Verwaltung / Karrierevorteile durch eine solche Mitgliedschaft zu erlangen, wird jedoch von den Parteilosen deutlich kritischer gesehen als von den Mitgliedern (subjektiv). Man sollte „ab A12 in der SPD tätig sein, bis A12 in der Gewerkschaft tätig sein.“ SPD Spitzen-Beamte SPD Aufsteiger Parteilose Spitzen-Beamte Parteilose Aufsteiger Gute Leistung, Fachwissen 51,6% 61,5% 40,7% 43,3% SPDMitgliedschaft 6,4% 0,0% 14,8% 16,7% Kritik primär je nach Perspektive hinsichtlich der Frage, welche Rolle die Verwaltung im politischen System spielen sollte: Verwaltung als Garant gesellschaftlicher Stabilität (≈ für den „klassischen“ Bürokraten) ODER Verwaltung als Agent sozialen Wandels (≈ für den politischen Bürokraten) 2. Das Für und Wider einer politisierten Verwaltung… Contra… - Ämterpatronage als „Krebsgeschwür“ im Körper von Staat und Verwaltung? (empirisch allerdings nicht bewiesen) - Widerspruch zur strikten Gewaltenteilung; Verwaltung „exekutiert“ die Beschlüsse der Legislative (aber: gewandeltes Verhältnis von Verwaltung und Politik zugunsten von mehr Handlungsspielraum der Verwaltung auch positiv zu werten) - Gefährdung der Neutralität der Verwaltung aus Art. 33 V GG und § 33 I BSG - Patronage fördert die Disproportionalität der Beamten gegenüber der Gesellschaft - ggf. zu stark einseitige Prägung gerade bei „sensiblen“ Themen - der öffentliche Dienst als „Ruhekissen“ für verdiente Parteimitglieder? - insgesamt mangelnde Transparenz bei der Postenvergabe Pro… - Politisierte bringen umfassendes Verständnis von Staatsfunktionalismen mit - Verjüngung möglich - Verwaltung handelt heute politisch >> (personal-)politische Steuerung somit notwendig und demokratisch legitimierend - Politik kann Informationsvorsprung der Verwaltung nutzen, die stets näher am Bürger und am Geschehen steht - Politisierung dient der Durchsetzungsfähigkeit der gewählten Regierung (Loyalität) - bei privatisierten öffentlichen Unternehmen bleiben Steuerungsfähigkeit und Ausrichtung am Gemeinwohl besser erhalten